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Der Kampf des Nationalsosiairsmus
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Imprimatur:
G. V. 2785 München, 11. März 1946
Erzbischöfliches Ordinariat
München und Freising
Buchwieser
Gen.-V.
Alle Rechte vorbehalten.
Copyright by Verlag der Kath. Kirche Bayerns in München.
Zulassung Nr. 6 der Nachrichtenkontrolle der Militärregierung.
Druck: Val. Höfling (Dr. Valentin Mayer), München, Bayerstraße 57/59.
Auslieferung: Pfeiffers Buchhandlung, München 2, Herzogspitalstr. 5 u. Q
78374
GELEITWORT
Wer den „weltanschaulichen" Kampf der beiden letzten Jahr-
zehnte nicht in der Feuerlinie miterlebt hat, kann sich nur schwer
eine Vorstellung davon machen, mit welcher Verlogenheit und Ge-
hässigkeit der Kampf der nationalsozialistischen Bewegung und
Partei gegen die kirchlichen Stellen geführt wurde. Es ging offen-
bar nach dem Grundsatz: Den Hirten schlagen, damit die Herde
sich zerstreue! Der Verfasser der Adventpredigten weiß ein Lied
davon zu singen.
Soweit es sich um persönliche Beschimpfungen und Anrempe-
lungen handelte, konnten die Bischöfe im Geiste des Evange-
liums schweigsam sich schlagen lassen. Soweit aber die Angriffe
auf die kirchliche Glaubens- und Sittenlehre und kirchliche Ein-
richtungen abzielten und die christliche Tradition unseres Volkes
zu erschüttern drohten, durften die Wächter nicht schweigen. Frei-
lich sind die Kundgebungen der Bischöfe weit zerstreut und schwer
zu sammeln. Bischöfliche Predigten und sonstige Erlasse durften
nicht im Druck verbreitet werden, konnten nur maschinenschrift-
lich für einen kleineren Kreis von Lesern hergestellt werden. In
manchen Gegenden jwurde gegen katholische Lesestoffe seitens der
HJ eine förmliche Treibjagd veranstaltet. In den letzten Jahren
wurden katholische Büchereien beschlagnahmt und verbrannt oder
eingestampft.
Der Verfasser dieses Buches „Kreuz und Hakenkreuz" hat mit
vieler Nachtarbeit die zerstreuten Kundgebungen der Bischöfe ge-
sammelt und verbunden mit Laienstimmen der Abwehr quellen-
kritisch in diesem Buch zusammengestellt. Prälat Johann
Neuhäusler, der Verfasser dieses Buches, war selber mehr .als
vier Jahre im Lager Dachau, hat also die Kampfmethoden der
satanischen Bewegung aus nächster Nähe miterlebt und ist ohne
Zweifel der berufene Mann, der über die nun versunkene Welt
Zeugnis ablegen kann. Die kirchlichen Kreise, die Chronikschreiber
und das ganze deutsche Volk werden dem auch im Ausland an-
gesehenen Prälaten für dieses Buch dankbar bleiben. Also haben
die Bischöfe, die Sendboten der christlichen Wahrheit und Wächter
der sittlichen Ordnung, doch nicht immer geschwiegen, wenn sie
reden mußten, und nicht geschlafen, wenn sie in das Wächterhorn
stoßen mußten. Also können die Chronisten der Zeit, wenn es
ihnen überhaupt um wahre Geschichtschreibung zu ' tun ist, den
Verdrehungen und Lügen der Parteipropaganda nach authentischen
Quellen die Wahrheit entgegenstellen. Also kann man doch nicht
von einer allgemeinen Kollektivschuld sprechen, da mit den Bi-
schöfen auch einzelne Laien gegen die Ungerechtigkeit und Un-
moral und für die persönlichen Rechte gegenüber Staat und Partei
und ebenso für Elternrechte trotz aller Parteidiktatur ihre Stimme
erhoben und beispielsweise das Kreuz in der Schule verteidigt
haben.
Das Buch „Kreuz und Hakenkreuz" ist nicht auf allen Seiten
eine erquickliche und erbauliche Lesung. Es wurden da und dort
Derbheiten und Roheiten der Parteiführer und Parteipresse bei-
behalten, um die Leser des Buches mitfühlen zu lassen, in welchem
Ton der Kampf gegen alles, was uns Christen heilig ist, geführt
wurde und mit welchen Mitteln im letzten Ziel das Christentum
ausgerottet werden sollte. Es ist etwas Unheimliches um das kurze
Gedächtnis der Menschen. Nach kaum drei Jahren können sie sich
„nicht mehr erinnern". Solchen Menschen mit kurzem Gedächtnis
-mag dieses Buch die Wirklichkeit der vergangenen Jahre wieder
ins Gedächtnis rufen. Das Buch erhebt auch nicht den Anspruch,
eine lückenlose Materialsammlung zu sein. Es werden voraussicht-
lich Nachträge erfolgen. Viel wichtiger scheint, daß die Heraus-
gabe dieses Zeitbildes nach authentischen Quellen nicht länger ver-
zögert wird.
Gläubige Leser werden dieses Buch nicht aus der Hand legen,
ohne in dem Gottvertrauen zu wachsen: Der Herrgott, der das
"deutsche Volk aus diesem Abgrund von gestern errettet hat, hat
es gewiß nicht gerettet, um es i^iorgen in einem neuen Abgrund
versinken zu lassen.
Cardinal Faulhaber.
M ü n c h e n , 2L März 1946.
INHALTSVERZEICHNIS
Begleit Worte Sr. Eminenz des.H. H. Kardinals Dr. Michael Faulhaber ,
Vorwort des Verfassers
Erster Teil
Der Kampf des Nationalsozialismus
gegen die katholische Kirche
Seite
A. Die Kirch env erfolg ung im Dritten Reich —
eineTatsache ■. . . . • • H
1. Zeugen und Zeugnisse der Verfolgung ........ 12
a)' Papst Plus XI. . . * • • • 12
b) Der deutsche Episkopat ........... 14
,c). Eine Dokumentensammlung . ... . •: •. . . 15
d) Ein Zeuge aus dem Feindeslager ... . * . . . . . 17
2. Träger, Mittel und System der Verfolgung . ..... . 17
3. Hauptzielpunkte der Verfolgung 22
a) Kampf gegen das Papsttum . « . . 22
■hy Kampf gegen die Bischöfe , , . . 27
c) Kampf gegen den gesamten Klerus . : .... . 38
B. FesselnfürdieKircheGottes . . . .. . . -. 41
1. Fesseln für das Wort Gottes ... ^ ....... . 44
2. Fesseln für den Gottesdienst ........... 61
3. Fesseln für die Seelsorge 73
4. Fesseln für die kirchliche Schultätigkeit 87
a) Kampf gegen die BekeHntnisschule . 88
b) Kampf gegen klösterliche Lehrkräfte und Kloster-
schulen 100
c) Kampf gegen Theologische Hochschulen 104
d) Kampf gegen den Religionsunterricht .... ^ . 105
e) Kampf gegen religiöse Mitarbeit der Lehrer . . . 109
f) Kampf gegen religiöse Lehrmittel w . 110
g) Kampf gegen Schulgebet und Schulkreuz .... 115
5. Fesseln für die katholischen Orden ..... w .. 122
a) Devisenprozesse . » . 127
b) Sittlichkeitsprozesse ,.,.;,.. 133
1) Neue Methoden der Untersuchung 136
2) Tendenziöse Darstellungen und Entstellungen . .137
5
Seite
3) Erwiesene Erfindungen 139
4) Übertreibungen .- 140
5) Verallgemeinerungen 141
6) Einseitigkeit «... 1 142
7) Heuchelei . i . . . . 143
c) Wirtschaftliche Erdrosselung der Orden 145
d) Klosterentvölkerung 146
e) Klosterraub ..... i . 148
f) Eaub von Almosen, Meßstipendien, Kelchen ... 156
g) Klosterraub in Luxemburg und Lothringen .... 156
h) Klosterraub im Elsaß 157
6. Fesseln für die katholischen Vereine s ...... 165
A. Kampf der HJ gegen die katholische Jugend . . 165
B. Kampf gegen alle katholischen Vereine . 188
7. Fesseln für dais kirchliche Schrifttum ..... v . 198
A. Fesseln werden geschmiedet ♦»...•.... 198
B. Fesseln werden angelegt .. i i, ..... ^ 216
8. Fesseln für die wirtschaftliche, Entwicklung der Kirche . 238
C. AntichristohneFesseln » . . 248
1. Antichrists Wüten gegen das Christentum 249
A, Abschied dem alten Gott . . . , , . , 249
B. Der Theologe der deutschen Heiden . » . . 257
2. Antichrists Wüten gegen Heiliges ... i .... i 289
3. Antichrists Wüten gegen das „unwerte Leben" . . . 307
4. Antichrists Wüten gegen das Judentum ...... 316
5. Antichrists Wüten gegen katholische Priester . * » •. 330
6. Antichrists Wüten gegen eine Hochburg katholischen
Glaubens und Lebens 350
D. Antichrists Geheimwaffenschmiede « » . -. 357
1. Geheimanweisung des Reichsleiters Borniann ... * 358
2. Eine der vielen Geheimanweisungen der Gestapo . -. 360
W e 1 1 n o t o r i s c h » < $ . . s » . . . . • i < < -i ■, 383
Richtigstellungen!
Vor die Titel Seite l45, 146, 148 sind statt der Zahlen IV, V, VI die
Buchstaben c, d, e zu setzen,
Namen- und Sachregister folgen im 2. Band.
6
VORWORT
„Stückwerk ist unser Erkennen". Dieses Paulus-
wort (1. Cor. 13,9) kam mir in den Sinn, als ich noch in den letzten
Wochen der Gefangenschaft die ersten Zeilen dieies Buches zu
schreiben begann. Es blieb in meinem Bewußtsein bis zur letzten
Zeile, mochte auch der Stoff im Laufe der Zeit mächtig an-
schwellen. Ich wußte: es bleiben trbtz alles Suchens, Sammeins
und Findens in den meisten Punkten noch große Lücken. Solche
waren ja schon in meiner eigenen Materialiensammlung durch
Kriegseinwirkungen entstanden, ebenso bei Mitbrüdem und Mit-
kämpfern, die seit Jahren wertvolle Dokumente sorgfältig auf-
bewahrt imd geordnet hatten. Eine große Lücke bedeutete es so-
dann, daß ich viereindrittel Jahre in Schutzhaft und Konzen-
trationslager war und so eine lange Spanne Zeit den Kampf zwi-
schen Nationalsozialismus und Kirche nicht mehr unmittelbar er-
lebte und mitmachte. Auch in anderen Diözesen sind viele Auf-
zeichnungen und Archivalien durch Bomben, Brand und Beschlag-
nahmen zugrundegegangen. Der mehr oder minder große Rest ist
bei den derzeitigen Verwahrungsschwierigkeiten und Verkehrs- und
Postverhältnissen noch nicht erreichbar. So mußte es zur Zeit bei
einer Schau aus einem bloßen Winkel Deutschlands, aus einer
kleinen Ecke des Kampffeldes bleiben. Zu alldem fehlte bei der
vielseitigen anderweitigen beruflichen Ansj^annung die Zeit und
Ruhe zur gründlichen Verarbeitung des Materials.
Anderseits mehrten und verstärkten sich von allen Seiten die
Bitten und Aufforderungen, doch möglichst bald eine Darstellung
des nationalsozialistischen Kampfes gegen die Kirche und ins-
besondere des in In- und Ausland noch so wenig bekannten und
noch weniger gewürdigten kirchlichen Widerstandes zu versuchen.
In einer Konferenz von zirka 35 amerikanischen und eng-
lischen Pressekorrespondenten zu Anfang Juni 1945 in
Neapel, zu der der Verfasser auch geladen war, wurde dies wieder-
holt dringendst verlangt.
Aus deutschen Kreisen Roms wurde geschrieben:
„Man scheint sich in Deutschland teilweise gar keine rechte Vor-
stellung machen zu können von der Wucht des Hasses, der gegen die
Deutschen in der ganzen Welt vorhanden ist. Wir sind durch den Hitler-^
1
krieg politisch, wirtschaftlich, kulturell und moralisch völlig erledigt.
Dabei macht man im Ausland wenig Unterschied zwischen Hitlerianern
und Deutschen, Es gibt wohl wenige, die den Deutschen ihr Schicksal
nicht vergönnten, und noch weniger wohl, die etwa Mitleid hätten. Ich
könnte Ihnen da manche wenig erbauliche Dinge auch aus unseren
Sphären erzählen.
Es wäre sehr angezeigt, wenn die deutschen Bischöfe alles Material
über den Widerstand gegen die Hitlerdiktatur, der von katholischer
Seite und vom weltanschaulichen Standpunkt aus geleistet wurde, doku-
mentarisch zusammenfassen würden in einer Art Farbbuch. Darin hätten
aufzuscheinen: Die Hirtenbriefe der Bischöfe von 1933 bis 1945, ihre
Predigten bei verschiedenen Gelegenheiten, die „Gesetze" und deren
praktische Anwendung durch die Hitlerianer, die Übergriffe in die
kirchliche Hoheitssphäre auf den verschiedenen Gebieten, wirksame
Einzelperioden von der Behandlung der Geistlichen, 'Ordensleute und
der Gläubigen, aus denen besonders ersichtlich ist, inwieweit die Gläu-
bigen Widerstand geleistet haben. All das dokumentarisch mit Datum
etc. belegt. Das wäre ein Beitrag zu unserer Ehrenrettung, wenigstens
•bei den katholischen Kreisen. Vergessen Sie nicht, daß man uns nicht
ganz zu Unrecht politische Unreife und Neigung zum Kadavergehorsam
vorwirft, ich meine, den Deutschen im allgemeinen.
Wenn ich sage, daß das wenigstens auf katholische Kreise wirken
müßte, so ist damit nicht gesagt, daß es wirklich wirkt; denn es kom-
men für die Abneigung gegen uns auch Motive in Frage\ für die wir
nichts können. Wir haben es nicht in der Hand, die öffentliche Meinung
des Auslandes entscheidend zu beeinflussen; wir können aber dazu bei-
tragen, im obenerwähnten Sinn und vor allem dadurch, daß bei uns im
Innern unbarmherzig der Hitlergeist ausgerottet wird."
Schweizer Freunde, die in echtem schweizerischen und
christlichen Geiste Hilfsaktionen für die Notleidenden Deutsch-
lands durchführen, baten schon zu Beginn dringend um Material
über die Leiden und Kämpfe kirchlicher Kreise während des
Dritten Reiches.
Ähnliche Stimmen kamen auch von wohlwollenden ameri-
kanischen Kreisen und wurden noch lauter, wenn man in
Gesprächen ein wenig den Schleier lüftete, der noch über manchen
Geschehnissen und amtlichen Schritten der letzten zwölf Jahre
liegt.
Führende Persönlichkeiten des katholischen Deutschlands
äußerten ebenfalls den Wunsch, z. B. Prälat Schreiber-
Münster, zur Zeit Rektor der dortigen Universität, der in einer
ausgezeichneten Denkschrift über die vordringlichsten Zukunfts-
aufgaben des deutschen Katholizismus unter anderem schrieb:
„Es ist dringlich, den Widerstand gegen den Nationalsozialis-
mus literarisch herauszuarbeiten, der bereits vor 1933 und dann später
8
von 1933—1945 gegen die Nazis geleistet wurde. Jedes Detail wäre hier
sorgfältig zusammenzutragen (Hirtenbriefe, Predigten, Vernehmungen,
Bestrafungen, Priester im Kz., Haltung der Kirchenblätter und deren
Unterdrückung, ev. Umfrage bei den Pfarrämtern; wichtig wäre, daß
auch die Orden Material beibrächten)."
Über alldem merkte ich aus Gesprächen mit taien aller
Kreise, daß die meisten keine Ahnung hatten von der Schwere,
dem Umfang, der Hinterlist, der Systematik und Zielstrebigkeit
des Kampfes vom Anfang bis zum Ende: Tarnung und Terror
hatten ja die Wahrheit hierüber wie über so vieles andere während
der ganzen zwölf Jahre unterdrückt.
Aus dieser Unkenntnis erwuchsen dann da und dort sogar schwere
Anklagen „integraler Katholiken" gegen die Kirche und ihre hauptver-
antwortlichen Leiter. Man ging oder ist daran, gelegentliche, anerken-
nende Aeusserungen, vereinzelte zeitnotwendige Zugeständnisse, Erfül-
lung bloßer Anstandspflichten zu sammeln und daraus kirchlichen Per-
sönlichkeiten ' einen Strick zu drehen. Man übersieht aber dabei die
feste, grundsätzlich ablehnende Haltung, wie sie in Hun-
derten von Dokumenten zum Ausdruck kommt.
Endlich gestanden mir auch viele geistlicheMitbrüder,
daß sie aus Besorgnis vor Haussuchungen u. ä. manches Material
vernichten mußten, jedenfalls nicht mehr zur Hand hätten oder
auch schon aus dem Gedächtnis verloren hätten und keinen rechten
Überblick mehr über die lange ^it und all die kirchenpolitischen
Ereignisse besäßen.
So entschloß ich mich trotz aller Bedenken und Unzulänglich-
keiten schließlich doch, einen Aufriß dieses Kampfes zu versuchen,
zumal ich hierfür, wie ich mit ehrerbietigstem Dank bekennen
möchte, eine überraschende und kräftige Unterstützung von höch-
ster kirchlicher Seite empfing.
Meine Arbeit will und kann aber wirklich nur ein roher und
kleiner Baustein sein zu dem großen Werk, das im Interesse der
Wahrheit und Gerechtigkeit und Ehre über kurz oder lang von
viel berufeneren Personen und auf Grund reicheren Materials und
gründlicheren Studiums erstellt werden muß. Kommen dazuwohl-
behauene Bausteine aus der Zeit 1921 — 1933, aus den verschiedenen
Diözesen und Teilen Deutschlands, Österreichs und der kriegs-
besetzten Länder, von den Orden, von den einzelnen führenden
Kämpfern des Priester- und Laienstandes und von den „Stillen im
Lande", ganz besonders aber auch von evangelischer Seite, dann
mag allmählich „die Vollendung kommen und das Stückwerk auf-
hören" (1. Cor. 13,10). Dann m^g mein Baustein, an vielen Ecken
und Kanten und Unebenheiten kräftig behfäuen, nur noch im
kleinsten Format oder bloß mit ein paar Stücklein eingefügt oder
schließlich als Altmaterial beiseitegelegt werden.
Neben dieser Befürchtung des „Zu wenig" schleicht sich aber
auch die Befürchtung eines „Zu viel" ein: Bei der Wiedergabe
mancher Dokumente nationalsozialistischer Aussprüche, Lieder,
Kreuz und Hakenkreuz 2 q
Gotteslästerungen, Fälschungen, Spottgedichte, Verunglimpfungen
höchster kirchlicher Persönlichlceiten, Anleitungen zu unsittlichem
Tun u. ä. wollte sich wirklich die Feder sträuben, . sie in ihrer
ganzen Trivialität, Banalität, Frivolität, Immoralität festzulegen.
Aber Dokumente haben schließlich nur vollen Wert, wenn sie
genau und vollständig sind.
Freilich bei einzelnen Berichten fehlen trotzdem Namen, Orts-
angaben u. ä. Dies darf aber ihrer Wertung keinen Eintrag tun,
erklärt sich eben daraus, daß wegen der ständigen Gefahr von
„Quellenforschungen" der Gestapo und von polizeilichen Durch-
suchungen selbst bischöflicher Amtsräume manches im vorhinein
unerwähnt oder bei -der Abschrift ausgelassen werden mußte, was
irgendwie die Herkunft oder den Verfasser hätte verraten können.
Die Verlässigkeit der Berichte wurde dabei immer festgestellt und
gewahrt.
Als Aufschrift gab ich meinem Baustein die Worte:
„Kreuz und Hakenkreuz".
Dazu veranlaßt mich die Gegenüberstellung dieser zwei Kreuze, wie
sie mehrfach schon in der Zeit des Kampfes als Ausdruck größten
Gegensatzes und schärfsten Widerspruches gemacht wurde., Z. B.
vor zehn Jahren durch Professor Volkmar Hentrich in dem
Worte: „Kreuz und Hakenkreuz sind Symbole einer
kommenden großen Entscheidung" (zitiert in „Nord-
land" vom 27. 1. 1935); ebenso von Seebecker in der Gedicht-
sammlung: „Freiheitsflammen" mit dem Haßausbruch:
„Wem das Hakenkreuz ins Herz gebrannt,
der haßt all' anderen Kreuz e."
Endlich in dem Wort der Trauer, das der große Vor- und
Hauptkämpfer im Heerbann Christi, Papst Pius XI., sprach am
Tage, da Hitler in Rom weilte (1938) und Hakenkreuzfahnen und
-abzeichen die Straßen und Gebäude der Ewigen Stadt verun-
zierten:
„Betrübliche Ereignisse! Und darunter mag die eine Tat-
sache besonders erwähnt werden, daß an dem Festtag .des heiligen
Kreuzes hier öffentlich das Zeichen eines anderen Kreuzes
getragen wird, das nicht Christi Kreuz ist."
Im Geiste der Sühne für die Schmach, die dem Kreuz Christi
vor den Augen des Heiligen Vaters wie so vielerqrts im deutschen
Lande angetan wurde, möchte ich das Wort der Karfreitagsliturgie
sprechen: „Crucem tuam adoramus, Domine."
„Dein Kreuz, o Herr, verehren wi r."
München, 27. Januar 1946.
10
E R S T E R T E I L
Der Kampf des Nationalsozialismus
gegen die katholische Kirche
A. Die Kirchenverfolgung im Dritten Reich - eine Tatsache
Zuvörderst muß die Frage gestellt werden: Gab es wirklich
einen Kampf des Nationalsozialismus gegen die katholische Kirche?
Hat Hitler sein eigenes Wort Lügen gestraft, das er in „Mein
Kampf" niedergelegt hat: „Die große Aufgabe der Bewegung ist
nicht die einer religiösen Reformation, sondern einer poli-
tischen Reorganisation unseres Volkes. Sie sieht in beiden
religiösen Bekenntnissen wertvolle Stützen für den Bestand
unseres Volkes"? ,
War das „positive Christentum" des § 24 des Partei-
programms nur eine Larve, die man zur gegebenen Zeit leicht'
ablegen konnte?
War es beispiellose Unaufrichtigkeit und bloße M a -
chiavelli-Diplomatie, wenn Hitler in seiner programma-
tischen Reichstagsrede vom 23. März 1933 dem deutschen Volke und
der ganzen Welt verkündete: „Die nationale Regierung
sieht in den beiden christlichen Konfessionen
wichtigste Faktoren der Erhaltung unseres Volks-
tums. Sie wird die zwischen ihnen undden Län-
dern abgeschlossenen Verträge respektieren;
ihre Rechte sollen nicht angetastet werden . . .
Die nationale Regierung wird in Schule und
Erziehung den christlichen Konfessionen den
ihnen zukommenden Einfluß einräumen und
sicherstellen. Ihre Sprge gilt dem aufrichtigen
Zusammenleben zwischen Kirche und Staat"?
Gab es trotz dieser feierlichen Erklärung und ähnlicher fester
Zusagen, z. B. am 17. August 1934 in Hamburg, am 28. August 1934
in Ehrenbreitstein, trotz Reichskonkordats vom 20. Juli 1933 eine
ernste Bekäriipfung, ja eine förmliche Verfolgung
des Christentums, insbesondere der katholischen Kirche im Dritten
Reich?
Wer Augen hatte zu sehen und Ohren zu hören und einen
Mund zu reden und ein Herz mit Wahrheitsliebe und Mut, der
mußte gar bald au? diese Fragen ein lautes und unein-
geschränktes „Ja" antworten.
^ 11
1. Zeugen und Zeugnisse der Verfolgung.
P a p s t P i u s X I.
a) Schon ein Monat nach der Ratifizierung des Konkordates
(10. September 1933) mußte Papst Pius XL zu Pilgern aus deut-
schen katholischen Jugendvereinen klagen:
„Deutsche katholische Jugend! Deutsch — katholisch — Jugend:
Drei Worte! Jedes davon ein Grund zu einem besonders herzlichen
Willkommgruß! Ihr fühlt es: Es ist so, besonders- in dieser Zeit, in
dieser Stunde, die so historisch ist für Deutschland; aber nicht bloß
historisch, sondern auch hart. Ihr versteht Uns. Wir müssen große
Hoffnungen in unsern Herzen aufrichten. Aber, geliebte Söhne, unsere
Hoffnungen können' nicht jede Gefährdung ausschließen. Ihr wißt es,
daß Wir mit tiefster Besorgnis und wirklichem Schrecken über die
lügend Deutschlands erfüllt sind und daß Wir Furcht hegen wegen der
Religion in Deutschland." • .
Ähnlich sprach dann der Heilige Vater in seiner Osterbotschaft
an die deutsche Jugend uiid in der Audienz für katholische Jugend-
vereinsmitglieder an Ostern 1934 und 1935.
b) Gelegentlich der Eröffnung der Internationalen katholischen
Presseausstellung im Vatikan (1936) stellte der Heilige Vater zum
erstenmal den russischen Bolschewismus und den Nationalsozialis-
mus nebeneinander. Er hielt es für nötig zu betonen, daß Rußland
und Deutschland in dieser Ausstellung niqht beteiligt sein konnten.
Nachdem er zuerst über das Fehlen von Rußland gesprochen hatte,
ging er dazu über, Deutschland mit folgenden Worten zu behandeln:
„Als Zweites ist Deutschland nicht vertreten, da in diesem Land,
entgegen aller Gerechtigkeit und Wahrheit, vermittels einer künstlichen
und absichtlichen Vermengung von Religion und Politik, die. wirkliche
Existenz einer katholischen Presse bestritten wird."
c) Im Jahre 1937 sprach der Heilige Vater so oft von Ver'-
folgung und Bedrückung der katholischen Kirche in Deutschland,
daß er in dieser Beziehung einmal selbst das italienische Sprich-
wort zitierte: „Die Zunge des Kranken muß immer wieder zu dem
Zahn hin, der wehtut."
Abgesehen von vielen kürzeren Anspielungen redete Papst Pius XI.
ausführlicher und deutlicher darüber:
am 14. März in dem großen Weltrundschreiben „Mit brennender
Sorge",
am 19. Mai in einer Audienz von Pilgern aus Münster und Köln,
am 9. Juni zu deutschen Pilgern,
am 16. Juni zu deutschen Neupriestern,
im September wiederum zu einer deutschen Pilgergruppe,
im Oktober in dem Weltrundschreiben über den hl. Rosenkranz,
am 13. Dezember gelegentlich der Ernennung von fünf neuen Kar-
dinälen, wiederum Rußlands und Deutschlands antireligiöse Maßnahmen
in einem Atemzuge nennend,
in der Weihnachtsansprache an ^lie Kardinäle.
Nur aus drei dieser päpstlichen Äußerungen seien einige Worte
als Beleg für die Tatsächlichkeit der Kirchenverfolgung in Deutsch-
land wiedergegeben:
1?
aa) Aus dem großen Weltrundschreiben vom 14. März- 1937:
„Der Anschauungsunterricht der vergangenen Jahre klärt die Ver-
antwortlichkeit. Er enthüllt Machenschaften, die von Anfang
a n kein anderes Ziel kannten als den Vernichtungskamp f."
„In die Furchen, in die Wir den Samen aufrichtigen Friedens zu
pflanzen bemüht waren, streuten andere — wie der inimicus homo in
der Hl. Schrift (Mt 13,25) — die Unkrautkeime des J^^ißtrauens, des Un-
friedens, des Hasses, der Verunglimpfung, der heimlichen und offenen,
aus tausend Quellen gespeisten und mit allen Mitteln arbeitenden grund-
sätzlichen Feindschaft gegen Christus und seine Kirche."
„In dieser Stunde, wo ihr Glaube (der Glaube der katholischen
Gläubigen Deutschlands) in dem Feuer der Trübsal und der versteck-
ten und offenen Verfolgung als echtes Gold erprobt wird, wo
sie von tausend Formen organisierter religiöser Un-
freiheit umgeben sind, wo der Mangel wahrheitsgetreuer Unter-
richtung und normaler Verteidiguhgsmöglichkeit schwer auf ihnen
lastet, haben sie ein doppeltes Recht auf ein Wort der Wahrheit und
der seelischen Stärkung von dem, an dessen ersten Vorgänger das
inhaltsschwere Heilands wort gerichtet war: ,Ich habe für dich gebetet,
daß dein Glaube nicht wanke, und du hinwiederum stärke deine
Brüder!" (Lc 22,22) '
bb) Am 19. Mai 1937 sprach Papst Pius XI. unter anderem:
„Die Deutschen sind uns besonders willkommen im Haus des ge-
meinsamen Vaters, da sie heute einen Kampf bestehen müssen, der
so hart, so ungerecht und so feindselig gegen sie geführt
wird. Gegen das Gewissen, gegen Gott und gegen den christlichen
Glauben haben sich die Mächte dieser Welt in Deutschland verschworen,
und um des Glaubens willen, für die Ehre, der Kirche und für den
Ruhm Gottes müssen die deutschen Katholiken diesen
Kampf aufnehmen und kräftig dawider kämpfen."
Der Hl. Vater fügte hinzu, daß er bereits an die Welt über diesen
Kampf geschrieben habe und daß „Wir noch weiter Uns immer dringen-
der an die Welt wenden und über die deutschen Katholiken
schreiben werden".
cc) In seiner Weihnachtsallokution vom Jahre 1937 wies Papst
Pius XI. auf den schmerzvollen, den größten Kummer erregenden
Tatbestand der religiösen Verfolgung in Deutschland hin,
■weil er nach seinen eigenen Worten die Dinge bei ihrem Namen
nennen wolle und nicht wünsche, daß man auf ihn das Wort des
antiken Geschichtsschreibers . anwenden könne: „Vera etiam rerum
perdidimus nomina".
„Nein," so fuhr Seine Heiligkeit fort, „Gott Dank haben wir die
rechten Bezeichnungen noch nicht verloren und wollen die Dinge beim
Namen nennen.
In Deutschland besteht wirklich eine religiöse
Verfolgung. Seit einiger Zeit wird behauptet und verbreitet, daß
es dort keine Verfolgung gäbe. Wir dagegen wissen, daß sie da ist,
und zwar s c h w e r. Es hat sogar nur in wenigen Fällen eine so schwere,
wahrhaft besorgniserregende Verfolgung gegeben, die so betrübend in
ihren tiefsten Wirkungen ist. Es ist eine Verfolgung, bei der es weder
an der Gewaltanwendung noch an der Bedrückung durch Drohungen
noch an verschlagenen und heuchlerischen Ränken fehlt. Niemand kann
daran zweifeln, daß, wenn der Statthalter Christi von solchen Tat-
13
beständen spricht, die seine Verantwortlichkeit aufs engste berühren,
daß er weniger gut unterrichtet ist oder die Dinge etwa verwechselt."
d) Als dann im Frühjahr 1938 Hitler nach Rom kam, brachte
die Vatikanische Zeitung „L'Osservatore Romano" hierüber keine
Zeile. Dagegen sprach der Papst in einer Audienz zu Castel
Gendolfo;
„Traurige Ereignisse geschehen eben, wirklich traurige, sowohl In
der Ferne wie auch ganz nahe. Ja, wahrhaft betrübliche Geschehnisse!
Und unter diesen mag man wohl die Tatsache erwähnen, daß an dem
Fest des heiligen Kreuzes hier öffentlich das Abzeichen eines anderen
Kreuzes getragen wurde, das nicht das Kreuz Christi ist. Wir werden
genug .gesagt haben, wenn wir Euch sagen, wie notwendig es ist zu
beten, viel zu beten, innig zu beten, daß uns Gottes Erbarmen nicht'
verlorengehe."
e) Gegen Ende des Jahres 1938 sprach der Heilige Vater ein
neues, kräftiges Wort über die religiöse Lage in Deutschland:
„Die Verfolgungen in Deutschland und Österreich werden mit einer
wirklich einzigartigen Keckheit ausgeführt. Und^ sie werden in ihren
Methoden und Härten noch ständig gesteigert. Wir erfahren dies von
Zeugen, die wir hier vor unseren Augen hatten. Diese Verfolgung trifft
den Papst sehr schwer. Seine Betrübnis und Besorgnis sind über alle
Maßen und dies nicht bloß, insofern wir als Papst das Haupt der gläu-
bigen Christenheit sind, sondern auch als Mensch, da die Menschen-
würde so sehr verraten wird, gerade so wie durch Julian den Ab-
trünnigen und durch Judas Ischariot; denn diese Verfolgung er-
streckt sich sogar bis zum letzten Laie n."
Das sei genug des Zeugnisses des berufensten Kenners der
Lage der katholischen Kirche im Dritten Reich!
DerDeutscheEpiskopat.
Gemeinsam und einzeln, in Hirtenbriefen fürs ganze katho-
lische. Volk und in Denkschriften an höchste Stellen, in Predigten,
Kanzelverkündigungen wiesen Deutschlands katholische Bischöfe
immer wieder auf die unaufhörlichen und sich steigernden Be-
drückungen der katholischen Kirche in all ihren Gliedern und auf
allen Gebieten hin und scheuten sich nicht, das Wort Verfol-
gung als den allein richtigen Ausdruck hiefür zu gebrauchen, ja
es noch zu verstärken mit Feststellungen, wie z. B. im Hirtenwort
vom 28. August 1938:
„Sie (= die Angriffe) erstreben die Hemmung und Blutentziehung
des katholischen Lebens; noch mehr: die Zerstörung der katholi-
schen Kirche innerhalb unseres Volkes, ja selbst Ausrottung des
Christentums überhaupt und die Einführung eines Glaubens, der
mit dem wahren Gottesglauben und dem christlichen Glauben an ein
Jenseits nicht das geringste mehr zu tun hat."
Angesicht^ solch deutlicher Worte der Gesamtheit der
katholischen Bischöfe Deutschlands erübrigt es sich, noch Einzel-
zeugnisse derselben anzuführen, zumal im zweiten Teil der Schrift
viele solche wiedergegeben werden. ,
14
EineDokum^ntensammlung.
1940 erschien in London ein umfangreiches Buch mit dem
Titel;
„The persecution of the Catholic .Church in the
Third Reich"
Facts and Documents. Translated from the German.
London 1940
(„Die Verfolgung der katholischen Kirche im Dritten Reich"
„Tatsachen und Dokumente".)
Der Untertitel erweist den Wert dieiser Sammlung, die von
1933 bis 1940 reicht.
Die englische Ausgabe ist längst vollkommen vergriffen. 1942
erschien eine neue Ausgabe im Verlag Longmans, Green & Co, in
New York. Mittlerweile ist auch in Südamerika- eine Übersetzung
ins Spanische erfolgt.
Die amerikanische Ausgabe umfaßt 552 eng bedruckte Seiten,
eine Wolke sicherer Beweise für die Tatsächlichkeit der Kirchen-
verfolgung durch den Nationalsozialismus.
Eine Wiedergabe des Inhaltsverzeichnisses mag die Ausdehnung
der Kanipffront und die Planmäßigkeit des Ansturmes aufzeigen:
1. Teil:
AuthentischeZeugnissefürdietatsächlicheKirchen-
verfolgung in Deutschland :
I. Erweis durch den Vatikan.
IL Erweis durch die deutschen Kirchenfürsten.
2. Teil:
Die Regierung des Dritten Reiches und die Kirche
I. Amtliche Aktion gegen Kirchenregierung und -Ver-
waltung (Eindringen in kirchliche Amtsgebäude; Wegnahme
kirchlichen Eigentums; Schließung von theologischen Hoch-
schulen; finanzielle Maßnahmen).
n. Konflikt mit der Lehrgewalt der Kirche (Maßnahmen
gegen Päpstliche Weltrundschreiben und Hirtenbriefe. Kanzel-
paragraph. Abwürgung der katholischen Presse).
HL Ausschluß der Kirche vom Erziehungswerk:
1. Die Vernichtung der katholischen Jugend. Ihre Erwür-
gung von Anfang an beschlossene Sache. Diffamierung; Be-
kämpfung in der Schule. Wirtschaftliche Erdrosselung. Physi-
scher Terror. Auflösung. '
IV. 2. Die Vernichtung der katholischen Privatschulen u. ä.:
Auch ein Ziel von Anfang an. Vorbereitende Schritte. Zer-
störung des christlichen Charakters. Entfernung der Kreuze.
Aushöhlung der Bekenntnisschulen von innen heraus. Auf-
hebung der Klosterschulen. Vertreibung der klösterlichen Lehr-
kräfte.
V. 3, Die Vernichtung der katholischen Volksschulen
(„Elternabstimmung", Elternzwang. Abschaffung).
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VI. 4. Die Vernichtung des Religionsunterrichtes (Abschaf-
fung. Ausschluß des Geistlichen. Nationalsozialistischer Geist
in der Schule).
VII. Der Kampf gegen die kirchliche. Seelsorge:
1. Die Vernichtung der katholischen Erwachsenen-
Organisationen (Berufsvereinigungen, Katholische Ca-
ritas).
7III. 2. Die Vernichtung verschiedener Apostolischer Werke:
Die Säkularisierung des öffentlichen Lebens. Die Behinderung
rein religiösen Wirkens der Kirche, Amtliche Förderung des
Glaubensabfalles.
IX. Verweigerung des gesetzlichen Schutzes für die
katholische Kirche. (Nichtbeachtung von kirchlichen Protesten.
Kr/euzesfrevel. Katholiken außerhalb des Gesetzes. Angriffe auf
Bischöfe).
X. Angriffe auf die Ehre der Kirche (durch Plakate, Lieder,
Ausstellungen, Theater, Filme, Reden, Presse, -Zeichnungen,
Karikaturen).
XI. Devisen- und Sittlic hk eitsprozesse (Skandalöse
Berichterstattung. Übertreibungen und Verallgemeinerung.
Zweck. Unerhörte Methoden von Polizei und Gericht. Zweier-
lei Maß. Vorwürfe gegen die kirchliche Aufsichtsbehörde).
3. Teil:
Die Nationalsozialistische Partei unddie Kirche
I. Die Parteigliederungen und ihre Veröffentlichungen (Par-
• teizeitschriften und Zeitungen allgemeinen Charakters; die Abtei-
lung „Rassekunde", die SS, die SA, die Ordensburgen).
II. Die Berufsorganisationen und ihre Veröffentlichungen:
NS Deutsche Arbeitsfront, NS Bauernschaft, NS Reichsbund Deut-
scher Beamter, NS Studentenbund, Lager, Kurse.
III. N S J u g endverbände und ihre Veröffentlichungen (HJ und
BDM, Reichsarbeitsdienst, Landjahr).
IV. Amtliche Unterstützung anderweitiger Angriffe auf die
Kirche. (Hetze gegen die Kirche in Büchern und Flugschriften, in
Zeitungen und Zeitschriften, in öffentlichen Versammlungen).
V. Angriffe auf die Kirche und ihre Repräsentanten. (Die
Kirche verleumdet als antinational und antisozial. Beschiihpfung
der kirchlichen Würdenträger).
VI. Angriffe auf katholischen Glauben und Kult
(Katholisches Dogma, katholische Moral, katholische Andachten).
VII. Die neue Moral (Grundzüge der NS Moral. Heidnische Ehe-
moral. Uneheliche Mutterschaft. Ehescheidung. Heidnische
Sexual- Moral. Nacktkultur. Schreckliche Folgen dieser Tendenzen).
VIII. Die Ersatzreligion. (Der Nationalsozialismus will selbst Re-
ligion sein. Neuheidnischer Kult mit Umdeutung. der Feste, der
christlichen Gebräuche und Symbole, mit Ersatz des christlichen
Begräbnisritus, der christlichen Trauung, der hl. Kommunion und
Firmung).
IX. Schlußfolgerung: 1 Ziel: Die Vernichtung der Kirche.
2. Die Verschleierung der Verfolgung.
16 Bilder.
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Ein Zeuge aus dem Feindeslager.
Am 26. Mai 1941 äußerte ein SS-Mann der politischen Ab-
teilung des Konzentrationslagers Sachsenhausen- Oranien-
burg gelegentlich der Aufnahme zu dem Verfasser:
„Wir werden die katholische Kirche und das ganze
Christentum in Deutschland vernichten. Dieser Schwin-
del muß aufhören." Als ich darauf ruhig und bestimmt erwiderte: „Das
ist seit 1900 Jahren schon oft angekündigt und versucht worden, aber
noch nie gelungen", erklärte der SS-Mann entschieden:
„Ja, aber wir werden es fertigbringen. Wir haben einen
Plan, einen klar durchdachten und bis ins kleinste ausgearbeiteten
iPlan. Wir werden die Kirchen kaputt machen."
2. Träger, Mittel und System der Verfolgung-.
Es war tatsächlich Planmäßigkeit und Zielstrebig-
keit im ganzen Kampfe des Dritten Reiches gegen das Christen-
tum. Auf der ganzen Linie und mit allen Mitteln, mit List und
Gewalt, bald vorsichtig, bald getarnt, dann wieder brutal und offen,
immer aber zäh und nachdrücklich, wurde der Kampf vorwärts-
getrieben. Herodes und Pilatus, der gewalttätige Diokletian und
der verschlagenes Julian Apostata fanden sich zusammen und such-
ten in jeder Stadt und in jedein Dorf Judasknechte und Spitzel.
Hauptk ämpf er w ar en :
die Reichsregierung, insbesondere das Innenministe-
rium (Polizeimaßnahmen), das Kultusministerium (beson-
ders gegen das katholische Schulwesen), das Kirchenmini-
sterium (mehr ein Ministerium gegen die kirchlichen An-
gelegenheiten als „für die kirchlichen Angelegenheiten"), das
Propagandaministerium (mit einem Verleumdungsfeld-
zug nach dem anderen gegen Kirche, Klerus, Orden usw.!), das
Justizministerium (Devisen- und Sittlichkeitsprozesse,
Volksgerichtshof!), das Finanzministerium (Steuerschraube
ohne Ende und Steuergesetzesauslegung nachteiligster Art),
die Landesregierungen in all ihren Zweigen,
die Gestapo und der „Sicherheitsdiens t" (SD),
die Partei mit all ihren Gliederungen und in all ihren Orts-
gruppen,
die neuen Ämter, wie Rosenbergausschuß, Reichskulturkam-
mer, Reichspressekammer, Reichsschrifttumskammer usf.
Die kirchliche Freiheit wurde immer mehr eingeschränkt,
die seelsorgliche Tätigkeit, selbst die Verkündigung des
Wortes Gottes und die Sakramentenspendung wurden immer mehr
gefesselt. Wie der Leiter der katholischen Fachschaft in der Reichs-
pressekammer einmal zu dem Verfasser sagte: „Die Maschen werden
immer enger gezogen", so geschah es auf allen Gebieten. Der kirch-
liche Einfluß auf die breiten Massen des Volkes, insbesonders
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auf die Jugend, aber auch auf Kultur, Wissenschaft, Brauchtum
und ähnliches wurde zurückgedrängt und nach Möglichkeit aus-
geschaltet.
Das ganzeöffentlicheLeben wurde „entkonfessionali-
siert" und säkularisiert und nationalisiert (germanisiert),
Das katholische Schrifttum (Zeitungen, Zeitschriften,
Plugblätter und Buchet) wurde unterdrückt, dafür aber das ganze
Reich überschwemmt mit Christentums- und kirchenfeindlichen
Presseerzeugnissen niedrigster Art.
Das katholische Vereinswesen wurde immer mehr
eingeschränkt und größtenteils aufgehoben unter Einzug des Ver-
mögens und der Häuser.
Die konfessionellen Schulen und katholischen
Privatschulen wurden abgeschafft, katholische Lehrschwe-
stern und Kreuze aus den Schulen entfernt, der Religionsunterricht
fortdauernd eingeengt, zuletzt vielerorts ganz beseitigt, die Nach-
schaffung neuer Lehrmittel für die religiöse Unterweisung unter-
bunden.
Theologische Hochschulen wurden ausgehungert und
aufgehoben.
Das Ansehen der christlichen Kirchen, insbeson-
ders des Papsttums, der Bischöfe, des Klerus, der Orden, der katho-
lischen Karitas usw. wurde untergraben.
Die wirtschaftlichen Grundlagen der Kirchen, des
Klerus, der Orden wurden verengt und unterwühlt.
Der' Verkehr zwischen deutschem Episkopat und dem
Heiligen Stuhl wurde dauernd überwacht und gehemmt,
ebenso die Aufklärung des Auslandes über die kirchen-
feindlichen Maßnahmen.
Die Verbindung zwischenVolk undKlerus wurde
zu lockern, das Vertrauen zueinander zu erschüttern versucht.
Der gesetzliche Schutz wurde katholischen Personen
und Einrichtungen immer mehr versagt.
Die Zusammenarbeit der beiden christlichen Haupt-
konfessionen, insbesonders die sogenannte Una-Sancta-Bewe-
gung, wurde verdächtigt und als staatsfeindlich (gegen die geplante
neue Religion gerichtet) bezeichnet.
Kirche nfeindlicheStrömungen aller Art („Deutsche
Christen", „Deutsche Glaubensbewegung", „Ludendorff-Bewegung"),
abgefallene Geistliche und ihre Bücher wurden in jeder Weise
gefördert.
Theater, Kino, Radio, Ausstellungen, Plakat-
säulen und ähnliches wurden in den Dienst der Kirchenhetze
genommen.
Die nationalsozialistische Weltanschauung
wurde im Schrifttum aller Art, in Lehrbüchern und Unterricht, in
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Schulungskursen und Versammlungen, Im Arbeltsdienst und HJ-
Lager verbreitet.
Christliche Grundsätze wurden in der Gesetzgebung
und in der Praxis immer mehr verleugnet (z. B, in Ehegesetz-
gebung, im „Lebensborn", in „Sterilisation" und „Euthanasie" (Be-
seitigung der Geisteschwachen), in Judenverfolgung, in Unter-
drückung der Friedensbewegung u. ».)•
Religiöse Worte wurden ihres Wertes beraubt und für
Weltliches, Völkisches, Natürliches genommen, ebenso wurde Ersatz
für Christentum, Sakramente, christliche Gebräuche und Übungen
gesucht. Blut, Rasse, Volk, Staat, Deutschland, Hit-
ler wurden vergöttert. Die primitivsten Menschen- und
Bürgerrechte wie Gewissens- und Religionsfreiheit, Rede- und
Pressefreiheit, Brief- und Telephongeheimnis, Wahlgeheimnis,
Rechtsgleichheit, richterliche Unabhängigkeit, Rechtsberufung u. ,ä.
wurden aufgehoben, ihr Fehlen im besonderen gegen kirchliche
Personen und Vereinigungen ausgenützt. Geistliche, Laienführer,
politisch Andersdenkende, Juden wurden in Massen verhaftet,
ins Konzentrationslager gesteckt, gequält, gemordet.
Ptanmäßig Schrittfürs ch ritt!
Die kürzeste und beste Darstellung des systematischen Kamp-
fes, seiner fortschreitenden Entwicklung, Verstärkung und Erweite-
rung und des abgrundtiefen, unüberbrückbaren Gegensatzes zwi-
schen Nationalsozialismus und Christentum gab wohl Erzbischof
Gröber- Freiburg in seinem Hirtenschreiben „Rückblick und
Ausschau" vom 8. Mai 1945;
„Die neue Weltanschauung ging wurzelhaft aus von Rasse und
Blut, um zu behaupten, daß von diesen, ja von diesen fast allein, das
gesamte körperliche und geistige Leben und Schicksal der Einzelmen-
schen und der Völker bedingt sei. Unter allen Rassen aber, so hieß es
weiter, nehme die nordische, die germanische, die überragendste
Stellung ein; denn in ihr lägen als ausschließliches Erbgut eine Fülle
so herrlicher Anlagen und so hochzielender Antriebe, daß sie von der
Natur sichtlich berufen sei, über alle anderen, minder wertvollen zu
herrschen. Diese Rasse habe sich nun, so fuhr man fort, vornehmlich,
wenn auch in langsamer Entwicklung, im jetzigen deutschen Volk
vei'körpert, in den Stämmen des nördlichen Deutschland zumal, wäh-
rend in den süd- und südwestdeutschen Menschen viel beigemischtes
anderes Blut ströme. Man blieb bei dieser Höchstbewertung der
Rasse und des Blutes nicht stehen, sondern betrieb sogar den
Kult, also die Verehrung dieses so auserwählten und meistveranlagten
Volkes fast bis zur eigentlichen Vergottung. Zwar sprach man
gelegentlich noch von „Vorsehung" oder einigemale auch noch von
„Gott", aber kein klares Wort verriet, was man eigentlich darunter
verstehe. Nur das eine war offenkundig, daß sich der neue Gottes-
begriff mit .dem christlichen nicht im mindesten decke. Tatsächlich
wurde das Göttliche ins eigene Volk verlegt oder richtiger ausgedrückt,
der ewige, unendliche Gott durch das ewige deutsche
Volkersetzt.
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Mit der Umdeutung des Begriffes "^.Gott" war notwendigerweise
auch der Untergang jeder wahren Religiosität verbunden.
Man behauptete zwar, daß das schon Religion sei, wenn man das rechte
Verhältnis zur deutschen Gemeinschaft besitze, und rühmte als heilig-
sten Gottesdienst den treuen und opferfrohen Dienst am
Volk. Aber das war ein grober Mißbrauch des Wortes Religion. Ohne
einen persönlichen, überweltlichen Gott ist das, was wir Religion nen-
nen, entweder ein Mythos, d. h. eine wandelbare Anschauung je nach
Zeit und Rasse und Blut, ein Glaube, der jeder verpflichtenden Kraft
entbehrt, oder eine lächerliche Selbstanbetung oder die Anbetung
eines anderen Geschöpfes, ob es nun Volk oder Weltall heißt oder einen
anderen klingenden Namen trägt, kurz gesagt, ein Götzendienst,
der das Wesen der Welt und Gottes verkennt.
Im Anschluß an den neuzeitlichen gottlosen Materialismus
wurde auch die Unsterblichkeit der Seele geleugnet und
lediglich das Fortleben der Einzelmenschen in der Sippe und Volks-
gemeinschaft angenommen. Die Aufgabe des Menschen
liege und vollziehe sich, so hieß es in gebundener und ungebundener
Rede, ausschließlich auf dem Boden der Erde, worin auch der
Ursprung des Menschen in seiner Ganzheit, also nach Leib und' Seele,
zu suchen sei. Wenn daneben von Schöpfung die Rede war, so meinte
man damit nur die in ungeheuren Zeiträumen erfolgte Weiterentwick-
lung eines zufällig entstandenen Lebens ohne jede außerweltliche, gött-
liche Ursache'.
Mit alledem erschien das Christentum als für immer er-
ledigt, ganz abgesehen davon, daß man es auch als Judenreli-
gion begeiferte und verwarf. Eine Erlöserreligion, so wurde
zudem behauptet, müsse schon deswegen abgelehnt werden, weil der
Mensch von Natur aus gut sei und darum auch keinen Erlöser und keine
Erlösung brauche. Die Lehre von der Erbsünde sei ein artfremder,
von Osten eingeschleppter und unseren deutschen Vorfahren aufgezwun-
gener Wahn. Es gebe überhaupt nur eine einzige Sünde, die
Sünde gegen Rasse und Volk. Da man weiter behauptete, das
Christentum liege wie ein Hemmschuh an unserem Fortschritt oder wie
ein Fluch auf unserem Volk, wurde auch die ganze deutsche Ge-
schichte von diesem falschen und verfälschenden Gesichtspunkt aus
betrachtet und namentlich in den Schulbüchern verunstaltet.
Wenn man gegen alles das einwirft, daß sich laut Parteiprogramm
„die Bewegung' doch auf den Boden des „positiven Christentums" ge-
stellt und sogar als erste großpolitische Tat ein Konkordat mit
dem Papst geschlossen habe, so ist darauf zu erwidern, daß sich bei-
des später als eine bewußte, zweckdienliche Täuschung
der Öffentlichkeit erwies. Das positive Christentum, das
w i r vertreten, wurde als negatives, als verwerfliches umgedeu-
tet, und das Konkordat, nachdem es seine politische Betörung des
katholischen Volkes und der ganzen Welt erfüllt hatte, als „überholt",
als „ausgehöhlt", als ein „Fetzen Papier", das heißt als nicht mehr
bindend und verpflichtend betrachtet. Schon der Besuch des
katholischen Gottesdienstes oder gar die Teilnahme an einer
feierlichen Prozession galt nun als ein Verstoß gegen die Auffassung
des herrschenden Volksteiles und wurde zur Gefahr für jedeab-
hängige Existenz. Es hieß sogar: Wer auf dem Boden, des neuen
Staates, sei es als Lehrer oder Beamter oder sonst 'als vollwertiger
Volksgenosse stehe, habe die Pflicht, aus der Kirche aus-
zutreten.
Da man Gott und Volk einander gleichsetzte und von einer Gott-
heit über uns keine Rede mehr war, wertete man auch auf dem sitt-
lichen Gebiet in denkrichtiger Entwicklung als gut und verpfiich-
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tend nur das, was dem Volke unmittelbar oder mittelbar nützte, ob
es den alten Gottesgetaoten und dem menschlichen Gewissen entsprach
oder nicht. Das ewige Volk galt als Ziel und Maßstab für
alles. Neu war dieser Grundgedanke insofern nur, als statt der in
Deutschland ] angst schon von sog. Philosophen gelehrten und von vielen
ins eigene Leben umgesetzten Vergottung des Ich nunmehr die Ver-
gottung des Volkes behauptet wurde und in unerbittlichen Forderun-
gen zum Ausdruck kam.
In durchaus unwissenschaftlicher und willkürlicher Berufung auf
altgermanisches Denken und Wesen, das man über zwei Jahr-
tausende hinweg als vorbildlich und verpflichtend auch der ganz anders
gearteten Gegenwart darbot, trat weiter an die Stelle der^ dem Christen-
tum wesentlichen Nächstenliebe die Härte und der Haß, an
die Stelle der Verzeihung und Versöhnung die unblutige
oder blutige Rache, an die Stelle der menschenwürdigen und
ruhigen Überlegung und der vernünftigen Anpassung an die nun ein-
mal gegebenen Verhältnisse der ungezügelte Fana'tismus, d. h.
die Weckung des tierischen Angriffshungers und
Blutdurstes im Menschen, der erst dann gestillt und gesättigt
ist, wenn sich' das Opfer in seinem Blute am Boden windet und röchelnd
verendet. Damit wurden Leidenschaften heilig gesprochen
und als höchste Triebkräfte' empfohlen und befohlen, die der bisherigen
Menschheit als Kennzeichen einer minderen, ans Tierische grenzenden
Entwicklungsstufe galten. Im Dienste des Volkes hielt man alles für
erlaubt, ob es nun Fr eihei t sb er aubun g war oder barbarische
Mißhandlung oder ein mörderisches politisches Attentat
oder die Tötung einzelner oder ganzer Volksteile ande-
ren Blutes oder der Raub fremden Landes. Ach Gott, wieviel
Übles haben wir damit in den vergangenen dreizehn Jahren auf unser
Schuldkonto gehäuft! ....
Von der Wahnidee her, daß die nordische Rasse die vorzüg-
lichste und durch das Schicksal zur Weltbeherrschung be«
stimmte Rasse sei, wurden endlich auch die politischen Ziele
gesetzt und zur Erreichung in systematischen und fast stürmischen
Angriff genommen. Das war überhaupt das Eigentümliche, daß man
nicht in Ruhe warten konnte und reifen lassen wollte, sondern in maß-
losem Hochmut vermeinte; man sei dazu berufen, in einem Jahrzehnt
eine ganz neue Welt als Wundertäter aufzubauen. Man dachte sich die
Entwicklung der Geschichte auf Grund der neuen Weltanschauung
etwa so:
Erste Stufe: Die Erfassung aller Völker unseres Blutes, die etwa
in früheren Jahrhunderten zum Römischen Reiche Deutscher
Nation gehörten.
Zweite Stufe: Die Einbeziehung der germanischen Völker über-
haupt. Damit streckte sich die gierige politische Hand unter anderem
auch nach den längst schon selbständigen nordischen Staaten
aus.
Dritte Stufe: Der europäische Staatenbund unter
autoritärer Führung des neuen Deutschland.
Letzte und höchste Stufe: Die beherrschende Stellung des
deutschen Volkes in der ganzen Welt.
Daß in allen diesen Stufen ähnlich wie im ganzen Wesen der Be-
wegung eine versteckte Kriegsgefahr enthalten war, sei nur nebenbei
bemerkt. Denn das glaubte doch kein Mensch, daß sich alle diese Ziele
nur durch diplomatische Geschicklichkeit ohne Gegenwehr der Bedroh-
ten oder Betroffenen erreichen lassen. Darum auch die geheime und
öffentliche Kriegsrüstung und die Sammlung zum Winter-
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hilf swerk, die kaum je zur Linderung der Armut, sondern fast aus-
schließlich zur Beschaffung von Kriegsmaterial verwendet wurde.
Wir verkennen es nicht: das gesteckte politische Ziel war gewaltig
und höchstgespannt und vorzüglich dazu geeignet, jugendliche Men-
schen, Phantasten, lorbeerlüsterne Generale, Kriegsgewinnler, einseitige
und kurzsichtige Nationalisten, deren Gott die Nation war, und
solche, die die Weltwirklichkeit und die Machtverteilung auf der Erde
nicht genügend kannten, ■ mit seinem trügerischen Schimmer zu be-
rücken. Es war aber, vom Endergebnis aus betrachtet, nur ein fieber-
hafter Wahntraum, aus dem man jetzt, nach kurzem Siegestaumel in
einem trostlosen Elend erwacht und die Augen erschreckt öffnet und
ausreibt, ein Zusammenbruch wie jener unserer Städte nach einem
konzentrischen 'Bombenangriff, der alles in Schutt und Asche legte und
zahllose Menschenleben darunter begrub. Man muß weit in die Ge-
schichte zurückgreifen, um das Beispiel einer ähnlichen, so raschen und
fast restlosen Niederlage zu entdecken. Man denkt dabei an Isaias
14,14 ff., wo es heißt: „Zu Wolkenhöhe steige ich empor und mache mich
dem Höchsten gleich. Nun stürzest du ins Schattenreich, zur allertief-
sten Grube. Die einstens dich gesehen, gespannt sie dich anblicken,
betrachten dich und sagen: Ist das der Mann, der einst die Erde zittern
ließ, in Schrecken Königreiche setzte? Und der die Welt zur Wüste
machte und ihre Städte niederriß, nicht losgab seine Häftlinge nach
Hause?"
, 3. Hauptzielpunkte der Verfolgung.
„Unser Führer Adolf Hitler hat im Gegenteil wiederholt erklärt, die
Partei wird stets so zu führen sein, daß kein Katholik mit seinem Ge-
wissen in Konflikt kommen könne als treuer Anhänger der National-
sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (,Sehr richtig' bei den NS).
Darnach richtet sich die offizielle Politik, die Führung unserer Partei."
So steht es als Erklärung des Sprechers der Nationalsozialisti-
schen Landtagsgruppe im offiziellen Bericht der 115. Sitzung des
Bayerischen Landtages vom 29. April 1931 (S. 692).
Und die Taten dieser Partei undihres Führers?
Fesseln um Fesseln, Gewissensbedrückung und Gewissens-
vergewaltigung, Unterdrückung von Freiheit, Recht und Menschen-
würde auf allen Gebieten.
Nach der Regel: „Schlage den Hirten, und die Herde wird sich
von selbst zerstreuen" (Zach. 13,7), richtete sich der Hauptstoß des
Nationalzozialismus auf der religiösen Linie zunächst gegen die
kirchiicheObrigkeit.
a) Kampf gegen das Papsttum.
Es ist bezeichnend, daß der Leiter der weltanschaulichen
Schulung des NS, Alfred R o s e n b e r g, im 1. Kapitel seiner
Kampfschrift: „An die Dunkelmänner unserer Zeit" den Sturmbock
gegen den Felsen Petri ansetzen wollte unter dem Titel: „Die an-
gebliche Einsetzung des Petrus bei Matthäus 16,18." Was er da an
seichten Ausführungen, an Deutungen bzw. Mißdeutungen und
Leugnungen vorbrachte, wurde dann von ungezählten „Schülern'*
in Zeitungsartikeln und Vorträgen nachgebetet.
Besonders gern und ausführlich wurde geredet und geschrieben
über die „schlechten Päpste", selbst vor der Jugend. Papst Alex-
22
i
ander VI. wurde als Typus der allgemeinen Schlechtigkeit
der Päpste hingestellt (vgl. „Das Schwarze Korps" vom 17. 12. 1936).
Das Buch von Löhde: „Der Papst amüsiert sich", ein echtes Luden-
dorff-Verlags-Werk, wurde eifrigst in Parteikreisen empfohlen und
verbreitet. Die lächerlichsten und niedrigsten „Papstfabeln", wie
z: B. jene von der „Päpstin Johanna", wurden neu aufgetischt (z. B.
in „Das Schwarze Korps" vom 23. 4. 1936). Sogar eine ganz neue
'Papstfabel wurde erfunden und verbreitet: daß der Jude Ko-
lumbus im Auftrage Roms seine Fahrt nach Amerika unter-
nommen habe, um „die nicht romhörige nordische Kultur Nord-,
amerikas" zu zerstören.
Die Kämpfe zwischen Päpsten und Kaisern und die Religions-
kriege des Mittelalters waren beliebte Themen von Aufsätzen und
Vorträgen, auch Gegenstand nationalsozialistischer Romane und
Bühnenstücke („Heinrich IV," von Kolbenheyer; „Der König reitet"
von Frau Anders).
Wußte man aber gegen das persönliche Leben der Päpste des ,
letzten Jahrhunderts nichts einzuwenden, so hing man ihnen um so
mehr politische Sünden an: Die Päpste seien durchwegs
deutschfeindlich: z. B. habe Papst Benedikt XV. nicht Einspruch
erhoben gegen den Versailler Gewaltfrieden!! Die Päpste seien
überhaupt nicht gegen den Krieg, sobald sie dadurch ihre Macht
und Herrschaft in der Welt ausdehnen könnten. Die Päpste trügen
eine Schuld oder wenigstens Mitschuld an dem Kriege 1870/71,
natürlich auch am Weltkrieg, ebenso an Italiens Krieg gegen
A,bessinien.
Der Vatikan stehe im Bund mit der Freimaurerei
(Goebbels „Der Angriff" vom 21. 6. 38). Mos^kau und Vatikan
verhandelten über ein Konkordat. Die ganze Geschichte des Papst-
tums sei vom Geist des Judentums beeinflußt („SA-Mann" vom
12. 6. 36). Ja, Papst P i u s XI. sei ein H a 1 b j u d e, seine Mutter
sei eine holländische Jüdin gewesen („Judenkenner" von 1935 und
„SA-Mann" vom 9. 9. 38). In Wirklichkeit waren die Vorfahren
des Papstes seit^ vielen Generationen einfache Bauersleute, seine
Mutter war eine geborene Galli aus Desio. Sein Kardinalstaats-
sekretär P a c e 1 1 i sei sogar Volljude. Der „Heidelberger Stu-
dent", das Organ der Heidelberger Gruppe des NS-Studentenbundes,
vereinigte am 4, 5. 35 die Vorwürfe in einem Spottbild, das einen
Freimaurer, Juden und Jesuiten um einen runden Tisch vereint
zeigt, überrascht von einem SA-Mann, der den Vorhang aus-
einanderschiebt. Darunter die Unterschrift: „Sie sind entlarvt".
Natürlich wußten die Nationalsozialisten viel zu erzählen von
der unersättlichen Geldgier der Päpste. Die „Mainfränkische
Zeitung" vom 25. 8. 37 z. B. berichtete: Als Erzberger mit einem
Rundschreiben aufgefordert habe, reichlich für den Peterspfennig
zu geben, damit der Vatikan nicht in einseitige finanzielle Ab-
hängigkeit von den westlichen Ländern gerate, seien aus Deutsch-
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land allein innerhalb der Jahre 1916—18 an die 2 Millionen
Mark als Peterspfennig nach Rom gewandert!!
Auch der im Reichskonkordat feierlichst bekräftigte Wunsch,
„die zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich be-
stehenden freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und zu för-
dern", tat der Papsthetze des NS keinen Abbruch: Schon drei Tage •
nach der Unterzeichnung dieses völkerrechtlichen Vertrages begann
der „Völkische Beobachter" eine Polemik gegen das vatikanische
Organ „L'Osservatore Romano" über die Auslegung dieses Abkom-
mens. — Unter dem Titel: „Das Parteiprogramm und das Reichs-
konkordat" veröffentlichte ein hoher Regierungsbeamter, A. Richter,
in Nr. 8 der Monatszeitschrift „Deutschlands Erneuerung" (1936
S. 464ff.) einen langen Artikel mit der Schlußfolgerung: „Das
Konkordat gilt nur insoweit, als esnicht der
innerenEntwicklungunseresVolkesunddenVer-
ordnungen des nationalsozialistischen Staates
entgegen ist."
Papstfilm verboten.
Als im Jahre 1934 in München mit großem Erfolg ein Film
über Rom und Vatikan mit Aufnahmen vom Heiligen Jahr, von
Pilgerfahrten, Papstaudienzen u. ä. aufgeführt wurde, wurden da-
gegen in üblicher spontaner Weise „Volksdemonstra-
tionen" organisiert und Störungen versucht. Und die Polizei —
stand zu den nationalsozialistischen Radaumachern und tat ihren
Willen mit der Verfügung vom 6. Juni 1934:
Betreff: öffentliche Ruhe und Ordnung.
Beschluß.
Auf Grund § 1 der VO. des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk
und. Staat vom 28. 2. 33 (RGBl. 1933 Teil I S. 83) wird die öffentliche
Aufführung der Bildstreifen:
a) „Rom, die ewige Stadt" und
b) „Der Vatikan in Kunst und Geschichte"
bis auf weiteres untersagt.
Ein halbes Jahr nach Konkordatsabschluß durfte sich der satt-
sam bekannte Dr. Dinter in der Wochenzeitung: „Die deutsche
Volkskirche" (Februar 1934 Nr. 74) ungestraft folgende Spottergüsse
über den Papst leisten:
a) Der „Heilige Vater" betet: Die diesjährige Weihnachts-
ansprache des Papstes war sehr kurz. Er betonte eingangs, er sehe da-
von ab, auf die einzelnen Ereignisse des abgelaufenen Jahres einzu-
gehen, es sei auch durchaus nicht seine Absicht, eine bedeutsame Rede
zu halten. Er spreche nur, weil er die Erwartung vieler, aus seinem
Munde Ansichten über diese und jene Fragen zu hören, nicht ganz ent-
täuschen wolle. In der Politik würden viele Worte gemacht; aber das
einzige, was er tun könne, sei beten.
Wir haben volles Verständnis dafür, daß der Papst an diesem Weih-
nachtsabend nicht das Bedürfnis hatte, auf „einzelne Ereignisse des ab-
laufenden Jahres" einzugehen; denn dieses ereignisreiche Jahr hat ihm
deutlich genug gezeigt, daß sein Ansehen in der ganzen Welt erschüttert
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ist. Die urkatholischen Länder Spanien und Mexiko haben sich völlig von
ihm losgesagt. In den übrigen katholischen Ländern ist er nur noch
eine Puppe, die man duldet, weil es so zum guten Ton gehört. In die
Politik läßt man ihn nicht mehr hineinreden. Einzig und allein durch
das Konkordat mit dem nationalsozialistischen und protestantischen
Deutschland hat er noch einmal einen Auftrieb erhalten; sonst wäre
seine eingebildete Weltmacht schon im Jahre 1933 für alle Welt sichtbar
zusammengebrochen. Trotz diesem unerwarteten Auftriebe hat der
„Heilige Vater" aber alle Ursache zu Jahwe zu beten; denn er weiß,
daß das neue Jahr 1934 das religiöse Erwachen des Deutschen Volkes
bringen und daß die reine Heilandslehre über Deutschland hinaus die
ganze Welt in Flammen setzen wird. Dann aber ist es mit seiner Herr-
lichkeit vorbei!
b) Winterhilfswerk für den „Heiligen Vate r". Einem
Bericht der jüdisch-römischen „Neißer Zeitung" zufolge machten Mit-
glieder des katholischen Frauenberufsverbandes „Schaffende Frauen"
eine Pilgerfahrt nach Rom. Diese Frauen, die zu den Ärmsten der
Armen gehören, hatten für den Papst vielerlei Geschenke mitgenommep.
So hatten drei Berliner Wäschenäherinnen zwei Dutzend Wäschekragen
genäht, die der „Heilige Vater" mit „sichtlicher Freude" entgegennahm.
Diese Pilgerfahrt armer deutscher Frauen nach Rom und die Be-
schenkung des Papstes durch sie ist symbolisch dafür, daß die Lehren
der jüdisch-römischen Kirche die Umkehrung der reinen Heilandslehre
sind. Wenn der Papst und die jüdisch-römische Kirche nur einen Fun-
ken Heilandsgeist hätten, so würde kein Mensch zu hungern und zu
frieren brauchen. Es genügte ein Bruchteil ihrer Reichtümer, um Not
und Armut zu beseitigen. Statt dessen schwelgen die Jahwepriester im
Überfluß, und ihr Oberpriester läßt sich seine Kragen auch noch von
armen Berliner Frauen schenken."
Eine „Kunstausstellun g ", die von der NS-Kultur-
gemeinde München im Jahre 1935 an verschiedenen Orten Süd-
bayerns veranstaltet wurde, hielt es für einen wertvollen Beitrag
zum kunstgeschichtlichen Unterricht, Spottbilder über das Papst-
tum aus den letzten vier Jahrhunderten zu bringen (vgl. Kardinal
Faulhaber: „Steinwürfe gegen den Thron der Päpste" 1936).
In einer NS- Versammlung in Schlehdorf bei Kochel in
Oberbayern am 12. Novemlaer 1938 nannte der Redner, Dr. Pfann-
müller, leitender Arzt der Heil- und Pjflegeanstalt Eglfing-Haar, den
Heiligen Vater einen „Idioten" und „Erztrottel", Kardinal Innitzer
von Wien einen „Bazi". Gleichzeitig rühmte er sich und seine
Parteifreunde: „Dem Faulhaber haben wir es heute nacht besorgt"
(Sturm auf den Münchener Bischofshof am 11. November 1938).
Auch die unreifen, von der Jugend selbst erzogenen Hitler-
jungen glaubten sich schon am Felsen Petri reiben zu müssen
und schrien mit dem Lied der „Deutschen Glaubensbewegung":
„Der Herbststurm fährt übers Stoppelfeld" durch die Straßen:
„Der Papst hockt in Rom
auf seidenem Thron,
es hocken bei uns seine Pfaffen,
Was hat einer deutschen Mutter Sohn
mit Papst und Pfaffen zu schaffen?"
25
Ein anderes Spottlied auf den Papst, in der HJ zu Düsseldorf
gesungen, lautete;
„Ein schwarzer Götze in weißem Gewand
regiert von Rom aus die Stunde,
regiert auch schon das deutsche Land,
seine Diener sind treue Hunde.
Schlagt tot, schlagt tot, schlagt alle tot!
Schlagt sie nieder, die heuchelnden Geister
mit deutscher Kraft und deutschem Mut,
dann werdet ihr deutsche Meister."
Ein Spottlied richtete sich direkt gegen den regierenden Papst,
mit dem man das Konkordat alpgeschlossen hatte:
„Papst Pius kam geritten
auf .einem Ziegenbock.
Da meinten die Katholiken,
es sei der liebe Gott.
, Sie beteten ihn an
und sangen schöne Lieder,
wie man sich denken kann."
Auf der HJ-Tagung zu Speyer im Jahre 1937 verstieg sich der
Führer der HJ zu dem Ausspruch; „Die höchste Religion
steht über dem Papst und über Luther; man muß nur dorthin
gehen, wo der Führer ruft. Die Priester haben ihren Führer
verkannt, obwohl dieser Prophet, der Führer, sie vor dem Unter-
gärig gerettet hat." (S. „Hochwacht" v. 17. 8. 37.)
Eine „Stürmer"-Tafel vom August 1937 brachte eine Karikatur
des Staatssekretärs Sr. Heiligkeit, Kardinal Eugen Pacelli, aus An-
laß seines Besuches in Paris: „Die 2 Roten". Der Kardinal wendet
sich in dieser Spottzeichnung zu einem Kommunisten um, der ihm
die rote Schleppe trägt, und spricht: „Ich danke Ihnen für diesen
Dienst. Ich werde Ihnen dafür hernach den Segen geben."
Ebenso gemein, verlogen, Papst und Staatssekretär beleidigend
war ein Bild in „Das Schwarze Korps" vom 22. Juli 1937 mit dem
Titel: „Die Frankreich-Reise des Kardinals." Des Papstes Staats-
sekretär legt seine Hand auf die Frau Kommune mit jüdischem
Gesicht und spricht: „Schön ist sie ja nicht, aber sie kann gut
kochen": „Greuellügen" und „Antinazi" „aus der Giftküche Volks-
front".
Daß sich Partei und Presse nach dem Erscheinen des Päpst-
lichen Weltrundschreibens: „Mit brennender Sorge" im März 1937
wie eine aufgehetzte Meute von Hunden auf den Papst stürzten und
allen Respekt und Verstand vergaßen, ist nicht zu verwundern.
Vor der Papstwahl im Jahr 1939 brachte das Organ Goebbels'
„Der Angriff" eine Artikelreihe: „DieMänner, diedenPapst
umgebe n". In mehr als 100 000 Exemplaren wurden diese Artikel,
die voll von gemeinen Unterstellungen und Beleidigungen kirch-
26
licher Würdenträger waren, In einer Flugschrift zusammengefaßt
und unter das deutsche Volk geworfen.
Die schändlichen Spottbilder auf Papst und Priester, die an
Decke und Wänden der Kegelbahn des Kommandanturhauses im
Konzentrationslager Dachau waren, dürften wohl bloß ein Bei-
spiel von dem sein, was in SS-Kreisen mit Vorliebe verhöhnt wurde.
Selbst bei Führungen in St. Peter und in den Vatikanischen
Museen zu Rom, also sozusagen im Hause des Papstes selbst, konn-
ten deutsche Reiseführer es sich nicht versagen, mit Skandal-
geschichten gegen das Papsttum zu hetzen; es mußte erst eine ernste
Verwahrung des Erzbischöflichen Ordinariates München beim Reise-
veranstalter gegen solchen Unflat an heiliger Stätte und gegen
solche Verletzung der Gefühle katholischer Reiseteilnehmer- ein-
gelegt werden (1938), daß hier die einfachsten Anstandspflichten
erfüllt wurden.
b) Kampf gegen die Bischöfe.
Gegen die eigenen Volksgenossen, mochten sie auch die Bi-
schofsweihe haben und in den Augen der Katholiken Nachfolger
der Apostel sein, getraute man sich im Dritten Reich noch rück-
sichtsloser und unverschämter vorzugehen.
In Nr. 36 der nazistischen „Deutsche Volkskirche" vom Jahre
1935 schrieb Dr. Dinter von der Fuldaer Bischofskonferenz als
von „teuflischem Beginpen", „verräterischem Tun dieser Jüdisch-
Römischen Jehova-Priester".
Die „Führerblätter der HJ" nannten im August 1936
Hirtenbriefe der Bischöfe „Sprechtraktätchen", „Fetzen, Sudel-
papier", „Frivolität", „Gemeinheit".
Übertrumpft wurden diese Schmähungen noch von dem Spdtt-
bild, welches „Das Schwarze Korps" vom 6. 5. 37 in Rück-
sicht auf die „Sittlichkeitsprozesse" gegen die katholischen Bischöfe
Deutschlands brachte: Es stellte einen „Oberhirten" mit einer Herde
von Schweinen dar, welche Etiketten trugen: „Vergewaltigung"^
„Sadistische Orgien in Klöstern". „Unzucht wider die Natur in
Gotteshäusern". „Mißbrauch von Kindern und Schwachsinnigen".
Der „Oberhirte" aber sieht von all dem Greuel nichts, weil er eine
Zeitung vor den Augen hat mit der großen Überschrift: „Politik"*
Unter dem Schmähbild aber steht blasphemisch das Herrenwort:
„Weide meine Lämmer!"
Ein paar Monate darauf leistete sich die N S - P a r t e i selbst
eine unerhörte Verhöhnung von katholischen Bischöfen des In- und
Auslandes. Die Parteiamtliche Wandzeitung der NSDAP zeigte am
8. 7. 1937 als Folge 28 der „Parole der Woche" für acht Tage an
allen Orten Deutschlands:
Roms „Alte Männer"
mit folgendem Text:
27
„Der alte Bischoi von Speyer
Dr. Sebastian hat, wie der Frankenthaler Prozeß einwandfrei ergab,
das Konkordat gebrochen und einer auswärtigen Macht verleumderische
Mitteilungen über unseren neuen Staat gemacht. Außerdem betätigt
sich dieser Bischof als anonymer Brief Schreiber mit Worten wie: Lüg-
ner, Lump und Verleumder. Sein Verteidiger erklärt dazu, daß das
,nicht ernst zu nehmende Schreibereien eines alten Mannes' sind.
Der alte Kardinal von Chicago
Mundelein erlaubt sich die unerhörtesten Angriffe gegen das natio-
nalsozialistische Deutschland und seinen Führer.
Der alte Fürst- Erzbischof von Prag
Kaspar hat eine Verfügung erlassen, wonach im gesamten sudeten-
deutschen Sprachgebiet in^ Zukunft nur noch Neupriester tschechischer
Nationalität eingestellt werden dürfen. Diese Maßnahme zielt auf Aus-
rottung des Deutschtums und intensive Tschechisierung hin.
Der alte Bischof von Krakau, Fürst
S a p i e h a ließ demonstrativ den bei der Kirche unbeliebten toten
Nationalhelden Marschall Pilsudski aus seiner bisherigen Ruhestätte in
eine Nebengruft des Wawel überführen. Damit hat er sich in schärfsten
Gegensatz zum polnischen Volk gestellt.
Dieser Bischof ist bel^annt. als eingefleischter Deutschenhasser und
als einer der starrköpfigsten katholischen Geistlichen. Er hat den Plan
gefaßt, auf dem nächsten Posener Kongreß die internationale Geistlich-
keit zu einer Erklärung gegen Deutschland zu veranlassen.
Der alte Bischof von Trier
Dr. Bornewasser kann sich in einem Sittlichkeitsprozeß plötzlich
an nichts mehr erinnern und leistet einen ,objektiven Meineid', wie der
Staatsanwalt festgestellt hat.
Wir haben einwandfreie Beweise dafür, daß alte römische Bischöfe
an Devisenschiebungen beteiligt sind, daß sie angeklagte homosexuelle
Ordensbrüder in Fronleichnamsprozessionen mitmarschieren ließen, daß
sie dem Staat die Aktenherausgabe verweigerten und perversen Ver-
brechern zur Flucht ins Ausland verhalfen.
'Der alte Bischof von Linz
hat jüngst von der Kirche gefordert, sie solle sich nicht zu viel mit rein
religiös-kirchlichen Betätigungen abgeben, sondern vielmehr das
Augenmerk auf weltliche Dinge richten!
»
»ImneuenDeutschland
herrscht nicht das Gesetz des Vatikans, sonder ndas
Gesetz des Volkes'.
Das hat Reichsminister Dr. Goebbels eindeutig ausgesprochen. Die
Weltpolitik des Vatikan wurde zu jeder Zeit und in allen Staaten von
,alten Männern' gemacht. Alte Männer hängen gern an Überliefe-
rungen, Formen und Gebräuchen vergangener Zeiten. Möglicherweise
ist das der Grund, warum dieselben ,alten Männer' sich nur sehr
schwer in die heutige Zeit finden können. Aus einer greisenhaften und
senilen Vorstellungswelt heraus entsteht zunächst auch eine gewisse
Unsicherheit und Nervosität der neuen deutschen Volkwerdung gegen-
über, die zu mancher Unklugheit verleiten läßt. Aber trotzdem glau-
ben wir bei der Häufung der angeführten Fälle nicht an angeb-
lich ,nicht ernst zu nehmende Handlungen alter Män-
n e r'. Durch alle diese Vorfälle zieht sich eine gewisse, planmäßig fest-
gelegte Linie. Für uns bedeuten sie eine Mahnung, auf der Hut zu sein,
und sie sind uns Veranlassung, nur um so näher zusaromenziu'ücken.
28
wir wissen eines!
Auch Gepflogenheiten und Traditionen, die sich scheinbar in Jahrhun-
derten bewährt haben, verlieren ihren Gültigkeitsanspruch in dem
Moment, wo sie am Bestand unseres Volkes zu rütteln wagen.
Ist dieser in Gefahr, so wird die sonst auch bei uns ge-
pflegte Ehrfurchtvor dem Alter uns nicht abhalten,
mit der uns eigenen Energie solchen überalteten und
gefährlichen Strömungen entgegenzutreten.
Die nationalsozialistische Bewegung kennt keine überstaatliche
internationale Bindung, sondern anerkennt nur das ewige Lebensgesetz
des eigenen Volkes. /
Die Wohlfahrt des Volkes, seine Kraft und Gesundheit sind oberste
Richtschnur für seine Führung und Betreuung. Über allem steht:
Das Gesetz des Volkes!"
Seite an Seite mit .diesen Angriffen auf die Gesamtheit der
deutschen Bischöfe ging der Kampf im einzelnen: In ganz
Deutschland ist wohl keinkatholischerBischof, der nicht
von Seiten der Nationalsozialisten auch noch persönliche Verun-
glimpfungen und Verspottungen, Entstellungen und Mißdeutungen
seines Redens und Tuns erleiden mußte.
Umgekehrt suchte man Treuekundgebungen für die
Bischöfe, Ansammlungen treuer Katholiken vor Bischofswohnungen,
Hoch- und Heilrufe bei ihren Abfahrten zu verhindern, photo-
graphierte und verhaftete Leute, die sich solch eines „Verbrechens"
schuldig machten, trieb sie unsanft auseinander etc. Verfasser wurde
nach der Fronleichnamsprozession 1936 eigens zum Polizeipräsi-
denten von München befohlen, um Aufschluß zu geben, warum der
Kardinal nach der Prozession so langsam heimgefahren sei und so
das Volk zu Kundgebungen veranlaßt habe!!
Beschimpfungen und Bedrohungen des Kardinals
von München
Bei Vernehmungen verhafteter Angehöriger des Bischofs
im Polizeigebäude zu München waren gemeinste Beschimpfungen
desselben mit nicht wiederzugebenden Ausdrücken von selten der
Amtspersonen gang und gäbe. Dies ist beispielsweise von zwei
Zeugen protokollarisch festgelegt bezüglich einer polizeilichen Ver-
nehmung am Tag des 25jährigen Bischofsjubiläums Seiner Eminenz:
sozusagen die einzige „Gratulation" einer Amts-
stelle zu diesem Feste !
Immer wieder wurde auch zu durchsichtigem Zweck die alte
Verleumdung aufgewärmt und verbreitet, daß Kardinal Faulhaber
am 8./9. November 1923 Einfluß auf den bayerischen
Ministerpräsidenten Kahr genommen habe, um ihn zum
„Bruch seines Wortes" gegenüber Hitler zu bewegen. Eine Ver-
dächtigung, die gerichtlich als Lüge erwiesen wurde, den.
Nationalsozialisten aber gut genüg war zu neuer Hetze gegen den
hohen Kirchenfürsten, z. B. in der HJ-Zeitschrift: „Wille und
Macht" vom 1. 9. 1937.
29
Die Hetze und Drohungen gegen den Kardinal wurden schließ-
lich so heftig und zahlreich, daß sich das Erzbischöfliche Ordinariat
München zu folgender Vorstellung beim Reichsinnenminister ge-
zwungen sah:
München, den 25. Februar 35,
An das '
Eeichsministerium des Innern
Berlin.
iöetreff: Beschimpfungen und Bedrohungen des H.H. Kardinal Faulhaber.
In der Beilage (B. 1) übersenden wir einen Bericht über Beschimp-
fungen und Bedrohungen, wie sie in letzter Zeit wiederholt gegen Se.
Eminenz den Hochwürdigsten Herrn Kardinal Dr. Michael Faulhaber in
Erscheinung treten.
Wir verweisen insbesondere auf die offenen Mordandrohun-
gen, die in der Versammlung der „Deutschen Schulgemeinde" am 15. ds.
im Bürgerbräukeller laut und aus vieler Mund in den Saal hinein-
gerufen wurden, ohne daß vom Versammlungsleiter oder Versamm-
lungsredner irgendeine Zurückweisung erfolgte oder die zahlreich im
Saal verteilte Polizei, SA und SS sich irgendwie zu einem Einschreiten
veranlaßt sahen. Zu unserem lebhaften Bedauern sind, offenbar durch
die anwesenden, teilweise sogar verhafteten ausländischen Bericht-
erstatter, gerade über diese Bedrohungen Sr. Eminenz Nachrichten in
die ausländische. Presse gekommen und haben dem Ansehen Deutsch-
lands neuen Eintrag getan.
In einem Schreiben an die Polizeidirektiön München (sibhe Beilage,
B. 2) hatten wir schon tags vorher unsere ernsten Befürchtungen ge-
äußert, daß nach einem so aufwühlenden Schulkampf eine unter aus-
drücklichem Gegensatz zu Eminenz einberufene Massenversammlung
schlimme Auswirkungen haben muß, fanden aber leider hierfür keiner-
lei Gehör bei der Polizeidirektion München, die wenige Tage vorher
(9. ds.) schon in einem bloßen, sachlichen Seelsorgerbrief der Münchener
Stadtpfarrer, der unter verschlossenen, adressierten Kuverts nur den
Eltern von Schulkindern ins Haus getragen werden sollte, eine Gefähr-
dung der öffentlichen Sicherheit imd Ordnung erblickte und eine Be-^
schlagnahme dieser Briefe verfügte.
Tags darauf, also am 16. ds. Mts., rief das Auswärtige Amt beim
Erzbischöflichen Ordinariat München an und bat um die Ermächtigung,
eine englische Rundfunknachricht über eine Verhaftung oder Belästi-
gung Sr. Eminenz unter Berufung auf das Erzbischöfliche Ordinariat
München dementieren zu dürfen. Dies wurde gern zugestanden, aber
auch zugleich der ernsten Besorgnis Ausdruck verliehen, daß Ver-
sammlungsreden, wie sie tags zuvor gehalten wurden und schwerste Be-
drohungen gegen Eminenz erzeugten, leicht unbesonnene und unbe-
herrschte Elemente zu ähnlichen oder noch schlimmeren Übeltaten rei-
zen könnten, wie dies vor etwa Jahresfrist bereits geschehen sei.
(Schüsse ins Erzbischöfliche Palais!)
Ohne jede polizeiliche Behinderung durfte 5 Tagei darauf in dem
Vortrag des Herrn Dr. Schott von der NS Kulturgemeinde, Gau Ober-
bayern-Isartor und Max-Josef-Platz eine neue Hetze gegen Papst, Kar-
dinal, Priester und Christentum vor sich gehen und neue Beschimpfun-
gen und Bedrohungen Sr. Eminenz hervorrufen. Nachdem unsere Vor-
stellungen bei der Polizeidirektion München keinen Erfolg hatten, sehen
wir uns gezwungen, das Reichsministerium des Innern selbst auf diese
Gefahren aufmerksam zu machen und zu bitten, in Erfüllung des Art, 5
des RK. die zuständigen Stellen entschieden anweisen zu wollen, Bi-
schöfen und Klerus den Schutz des Staates gegen jedermann zu gewäh-
ren, öffentliche Beschimpfungen und Bedrohungen, derselben ernstlich
30
2U verbieten und jeden Versammlungsleiter, der solche Schmähungen,
Drohungen ungeahndet läßt, und jeden Versammlungsredner, der sie
selbst macht oder hervorruft, zur Verantwortung zu ziehen und Organi-
sationen, die solche Sicherheit, Ordnung und deutsches ansehen ge-
fährdende Hetze treiben, solange keine Versammlung mehr zu gewäh-
ren, bis sie wirksame Garantien gegen Wiederholungen solcher Ent-
gleisungen und Gefährdungen geben.
Beilage 1.
Beschimpfungen und Bedrohungen Sr. Eminenz des H.H. Kardinals
Dr. Michael Faulhaber in öffentlichen Versammlungen in München,
I.
Der Auftakt zu einer ununterbrochenen Folge von systematischen
Verleumdungen unseres Oberhirten war das Verlesen der „deutschfeind-
lichen" Predigt des Kardinals in der Versammlung der Deut-
schen Glaubensbewegung Mitte Oktober (im kleinen ebenerdi-
.gen Saal des Museums zu München, Promenadestraße). Als diese Pre-
digt ein paar Wochen später nach Erscheinen im „Blitz" als eine tsche-
chisch-sozialistische Unterstellung öffentlich gebrandmarkt ward, wurde
die Anschuldigung wohl in der nächsten Versammlung der deutschen
Glaubensbewegung widerrufen, aber in einer Form tmd in einem Ton,
daß eine neue Anschuldigung daraus wurde: „Es war begreiflich, daß
wir uns täuschen ließen, weil Ausdruck und Art dieser nichtgehaltenen
Predigt durchaus im Sinne der gehaltenen Predigten des Kardinals
waren." Auch war in der Spanne Zeit, die zwischen der Oktoberversamm-
lung und der Novemberversämmlung lag, immer wieder in den öffent-
lichen Versammlungen und dem Rednerkurs der DGB. auf die anti-
nationale Einstellung des Kardinals Bezug genommen worden. Die
ersten „Pfui"-Rufe, die dem Kardinal galten, dessen Verhalten eine'
„Schmach und eine Schande" seien, sind jedenfalls in der Oktober-
versammlung gefallen, dann häufig an den Dienstagabenden, an denen
die DGB. bis, kurz vor Weihnachten ihre Zusammenkünfte abhielt. Ohne
Übertreibung kann man feststellen, daß kein einziger dieser Abende
ohne unerhörte Schmähungen — auch gegen den Klerus und die Kirche
— verlief und daß für die unglaublichen Anschuldigungen niemals ein
Beweis erbracht wurde, obwohl dieser häufig angeboten wurde. Daß
ganz offen und mit einem gewissen Stolz behauptet wurde, der jüdische
§ 5, der den Mord verbiete (also 5. Gebot Gottes) habe keine Geltung,
wenn das Staatsinteresse die Beseitigung eines „Schädlings am Volks-
körper" fordere, gibt den Schmähreden gegen die Kirche, ihre Priester
und den Oberhirten eine besondere Bedeutung. Es wäre durchaus ver-
ständlich, wenn fanatisierte Menschen, bei denen die Hemmungen von
Glauben und Gewissen auf diese Weise aufgehoben sind, den Plan faß-
ten, diese „Schädlinge voll Habgier, Eigennutz, Machthunger, Feigheit,
Bestechlichkeit, Verlogenheit, Verrat" durch Mord aus der Welt zu
schaffen.
II.
Beim Kampf gegen die Bekenntnischule flammte der offene Haß
gegen den Oberhirten und die Priester auch an einer anderen Steile
auf, in der neugegründeten Deutschen Schulgemeinde. In einer
der 25 Elternversammlungen, die diese am 12, II. 35 einberufen hatte,
im Cafe Viktoria, Maximilianstraße, richtete sich der Redner, Kreis-
schulrat Streicher', mit allem Nachdruck gegen die Kirche, den
Klerus und den Kardinal (allerdings ohne Namensnennung, nur immer
in der Form des „Predigers von St. Michael"), die keine nationale Ein-
stellung hätten und denen die Frage der Bekenntnisschule lediglich
eine Machtfrage sei.
Eine Steigerung der haßdurchtränkten Anfeindungen gegen den
BLardinal vollzog sich dann in der Massenkundgebung im Bürger bräu-
31
keller am 15. Februar 1935. Es wirkte schon aufreizend, daß die Re-
klame für diese Versammlung in Presse, Rundfunk und besonders in
den Plakaten den Gegensatz zu Kardinal Faulhaber in besonderer'Weise
betonte; in riesengroßen Lettern verkündeten z. B. die Plakate: „Unsere
Antwort an Kardinal Faulhaber". Damit fühlten . sich' die Gegner des
Kardinals schon im vorhinein besonders eingeladen. Dazu kam nun, daß
der Redner manche Predigtworte des Kardinals lächerlich und ver-
ächtlich machte und dadurch Entrüstungsstürme und Zurufe entfesselte
wie: „Pfui! Hängt ihn auf! Erschiessd'n! Dachau!" Der Versammlungs-
leiter Sechser hielt es nicht für notwendig, solche Ungehörigkeiten und
Ungeheuerlichkeiten zu rügen und zu verbieten. Der Redner selbst wies
sie ebenfalls nicht zurück. Und die im ganken Saal gut verteilte, etwa
aus 600 SA und SS bestehende Saalordnung, die jeden abführte, der
sich irgendwelche Notizen machte, fühlte sich nicht bemüßigt, irgend
einen dieser Schreier zurechtzuweisen oder festzustellen oder gar zu
verhaften. Man hörte die Drohungen und konnte auch die Rufer recht
wohl sehen, aber man fand nichts dahinter.
Die Inschutzhaftnahme des Schwerkriegsbeschädigten Jesuitenpaters
Rupert Mayer, der sich für die Diskussion nur ein paar Merkpunkte
notierte, löste bei einzelnen Versammlungsbesuchern erst recht .gehässige
Bemerkungen gegen den Klerus aus.
Noch weiter ging die Verhetzung in einer von der NS Kultur-
gemeinde, Gau Oberbayern — Isartor und Max- Josef-Platz-Bezirk ab-
gehaltenen Versammlung am 20. II. 35 im Kreuzbräu zu München. Der
Lichtbildervortrag von Dr. Schott mit dem Thema „Zweierlei Welten"
stellte in Bild und Wort eine Herabwürdigung der katholischen Glau-
bensgüter und eine Verleumdung und Schmähung der Kirche, des Hl.
Vaters, des Kardinals und der Priester dar. — Der Hl. Vater wurde > in
zwei Bildern als Fuchs hingestellt, der „jenseits der Wasserscheide" die
Schalmei blase und auf dessen 'Lockruf die „deutschen Hühner" resp.
„deutschen Hasen" hereinfielen. Für Kardinal Faulhaber wurde eine
große Ähnlichkeit mit dem Teufel des Dürerbildes „Ritter, Tod und
Teufel" gefunden, ebenso mit dem Kardinal- Großinquisitor von EL
Greco, dem die „Stichflamme", an der sich Scheiterhaufen entzünden,
aus den Augen spränge. Der Redner vermied es zwar schlauerweise, bei
dieser Gelegenheit den Namen „Kardinal Faulhaber" selbst zu nennen,
legte aber seine Worte so an, daß dieser Name den Zuhörern von selbst
auf die Zunge kam, bemerkte dann nur, daß er nichts dafür könne,
wenn solche Zwischenrufe kämen. — Die Menschen waren derartig ver-
hetzt, daß außer den lauten Zwischenrufen „Pfui" an den einzelnen
Tischen Bemerkungen gemacht wurden, die auf den Willen zur Beseiti-
gung der „Römlinge" schließen ließen."
Der Heilige Stuhl unterstützte diese Eingabe des Erzbischöf-
lichen Ordinariats München mit einer Note vom 26. 2. 35 und be-
merkte am Schluß:
„Der Hl. Stuhl sieht den diesbezüglichen Feststellungen der
Reichsregierung mit Interesse entgegen sowie der Mitteilung über
die Maßnahmen, die gegen eine so eklatante Verletzung des Art. 5
des Reichskonkordats ergriffen worden sind."
Antwort hierauf: keine!
Maßnahmen dagegen: keine! i
Ungeheuerlich waren die Beleidigungen, welche der Kreisleiter
Dr. F r i t s c h am 28. August 1938 vor etwa 1000 politischen Leitern
des Kreises Freiburg in der Festhalle von Freiburg im Breisgau
32
wider Erzbischof öröber-Freiburg und Bischof Sproll-Rottenburg
aussprach.
Fritsch stellte zuerst die Frage, ob ein Katholik überhaupt
Nationalsozialist, sein könne. Er bemerkte hierauf, er würde einem
solchen zwei Fragen stellen:
1. Wie er sich zum Alten Testament stelle, das jüdisches
Geistesprodukt und zwar das einzige sei.
2. Ob er sich zur Rassenlehre bekenne. Dann sei der Satz:
„Gehet hin in alle Welt und lehret alle Völker!" erledigt.
Das habe auch der „alte Herr" in Rom erkannt. Wir können
nicht mit Zulukaffern und ähnlichem Gesindel die gleiche Welt-
anschauung haben.
Daß der weltanschauliche Kampf in Freiburg so vornehm geführt
werde, sei nur der Disziplin der nationalsozialistischen Partei zu ver-
danken. Ihr verdanke es auch der Erzbischof, daß er noch in seinem
Palais wohnen könne und nicht schon die gebührende Antwort auf sein
Treiben erhalten habe. Dieser „Lumpenbub" verbreitete Lügenmeldun-
gen in der Auslandspresse. Das sei Landes- und Hochverrat. Mit er-
hobener Stimme fuhr der Redner fort: „Ich nenne ihn in aller Öffent-
lichkeit Gauner, Lügner und Vaterlandsverräter. Er soll
mich verklagen, damit wir einmal Gelegenheit haben, ihm vor Gericht
zu sagen, was wir ihm alles vorzuhalten haben."
Dr. Fritsch fuhr fort: „Wir hätten das schon längst von uns aus
getan, aber wir wollten keinen Märtyrerbischof schaffen." Sodann be-
faßte sich Kreisleiter Dr. Fritsch mit der Pressenotiz vom Donnerstag
und Freitag in der „Freiburger Zeitung" und dem „Alemannen", daß
Bischof SproU von Rottenburg seit einigen Tagen sich in Freiburg auf-
halte. Er bemerkte dazu: „Freiburg ist kein Asyl für Vaterlandsver-
räter. Wenn dieser Herr nicht binnen weniger Tage das Weite sucht,
dann werden wir dafür sorgen, daß es ihm hier ebenso ergeht wie in
Rottenburg. Die nötigen Mannschaften werden nicht fehlen. Dann geht
aber der zweite gleich mit. Wenn wir das bisher nicht getan haben, so
nicht deshalb, weil uns etwa der Mut fehlte — um Waschlappen zu ver-
treiben, braucht man keinen Mut — , sondern deshalb, weil wir uns die
Finger nicht dreckig machen wollten an solchen Schweinen."
T ä 1 1 i c h k e i t e n g e g e n B i s c h ö f e.
Von beleidigenden Worten über Bischöfe ging man aber als-
bald auch zu verletzenden Taten über, so schon im Jahre
1934 gegen den BischofvonWürzburg:
Die päpstliche Note vom 14. 5. 1934 berichtet darüber im Anschluß
über Klagen gegen die „Passivität der verantwortlichen höchsten Stel-
len" folgendes:
„Früchte dieser Toleranz von oben und des in gewissen Kreisen
herangezogenen Geistes sind Vorgänge, wie die jüngst erfolgte Demon-
stration -von etwa tausend Mann vor dem Bischofshof in Würzburg, da-
von ein Drittel in der Uniform von Nationalsozialisten und Hitlerjugend.
Der Diözesanbischöf hatte die Feier der Erstkommunion in der Pfarrei
Waldbüttelbrunn abgesetzt, weil der dortige Pfarrer unmittelbar vorher
am Gründonnerstag in Schutzhaft genommen worden war und die Vor-
bereitung der Kinder auf die erste hl. Kommunion nicht mehr vollenden
konnte. Auch in diesem Falle ist an der von einer bestimmten Parteistelle
erfolgten planmäßigen Vorbereitung der Demonstration kein Zweifel. Aus
Kreuz und Hakenki'euz 3 oo
der zusammengebrachten Menge fielen In vorbereiteten Sprechchören
die Rufe: ,Die schwarzen Jugendführer sollen gehängt werden! Der
Bischof soll gehängt werden! Er ist Landesverräter und Volksveräter!
Heraus mit der Politik aus der Kirche!' Der Bischof trat an das Fenster
und sprach: ,Wir tragen die Politik nicht in die Kirche! Wir verteidigen
die Rechte der Kirche!' Darauf wurde mit einem Balken das Haustor
eingerammt. Bei dieser Demonstration ereignete sich auch die schmach-
volle Tatsache, daß die Veranstalter den Osterbrief des Hl. Va-
ter s Satz für Satz verlasen und Satz für Satz von der durch sie auf-
gebotenen Parteimannschaft mit Pfui! beantworten ließen. Abgesehen
von einem örtlichen Demonstrationsverbot für die Zukunft, ist dem Hl.
Stuhl bisher nicht bekannt geworden, welche Genugtuung dem katholi-
schen Volk Würzburgs für diese unwürdige Verletzung seiner religiösen
Rechte und Gefühle zuteil geworden ist. Das Bewußtsein der Recht-
losigkeit und des Ausgeliefertseins an die Instinkte der Straße muß in-
folge' solcher Vorfälle, die frühere Kulturkampfzeiten nie gekannt haben,
wachsen. In diesem Zusammenhang soll nur nebenher erwähnt sein,
daß der gleiche Osterbrief des Hl. Vaters an verschiedenen Orten von
den Kirchentüren abgerissen worden ist. Die Fälle sind der Bayerischen
Staatsregierung zur Kenntnis gebracht worden. Von einem Einschreiten
ist, in Übereinstimmung mit ungezählten sonstigen Fällen, bisher nichts
bekannt geworden. Der Hl. Stuhl kann es verstehen, wenn Se. Eminenz
der Herr Kardinal-Erzbischof von München in seinem Protestschreiben
vom 21. April d. Js. an den Herrn Reichsstatthalter von Epp in schmerz-
licher Bewegung schreibt:
,Die deutsche Reichsregierung hat mit dem Hl. Vater ein Konkordat
abgeschlossen und 'will nach den feierlichen Erklärungen des Herrn
Reichskanzlers die friedlichen Beziehungen zum Apostolischen Stuhle
aufrecht erhalten; Es muß auf die Katholiken des Inlandes und des
Auslandes einen niederschmetternden Eindruck machen, wenn von amt-
licher Seite das Bekanntwerden eines päpstlichen Schreibens unter-
drückt und auf der Gasse ein päpstliches Schreiben verhöhnt wird."'
Frühzeitig begann man auch schon mit Anpöbelungen des
Kardinals Faulhaber selbst:
In der Nacht vom 4. auf 5. Juli 1936 riß man an dem Pfarrhof
von St. Jodok in Landshut, in dem der Bischof wohnte, den
Schmuck herunter.
Direkt gegen die Person des Kardinals richtete sich dann ein
Angriff vor der Kirche Heilig-Kreuz in München am
Christkönigsfest 25. Oktober 1936. „Stoßtruppleute der Deutschen
Glaubensbewegung" riefen dem Kardinal bei seinem Auszug aus
der Kirche haßerfüllt zu: „Nieder! Nieder mit dir! Heil Hitler!",
schlugen schließlich noch mit Fäusten an die Fenster des Autos und
mit einem Stock auf das Dach desselben. Die Straftat der Ermittel-
ten führte zwar zunächst zu einer Verhandlung vor dem Amts-
gericht München, doch' erklärte sich dieses schließlich nicht für zu-
ständig, da „Landesfriedensbruch" in Frage stehe. Eine für 14. Juli
1937 (also acht Monate später!) angesetzte Verhandlung vor dem
Landgericht München wurde am Vorabend abgesetzt, da ein Gesuch
des Verteidigers vorliege, das Verfahren niederzuschlagen. Am
13. November 1937 (also mehr als ein Jahr nach der Missetat) kam
dann folgende Mitteilung des Amtsgerichtes München: „Der Führer
und Reichskanzler hat das Strafverfahren gegen die Angeklagten
34
K. Oberstötter, Karl Geiger, Karl Foltz, Anton Friedrich Büchting
und Ludwig Paul Rahl wegen groben f Unfugs, Beleidigung, Ge-
fangenenbefreiung und Landesfriedensbruch mit Erlaß vom '22. Ok-
tober 1937 niedergeschlagen."
Wie milde konnte doch „der härteste Mann, den Deutschland
seit Jahrzehnten, vielleicht seit Jahrhunderten hatte" (nach Hitlers
eigenen Worten), sein, wenn es sich um Vergehen seiner Freunde
gegen die Kirche handelte!
Ähnlich ging es auch, als Kardinal Faulhaber während der
Fronleichnamsprozession 193 9, da er das AUerheiligste
trug, laut von einem Balkon herab „Landesverräter" geschmäht
wurde. Auch diese öffentliche schwere Beleidigung blieb ungestraft,
obwohl die Polizei sofort auf den Verbrecher aufmerksam gemacht
wurde und das Erzbischöfliche Ordinariat um Strafverfolgung oder
wenigstens um Namensbekanntgabe zwecks Privatklage ersuchte.
In Eichstätt wurde in der Nacht nach der glänzend ver-
laufenen Papstfeier im Dom (14./15. Februar 1937) in den Brief-
kasten des Bischöflichen Palais* ein Zettel geworfen mit der
Drohung:
Nehmt Euch in acht !
schwarze H.
In der Nacht vom 15. /l 6. Februar wurde durch die
Türspalte des Bischöflichen Palais' ein handgeschriebenes Plakat
geschoben;
DiePfaffen,
die das Kleid des Seelsorgers mißbrauchen, um sich mit rein welt-
lichen Dingen zu befassen, sind die größten Lügner und Vaterlands-
verräter. So wie sie es vor 100 Jahren getrieben haben, wird es
heut nicht mehr möglich sein. Sie tun gut, mit den Juden ein
Bündnis zu schließen, denn ihre Absichten sind miteinander ver-
wandt.
Unterschrift:
E i n H i r t e !
In der gleichen Nacht wurden die Türen des Bischöf-
lichen Palais' verschmiert:
Schurken — Schwarze Brut — Schweinehunde
Am Morgen des 17. Februar konnte man lesen:
Volksverhet^er — Römlinge.
In ganz Deutschland erregte gewaltiges Aufsehen eine Demon-
stration der HJ am 12. Mai 1935 in Hamm gegen den Erzbischof
von Paderborn:
Zusammenstellung aus dem Bericht des Erzb. Ordinariates Paderborn:
„Aus den eidlichen Aussagen einer großen Anzahl von Zeugen stellt
sich folgender Tatsachenbericht zusammen:
Die HJ hat diese Aktion planmäßig vorbereitet und dazu mit als
,streng geheim' gezeichneten Einzelschreiben eingeladen. Auf einer
35
Führerbesprechung wurde der Plan angeregt, auf einem Heimabend die
Durchführung beraten und durch Geheimbefehl den einzelnen Jungen
mitgeteilt. Am Tage selbst wurden Lieder und Sprechchöre eingeübt.
Die Hitler jungen verteilten sich auf dem Bahnsteig, an der Sperre
unter der Menge. Sie hatten den Auftrag, sobald der Erzbischof er-
scheine ,Devisenschieber' und ähnliches zu rufen. Als der Bischof ein-
traf und von der Geistlichkeit begrüßt wurde, demonstrierte die HJ mit
Rufen: .Devisenschieber', ,Unserm Führer Adolf Hitler Sieg Heil!'
Hitler jungen versuchten, den Bischof beim Besteigen seines Wagens zu
hindern. Als der Wagen abfuhr, brüllten sie in den Wagen hinein:
.Devisenschieber', schwangen sich auf das Trittbrett, versuchten in den
Wagen zu spucken, trafen aber Passanten und machten schließlich An-
stalt, den Wagen umzuwerfen. Die Bevölkerung, die den Bischof
schützen wollte, wurde von der HJ sogar mit gezücktem Ehrendolch an-,
gegriffen. Immer wieder drängten sie sich an den Wagen heran und
schrien im Sprechchor: ,Nieder mit dem Bischof!' ,Wer bringt die
Devisen ins Ausland? Die Pfaffen!'
Auf dem St.- Agnes-Kirchplatz angekommen, versammelten sich die
Hitler jungen um ihre Führer und bildeten Sprechchöre: ,Wer hat den
Arbeitsdienstmann Koch ermordet? Die Pfaffen,!' — ,Wir haben nur
einen Führer! Sieg Heil!' Nach vergeblichen Versuchen, die Hitler-
jungen durch gütliches Zureden zum Schweigen zu veranlassen, gingen
die Jungen zum Angriff vor und schlugen wahllos auf die Zivilbevölke-
rung ein. Durch Kriminalbeanite wurde nunmehr das Überfallkom-
mando benachrichtigt. Die Begrüßungsrede auf dem Kirchplatz mußte
abgebrochen werden. Nachdem der Erzbischof die Kirche betreten hatte,
dauerte das Rufen und Toben auf dem Kirchplatz noch fort, ja man
schlug mehrmals gegen die Kirchentür. Als dann das Überfallkom-
mando erschien, verschwanden die Hitlerjungen."
Unter den beteiligten Hitler jungen befanden sich der Oberbann-
führer Bierkämper, der Unterbannführer von der Heide, der
Jungbannführer Meßmacher, alle aus Dortmund, ferner der
Jungbannführer Schiockermann, Lippstadt, sowie eine Reihe
HJ-Führer aus Hamm."
Ähnlich war es mit einer Anpöbelung des Bischofs von
Hildesheim am 3. Juli 1938, wo Polizei unmittelbar vor dem
Kirchenzug des Bischofs die Fahnen vor dem Pfarrhof wegnahm,
SA, HJ und JV (Jungvolk!) mit Hetzliedem durch die Straßen zogen.
Bischof Bornewasser vonTrier wurde am 26. Mai
1935 ebenfalls auf der Firmungsreise von der HJ belästigt und be-
schimpft, B i s c h o f R ä c k 1 v o n E i c h s t ä 1 1 am 11. April 1937.
Tätlich keitengegenBiscHofshöfe.
Der Haß der Partei trieb schließlich auch zu Gewalttätig-
keiten gegenBischofshöfe, so am 9. April 1934 in
W ü r z b u r g, dann wiederholt im Jahre 1938 in Rottenburg:
Am 18. April 1938 waren dort schon Fenster des Palais eingeworfen
worden. Am 23. Juli 1938 aber holte die Partei Nationalsozialisten aus
der ganzen Umgebung von etwa 50 km zusammen Und führte dann an
die 3000 Demonstranten vor ,das Bischoüshaus; dort wuirde Feuerwerk,
Holz entzündet; die Tausende schrien, pfiffen, heulten, riefen einzeln
oder in Sprechchören: „Schwarzer Zigeuner! Volks Verräter! Heraus mit
dem Lumpen!" Dann wurden Fensterläden ausgehoben, Türfüllungen
gesprengt; viele drangen ins Haus ein bis in die Kapelle, wo Erzbischof
36
Gröber von Freiburg zusammen mit Bischof Sproll von Rottenburg vor
dem Allerheiligsten betete. An die 20 Personen blieben dort etwa eine
Viertelstunde lang, teilweise mit brennenden Zigaretten und mit der
Mütze auf dem Kopf.
Keiner der Demonstranten wurde bestraft. Nur — der Bischof
wurde seiner Diözese und des Landes verwiesen bis zum Kriegsende.
Sein Verbrechen war, daß er sich geweigert hatte, einen Wahlzettel ab-
zugeben, mit dem er Kirchenfeinde wie Rosenberg u. ä. hätte wählen
müssen.
Im gleichen Jahr 1938 wurde zwei Tage nach dem Sturm auf
die jüdischen Geschäfte in München ein Angriff auf den Bi-
schof shof des KardinalsFaulhaber gemacht (11. November).
Unter ohienbetäubendem Schreien, Johlen und Pfeifen wurden
Steine (sogar Ziegelsteine) gegen Fenster und Fensterläden, auch
in den ersten Stock hinauf geschleudert, an die 100 Fensterscheiben
zertrümmert, Fensterrahmen verbogen oder zerbrochen. Das Ein-
fahrtstor wurde '^^ mit Balken berannt. Dazwischen Rufe: „Raus!
Raus! Nach Dachau! In Schutzhaft mit dem Hochverräter!" Unter
den Demonstranten waren nicht wenige uniformierte Amtswalter
der Partei, auch der stellvertretende Gauleiter.
Der HaßgegenBischöfetriebnochweitereBl Uten.
Bischof Legge von Meißen (Sachsen) wurde wegen
„Devisenvergehens" (weil er kirchliche Schulden in Holland be-
gleichen wollte) gerichtlich verurteilt und mehrere Monate ins Ge-
fängnis geworfen^
Bischof Ehren fried von Würzburg wurde auf seiner
amtlichen Reise nach Rom im Jahre 1938 an der deutsch-italie-
nischen Grenze festgehalten und durchsucht: alle seine amtlichen,
lateinischen Dokumente wurden photographiert.
Die Bischöfe von Straßburg und Metz wurden beim Ein-
marsch der Deutschen in Frankreich vertrieben.
Ein polnischer Weihbischof und der französische Bi-
schof Gabriel Piguetvon Clermont-Ferrand wurden
ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Bischof Piguet war vor-
her im Lager zu Nazweiler (Elsaß) von einem SS- Wachmann ge-
schlagen worden.
Wenige Tage nach der Bischofskonferenz in Fulda im Jahre
1938 drangen 12 Gestapobeamte in die Druckerei Mischkowska in
Breslau ein, wo, wie sie wußten, das Protokoll der Bischofs-
konferenz gedruckt werden sollte. Sie beschlagnahmten die
Handabzüge und den Rest des Protokollmanuskriptes.
Bischöfliche Amtsgebäude wurden immer häufiger durch-
sucht, so das Ordinariat Berlin schon 1935 zur Fahndung nach
„Mitteilungen des kirchlichen Informationsdienstes"; das Ordinariat
München am 31. August 1938, das zu Limburg 1939 usf.
37.
c) Kampfgegeniden gesamten Klerus.
Die öffentlichen Beschimpfungen und Verdächtigungen des
Klerus in Wort und Schrift lassen sich nicht annähernd wieder-
geben. Das eingangs erwähnte Buch: „Die Verfolgung der Kirche
im Dritten Reich" sagt Seite 430: „Man könnte wirklich ein großes
Buch füllen allein mit der Angabe der Stellen in Naziliteratur, in
welchen abträgliche Bemerkungen über das katholische Priester-
tum zu finden sind."
Immer wieder und in allen möglichen Wendungen wurde dem
Klerus der Vorwurf der Hetze, des Verrates, des „politischen Katho-
lizismus", der Herrschsucht, der Geldsucht (vgl, Bild in „Das
Schwarze Korps" mit Unterschrift: „Eine feste Burg ist unser
Gold! "), der Erbschleicherei, der Volksfeindschaft, des Miß-
brauches der Kanzel, des Beichtstuhls (z. B. 26. 6. 1935 und
1. 7. 1937) usw. gemacht.
Beispielsweise schrieb die Neu-Ulmer-Zeitung am 12. Dezember 1933
u. a,: „Katholische Geistliche haben sich, geschützt durch den Talar, zu
Hütern einer roten, staatsfeindlichen Bewegung gemacht. Das waren
sie schon vor der Revolution offen. Sie sind es heute im geheimen. Sie
sind erklärte Staatsfeinde."
Die Geheime Staatspolizei in Bayern ließ im ganzen Land
polizeilich nachforschen, ob Geistliche Kinder hätten.
Schriften abgefallener Geistlicher Wurden — mehr oder minder
mit Zwang — vertrieben. Die abgefallenen Priester selbst wurden
in wichtige Parteiämter übernommen.
In Schaukästen wurden die Geistlichen verhöhnt, z. B^ war im
Schaukasten der HJ in Rosenheim im Mai 1935 folgender Anschlag
ausgehängt:
Meister der Lüge !
Am Sonntag, den 12. 5. fand in der Stadtpfarrkirche St. Nikolaus,
Rosenheim, eine Männerpredigt statt, in der u. a. folgende Worte fielen:
„ . . . Unsere Altvordern, die Germanen, waren auch nicht unmensch-
licher und menschlicher als die andern Heiden. Sie waren auch nicht
besser und auch nicht schlechter. Nach den Wotanfesten hingen an den
Ästen der Bäume die aufgeschlitzten Leichen von Tieren und Menschen,
denen sogar die Herzen herausgerissen waren. Die Vandalen, die diesen
Namen tatsächlich mit Recht tragen, haben ganze Länder verwüstet,
ganze Völker vernichtet."
Dem haben wir in aller Sachlichkeit zuzufügen: Auf welch hoher
Stufe die vandalisch hausenden Germanen standen, das zeigen die bei-
gefügten Bilder. Diese Kunstschätze wurden schon, ehe ein Bonifatius
nach Deutschland kam, hergestellt. Nebenbei bemerkt: Im alten Hellas
und Rom herrschte vor Jahrtausenden, weit vor Christi Geburt, eine
Höhe der Kultur, die keineswegs erst von den Mönchen erzeugt wurde.
Weiter wenden wir uns in aller Schärfe gegen die Lügen „der Leichen
an den Bäumen". Zur Zeit der alten Germanen gab es noch keine
Jesuiten, die das, was man hier mit bewußter Sicherheit vorzutragen be-
. strebt ist, wirklich gesehen hätten. Heute stellt man es als Tatsache hin,
nur um die unwissenden Kirchenbesucher gegen unsere Vorfahren auf-
zuputschen.
Wohl ist aber geschichtlich bewiesen, aber leider nur
zu wenig bekannt, .daß zur Zeit der Inquisition in Spanien, Frank-
38
reich und in Deutschland Hunderttausende auf Grund der
Urteile von römischen Mönchen gepfählt, verbrannt, ent-
hauptet und lebendig begraben wurden. Herrliche Kulturtaten im Zeichen
der ewig politisierenden Kirche!!! Weitere Beispiele siehe in
Eosenbergs verhaßtem „Mythos des 20. Jahrhunderts". Das Buch
enthält prachtvolle Wahrheiten, die man freilich in gewissen
Kreisen nicht gerne hören will! Wir Icämpfen keineswegs gegen die
Religioh, wohl aber gegen jede Lüge der hundertprozentigen Eiferer,
Wir sind nun auf der Wacht, uns ist das Altgermanentum heilig! Wir
werden auch in Zukunft die versteckten Absichten von Kanzelreden
obigen. Stiles zu entdecken und zu brandmarken wissen.
Noch ärger trieb man es mit der Verspottung der Geistlichen
in öffentlichen Aufzügen, z. B. am 18. August 1935 in
Bruckmühl, am 12. Juli 1936 in Prien. In Prien zeigte einer der
mitgeführten Wagen einen Juden und einen Bolschewisten und
zwischen den beiden einen Geistlichen, darüber die Überschrift:
„Die Staatsfeinde". Der Aufmarsch begann noch während der
Gottesdienstzeit!
In Bruckmühl waren SA und SS von Kolbermoor, Bad Aibling
und Bruckmühl auf vier Wagen. Schandbare Karikaturen von
Priestern und Klosterfrauen und Schilder mit Aufschriften waren
angebracht, z. B.:
1
Bild: Eine sterbende Klosterfrau mit Sterbekreuz in der Hand und
Blumenstrauß, neben ihr ein großer Geldsack.
Aufschrift: „Hast Du kein Geld Dir mitgenommen,
Kannst Du nicht in den Himmel kommen."
Bild: Tod mit Geldsack und obigem Spruch.
Bild: Ein Altar, vor demselben ein recht wohlbeleibter, betender Pfarrer
und daneben ein großes Beil.
Bild: Pfarrer, Juden und Klosterfrauen, gemeinsam einen Geldsack
haltend.
Sodann mehrere Schilder mit Aufschrift allein, wie z. B.
„Paifen nach Rom, Juden nach Palästina, Uns aber Deutschland."
Oder: (mehrfach): „Wenn die den Kampf wollen, können sie ihn haben."
Oder: „Ron) den Pfaffen, — Uns aber Deutschland."
Oder: „Widerstände sind da, um sie zu brechen; wir sind bereit."
Oder: „Willst Du ins Kloster gehen, rnußt Du zuerst das Schieben lernen."
Daneben das Bild: Pfarrer und Klosterfrau mit Rosenkranz und
Geldsack. , '
Die Bevölkerung in Bruckmühl hat dieses traurige Schauspiel
mit eiserner Ruhe nach außen hin, innerlich aber mit tiefer Em-
pörung über sich ergehen lassen.
Noch trauriger war, daß selbst die Hitlerjugend ähnlichen
Spott gegen den Klerus trieb:
Gelegentlich des Hochlandlagers im Jahre 1935 wurde in Leng-
gries ein Umzug gehalten, während dessen die Anführer wiederholt
fragten: „Was tun wir mit den Pfaffen?" Der Chor antwortete:
„Aufhängen! Aufhängen!", Auch ein Brett mit Aufschriften dieses
Inhalts würde mitgetragen.
39
Vom April ab brachte „D as Seh warze Korp s" in
jeder Nummer Bilder und Artikel gegen das
Priestertum. Ganz besonders richteten sich die Angriffe gegen
den Zölibat, dann aber auch gegen die kirchlichen Einrichtungen
für den Priesternachwuchs, gegen die Theologischen Fakultäten an
den Universitäten u, ä.
„Die Brennessel", eine nationalsozialistische Zeitschrift mit Bil-
dern, brachte am 1. Februar 1938 ein „Schwarzes ABC" mit teil-
v/eise nicht wiederzugebenden Zeichnungen und mit nachfolgenden
Spottversen:
SchwarzesABC
A „Anathema!" bedroht den Sünder,
Amtsbrüder zeugen keine Kinder.
B Das Beichten ist ein frommer Brauch,
den Beutel braucht die Kirche auch.
C . Die Christenlehre dient den Seelen.
Es gibt kein Centrum mehr zu wählen.
D ' Das Dogma dienet der Erbauung.
Die Demut fördert die Verdauung.
E Die Ehe darf der Mensch nicht lösen.
Erkenntnis ist ein Werk des Bösen.
F Viel Fratres deutsches Land verließen,
dem Fiskus fehlt es an Devisen.
G Die Geilheit scheut das Licht der Sonne,
doch gottgewollt lebt Mönch und Nonne.
H Auf Hintertreppen ist es glatt,
im Himmel fehlt das KircheniDlatt.
I Der Intrigant zerstört den Frieden.
Intolerant sind Jesuiten.
K Die Keuschheit soll die Jungfrau zieren.
Kapläne re- und absolvieren.
L Im Lateran gibt's Kardinäle,
auch Lucifer hat schöne Säle.
M Die Menschheit muß, sich mischend, mehren.
Der Missionar gibt Wilden Lehren.
N Der Nuntius bringt gesalbte Noten.
Die Nuditä'ten sind verboten.
O Der Obulus ist ein Stück Geld,
non ölet, wenn es Rom erhält.
P Dem Pfaffen ziemen fette Pfründen,
der Pilger büßt für seine Sünden.
Q Der Hölle Quälen schmerzen arg.
Der Quietist nährt sich von Quark.
R Die Reue kann den Reichen läutern.
Das Rindvieh melkt man an den Eutern.
I
S . Soutanen sind kein Damenstrumpf.
Schwarzkittel fürchten nicht den Sumpf.
T Als Taube kam der Heilige Geist.
Die Tröstung frommt den Witwen meist.
40
U Herr Urian war eift Hexenbock.
Die Unschuld wohnt im langen Rock.
V Der Vatikan ist eine Stadt.
Die Venus trägt ein Feigenblatt.
W Das Wunder ist des Glaubens Frucht.
Weh dem, der nach der Wahrheit sucht.
X Mit Xereswein man Mesäp hält.
Aus X wird U, wenn's Rom gefällt.
Y In Yokohama fehlt's an Christen,
Yak heißt der Grunzochs der Buddhisten.
Z Das Zugtier wird zumeist kastriert.
Der Zölibat ist approbiert.
Bischof Buchber ger-Regensburg sagte in einer Predigt
vom 15. November 1936 mit Bezug auf diese Verhöhnung des Klerus
in Wort und Bild:
„InRußländundSpanienerleidenPriesterden
Verlust ihres Lebens; hier in Deutschland aber
suchen dieKirchenfeinde ihnen die Ehre und alles
Vertrauen zu ihnen zu nehmen. Und es gibt viele
Priester, die lieber ihr Leben als ihren guten
Namen verlieren möchte n."
B. Fesseln für die Kirche Gottes.
Bereits am 14. 5. 1934 mußte der Heilige Stuhl in einer Note
an die Reichsregierung feststellen:
„Auf Grund der ihm bis in die- jüngste Zeit hinein zugegangenen
amtlichen Informationen kann der Hl. Stuhl die Feststellung nicht unter-
lassen, daß der katholische Klerus im heutigen Deutschland auch
nicht entfernt das Mindestmaß derjenigen Freiheit
in der Ausübung seines seelsorgerlichen Amtes genießt, ohne die er der
Pflicht der geistlichen Leitung der ihm anvertrauten Seelen nicht ge-
nügen kann.
Ein widriges Spitzeltum umlauert vielfach jeden Schritt
und Tritt, jedes Wort und jede Amtshandlung. Durch Angebertum
, suchen mehr als zweifelhafte Elemente sich als Retter des angeblich
bedrohten Staates bei den Behörden wichtig zu machen. Der Eindruck,
den der Hl. Stuhl aus den diesbezüglichen Unterlagen gewinnt, ist nach-
gerade beschämend."
Bezeichnend ist hiefür die Anweisung, welche einem Orts-
gruppenleiter für die Überwachung aller kirchlichen Wirksamkeit
zuging. Darnach waren zu beobachten mit folgender Bericht-
erstattung:
I)
1. Die Predigten der Ortsgeistlichen; für ihre Abhörung wurden „Ver-
trauenspersonen" aufgestellt. Besondere Beachtung sollte dabei ge-
schenkt werden Aussetzungen an, der Rassenlehre und an der Ge-
schichte der germanischen Vorfahren, dann sympathischen Äuße-
rungen über das Judentum, endlich dem Widerstand gegen de»
Sterilisierungs-Feldzug.
Kreuz und Hakenkreui 6 4J
2. Religiös-seelsorgerliche Kurse, die in der Pfarrei gehalten werden:
dabei sollten möglichst Einzelheiten berichtet werden.
3. Die Exerzitienbewegung: Exerzitienhäuser und Teilnehmer sollten
beobachtet werden.
4. Die Volksmissionen. Dabei ist anzugeben, welchem Orden die Mis-
sionäre angehören, welches der Nattie des Missionsobern ist.
5. Die Sammlungen für die Heidenmission, insbesondere ^Kindheit-
Jesu- Verein und Ludwig-Missions- Verein.
6. Rompilgerfahrten der einzelnen Pfarreien, einzelner Vöreine.
7. Die Errichtung katholischer Schulen, neuer Kirchen, neuer Ordens-
häuser und neuer Orden. ^^
II)
1. Die Haltung des katholischen Klerus gegen das neue Reich.
2. Das Verhalten des Klerus zum neuen „Deutschen Gruß".
3. Der Widerstand gegen staatliche Mäßnahmen.
4. Die Verbreitung von „Greuelnachrichten".
5. Moralische Verfehlungen des Klerus.
6. Benehmen des Klerus an der Grenze.
III)
1. Katholische Vereine.
2. Besonders scharf zu überwachen sind: Katholischer Frauenbund,
Katholischer Caritas- Verband, Katholische Männervereine, Katholi-
scher Jungmänner- Verband.
So wurden also die Priester und Katholiken auf Schritt und
Tritt überwacht, und gär oft wurde die Überwachung zur Fesselung.
Und die schlimmsten Fesseln waren nicht die, welche vielen
Priestern tatsächlich an den Händen angelegt wurden. Viel un-
heilvoller und unerträglicher wurden jedem apostolischen Herzen
die harten Fesseln, die Tausenden von Priestern in ihrer Tätig-
keit, die selbst dem Wort Gottes, dem Gottesdienst, den heiligen
Sakramenten, dem katholischen Unterrichts- und Erziehungswesen,
der außerkirchlichen Seelsorge an Jugendlichen und Erwachsenen,
dem katholischen Schrifttum u. a. angelegt wurden.
Der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten,
Dr. Kerrl, stellte zwar am 11. Dezember 1937 die Behauptung auf:
„Niemals ist irgendein Priester in der Ausübung seines Amtes
behindert worden, nicht ein einziger Gottesdienst, nicht eine einzige
Messe ist gestört worden." Aber die Tatsachen reden
eineandereSprache.
Die Tatsachen zeigen auch die Knechtung der Gewissensfreiheit
der einzelnen Gläubigen. Ein Beispiel dafür:
Bespitzelung bis auf des Herzens Grund:
1937 bekamen 40 junge Münchener Referendare nachfolgenden
Fragebogen zur Beantwortung:
Religion?
1. Glauben Sie an das Dasein Gottes?
2. Wenn ja, glauben Sie an die Lehre der Kirche, der Sie angehören,
42
oder haben Sie eine andere Vorstellung von Gott und seinen Be-
ziehungen zu den Menschen?
3. Glauben Sie an die Gottheit Christi?
Glauben Sie, daß Christus von einer Jungfrau geboren wurde?
Glauben Sie, daß Christus nach seiner Kreuzigung wieder auf-
erstanden ist?
Oder glauben Sie, daß Christus nur ein Mensch war?
4. Glauben Sie, daß die Bibel das Wort Gottes ist, d.h. daß ihr Inhalt
von Gott denen eingegeben war, die sie schrieben, und daß Gottes
Wille in ihr zu finden ist? '
5. Glauben Sie an ein Weiterleben der Seele nach dem Tode?
6. Glauben Sie an eine göttliche Gerechtigkeit, d. h. daß der Mensch
nach dem Tod belohnt wird für ein gutes Leben und bestraft wird
für Bin schlechtes Leben?
7. Beten Sie zu Gott und glauben Sie, daß Gott das Beten hört?
Glauben Sie, daß Gott sich in seinem Tun durch Gebet beeinflussen
läßt?
8. Glauben Sie, daß die christliche Religion unersetzlich ist als Grund-
lage der Sittlichkeit und als Autorität für menschliche Moral und
Erziehung? Oder glauben Sie, daß ein Glaube an Gott, der nicht
mit der christlichen Lehre verbunden ist, dafür auch genügt? Oder
glauben Sie, daß eine andere Moral- Grundlage dieselbe Autorität
haben kann wie der Glaube an Gott? Und wenn so, welche?
9. Glauben Sie, daß die christliche Lehre einen ewigen und universalen
Wert hat? Wenn nein, glauben Sie dies von irgend einer anderen
Lehre? Wenn ja, von welcher? Oder glauben Sie, daß Religions-
und Sittenlehre verschieden sind nach verschiedenen Zeiten und
Rassen und diesen angepaßt und mit ihnen verändert werden muß?
.10.. Glauben Sie, daß die Seele etwas im Menschen ist, was ein eigenes
Sein hat, d. h. daß der Mensch aus zwei Teilen, aus Leib und Seele
besteht? Glauben Sie, daß Stoff und Geist in der Welt Dinge sind,
die unabhängig voneinander existieren, aber zusammenwirken?
Oder glauben Sie, daß die Seele nur ein Reflex des Leibes ist, d.h.
daß alle geistigen Experimente letzten Endes auf bloß körperliche
Experimente zurückgeführt werden können? Glauben Sie darum,
' daß Stoff das einzige der Welt und Menschen ist? Oder glauben Sie
im Gegenteil, daß alles Stoffliche nur ein Reflex des Geistes sei,
d. h. daß das Körperliche und all seine Energien nur Reflexe geisti-
ger Vorgänge sind? Glauben Sie also, daß Geist das einzige Grund-
elemeht der Welt und Menschen ist?
11. Haben Sie sich schon bisher mit religiösen und philosophischen
Fragen dieser Art befaßt? Oder haben diese Fragen keinen beson-
deren Platz in Ihrem Denken? Wie oft haben Sie nach Ihrer Be-
rechnung in dem letzten Jahr einem Gottesdienst, z. B. der Messe,
beigewohnt?
12. Wollen Sie noch irgend eine besondere Bemerkung machen?
Auf die Frage eines jungen Juristen, ob dieser Fragebogen ein
amtliches Dokument sei, wurde die echt nationalsozialistische
Antwort gegeben: „Jetzt noch nicht."
Genug der Fesseln waren übrigens ^chon anderweitig ge-
schmiedet und angelegt worden.
.43
1. Fesseln für das Wort Gottes.
„Das Wort Gottes Ist nicht gefesselt," konnte der hl. Paulus
seinem Schüler Timotheus (2 Tim. 2,9) noch aus dem Gefängnis
schreiben.
Der Nationalsozialismus versuchte , auch diese Fesselung,
Einzelne Glaubenswahrheiten, religiös-sittliche Lehren sollten
oder durften nach dem Willen der Partei überhaupt nicht mehr
behandelt werden. Als z. B. Kardinal Fgulhaber noch vor
der „Machtergreifung" in der St.-Bonifaz-Kirche zu München für
den „Friedensbund deutscher Katholiken" eine Predigt über den
Frieden hielt, schrieb eine nationalsozialistische Zeitung un-
gefähr folgendes: „Wenn wir an der Macht sind, wird der Herr
Kardinal keine solche Predigt mehr halten können." (Tatsächlich
wurde die genannte katholische Friedensvereinigung schon zu Be-
ginn der NS-Gewaltherrschaft aufgelöst und ihr Leiter, Domini-
kanerpater S t r a t m a n n, ins Konzentrationslager gesteckt, Koope-
r.alor v. S o d e n verfolgt, der Verfasser selbst hierüber 1941 pein-
lich vernommen, M. ä.)
Universitätsprofessor Dr. K r e b s - Freiburg wurde von der
Gestapo, verboten, am 29. November 1934 im Dopa zu Freiburg über
die Erbsünde zu predigen.
Ähnlich waren Predigten über das Alte Testament ver-
pönt. Die Veröffentlichung der Predigten, die Kardinal F a u 1 -
haber im Advent 1933 über die religiösen, sittlichen, sozialen und
messianischen Werte des Alten Testamentes gehalten hat, wurde in
vielen Gauen verboten. Ebenso seine Predigt über die Leichen-
verbrennung im Jahre 1937.
Im Juli 1935 wurden Vorträge des weltbekannten Eugenikers
im Priesterkleid, des Professors Herr mann Muckermann,
in Duisburg verboten, nachdem vorher SA und HJ systematisch
Ruhe und Ordnung gestört hatten. Später erhielt Muckermann über-
haupt volles Redeverbot, auch Predigtverbot.
Selbst kurze Bemerkungen über die Sterilisierungs-
f rage in der alljährlichen Ehebelehrung der Oberhirten begeg-
neten da und dort schon Schwierigkeiten, erst recht Predigtworte
über „Euthanasi e", „Mythos des 20. Jahrhunderts", „Rasse-
kult" u. a. Auch bloße Zurückweisung von Angriffen der NS-Presse
oder einzelner Parteigliederungen auf Glaubenswahrheiten, Kirche,
hl. Sakramente und kirchliche Gebräuche führten des öfteren zu
Beanstandungen, wurden als Herabsetzung und untragbare Kritik
an nationalsozialistischen Einrichtungen gewertet und bestraft.
Ja, schon einzelne, Ausdrücke und Worte durften
nicht mehr im alten Sinn gebraucht werden: z, B, ordnete ein
eigener Erlaß des Reichsinnenministers vom 5. Juni 1935 an, daß
im behördlichen Verkehr das Wort „Mischehe" nur in dem
Sinn zu gebrauchen sei, daß hierunter „eine zu einer Rasse-
44
mischung führende Ehe zu verstehen sei*'. Nun durfte der
Prediger nur noch von einer „religiös- gemischten Ehe" spre-
chen, wenn er auck von seinem Ehercchtstudium her seit Jahr-
zehnten gewohnt war, nur einfach von „Mischehe" zu reden.
Ähnlich wurde im Herbst 1939 der katholischen Presse des
Dritten Reiches verboten, den Titel „Volk" den bloßen Teilnehmern
an kirchlichen Funktionen zu geben; denn das Wort Volk bedeute
für den Nationalsozialismus nicht bloß die Angehörigen einer be-
stimmten Konfession, sondern die gesamte Gemeinschaft, welche all
die versfchiedenen Bekenntnisse in sich begreife.
Ein Kautschukerlaß:
Am 5, April 1935 erließ der kommissarische Oberpräsident der Rhein-
provinz, Staatsrat Terboven, auf Grund des Polizeiverwaltungs-
gesetzes in Verbindung mit der Verordnung zum Schutze von Volk und
Staat vom 28. Februar 1933 eine Polizeiverordnung für Bekämpf^ung
des Mißbrauch s dogmatischer Erörterungen und der
Verstöße gegen die Grundgesetze der nationalsozialistischen Bewegung.
„Wer künftig mit der Behauptung, kirchliche und dogmatis ehe
Grundsätze zu verteidigen, in der Öffentlichkeit gegen die Grund-
sätze der nationalsozialistischen Bewegung in irgendeiner Weise ver-
stößt oder sie herabsetzt, verwirkt die Verhängung eines Zwartgsgeldes
in Höhe bis zu 150 Reichsmark oder ersatzweise Zwangshaft bis zu.
drei Wochen." .
Diese Fessel des Wortes Gottes ließ sich leicht gegen jeden
Priester handhaben. Da nicht wenige Grundsätze der national-
sozialistischen Bewegung (z. B. ,,Gut ist, was nützt," „Rassenlehre',
„Euthanasie" u. a.), „kirchlichen und dogmatischen Grundsätzen"
diametral widersprachen, so blieb dem Prediger nur die Wahl, von
der Verkündigung gewisser Wahrheiten und Sittenlehren abzusehen
und „wie ein stummer Hund zu schweigen" (Js. 56,10) oder Zwangs-
geld bzw. Zwangshaft zu riskieren.
Und dabei hatte man im Schlußprotokoll des Reichskonkordates
ausdrücklich festlegen lassen: „Das den Geistlichen und Ordens-
leuten Deutschlands in Ausführung des Artikels 32 zur Pflicht ge-
machte Verhalten bedeutet keinerlei Einengung der pflichtmäßigen
Verkündigung und Erläuterung der dogmatischen und sittlichen
Lehren und Grundsätze der Kirche."
„Staatsfeindliche" Katechismuslehren.
Am 27. Januar 1937 verbot der badische Kultusminister die
vom deutschen Episkopat herausgegebenen „Katechismus -
Wahrheiten", deren Aufgabe war, die katholische Glaubens-
lehre im Lichte der modernen Probleme und Fragen zu erklären.
Bereits in der Schule verteilte Exemplare sollten zurückgenommen
und zerstört werden.
Als Grund wurde angegeben, daß die Fragen und Antworten Nr. 17,
23, 28 und 34 „staatsfeindlich" wären. Diese lauteten:
Frage 17: Was war die größte Ehre des jüdischen Volkes?
45
Antwort: Die größte Ehre des Jüdischen Volkes war, daß der göttliche
Heiland aus ihm hervorging.
Frage 23: Woher kommt es, daA auch i» der katholischen Kirche schwer«
Sünden geschehen?
Antwort: Daß in der katholischen Kirche schwere Sünden geschehen,
kommt daher, daß viele katholische Christen auf die Kirche
nicht hören und nicht mit ihr leben.
Frage 28: Woran fehlt es dem Menschen, der keine Demut hat?
Antwort: Dem Menschen, der keine Demut hat, fehlt es an der Wahr-
heitsliebe.
Frage 34: Wer allein hat das höchste Hecht über unseren Leib und un-
sere Gesundheit?
Antwort: Das höchste Recht über unseren Leib und unsere Gesundheit
hat Gott allein.
Am 24. Februar 1937 meldet das Bischöfliche Ordinariat Speyeir,
daß diese staatsgefährlichen „Katechismuswahrheiten" an der Kir-
chentüre einer Pfarrei beschlagnahmt wurden.
Auch das Hirtenwort der Bischöfe
wurde gefesselt. So, um nur einige Beispiele zu nennen:
Am 5. Mai 1935 Hirtenbrief der preußischen Bischöfe für den Erziehungs-
sonntag wegen „untragbarer Kritik am Landjahr".
Am 21. Juli 35 Hirtenbrief von Bischof Kaller-Ermland über die Be-
■ * deuturig der katholischen Vereine und ihre gegenwärtigen Be-
drängnisse.
Am 20. August 35 Hirtenbrief der gesamten deutschen Bischöfe. Er
wurde sogar in den Druckereien, Buchhandlxmgen, Pfarr-
häusern, sogar in bischöflichen Amtsgebäuden beschlagnahmt.
Im März 36 Hirtenbrief der deutschen Bischöfe zur Reichstagswahl,
weil darin gesagt wurde, daß auch ein „Ja" nicht notwendig
eine Billigung der mannigfachen Freiheitsberaubungen der
Kirche bedeute.
Im Mai 1936 Verbot (nachträglich) der Veröffentlichung des gemein-
samen Hirtenbriefes über die katholischen Jugendvereine.
21. Juni 36 Verbot des Hirtenbriefes der bayerischen Bischöfe über die ,
Ausweisung der klösterlichen Lehrkräfte.
20. August 36 Konfiskation (nachträglich) des Hirtenbriefes der deut-
schen Bischöfe.
20. September 36 Veröffentlichungs-Verbot des Hirtenbriefes über die
Bekenntnisschule.
13. Dezember 36 Druckverbot des Hirtenbriefes der bayerischen Bischöfe.
Dezember 36 Verbot des Hirtenbriefes von Erzbischof Gröber-Freiburg
gegen die gehässigen und systematischen Angriffe auf die
Kirche.
Februar 37 Verbot des Hirtenbriefes von Bischof Kaller-Ermland; den
Priestern sogar noch beim Vorlesen während der hl. Messe
aus der Hand genommen!
Juni 37 Verbot und Beschlagnahme des Hirtenbriefes deutscher Bischof«
gegen Goebbels' Rede über die Sittlichkeitsprozesse.
46
August 36 Verbot des Hirtenbriefes aller deutschen Bischöfe.
In der Diözese Rottenburg wurde jeder Priester, der ihn ver-
lesen hatte, mit 30 Mark Geldstrafe belegt.
Die Vervielfältigungsapparate, mit welchen er hergestellt
wurde, wurden in mehreren Ordinariaten beschlagnahmt.
1936 Verbot des Regierungspräsidenten von "Westfalen an die Religions-
lehrer von Mittelschulen in den Schulgottesdiensten bischöf-
liche Hirtenbriefe zu verlesen, auch wenn angeordnet sei, sie
in allen Kirchen zu verlesen. Sofortige Entlassung angedroht.
Schon 1935 hatte der Oberpräsident einer diesbezüglichen War-
nung folgenden Wortlaut gegeben: -
Anlage 3 zu Rdschr. 13 Betr.: Schulgottesdienst
Der Oberpräsident der Provinz Westfalen, Münster, d. 7. 6. 1935
Abteilung für höheres Schulwesen.
An die höheren Lehranstalten meines Amtsbereiches^
Betr.: Schulgottesdienst.
Ein Sonderfall gibt mir Veranlassung aUf folgendes hinzuweisen:
Der Schulgottesdienst ist — auch wenn Erwachsene Zutritt haben —
so eng mit dem gesamten Schulbetrieb, insbesondere dem Religions-
unterricht verbunden, daß er als Schulangelegenheit zu betrachten ist.
Daher ist im Schulgottesdienst — unbeschadet seines religiösen
Charakters — mit besonderem Nachdruck darauf Wert zu legen, daß er
mit den Zielen der nationalsozialistischen Jugenderziehung, die vater-
ländische.s, staatsbürgerliches und soziales Pflichtbewußtsein erstrebt,
in Einklang steht.' Für die entsprechende Ausgestaltung des gesamten
Schulbetriebes ist neben den Lehrpersonen der Leiter der Anstalt ver-
antwortlich. Ein Verstoß gegen diesen Grundsatz liegt vor, wenn in ab-
lehnender oder gar abfälliger Kritik zu Einrichtungen und Maßnahmen
des nationalsozialistischen Staates Stellung genommen oder auch eine
derartige abfällige Kritik wiedergegeben wird; dies
gilt auch für kirchliche Anordnungen einschließlich
bischöflicher Hirtenbriefe. Ich werde gegen derartige Ver-
stöße mit aller Schärfe — gegebenenfalls durch Suspendierung — vor-
gehen. Der zuständigen kirchlichen Stelle habe ich entsprechende Mit-
teilung gemacht. Entsprechend ersuche ich, allen Lehrpersonen von die-
sem Runderlaß Kenntnis zu geben und mir über etwaige Verstöße un-
verzüglich zu berichten. Etwa erforderliche Maßnahmen behalte ich
mir vor.
gez. Lünningk.
Seit 1937 konnten Hirtenbriefe fast nur mehr hekto-
graphiert werden, da jeder Druck und jede Verteilung zur vor-
zeitigen Konfiskation und zu Repressalien gegen Drucker "und Ver-
breiter führen konnte, wie es Reichsminister Kerrl am 4. Okt. 1936
ausdrücklich angedroht hatte. Es kam so weit, daß schon das Per-
sonal von Druckereien sich weigerte, einen Hirtenbrief zu
setzen, wenn darin irgenwelche „bedenkliche Stellen" gefunden
wurden; sie fürchteten, daß der Betrieb geschlossen würde und sie
arbeitslos werden könnten.
Bischöfliche Predigten begegneten dem gleichen
Schicksal, wenn sie nachträglich gedruckt wurden oder werden
sollten: So wurde am 19. Februar 1936 die Papstpredigt des Kar-
dinals Gestein würfe gegen den Päpstlichen Stuhl")
47.
verboten, gleichzeitig auch seine Silvesterpredigt über den „Christ-
lichen Glauben", weil sie als ein Ersatz der Kirchenzeitung be-
trachtet wurde.
1937 wurde die zweite Folge der Kardinalspredigten: „Lei-
denskraft und Tatkraf t", „Das Christentum im
deutschenVol k", „ElternrechteundElternpflich-
t e n" beschlagnahmt.
Ebenso wurde auch die dritte Serie mit der Predigt: „Das
Reichskonkordat: Ja o.der Nein?" beschlagnahmt und
polizeilich vernichtet.
Zu gleicher Zeit, da ein Flugblatt zugunsten der Feuerbestat-
tung ohne jede polizeiliche Behinderung überall verbreitet werden
konnte, wurde die Allerseelenpredigt des Kardinals über: „Christ-
liches Begräbnis oder heidnische Verbrennung?"
im Erzbischöflichen Ordinariat beschlagnahmt.
1936 wurde eine Predigt des Bischofs B u c h b e r g e r, Regens-
burg, über die „Gefährdung des katholischen Glau-
bens" verboten, das „Katholische Sonntagsblatt" von Regensburg
wegen Abdrucks dieser Predigt beschlagnahmt.
Überwachung des Wortes Gottes.
Nicht bloß das Bischofswort, gesprochen oder gedruckt, wurde
überwacht und gar oft gefesselt, sondern auch das Kanzelwort des
kleinsten Dorfes und letzten Kaplans. Neben den amtlichen Auf-
passern von der Polizei waren hiefür im Land noch eine Unzahl
von Spitzeln und Denunzianten beflissen, jedes scharfe oder auch
nur vermeintlich scharfe Preüigtwort an die Partei oder Gestapo
zu melden.
Des öfteren ergingen besondere Anordnungen zur Überwachung
der Prediger an einem einzelnen Tag oder nach besonderen Rück-
sichten. So z. B. am 23. Mai 1936 von der Polizeidirektion München
mit folgendem Wortlaut:
Betreff: Wanderprediger.
Wie mitgeteilt wird, ziehen in letzter Zeit auffallend zahlreiche
Ordensgeistliche, insbesondere auch Jesuiten, als Wanderprediger von
Ort zu Ort. Den Wanderpredigern und auch ganz besonders den Mis-
sionsgeistlichen ist besonderes Augenmerk zuzuwenden. Etwaige Wahr-
nehmungen wollen unter Bezugnahme auf diese Entschließung sofort
hierher berichtet werden. Vor allem ist für einwandfreie Feststellung
der Personalien der Redner und die Sicherung entsprechender Zeugen-
aussagen bei abgehaltenen Predigten zu sorgen.
. I.V. gez. Dr. Stepp.
M. 23. V. 36 Polizeidirektion gez. Mayr.
Dann wiederum am 14. Oktober 1936 aus Anlaß des schlechten
Gewissens, das Staatsminister Wagner und stellvertretender Gau-
leiter Nippold wegen ihrer Reden bei einem Kreistag hatten:
48
Betreff: Kirchenüberwachung.
Auf Weisung des Staatsministeriums des Innern sind die katholi-
schen Kirchen an den Sonntagen bis auf Widerruf insbesondere darauf-
hin zu überwachen, inwieweit von den Predigern zu den anläßlich des
Kreistages von Staatsminister Wagner und stellvertretendem Gauleiter
Nippold gemachten Ausführungen Stellung genommen wird.
Ich ersuche, geeignete Beamte mit der Überwachung zu beauftragen
und sie anzuweisen, über etwaige Ausführungen möglichst, im Wortlaut
zu berichten. ''
War ein Geistlicher auf der „Schwarzen Liste",
so wurde die Überwachung seiner Predigten noch verstärkt.
Für das Abhören der Kardinalspredigten war in der
Regel ein ganzer Stab von Aufpassern abgeordnet. Einmal wurde
sogar die Lautsprecherleitung, mit welcher die Kardinals-
predigt in eine andere Kirche übertragen wurde, von der Mün-
chener Parteileitung „angezapft" und die Predigt auf Schall-
platten aufgenommen, einerseits um den Text ganz sicher fest-
zulegen, anderseits um damit im „Braunen Haus" zu München noch
am gleichen Abend eine Art „Belustigungsvorstellung" geben zu
können, indem man die Schallplatte zur Verzerrung des Bischofs-
wortes das einemal ganz langsam und entsetzlich langweilig, das
anderemal wieder überhudelt schnell ablaufen ließ.
Die JRundfunkpredigten wurden natürlich im vorhinein
streng zensiert und kleinlichst korrigiert, nach wenigen Jahren
(ab 1936) der Naziherrschaft überhaupt aufgehoben, wobei der
katholischen Presse ausdrücklich verboten wurde, darüber irgend-
wie ihr Bedauern auszudrücken. Auch in dieser Beziehung sollte
eben das öfifentliche Leben „säkularisiert" werden. Dagegen durften
nazistische Organisationen, insbesondere die HJ, ihre heidnischen
Morgenfeiern ruhig weiterbringen. Ja, am 28. November 1937 wurde
vom Rundfunk Breslau und seinen Nebenstationeh Gleiwitz und
Görlitz sogar der „Deutschen Glaubensbewegung" eine
neuheidnische Morgenfeier zugestanden.
Im übrigen wurde auch, um den Wirkungskreis von Predigten
bekannter hoher Persönlichkeiten möglichst einzuschränken und
das Wort Gottes auch räumlich zu fesseln, die L a u t -
Sprecherübertragung von Predigten in andere Kirchen
(besonders für Kardinalspredigten in München gedacht) und auf
öffentliche Plätze polizeilich verboten.
Strafen für das Wort Gottes.
Die vielen Spitzel und Aufpasser unter der Kanzel wollten
nicht umsonst angesetzt und zur Berichterstattung aufgefordert sein.
Sie gaben Meldung an die Polizei oder an den Kreisleiter; diese
meldeten weiter an Gestapo oder Gauleitung. Und so regnete es
nach und nach Beschwerden bei den kirchlichen Behörden, Vor-
ladungen, Vernehmungen, Verwarnungen einzelner Geistlicher. An
• 49
einem einzigen Tag übergab die Bayerische Regierung dem Erz-
bischöflichen Ordinariat München eine Liste von 19 katholischen
Geistlichen Bayerns, die »»staatsfeindlich gepredigt'* hätten.
Ein Beispiel: Dr., Michael HöCk, München, wurde zur Rechenöchaft
gezogen, sogar ein paar Tage in der Polizei behalten, Weil er zu Anfang
des Krieges bei einem Elnkehrtäg für Frauen zu Inzell „den Krieg
eine Heimsuchung Gottes'* genannt hatte.
Predigtverbote.
Einzelnen Predigern wurde über kurz oder lang das Predigen
überhaupt verboten. So z. B. dem Jesuitenpater Rupert Mayer
zunächst äußei-halb Münchens, zuletzt dann auch noch in München
selbst.
Stadtpfarrprediger Heinrich Göttl von München-Sankt
Peter wurde ob seiner kernigen, mannhaften Kan2elworte auf
Monate aus der Erzdiözese verwiesen.
Gerichtliche Verfolgung von Predigern.
In steigendem Maße kam es schließlich zu gerichtlichen
Verfolgungen von Predigern. Handhaben hiezu boten der in der
Kulturkampfzeit geschaffene „K a n z e 1 p a r a g r a p h" und ein
neu geschaffenes „Gesetz gegen heimtückische An*
griffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Partei-
Uniform" vom 20. Dezember 1934.
Der „Kanzelparagraph" war § 130a des Strafgesetzbuches für das
Deutsche Reich. Er bestimmte:
„Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung
oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer
Menschenmenge oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen
zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren An-
gelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden
gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Verkündigung
oder Erörterung macht, wird mit Gefängnis oder Festungshaft bis zu
2 Jahren bestraft.
Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Religions-
diener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines
Berufes Schriftstücke ausgibt oder verbreitet, in welchen An-
gelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährden-
den Weise zimi Gegenstand einer Verkündigung oder Erörterung ge-
macht sind."
So scharf dieses Schwert war und so vielseitig es angewendet
werden konnte, es war dem Nationalsozialismus noch nicht genug
Sicherung gegen ein freies Wort von der Kanzel. Er brauchte vor
allem auch noch den Schutz für di? Partei und ihre vielfach so
verwundbaren Funktionäre. Darum legte ör sich schon nach drei-
viertel Jahren einen neuen Panzer um, damit ihn das „Schwert des
Geistes, d. i. das Wort Gottes" (Eph. 6,17) nicht verletze:
Das berüchtigte Heimtückegesetzl
Artikel 1 § 1 lautete unter 1:
„Wer vorsätzlich eine wahre oder gröblich entstellte Behauptung
tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des
50 t
Reiches oder das Ansehen der Reichsregierung oder das der national-
sozialistischen Deutschen Arbeiterpartei oder ihrer Gliederungen schwer
zu schädigen, wird, soweit nicht in anderen Vorschriften eine schwerere
Strafe angedroht' ist, mit Gefängnis bis zu 2 Jahren und, wenn die Be-
hauptung öffentlich aufgestellt oder verbreitet wurde, mit Gefängnis
nicht unter 3 Monaten bestraft." /
§ 2 besagte unter 1:
„Wer öi^entlich gehässige, hetzerische oder von niedriger Gesinnung
zeugende Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates
oder der NSDAP, über ihre Anordnungen oder die von ihnen geschaffe-
nen Einrichtungen macht, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkeä
zur politischen Führung zu untergraben, wird mit Gefängnis bestraft."
Man beachte: In § 2 ist nicht mehr bloß die Rede von „un-
wahren oder gröblich entstellten Behauptungen". Straf-
würdig ist es darnach auch schon, Wahres über die Persönlich-
keiten des Staates oder der Partei auszusagen (z. B. über früher*
wirkliche Verfehlungen und gerichtliche Strafen von leitenden Per-
sönlichkeiten der Partei) oder Kritik zu üben an irgendwelchen
Anordnungen der Partei (z, B. der Unterdrückung der Presse oder
Konfessionsschule oder des Sonntagsgottesdienstes in Arbeitsdienst-
lagern u. ä.), wenn dies irgendwie als „gehässig, hetzerisch oder
von niedriger Gesinnung zeugend" empfunden wurde. Und dieses
„Empfinden" brauchte gar nicht bei den Hörern der Äußerungen
entstanden sein, es genügte, wenn Gestapo und nationalsozialistische
Richter so empfanden!!
So wurde P. RupertMayer S.J. in München nicht wegen
„unwahrer oder gröblich entstellter Behauptungen", angeklagt und
verurteilt, sondern gemäß § 2 Absatz 1 dieses neuen national-
sozialistischen Gesetzes.
Als Beispiel dessen, was Nationalsozialisten nicht hören konnten
und wollten, auch wenn es lOOprozentig wahr gewesen ist und nur
zur Verteidigung von Recht und Freiheit der Mitbürger wie der
Kirche gesagt wurde, zugleich aber auch als Beispiel dafür, wie
geradezu jede Predigt eines einzelnen bespitzelt und an die
Gestapo berichtet wurde, sei die Anklageschrift des Staatsanwalts
beim Sondergericht München gegen den Pater wiedergegeben:
CMfentliche Ankla|:e gegen Pater Rupert Mayer
vom Staatsanwalt beim Sondergericht München.
Aktenzeichen: IcJsSo lOO/S*?
Ich erhebe
öffentliche Klage gegen
Mayer Rupert, geboren am 23. Januar' 1876 in Stuttgart, Sohn von Rupert
Mayer und Emilie Wörle, ledig, Jesuitenpater in München,- nicht vor-
bestraft, in dieser Sache vom 5. bis 10. Juni 1937 in Polizeihaft, seitdena
in Untersuchungshaft im Straf Vollstreckungsgefängnis Stadelheim,
welchen ich beschuldige, fortgesetzt öffentlich hetzerische Äuße-
rungen über leitende Persönlichkeiten des Staates und deren Anordnun-
gen gemacht zu haben, die geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur
politischen Führung zu untergraben und durch die gleiche Handlung
51
fortgesetzt als Geistlicher in Ausübung seines Berufes In Kirchen vor
mehreren Personen Angelegenheiten des Staates in einer den öffent-
lichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstand von Erörterungen
gemacht zu haben.
Tatbestand:
Der Beschuldigte P. Rupert Mayer wirkt seit Jahren als Seelsorger
und Kanzelredner in München und seiner näheren und weiteren Um-
gebung. Vor der nationalen Erhebung trat er wiederholt in politischen
Versammlungen auf und kämpfte herzhaft gegen den Kommunismus;
nach der Machtübernahme nahm er eine sich ständig verschärfende ab-
lehnende Stellung gegen den Nationalsozialismus ein, so daß seine Pre-
digten, Reden und Schriften wiederholt polizeilich beanstandet werden
mußten. Am 7. Mai 1936 wurde der Beschuldigte wegen einiger hetzeri-
scher Äußerungen seitens der Staatsanwaltschaft München I verwarnt
(Aktenzeichen: 16a Js So 430/36).
In letzter Zeit, insbesondere seit Beginn des Jahres 1937 hat sich der
Beschuldigte in mehreren seiner öffentlichen Predigten mit dem Schul-
wesen, mit den Strafverfahren gegen katholische G e i s t -
liehe und Ordensangehörige wegen sittlicher Verfehlungen,
mit dem Pressewesen, mit dem Na tionalsozi alismus als
solchem und mit dem nationalsozialistischen Schrif.ttumi
befaßt. Unter anderem wurden von ihm folgende Themen in seinen
öffentlichen Predigten behandelt:
1. Thema: Gemeinschaftsschule:
a) Predigt vom 3. 2. 37 in der St.-Josefs-Kirche in München:
„ Am letzten Montag wurde ein Sieg gefeiert, aber so ein Sieg ist
noch nicht gefeiert worden, solang die Welt besteht! Ich muß schon
sagen, ein Sieg war das, der denen, die ihn gefeiert haben, gewiß nicht
zur Ehre gereicht! Ein Sieg war das, ein Terror! Dieser Sieg war ein
Türkensieg, ein Gewaltsieg!... "
b) Predigt vom 29. 3. 1937 in Ursberg:
In München sind die katholischen Erziehungsberechtigten ge-
gen alles Recht und Gesetz um die katholische Bekenntnisschule ge-
bracht worden. Da haben alle staatlichen und Parteidienststellen zu-
sammengeholfen, mündlich und schriftlich . , ."
c) Predigt vom 11. 4. 37 in Weißenhorn:
„...Ja, habt Ihr noch nichts gehört von Schulkämpfen! Die Menschen
sollen genötigt werden, ihre Kinder in der Schule entkonfessionieren zu
lassen ... Es wurde in den Schulen gelogen, daß sich die größten Balken
gebogen haben , . . Die Sache hat einen ernsten Hintergrund; es kommt
einem gerade vor, als ob die Reichsregierung das Konkordat abgeschlos-
sen habe, um es sabotieren zu lassen von den untergeordneten Stel-
len..."
d) Predigt vom 18. 4. 37 in Kirchheim:
„ . . . Man will die Schule entkonfessionieren, sie darf auch nicht mehr
christlich sein. Man sagt, man habe noch Religionsunterricht; in einem
Jahr hat das Christentum in der Gemeinschaftsschule vollständig auf-
gehört, dann weht ein antikatholischer, antichristlicher Geist... Was
in dem Schulkampf gelogen wurde von untergeordneter Stelle, da wurde
gelogen, daß sich die Balken bogen . . . Wie man es' diesen Menschen
gemacht hat! Sie wurden Volksfeinde und Landesverräter genannt, die
nicht da mittun wollen; das hörte man überall durch. Wenn einer diesen
Staatsbetrug nicht ausüben wollte, dann hat man ihm dieses Schimpf-
wort zugeworfen . . ."
52
e) Predigt vom 23. 5. 37 in der St.-Michaels-Kirche in München:
„...Wäre ich im Lager unserer Gegner, ich hätte mich über einen mit
so unredlichen Waffen erfochtenen Sieg nicht freuen können. Ich hätte
mich eines solchen Sieges geschämt! Mit roher Gewalt kann man kein
Recht zerstören oder vernichten ... ."
?. Thema: Strafverfahren gegen katholische Geist-
liche und Orden sangehörige sowie Presseberichterstattung
über diese Verfahren:
a) Predigt vom 24. 1. 37 in der St.-Michaels-Kirche in München:
„Die Zeiten sind vorbei, wo wir geglaubt haben, was in der Zeitung
steht! Was über religiöse Dinge in der Zeitung steht, das glauben wir
grundsätzlich nicht! . . . Glaubt überhaupt keiner Zeitung, wenn sie sich
mit sittlich-religiösen Dingen befaßt! Hört nicht darauf! Lest keine
Zeitungen! Und jetzt, wenn ihr hinausgeht, dann möchte ich, daß eine
religiöse Welle von der Kirche aus sich auf die Straße ergießt und von
der Straße aus in die einzelnen Häuser .. ."
b) Predigt vom 2. 5. 37 in der St.-Michaels-Kirche in München:
„...Aber, meine Lieben, es ist nicht alles, wahr, was in der Zeitung
steht. Die Art und Weis'e der Darstellung ist so übertrieben und wird
so aufgebauscht, und das, was in den chigstentum- und katholiken-
feindlichen Zeitungen steht, das wird erst recht aufgebauscht und aus-
geweidet. . . Dann lasen wir überall von 1000 Sittlichkeitsverbrechen
von Priestern und Ordensleuten! Die Zahl ist bei weitem übertrieben,
und, soviel ich weiß, sind es höchstens 500 Fälle, von denen ich gelesen
habe, vielleicht sind es aber auch nur 250! . . . Warum liest man das
überhaupt nur bei katholischen und evangelischen Kreisen? ■ Von den
anderen liest und hört man nie etwas! Wer im Glashaus sitzt, soll nicht
mit Steinen werfen!... Wir sind keine Revolutionäre, aber wenn das
so weitergeht, dann werden wir katholischen und evangelischen Geist-
lichen eine ganz gewaltige Stinkbombe hineinwerfen müssen! Wir lacr^
sen uns das nicht mehr gefallen, wir werden jetzt dagegen rücksichts-
los kämpfen! ..."
e) Predigt vom 23. 5. 37 in der St.-Michaels-Kirche in Mühchen:
„...aber das ist noch etwas ganz anderes, was man jetzt dem katholi-
schen Volk vorzulügen sucht. Liebe Freunde, was uns wehe tut, das sind
die Berichte über diese Skandalprozesse, Denn da müssen wir das
eine sagen: Wir haben jetzt Beweise in der Hand, die genügen, um uns
jeden Glauben an einen großen Teil der deutschen Presse zu nehmen
und endgültig zu rauben. Wir wußten schon, daß man in diesen Pro-
zessen für katholische Dinge überhaupt kein Verständnis hat. So ein-
seitig, so unwahr und gehässig und so verlogen hat ntian immer über
die katholische Kirche geschrieben . . . Man sagt so gerne zu uns: Ihr
könnt zufrieden sein; denn in Spanien hätte man euch schon längst an
die Wand gestellt! Ich sage aber ganz ruhig: Dem Tod habe ich hun-
dertemale ganz bewußt in die Augen geschaut. Das bin ich gewöhnt.
Das ist nicht so schlimm. Aber wenn man einen Menschen geistig tötet,
wenn man ihn kaputt macht vor der Welt, das ist das Furchtbarste, was
man sich vorstellen kann . . . Darum liebe Freunde, ist es aus und vor-
bei mit dem Glauben an den Großteil der deutschen Presse, wenn sie
berichtet über religiös- sittliche Verhältnisse, über christlich-katholische
Belange..."
3. Thema: Nationalsozialismus. WS Schrifttum.
ia) Predigt vom 26. 1. 37 in der St.-Theresien-Kirche in München':
,; . . . In der Marxistenzeit habe ich viele Hetzschriften gelesen, weil man
das nicht bekämpfen kann, was man nicht kennt! Meine lieben Freunde,
53
ich muß sagen, es löt mir, damals oft der Ekel aufgestiegen und es ist
mir reichlich schwer gefallen, diesen Schmutz zu lesen. Aber das, was
an nationalsozialistischer Literatur heute empfohlen wird, das ist ekel-
erregender denn je!..."
b) Predigt vom 24. Januar 37 in Aichach:
„ ... Es wird heute viel von nationalsozialistischer Weltanschauung ge-
sprochen; darum müssen wir sie mal von unserer Seite aus ansehen.
Ich beschäftige mich seit Monaten mit dem nationalsozialistischen
Schrifttum, doch bin ich mir nicht klar geworden, was .man darunter
versteht. Euch, liebe Freunde, wird es auch so gehen!... Nach diesen
Beweisen ist der Nationalsozialismus der erbittertste Gegner der
Kirche . . . Ihm gegenüber steht die Erklärung der Reichsregierung vom
Frühling 1933, das Konkordat und der Programmpunkt 24. Da kennt
man sich nicht mehr aus, was richtig ist."
Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen:
Der Beschuldigte Pater Rupert Mayer ist im großen und ganzen
geständig; im übrigen wird der Sachverhalt durch die den fraglichen
Predigten beiwohnenden Zeugen geklärt werden können.
Zusammenfassend erklärte der Beschuldigte P. Rupert Mayer: Er
habe sich nicht darüber de^ Kopf zerbrochen, ob er in seinen Predigten
in Widerspruch geraten würde mit dem Kanzelparagraphen (§ 130a
RStGB.), voii dessen Existenz er wohl wisse, den er aber bisher nicht
weiter studiert habe — oder mit den Bestimmungen des „Heimtücke-
gesetzes"; er würde auch jetzt, nachdem er entsprechend auf-
geklärt sei, trotz dieser Bestimmungenfort fahren auf
Grund des Konkordates die Belange der katholischen
Kirche zu verteidigen, wie er es bisher getan habe; er halte sich
hierzu in seiner Eigenschaft als katholischer Priester für
verpflichtet und nach dem Kpnkordat auch für be-
rechtigt.
Die oben geschilderten Handlungen erfüllen den Tatbestand eines
fortgesetzten Vergehens gem. § 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 20. 12. 1934 in
Tateinheit mit einem fortgesetzten Vergehen gem. §§ 130a, 73 RStGB.
An den Herrn Vorsitzenden des Sondergerichts München
mit dem Antrag auf Anordnung der Hauptverhandlung, Terminbestim-
mung und Fortdauer der Üntersuchungshafty
München, den 7, Juli 1937.
Der Leiter der Anklagebehörde bei dem Sondergerichte München.
Und ein deutsches Gericht brachte es fertig, diesen Priester
des Herrn, diesen Ordensmann voll Selbstlosigkeit, diesen Männer-
apostel voll glühenden Eifers, diesen Edelmann lauterster Ge-
sinnung, diesen Ehrenmann von der Fußsohle bis zum Scheitel,
diesen Freund aller Armen, diesen schwerverwundeten Veteranen
des Weltkrieges wegen seines Kampfes für Wahrheit, Gerechtig-
keit und Freiheit zu sechs Monaten Gefängnis zu verurteilen und
fünf Monate einzusperren!!
Sein Nachfolger auf der Kanzel von St. Michael in München,
PaterAnton Körbling, wurde zwei Jahre darauf ebenfalls
auf Grund des gleichen Gesetzes auf die Anklagebank gesetzt und
54
zu fünf Monaten Gefängnis verurteilt. Als bezeichnendes Beispiel
sei auch die gegen ihn erhobene Anklage wiedergegeben:
Aktenzeichen Ib Js— So 344/39
Anklageschrift
Ich erhebe öffentliche Anklage gegen
Körbling Anton, Jesuitenpater in München, ledig, geboren am 29, 12.
1902 in Kötzting, Eltern: Ignaz Körbling und Maria, geborene Jann,
nicht vorbestraft, den ich beschuldige, durch dieselbe Handlung:
1. öffentlich hetzerische und gehässige Äußerungen über leitende
Persönlichkeiten des Staates und der NSDAP, über ihre Anordnungen
und die von ihnen geschaffenen Einrichtungen gemacht zu haben, die
geeignet sind, das Vertrauen des Volkes zur politischen Führung zu
untergraben,
2. als Geistlicher in Ausübung seines Berufes in einer Kirche vor
Mehreren Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden
gefährdenden Weise zum Gegenstand einer Erörterung gemacht zu
haben.
Sachverhalt:
Der Beschuldigte hielt am Sonntag, den 12. 2. 19^9 In der Michaels-
kirche in München eine Predigt, in der er sich mit dem Satz des Evan-
geliums „Der Same aber ist das Wort Gottes" befaßte. Er stellte ein-
leitend fest, daß der Katholizismus zurückgehe, und untersuchte die Ur-
sachen hiefür. Dabei führte er u. a. dem Sinne nach aus:
Der Same, das Wort Gottes, habe nicht die Schuld; denn das Wort
Gottes sei gut, wenn auch die heutige Zeit es bespitzle und bespöttle,
daß es den Modergeruch der Pharaonengräber an sich habe und all
unfruchtbares, totes Wort dem neuerweckten Germanen untragbar sei.
...Es sei die Pflicht des Pfarrers, dem Volk das Wort Gottes beim
Hauptgottesdienst zu vei'künden. So werden immer Menschen als Sä-
leute Gottes über die Erde wandern müssen aus heiliger Verflichtung,
auch wenn man ihr Tun lästert oder höhnt oder als das von Faulenzern,
die mit Bibelsprüchen durch das Land ziehen, als überflüssige und un-
produktive Beschäftigung abtut. Es wiederholt sich immer wieder die
Szene vom Areopag, da Paulus zu gottesfürchtigen Menschen redet; ein
paar Lebemenschen und Universitätsprofessoren kommen hinzu mit der
Frage: Was will denn dieser Schwätzer?
Die Predigt ist ein schwerer Auftrag . . . Die dritte Schwierigkeit
liegt in der Zeit. Sturm erschwert das Schreiten über das Ackerland.
Der Bauer bleibt vielleicht in solchen Tagen daheim. Dem Prediger ist
der schwere Gang nicht erspart. Es gibt eine Menge von Saatgut, die
nach geltenden Gesetzen und Verordnungen nicht mehr angebaut wer-
den sollte, die aber der Herrgott immer noch nicht von seinem Saat-
plan gestrichen hat. Das gibt notwendigen Konflikt, das wird immer
wieder Gefängnis und Predigtverbot geben; wenn einer schweigen muß,
wird ein anderer auftreten, und wenn Menschen nicht mehr sprechen
können, dann werden die Steine reden. Luk. 20,40.
„Ob gelegen oder ungelegen, kündige das Wort. Es gibt Dinge, die
gesagt werden müssen..." Ebenso selbstverständlich sollte es sein, daß
der Katholik in seinem Glauben sich systematisch weiterbilde, daß er
seine Standespredigten besuche und aus der Verkündigung des Wortes
Gottes die Waffen sich besorge, die zur Verteidigung seiner heiligsten
Güter notwendig sind. Wenn der Unsinn, der heute feilgeboten wird —
ich erinnere nur an die stets wiederkehrende und wiedergeglaubte Ver-
drehung des Dogmas von der Unbefleckten Empfängnis — , angefangen
von dem „Mythos" bis zu den Reden in unseren Tagen, von wissende»
55
Katholiken berichtigt Werden würde, es könnte dann nimmer einer
weiterhin so sprechen, ohne sich der Lächerlichkeit preiszugeben. Es
sind auch solche Ausführungen nicht geeignet, der deutschen Wissen-
schaftlichkeit einen guten Namen zu erwerben.
Diese Tatsache sei für. die deutsche Wissenschaft etwas Unwürdiges
und dem Ausland gegenüber eine Schande ...
„Wende das Wort auf dich an. Sage nie: ,Heute hat er es ihnen
aber wieder gesagt.' Wir predigen nicht für jene, die nicht da sind,
auch nicht für den Abgesandten der politischen Polizei, der zufällig da
ist. Wir wissen, daß dort für unser Kanzelwort nicht das rechte Erd-
reich gegeben ist und daß ein Samenkorn, das auf das Blatt des Beob-
achters gefallen ist, noch nicht zum Heil aufgegangen ist . . ."
Wesentliches Ergebnis der Ermittlungen:
Der Beschuldigte ist geständig.
Die Äußerungen des Beschuldigten erfüllen den Tatbestand eines Ver-
gehens nach § 2 Absatz 1 des Gesetzes vom 20. 12. 1934, rechtlich zu-
sammentreffend mit einem Vergehen nach §§ 130a Absatz 1. 73 StGB.
Die Strafverfolgung aus § 2 des Gesetzes vom 20. 12. 1934 ist an-
geordnet durch Verfügung des Herrn Reichsministers der Justiz vom
25. 7. 1939 III g 18 647 a/39 (Bl. 11).
Zur Aburteilung ist nach §§ 1, 2 der VO v. 21. III. 33 über die Bil-
dung von Sondergerichten — RGBl I S. 136 — das Sondergericht Mün-
chen zuständig.
Als Beweismittel bezeichne ich:
Zeugen: Müller N., Kriminalsekretär, Staatspolizeileitstelle München.
Urkunden: Strafliste.
An den Herrn Vorstizenden des Sondergerichtes München.
Ich beantrage
1. die Hauptverhandlung anzuordnen und Termin zu bestimmen.
München, den 18. August 1939
Der Oberstaatsanwalt bei dem Landgericht München I
als Leiter der Anklagebehörde bei dem Sondergericht München
gez. Resch. gez. Dr. Schnabl,
(gez. Trellinger).
„Unbegreiflich sind — die Gerichte des Dritten Reiches.
Die größte Ungeheuerlichkeit an Fesselung und Bestrafung des
Wortes Gottes im Reich des Nationalsozialismus bedeutete wohl das
Urteil gegen den Karmeliterpater Gebhard Hey den von Neu-
markt (Oberpfalz), geboren am 30. November 1904 zu St. Lorenzen
bei Regensburg. Lassen wir ihn selber erzählen:
Ich war seit September 1942 stationiert auf dem Mariahilf berge
Neumarkt/Opf. Da uns unser Kloster von den Nazi genommen und zur
Hitlerschule umgewandelt war, hausten wir nebenan notdürftig in
einem Waldhäuschen und versahen von dort aus den Gottesdienst in der
Wallfahrtskirche. Am 13. und 16. Juli 1944 predigte ich und wurde
dabei von einem Offizier (ob SS-Offizier, weiß ich nicht genau) be-
spitzelt. Der Offizier war im Lazarett der katholischen Schwestern am
Fuß des Berges. Er steckte mit dem Kreisleiter von Neumarkt, der
ebenfalls am Fuß des Berges eine Villa bewohnte und der vor einem
Jahr sein Amt angetreten hatte und ein echter Preuße war, unter einer
56
Decke. Er war von diesem eigens geschickt, um mich zu überwachen.
Der Kreisleiter scheint schon länger nach einem Anlaß gesucht zu haben,
mich fassen zu können, denn er hielt Leute an, die zu uns in die Kirche
gingen und fragte sie, was sie denn dort oben suchten. Ähnlich be-
merkte er kurz zuvor in einer Rede, daß jetzt auch Prozessionen und
Bittgänge nichts helfen, sondern nur die gepanzerte Faust des deutschen
Soldaten.
Ich wurde am 2 0. Juli 1944 nachmittags 3 Uhr zur Gestapo in
das Polizeigebäude Neumarkt geladen und dort von dem
Gestapo-Beamten ungefähr 3 Stunden verhört. Dieser Beamte, dessen
Namen ich nicht genau weiß, vielleicht dürfte er A 1 1 geheißen haben,
war mit seiner Sekretärin aus Regensburg gekommen. Nach dem Ver-
hör wurde ich sofort in das Amtsgerichtsgefängnis Neumarkt über-
geführt. • V
Nach 5 Tagen wurde ich vom Polizeichef von Neumarkt per Auto
nach Regensburg gebracht. Dort wurde ich im Polizeigebäude
photographiert, es wurden Finger- und Handabdrücke und die üblichen
polizeilichen Feststellungen an mir gemacht, wie sie für Schwerverbre-
cher vorgesehen sind. Gegen Abend wurde ich in das Gerichtsgefängnis
Regensburg überbraqht. Dort wurde mir nach einigen Tagen mein
Ordenskleid genomrhen. Nach etwa 14 Tagen wurde ich von einem
älteren Beamten des gewöhnlichen Gerichts nochmal verhört. Nachdem
ich diesem meine Aussagen dargelegt hatte, meinte der Beamte, daß
er mich an sich freischreiben könnte und möchte. „Aber," sagte er,
„wenn ich Sie auch, freischreibe, so nützt das doch
nichts; denn die Gestapo läßt Sie nicht frei. Ich bin ja
nur ein Werkzeug der Gestapo." Hierauf blieb ich in Untersuchungshaft
zu Regensburg bis Ende November.
Ende November wurde ich als Einzeltransport von einem Polizei-
beamten in das „Z e llengefängnis" Nürnberg überbracht. Dort
wurde ich — warum weiß ich nicht — unter die tschechischen Häft-
linge gezählt. Meine Verhandlung war für den 2 1. Dezember angekün-
digt, wurde aber tatsächlich, ohne daß ich vorher benachrichtigt wurde,
schon am 2 0. Dezember gehalten. So konnten weder Ent-
lastungszeugen noch Freunde meiner Verhandlung bei-
wohnen. Mein Tribunal war der 1. Senat des Volksgerichtshofes Berlin.
Die zwei Sätze, die mir aus meiner Predigt als Verbrechen vor-
geworfen wurden, lauten:
1. „Der Krieg ist ein Strafgericht Gottes für die
Völker und dies ist noch nicht zu End e."
2. „Deutschland muß wieder zu Christus zurück-
kehre n."
Speziell der letzte Satz wurde mir als Hauptverbrechen ausgelegt.
Man deutete meinen Ausspruch dahin, daß ich sagen wollte: Das Be-
kenntnis des deutschen Volkes zum Nationalsozialismus sei ein Irrweg.
Auf diesen Vorwurf antwortete ich: „Soweit der NS Politik ist,
steht es mir nicht zu, zu urteilen; soweit aber der NS Welt-
anschauung sein will, bin ich als katholischer Priester verpflichtet,
dem gläubigen Volk die Wahrheit zu sagen, und da muß ich sagen, daß
das Bekenntnis des deutschen Volkes zum NS als Weltanschauung der
größte Irrweg ist, den das deutsche Volk je gegan-
gen ist."
Auf diese meine Antwort hin entstand eine allgemeine Entrüstung
unter den Richtern. Sie zogen sich zur Besprechung zurück und er-
schienen alsbald wieder, um mit feierlicher Geste mir das Todes-
urteil anzukünden. Es war kein Zeuge bei der Gerichtsverhandlung
anwesend, auch nicht der SS-Offizier, der mich bespitzelt hatte. Dieser
war bezüglich seiner Aussagen gegen mich sehr unsicher geworden und
57
hatte sich von Neumarkt In das Lungensanatorium Donaustauf bei
Regensbürg versetzen lassen. Der Polizeichef von Neumarkt fuhr eigens
zu ihm, um ihn gegen mich wieder scharf zu machen. Ich wurde
also vom Obersten deutschen Volksgerichtshof ohne
ZeugenzumTodeverurteilt.
Während der Verhandlung warf mir der Vorsitzende vor, daß ich
ein Fanatiker der Wahrheit sei. Ich antwortete: „Fanatiker der
Wahrheit bin ich nicht, aber Bekenner der Wahrheit
will ich sei n." Ein anderer Beisitzender des Volksgerichts, der in
Kapitänsuniform dasaß, meinte spöttisch: „Sie wollen uns wohl alle
katholisch machen." Ich antwortete: „Wenn ich es nur könnte!" Ein
weiteres Mitglied des Gerichtshofes in Partei uniform rief mir zu: „Euer
Gott muß aber ein blutrünstiger Gott sein." Ich erwiderte: „Gott braucht
nicht immer mit Blut zu strafen, er hat auch andere Mittel." Wiedeir ein
anderer bemerkte: „Auf den macht es auch keinen Eindruck, Wenn wir
ihn zum Tode verurteilen."
MeinVerteidiger, der mir von Amts wegen beigegeben wurde,
kam erst 10, Minuten vor der Verhandlung zu mir, um sich über meine
Lage noch flüchtig zu informieren. Dementsprechend fiel auch seine
Verteidigungsrede aus, wenn man diese überhaupt so bezeichnen kann.
Auf die Frage, wie der Gesamteindruck meiner Predigt auf das
Volk war, antwortete ich: „Der Gesamteindruck auf das Volk ist' wohl
der einer religiösen Predigt und nicht einer politischen Hetzrede ge-
wesen; Beweis hierfür dürfte sein, daß sehr viele Leute, darunter zahl-
reiche Soldaten, sich nach der Predigt in die Sakristei begaben, um sich
dort in die religiöse Bruderschjaft (Skapulierbruderschaft) aufnehmen zu
lassen und nicht, wie es bei einer politischen Hetzrede zu erwarten
gewesen wäre, zum Kreisleiter hinuntergingen, um diesem die Fenster
einzuwerfen."
Nach der Verhandlung wurde ich gefesselt in das Gefängnis
zurückgeführt und mit noch zwei anderen Todeskandidaten in eine Ker-
kerzelle gesperrt, in der sonst nur ein Gefangener war. Die Behand-
lung von selten der Wachtmeister im Nürnberger Gefängnis war, im
großen und ganzen gesehen, angängig. Was aber die Kerkerhaft er-
schwerte, war der Mangel an Licht und Wasser; dabei war das Klosett
in die Kerkerzelle eingebaut. Die Kost war vor allem seit den schweren
Bombardierungen (Januar bis Februar) sehr . notdürftig und ging mehr
oder minder in eine Hungerkost über; Dotschen und einige Kartoffeln,
eine kleine Ration Brot, das kaum mehr Brot zu nennen war.
Während der schweren Bombardierungen durften wir
politischen Häftlinge in keinen Schutzraum gehen, sondern mußten im
obersten Stockwerk in der Zelle, unmittelbar unter dem Dache, bleiben.
Als die amerikanischen Truppen bereits den Rhein über-
schritten hatten, wurde Nürnberg als Festung erklärt und zur Verteidi-
gung eingerichtet. Alle nicht zur Verteidigung in Frage kommenden
Leute wurden deshalb evakuiert, am Schlüsse auch die Insassen des
Gefängnisses. Ich wurde mit meinen Leidensgenossen am 30. März 1945
(Karfreitag), je zwei zusammengefesselt, in das Zuchthaus Straubing
an der Donau gebracht. Dorthin kamen auch die Häftlinge aus ver-
schiedenen anderen Zuchthäusern, so daß das Zuchthaus Straubing
schwer überfüllt wurde. Dementsprechend war auch die Verpflegung.
Sie war eine ausgesprochene Hungerkost: fast nur angefaulte
und zum Teil gefrorene Kartoffeln samt Schale und Schmutz
als Eintopf gekocht, und zwar scheint diese Kost für einige Tage vor-
ausgekocht worden zu sein, da sie uns oft kalt und in säuer-
lichem Zustand verabreicht wurde.
Der Anfang unseres eigentlichen Leidensweges be-
gann aber erst mit dem 25. April 1945. An diesem Tage wurden wir
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morgens 5 Uhr geweckt mit dem Befehl: „Schlafdecke und Kochgeschirr
mitnehmen!" Wir wußten nicht, wohin es gehen sollte, nur das war uns
einigermaßen klar, daß wir wegen der Nähe des Feindes aus dem Stadt-
gebiet entfernt werden sollten. Wir marschierten gegen 7 Uhr vom
Zuchthaus Straubing weg, Richtung Landshut. Während des Marsches
erfuhren wir von einem Mitgefangenen, der den Wagen unserer ärmi-
lich'bn Verpflegung fuhr, daß es nach Dachau gehen sollte, wo wir unsere
gemeinsame Massenhinrichtung zu erwarten hätten . . .
Was dieser Marsch, der bis zum Abend des 30. April „währte, alles an
Entbehrung, Hunger, Elend, Mißhandlung, Erschöpfung bis zum Tode in
sich schließt, kann kaum wiedergegeben werden. Als der Transport am
1. Mai im Dorf Unterheldenberg bei Landshut von den amerikanischen
Truppen unter lautem Jubel und mit heißem Dank befreit wurde, waren
von 4000 Häftlingen, die von Straubing wegmarschiert waren,, nur noch
etwa 800 — 900 übrig geblieben. Die meisten unserer Mitgefangenen
waren bereits ihrem schweren Schicksal erlegen. Die übrig geblieben
waren, befanden sich in einem Zustand, daß sie das Erbarmen und Ent-
setzen der Leute erregten.
Neben dieser Unbegreiflichkeit deutscher Gerichtsspre-
chung sei noch ein Fall beispielloser Gemeinheit und Hinterlist
nationalsozialistischer Lockspitzelei gegen ptiesterliche Lehrtätig-
keit gesetzt:
Msgr. Lelf ers, katholischer Pfarrer von Rostock, wurde im . Jahre
1935 von einem Universitätsstudenten und 2 Universitätsstudentinnen
aufgesucht, die „seelsorgerlichen Rat" wünschten. Sie wollten angeb-
lich die Ansicht des katholischen Klerus über den Nationalsozialismus
.besser verstehen lernen und insbesondere erfahren. Was von Rosenbergs
„Mythos des 20. Jahrhunderts" zu halten sei. Die Frankfurter Zeitung
vom 17. April 1935 stellte fest, daß die drei „eifrige Verfechter von
Ludendorffs antichristlicher Bewegung" waren und daß sie bei dem
Priester bewußt den falschen Eindruck zu erwecken
suchten, als Wäre es ihnen um geistliche Hilfe zu tun.
„Sie waren gekommen, ihm eine Falle zu stellen." Diesen jungen Leu-
ten, die vielleicht glaubten, etwas Verdienstvolles getan zu haben, sollte
zu Bewußtsein gebracht werden, daß ihr Benehmen schlechter sei als
das jener Zuträger, . welche hohe Parteibeamte mit anerkennenswerter
Festigkeit ständig in vielen öffentlichen Versammlungen zurückgewiesen
. hätten. Aber das Gericht wies diese Judasseelen nicht zurück, nahm
ihre verräterischen Angaben entgegen und zur Grundlage einer An-
klage und eines Urteils:
Msgr. Leffers wurde zu iVz Jahren Gefängnis verurteilt
zum Dank dafür, daß er drei jungen Leuten das Wort Gottes als Weg-
weiser gegenüber nationalsozialistischen Irrlichtern schenken wollte!!
Der Priester und Seelsorger wurde auf Grund des „Heimtückegesetzes"
schwer bestraft. Aber wo war gerade in diesem Fall die
Heimtücke ? !
Neue Fesseln für das Wort Gottes.
Am 23. April 1935 gab die Bayerische politische Polizei in einer
„streng vertraulichen" Anweisung allen Polizeistellen in bezug auf
die Jesuiten neuen Auftrag:
„öffentliche Versammlungen sind mit allen Mitteln zu unterbinden.
Private Versammlungen sind zu überwachen.
Schuldige sind strengstens zu bestrafen.
59
staatsfeindliche Darlegungen sind rücksichtslos mit Schutzhaft zu
ahnden.
Über jedes öffentliche Auftreten von Jesuiten ist sofort anher Be-
richt zu ex'statten."
Noch mehr glaubte im Juni 1934 die Oldenburgische
Staatsregierung tun zu müssen, den „Kanzelparagraph" und
das „Pleimtückegesetz" noch durch eine besondere Verordnung zu
ergänzen:
„Auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten vom 28. Februar
1933 zum Schutze von Volk und Staat wird folgendes angeordnet:
§ 1. Geistlichen und anderen Religionsdienern ist es verboten, die
nationalsozialistische Bewegung oder die eine oder andere ihrer Gliede-
rungen oder die Zugehörigkeit zu einer Gliederung als unchrist-
lich oder gefährlich zu bezeichnen. Dies darf auch
nicht in versteckter Form geschehen.
§ 2. Geistlichen und anderen Religionsdienern ist es verboten, un-
mittelbar oder auch mittelbar vor dem Besuch nationalsoziali-
stischer Versammlungen zu warnen.
§ 3. Geistlichen und anderen Religionsäienern ist es verboten, be-
hördliche Maßnahmen als unchristlich oder gefähr-
lich oder gegen die Kirche gerichtet — sei es auch in
versteckterForm — zubezeichnen.
§ 4, Zuwiderhandlungen gegen die §§ 1 — 3 der Anordnung unter-
liegen den im § 4 der Verordnung zum Schutze von Volk und Staat
angedrohten Strafen."
Auch dem Papst wird das Wort Gottes gefesselt.
Als Papst Pius XL am 14. März 1937 ein Weltrundschreiben
„Mit brennender Sorge" verfaßt hatte, beschlagnahmte die Polizei
nicht bloß alle erreichbaren Druckexemplare, sondern es wurden
Geistliche auch gestraft, weil sie diese Enzyklika pflichtgemäß ver-
Jasen:
Pfarrer Johann Georg Mayer in Arzheim wurde am
30. 6. 37 vom Oberlandesgericht Zweibrücken zu 15 Tagen Gefäng-
nis bzw. 150 Mark Geldstrafe verurteilt, weil er am 26. März 1937
in Erfüllung des bischöflichen Auftrages das Papstwort von der
Kanzel verlesen hatte.
Ein Religionslehrer an einer höheren Schule wurde sogar seiner
Stellung enthoben, einzig aus dem Grunde, weil er bloß den Ab-
schnitt „An die katholische Jugend" aus diesem Päpstlichen Send-
schreiben seinen Schülern bekanntgegeben hatte.
(Siehe Denkschrift der deutschen Bischöfe an die Reichs-
regierung vom 26. August 1937).
Das Wort Gottes auch im Beichtstuhl gefc^sselt!
Selbst religiöse Beichtzusprüche wurden mißdeutet,
denunziert, als „staatsfeindlich", empfunden und verfolgt,
Kapuzinerpater Johann Nep. Hermann von München-
St. Joseph wurde im Januar 1940 in Schutzhaft genommen, „weil
60
er mit politischer Hetze im Beichtstuhl der Regie-
rung in den Rücken gefallen se i". Und worin bestand
diese politische Hetze? Bloß darin, daß er zu einem Mann gesagt
hätte: „Jetzt (im Kriege) können und müssen wir zeigen, daß wir
die Vaterlandsliebe nicht bloß auf der Zunge haben, sondern im
Herzen tragen und bereit sind, Opfer für andere zu bringen."
„Vaterlandsliebe auf der Zunge tragen" — große Sprüche darüber
machen, das konhte doch nur auf Nationalsozialisten gemünzt sein!!
Also ist § 1 Absatz 1 des Heimtückegesetzes gegeben: „Gehässige,
hetzerische Äußerungen über leitende Persönlichkeiten des Staates
oder der NSDAP". Es dauerte etwa einen Monat, bis die Gestapo
sich überzeugen ließ, daß der von ihr behauptete Zuspruch rein
religiös und positiv gemeint war.
Wahrlich, es war nicht leicht, im Dritten Reich das Wort Gottes
zu verkünden, den Paulusauftrag zu erfüllen: „Predige das Wort
Gcttes, tritt dafür ein, sei es gelegen oder ungelegen! Überführe,
weise zurecht, ermahne mit aller Geduld und aller Belehrung!"
(2 Tim 4,2.)
2. Fesseln für den Gottesdienst.
Im Gegensatz zu der schreienden Propaganda, welche für
nationalsozialistische Veranstaltungen aller Art mit Riesenplakaten,
Pressenotizen, Radioansagen, Flugblättern usw. gemacht werden
konnte und immerfort gemacht wurde, hat man die Kirche in der
Ankündigung ihrer Gottesdienste und religiösen Feierlichkeiten
immer mehr eingeschränkt und dieselbe unterbunden.
Den Tageszeitungen wurde die Aufnahme von Notizen über
gottesdienstliche Veranstaltungen verboten. Sie mußten ja „ent-
konfessionalisiert" werden und durften nur Nachrichten bringen,
welche für die Allgemeinheit von Interesse waren.
Die den Zeitungen als Werbemittel so willkommene Gratis-
veröffentlichung von lokalen Gottesdienstordnungen wurde
ebenfalls untersagt.
Die Herausgabe eigener Gottesdienstanzeiger und
Pfarrblätter wurde erschwert, zuletzt ganz verhindert. Nicht wenige
Pfarreien, welche den Ausfall der Gottesdienstbekanntgabe in der
Tagespresse durch einfache gedruckte oder auch nur hekto-
graphierte, gratis in der Kirche aufliegende Handzettel auszuglei-
chen suchten, erhielten von der Reichspressekammer ein Schreiben,
wie folgt:
Der Präsident der Reichspressekammer. Berlin W 35 — d. 27. 8. 38
Geschäftszeichen: A4bWg/Ba. Viktoriastr, 11
An das kathol. Pfarramt Maisach (Obb.).
Betrifft: Einstellung der Herausgabe Ihrer Gottesdienstordnung.
Jede Neugründung auf dorn Gebiet der Presse war nach dem
13. Dezember 1933 — von genehmigten Ausnahmen abgesehen — bis
30. September 1934 überhaupt ausgeschlossen (meine Anordnungen vom
13. 12. 33 und 8. 2. 34).
61
Vom 30. September 1934 ab bestand dieser Zustand weiter bis zur
allgemeinen Regelung über Neugründungen auf dem Gebiet der. Presse
in meiner 10. Anordnung vom 31. Januar 1935.
Nach dieser Anordnung war jede Neuplanung periodisclier Presse-
erzeugnisse anmelde- und genehmigungspflichtig. Dieser Grundsatz wird
in meiner jetzt geltenden Anordnung über verlegerische Neuplanungen
Vom 15. Juni 1938 noch einmal bestätigt.
Die von Ihnen verlegte Gottesdienstordnung, die als inhalts-
beschränktes Pfarreiblatt im Sinne meines Erlasses vom 17. 2. 36 ein
durch Druck oder sonstige mechanische Weise vervielfältigtes periodi-
sches Presseerzeugnis darstellt, ist, wie ich aus Ihrer Meldung ersehe,
erstmalig zu einem zwischen dem 13. Dezember 1933 und dem heutigen
Tage liegenden Zeitpunkt ohne meine Genehmigung erschienen.
Ihr Erscheinen ist daher unzulässig. Ich ersuche,
die weitere Herausgabe sofort einzustellen und die
Fachschaft der katholisch-kirchlichen Presse in der
Reichspressekammer, Berlin W 35, Margaretenstr. 5,
von der erfolgten Einstellung in Kenntnis zu setzen.
Anträge auf nachträgliche Genehmigung sind zwecklos, da ich
sie in diesen Fällen grundsätzlich nicht erteilen kann. Die Tatsache, daß
nach dem 13. 12. 33 veröffentlichte und ohne meine Genehmigung er- '
schienene Gottesdienstordnungen vielfach nachträglich bei der Fach-
schaft der katholisch-kirchlichen Presse angemeldet wurden, begründet
keine Herausgabeberechtigung.
Wer nach dem 13. 12. 33 erstmalig erschienene Gottesdienstordnun-
gen ohne meine ausdrückliche Genehmigung weiter herausgibt oder neu
begründet, setzt sich wegen seines ungesetzlichen Verhaltens der An-
wendung polizeilicher Maßnahmen aus.
L.S. Im Auftrage: Willi
Gelegentlich einer persönlichen Vorsprache des Verfassers bei
obenbezeichnetem Vertreter der Reichspressekammer in Berlin
wurde erklärt, daß auch vorschriftsmäßig und rechtzeitig ein-
gereichte Anträge von Pfarrämtern um Genehmigung besonderer
Gottesdienstanzeigen keine Aussicht auf Erfolg hätten, auch dann
nicht, wenn sie sich verpflichteten, gar nichts weiteres zu bringen
als bloß Zeit und Art der gottesdienstlichen Veranstaltungen. „D i e
Maschen werden immer enger" wurde höhnisch dazu
bemerkt.
Das sollte für die gesamte Seelsorge Geltung bekommen.
Der Krieg bot hiezu neue Möglichkeiten: Schon im ersten
Monat desselben wurde in einzelnen Teilen des Reiches, später aber
allgemein jede außerordentliche Funktion, wie Volksmission, Ein-
kehrtage, Triduen, Religiöse Wochen, Exerzitien verboten. Kein
Tag und keine Stunde sollte der Kriegsrüstung verloren gehen!
Selbst an den kirchlich vorgeschriebenen Feiertagen, die staat-
licherseits ohne jede Fühlungnahme mit der Kirche ganz ab-
geschafft wurden (wie Epiphanie, Maria Himmelfahrt und Aller-
heiligen), oder ebenso eigenmächtig einfach auf den nächstfolgenden
Sonntag verlegt wurden (wie Christi Himmelfahrt, Fronleichnam,
Evangelischer Bußtag), durfte keine vom Werktag abweichende
Gottesdienstordnung sein. Nur mit Mühe und Not durfte in den
62
letzten paar Jahren das kirchliche Privileg der Abendmesse ge-
braucht werden.
Nach mitternächtlichen Fliegeirangriffen durften die Kirchen
nicht vor 10 yhr ' vormittags zur rein freiwilligen Teilnahme an
heiligen Messen und zum Empfang von hl. Sakramenten geöffnet
werden, während alle Arbeiter, Angestellten und Beamten ver-
pflichtet waren, so zeitig wie sonst an ihrer Dienststelle zu er-
scheinen.
In Polen, teilweise auch in Tirol, wurden viele Kirchen dem
Gottesdienst überhaupt entzogen, vollständig geschlossen, in Posen
z. B. sogar die Kathedrale, die doch zugleich Pfarrkirche für 14 000
Seelen war, angeblich „wegen bedrohlicher Bauschäden," die aber
anderseits nicht hinderten, daß darin weltliche Konzerte abgehalten
werden konnten; ähnlich die St.-Magdalena-Kirche, ebenfalls Pfarr-
kirche für 23 000 Seelen. Die wenigen Kirchen, die noch Priester
hatten — ungefähr die Hälfte der Pfarreien der Erzdiözese Gnesen-
Posen hatten keine Priester mehr — sie waren in Gefängnissen
oder Konzentrationslagern oder liquidiert •— , durften nur an Sonn-
tagen, und auch da nur zwischen 9 und 11 Uhr, geöffnet sein. In
dieser knappen Zeit sollten alle hl. Messen gefeiert, die hl. Sakra-
mente (Taufen, Beichten, Kommunion) gespendet und evtl. die
Predigten gehalten werden. Es war in großen Pfarreien einfach
unmöglich, allen Katholiken in diesen paar Stunden Gelegenheit
zur Erfüllung der Sonntagspflicht und zum Sakramentsempfang zu
geben.
Um jede Bezweiflung dieser staatlichen Bevormundung rein
kirchlich-seelsorglicher Betätigung auszuschließen, sei ein amtlicher
Erlaß wiedergegeben:
Geheime Staatspolizei Posen, den 24. Oktober 1940
Staatspolizeileitstelle Posen , Ritterstraße 21
B. Nr. — II B —
An den
General Vikar der Erzdiözese Posen- Gnesen
z, Hd. des Herrn Weihbischofs Dr. Dymek
in Posen
Dominsel
Betrifft: Zeitbestimmung für konfessionelle Veranstaltungen im Gebiet
des Reichsgaues Wartheland.
Vorgang: Ohne.
Der Reichsstatthalter für den Reichsgau Wartheland hat durch Erlaß
vom 3. Oktober 1940 •— A.Z. 1/8 D. 147 — in Abänderung der in dem Er-
laß des Reichsstatthalters vom 24.7.40 festgesetzten Zeiten für konfes-
sionelle Veranstaltungen für die Winterzeit ata 15. 10. 40 folgende Zeit-
bestimmungen getroffen:
1. Gottesdienst an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von
8 bis 11 Uhr.
2. Messen an Werktagen in der Zeit von 8 bis 9 Uhr, Sonnabends untet
Zulassung, an allen anderen Tagen unter Ausschluß der öffentliche
keit.
63
f
3. Beicht- und Kommunionunterricht für Jugendliche" am Mittwoch
nachmittag von 14 bis 16 Uhr.
4. Beichten für Erwa9hsene am Sonnabend von 14 bis 18 Vhv.
5. Für die Icirchliche Betätigung anläßlich . der Eheschließung, der Be-
erdigung und Taufe sowie für Versehgänge werden zeitliche Be-
. Stimmungen nicht auferlegt.
In den Gottesdiensten an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen ist die
Predigt zugelassen,
6. Die Veranstaltungen dürfen nur von den Mitgliedern der einzelnen
jeweiligen Kirchengemeinden besucht werden]
Für die deutschen evangelischen Kirchengemeinden sowie für die katho-
lischen Kirchengemeinden, die
a) geschlossen oder überwiegend deutsch sind und in denen
b) ein Geistlicher deutscher Volkszugehörigkeit (im Besitz eines amt-
lichen Ausweises) tätig ist,
gelten diese Bestimmungen nicht.
Ich ersuche, die Ihnen .unterstellten kirchlichen Stellen von dem
Erlaß des Reichsstatthalters vom 3.' 10. 40 umgehend zu unterrichten.
Zuwiderhandlungen gegen die in dem Erlaß festgelegten Bestimmungen
werden durch staatspolizeiliche Maßnahmen geahndet.
**' L. S. gez. B i s c h o f f
Beglaubigt:
E. Troeder
Kanzleiangestellte.
Der Josefinismus weit überboten.
Aber auch in Deutschland selbst gab es viele Fesseln für den
Gottesdienst. Tausenden und oftmals Zehntausenden wurde durch
sonntägliche Pflichtarbeit in Rüstungsbetrieben, durch pflichtmäßige
Appelle, Gemeinschaftsarbeiten, Schießübungen, Ausmärsche, Pa-
raden, Parteitagungen oder -festlichkeiten, durch entsprechende
Tagesordnung in Arbeitsdienstlagern, Land jährdienst usw. der
Kirchenbesuch unmöglich gemacht Zum Beispiel am 20. August 1933
etwa 35 000 Hitlerjungen gelegentlich des Gebietstreffens
in München (Wecken, 5 Uhr früh); ebenso der ganzen Hitlerjugend,
die beim Parteitag in Nürnberg war; wiederum in München am
Tag der Deutschen Kunst: 15. Oktober 1933. Die Jungens
hatten sich da jeweils schon so früh an den Treffpunkten zu sam-
meln (V26 Uhr morgens!), daß eine vorherige Teilnahme am Gottes-
dienst unmöglich war. Alle Versuche und Angebote des Ordinariats,
eine Verschiebung des Appells auf einen späteren Zeitpunkt zu er-
reichen oder in den Unterkunf tslägern selbst einen Gottesdienst
zuzulassen u. ä., wurden abgesehlagen oder sabotiert. Ähnlich ging
es vielerorts, als mit Beginn des Krieges die HJ an Sonn-
tagen zum vormilitärischen Ausbildungsdienst ge-
zwungen wurde. Oberhirtliche Vorstellungen, wie sie im Auftrag
der gesamten katholischen Bischöfe Deutschlands durch Bischof
Wiencken bei der Reichsführung der HJ gemacht wurden^ hatten
nur geringen Erfolg. Es hing schließlich alles von dem guten oder
gar leicht schlechten Willen der örtlichen HJ-Leitung ab.
64
HJ-Führer verbieten undverhindern Teilnahme
an Fronleichnamsprozessionen.
Höhere und niedere „Befehlsgewaltige" der HJ glaubten auch,
etwas Großes leisten zu können, wenn sie der Fronleichnamsprozes-
sion Abtrag tun würden. Sie verboten der HJ die Teilnahme oder
machten es ihr durch Ausmärsche oder Appelle unmöglich, sich
daran zu beteiligen.
Ein paar charakteristische Beispiele:
Zugführer Eder von Bann II Fähnlein 1 des Zuges III der HJ ge-
stand laut Mitteilung vom 7. 6. 34, daß er im Auftrag seines Fähnlein-
tuhrers Peter an dem Heimabend, welcher dem Fronleichnamssonntag
vorausging, allen HJ jede (auch private und nicht uniformierte) Teil-
nahme an der Fronleichnamsprozession befehlsgemäß verboten habe
und daß dieser Befehl von oben gekommen sei. Er gab zu, ausdrücklich
gewarnt zu haben, „daß sich ja keiner erwischen lassen soll". Der Zug-
führer hat, wie er ebenfalls zugab, die Prozession in Befolgung des von
oben gekommenen Befehls kontrolliert und dabei zwei Buben der fünf-
ten Klasse der Ridler-Simultanschule erkannt, am nächsteh Tag zur
Rede gestellt und gesöhimpft. Er warf ihnen vor, daß sie die einzigen
Katholiken (der Schule) waren, „die da mitgemacht haben", langte
ihnen, wie auch Zeugen zugeben, ans Hirn und sagte zu dem einen:
„Du bist ein seltenes Rindvieh, daß Du da mitgegangen bist."
Im nächsten Jahr versuchte man es mit eigenen Anschlägen an den
HJ-Tafeln der Schulen.
1. In der Ridlerschule
„Fähnlein I tritt am Donnerstag um 8 Uhr in der Früh vor der
Schule an. Erscheinen ist Pflicht. Jeder kommt in Uniform. Brotzeit
ist mitzunehmen. Wir kommen bis Mittag wieder nach Hause."
Heil Hitler
1. A. Pickl.
2. In der Guidein schule
„Wer ein wirklicher Pimpf ist, wird sich gegen alle Schwierigkeiten,
die von gewissen Seiten hineingetragen werden, durchsetzen. Angst-
hasen und Muttersöhnchen bleiben zu Hause; dann marschiert lieber mit
der Prozession."
Unterschrift: Schneider. .
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus
bemühte sich auch noch höchst persönlich, der Fronleichnam s-
prozessionFesseln anzulegen. Es schrieb am 5. Juni 1939
den Direktoraten der höheren Schulen:
Betreif: Beteiligung von Schülern und Lehrern an Prozessionen.
Lehrern und Schülern ist die private Anteilnahme an Prozessionen ge-
stattet. Dagegen hat die geschlossene Beteiligung von
Schulen, Schulklassen und Schulabteilungen zu unterbleiben. Damit
die notwendige Scheidung zwischen Schule und Kirche nicht verwischt
werde und nach außen hin nicht der Eindruck entstehen kann, als ob
Schulabteilungen irgendwelcher Art an Prozessionen teilnehmen, kann
ich es aus dienstlichen Gründen nicht gestatten, daß Lehrkräfte
die Beaufsichtigung und Führung von Kindern und
Jugendgruppen bei Prozessionen übernehmen.
I.V. gez. Boepple.
Kreuz und Hakenkx'euz 5 gg
^
Auch gegen die Teilnahme am Frühgottesdienst.
Dem Landesschulrat von Kärnten war die Teilnahme der Schul-
kinder an der täglichen hl, Messe ein Dorn im Auge, wenngleich
'diese an den meisten Orten nur etwa ^/t Stunden vor Schulbeginn
stattfand. Er verfügte darum nach einer Mitteilung des Kreisschul-
rates Wolfsberg vom 27. Januar 1940:
Besuch des Frühgottesdienstes
durch Schulkinder.
An die Direktionen der Hauptschulen und alle Schulleitungen.
Der Landesschulrat hat mit Erlaß vom 19. Jänner 1940, ZI. 757/40
folgendes anher eröffnet:
Auf eine Anfrage über den Besuch des Frühgottesdienstes durch
Schulkinder wird folgendes eröffnet;
Der Besuch des Frühgottesdienstes vor dem Unterricht, insbesondere
zur Winterszeit und in Fällen, in denen ein weiter Schulweg zurück-
zulegen ist, beeinträchtigt jedenfalls die geistige Spannkraft dpr Schul-
kinder und ist dem Unterricht in der Schule abträglich, zumal damit
öfter verspäteter Schulbesuch verbunden ist.
Daher wird ersucht, auf die Schulkinder und ihre gesetzlichen Ver-
treter in geeigneter Weise dahin einzuwirken, daß aus diesem Grunde
vom Besuch des Frühgottesdienstes durch Schulkinder vor dem Unter-
richt abgesehen werde. Ein verspätetes' Erscheinen der Schüler zum
Schulbesuch ist unter keinen Umständen . zu dulden und müßte als
Schulversäumnis bestraft werden.
Die Berichte, in welchem Ausmaß mit dem Stichtag 1. Februar 1940
der Frühgottesdienst von Schulkindern an Ihrer Schule besucht wird,
sowie über die Erfahrungen,' die mit dem Besuch des Frühgottesdienstes
durch Schulkinder vorliegen, sind zuverlässig bis 8. Februar 1940 anher
vorzulegen.
Der Vorsitzende
Beglaubigt Brandstätter e-h.
I
Eine weitere Fessel für den Gottesdienstbesuch bedeutete das
von der Partei besonders für die Amtswalter und von den Partei-
gliederungen für alle Mitglieder erlassene und trotz aller kirch-
lichen Proteste aufrechterhaltene Verbot, in Uniform in die
Kirche zu gehen.
Ein Nürnberger SA-Gruppenbefehl Nr. 35 vom November 1936
befahl z. B.:
Nachdem nach Ablauf weiterer zwei Jahre die Aussichten auf eine
vernünftige Einstellung der verschiedenen Religionsgemeinschaften
gegenüber dem Führer und unserem Reich mehr schlechter als besser
geworden sind, sehe ich mich genötigt, meine im Gruppenbefehl Nr. 27
vom 9, Mai 1934 erlassenen Anordnungen wie folgt zu verschärfen:
1 Ich verbiete mit sofortiger Wirkung das Tragen des SA- Dienst-
anzuges anläßlich von Hochzeiten, Taufen und dergleichen.
2. Ich verbiete die Teilnahme von Standarten, Fahnen, Ein-
heiten und einzelnen Führern und Männern der SA an Beerdigun-
gen, solange Vertreter der Kirche anwesend sind,.
Es ist in Zukunft bei verstorbenen SA-Männern Vorsorge zu treffen,
daß die Beerdigungsfeierlichkeiten so eingestellt werden, daß die
Amtshandlungen eines Kirchenvertreters vor oder nach der Teil-
66
nähme und der Gedenkstunde der SA stattfinden. Der SA-Mann
lehnt in Zukunft jede Gemeinschaft mit welt-
anschaulichen Organisationen ab.
Ähnliches wurde für die SS verordnet, besonders für die in
Kasernen untergebrachte Waffen-SS. Ohne ein förmliches Kirchen-
verbot wurde ihr praktisch der Kirchenbesuch unmöglich" gemacht.
Es bestand nämlich:
1. das Verbot, ohne Uniform dieKasernezuverlassen,
2. das Verbot, in Uniform eine Kirche, zu betreten.
Ebenso erklärte der Leiter der NS-Sportschule von Burg Vogel-
sang in der Eifel: „Die Junker (so hießen die Kursteilnehmer) kön-
nen Gottesdiensten in Zivilkleidung beiwohnen", aber, er fügte
hohnlachend sogleich hinzu: „Freilich, die meisten haben keine
Zivilkleidung dabei." — Nationalsozialistische Ehrlichkeit oder Un-
ehrlichkeit? Je nachdem!
Verschiedenerlei Methoden, aber ein Ziel:
Nicht in die Kirche!
Die gleiche Methode indirekten Zwanges zum Fernbleiben von
Kirchen und Gottesdiensten wurde gebraucht in den vielen L a n d -
Jahrheimen, deren Insassen praktisch nur mit Uniform
ausgestattet waren — Kirchgang i n Uniform aber war verboten!
Die HJ leistete sich bezüglich des Verbotes, in Uniform zum
Gottesdienst zu gehen, noch eine besondere Ungerechtigkeit. Die
offizielle Zeitung der Reichsleitung der HJ vom 18. August 1934
gab bekannt: „daß es der HJ nicht verboten sei, in Uniform dem
Gottesdienst der evangelischen Kirche, der Freikirche und der alt-
katholischen Kirche beizuwohnen". Also ein Ausnahmegesetz
für die katholischen Mitglieder derHJ, die am Sonn-
tag dem Gebot ihrer Kirche Folge leisten wollten.
Bei dieser einseitigen Stellungnahme ist es auch nicht zu ver-
wundern, wenn im März 1934 HJ und B d M von Ulm und Neu-
Ulm einfach geschlossen in den Gottesdienst des prote-
stantischen Domes geführt wurden, so daß die katholische
Jugend nicht bloß gezwungen wurde, einem nichtkatholischen Got-
tesdienste beizuwohnen, sondern auch davon abgehalten wurde, in
Erfüllung ihrer Sonntagspfiicht eine hl. Messe mitzufeiern.
In Arbeitsdienstlagern und Jugend-Ferienlagern und Landjahr-
heimen wurden trotz aller erleichternden Angebote und
dringendster G e s u ch e Gottesdienste nichtzuge lassen.
Ein anderes Mittel, die katholische HJ in Lagern vom Gottes-
dienst abzuhalten, war der Spott durch die „Führer", ferner die
ermüdende Morgengymnastik und entsprechende Gestaltung dei
Tagesordnung, z. B. offizielle Flaggenhissung gerade in der Zeit dos
Gottesdienstes.
67
1
In einem Pfingstlager der HJ in Bayern befahl der tagerleiter
beim Morgenappell: „Jeder, der zur Messe zu gehen wünscht, soll
vortreten." Als dann die Mehrzahl vortrat, setzte der Lagerleiter
eine Kartenieseübung an und zog sie so lange hin, bis die Messe
vorüber war! •
„Kultischer" Heimabend der HJ.
In dem „Informationsdienst", herausgegeben von der Reichs-
jugendführung Berlin NW. 46 vom 28. Oktober 1935, werden u. a.
Versuche unternommen, die Jugend aus den kirchlichen Gottes-
diensten herauszubringen; dazu werden Belehrungen gegeben, daß
der Masse doktrinär und dogmatisch der Nationalsozialismus ein-
geimpft werden müsse; man könne dem Volk die Dogmen nur
nehmen, wenn man ihm andere gebe. Der Heimabend müsse eine
kultische Form erhalten mit regelmäßiger Lesung aus „M ein
Kampf" als der Bibel der Bewegung und aus dem P a r -
t e i p i- o g r a m m als unserem „Neuen Testament" oder
„unseren Zehn Gebote n". Der Stoff, der im Ritus der Kon-
fessionen behandelt werde, sei als unwahr und erlogen erwiesen,
von der Wissenschaft überholt und werde deshalb vom Volk ab-
gelehnt.
ProtestzwanggegenPredigten.
Eine eigenartige Barriere gegen Gottesdienstbesuch errichtete
Reichsstatthalter und Gauleiter Wagner von Baden mit einem Erlaß
vom 26. Mai 1937 des Inhalts: Es sei nicht länger tragbar, daß
Beamte Angriffe auf den Nationalsozialismus aus Versammlungen
und gottesdienstlichen Veranstaltungen, die nicht religiös genannt
zu werden verdienen, schweigend und ohne „gesetzmäßigen und
respektvollen Protest" anhören. In Zukunft würde gegen solche
Beamte, die sich derart gegen Loyalität und Treue verfehlen, diszi-
plinar vorgegangen, eventuell mit Entlassung. Diejenigen, welche
diese Warnung nicht beachten wollten, müßten die Konsequenzen
tragen. Das gleiche gelte auch für Parteimitglieder. — Wieder das
alte Theater: Kein förmliches Verbot, dem Gottesdienst anzuwoh-
nen, aber verkappter Zwang, ihm fernzubleiben! Entweder „in
gesetzmäßiger, . respektvoller Weise" protestieren und denunzieren
oder, um iiicht in diese Zwangslage zu kommen, von der Kirche im
vornherein wegbleiben.
Ein Kirchenerlaß von Heß.
Der Stellvertreter des Führers faßte am 23. Januar 1939 die
mancherlei Einzelverbote für Kirchenbesuch, Übernahme von Kir-
chenämtern und Förderung kirchlicher Belange in folgendem Rund-
schreiben xusammen:
.,In meinen Anordnungen vom 11, November 1937 und 1, Juni 1938
habe ich bestimmt, daß die Partei, ihre Gliederungen und angeschlosse-
68
nen Verbände sich jeglicher Einflußnahme auf innerkirchliche Dinge zu
enthalten haben.
Ich habe erneut Veranlassung, auf die unveränderte Haltung der
Partei in diesen kirchlich-konfessionellen Auseinandersetzungen hinzu-
weisen und gebe im folgenden die Bestimmungen für alle Gliederungen
und angeschlossenen Verbände der Partei noch einmal bekannt.
Es ist notwendig, daß die Partei in ihrer Gesamtheit unbedingt eine
geschlossene Haltung diesen Fragen gegenüber einnimmt. Ein Verstoß
gegen diese Anordnungen wird in Zukunft mit disziplinaren Maßnahmen
geahndet werden und zieht erforderlichenfalls den Ausschluß aus der
NSDAP und aus der Gliederung nach sich.
X. Unterführer der Bewegung (das sind; Politischer Leiter, Führer und
Unterführer der Gliederungen, Walter und "Warte der angeschlosse-
nen Verbände) dürfen kein kirchliches Amt oder Ehrenamt annehmen.
Dasselbe gilt für ein Amt oder Ehrenamt irgendeiner sonstigen reli-
giösen Gemeinschaft, Organisation oder Gruppe. Sollte in dem einen
oder anderen Falle eine Trennung noch nicht durchgeführt sein, so
ist die Trennung sofort zu veranlassen.
2. Ebenso ist Unterführern der Bewegung die Übernahme von Aufgaben
oder Beschäftigungen in irgendeiner konfessionellen oder religiösen
Organisation, Gruppe, Gemeinschaft oder dergleichen, auch soweit es
sich nicht um ein eigentliches Amt handelt, untersagt.
3., Unterführer der Bewegung dürfen keine Aufträge von irgendwelcher
Stelle annehmen, nach denen sich der Betreffende mit konfessionellen
Fragen zu beschäftigen hat. Ausgenommen ist hierfür selbstver-
ständlich der Dienst für Partei und Staat. Ferner diejenigen Fälle,
in denen aus ganz besonderen Gründen von mir ausnahmsweise die
Genehmigung erteilt wird. (Zur Bespitzelung? Der Verfasser.)
4. Darüber hinaus ist es den Unterführern der Bewegung untersagt,
auch ohne Annahme eines Amtes oder ohne Ausführung eines Auf-
trages in der Öffentlichkeit sich im Sinne einer dieser Organisationen
oder Gemeinschaften zu betätigen oder für sie einzutreten.
5. Die Anordnungen Ziffer 1 — 4 gelten nicht für Parteigenossen, An-
gehörige der Gliederungen und angeschlossenen Verbände, die nicht
Unterführer der Bewegung sind. Jedoch ist es diesen untersagt, bei
Betätigungen dieser Art sich auf ihre Zugehörigkeit zur Partei, einer
Gliederung oder eines angeschlossenen Verbandes zu berufen oder
dabei in Uniform aufzutreten oder Abzeichen zu tragen,
6. Jegliche Teilnahme von Parteigenossen, Angehörigen der Gliederun-
gen und angeschlossenen Verbände in Uniform an kirchlichen Ver-
anstaltungen oder an den Veranstaltungen sonstiger religiöser Ge-
meinschaften ist untersagt. Ausnahmen hiervon können bei Beerdi-
gungen, wenn eine Teilnahme in Uniform geboten erscheint, zugelas-
sen werden.
7. Die Tätigkeit von Parteigenossen, Angehörigen der Gliederungen und
angeschlossenen Verbände in den sogenannten Finanzausschüssen, die
in einigen Ländern als staatliche Behörden eingerichtet worden sind,
kann bis auf weiteres ausgeübt werden, Ziffer 5, Satz 2 gilt hiefür
sinngemäß. '
Ich mache in diesem Zusammenhang besonders aufmerksam, daß
von kirchlich-konfessionellen Gruppen wiederholt der Versuch gemacht
worden ist, Parteigenossen in führenden Stellungen für irgendwelche
Organisationen oder Arbeitsgruppen, Arbeitsgemeinschaften usw. zu ge-
winnen, um sie als Repräsentanten von Partei, Staat oder Wirtschaft
herauszustellen. Derartige Versuche müssen selbstverständlich zurück-
69
gewiesen werden. Soweit nach diesen Anordnungen in Zukunft noch
Zweifel au.„reten, ist meine Entscheidung einzuholen."
gez. Heß.
Kirchliche Andachten — verbotene
Versammlungen!
Gestapo und Partei gingen jedoch des öfteren noch weiter; z. B.
wandten sie das für katholische Vereine erlassene Versammlungs-
verbot da und dort auch auf kirchliche A'^d-^rhten und Predigten
an, besonders wenn sie für einzelne Stände '1er Berufe gehalten
wurden. So wurde beispielsweise eine Na '''nittagsan dacht des
katholischen Müttervereins (einer kirchlichen Bruderschaft) in
Scheyern (Oberbayern), die vor ausgesetztem Allerheiligsten statt-
fand, als verbotene Versammlung erklärt,- ähnlich in Wasser-
burg am Inn.
In Münder a. Deiste (Diözese Hildesheim) kam mitten während
der hl. Messe, die mangels einer Kirche in einem Schlafzimmer
gehalten werden mußte, auf Geheiß der Gestapo ein Polizist und
rief laut „Heil Hitler! Der Gottesdienst ist ver-
böte n." Und er blieb auch für lange Zeit verboten.
Die gefährliche Dollfuß-Gedächtnismesse!
Das Katholische Stadtpfarramt St. Anna iri München wurde im
Jahre 1935 von der Gestapo zur Rechenschaft gezogen, weil am
Jahrestage der Ermordung des Bundeskanzlers Dollfuß auf Ersuchen
des österreichischen Generalkonsuls eine stille hl. Messe gelesen
worden war. Ursprünglich war für früh 8 Uhr ein Requiem bestellt
und von Reichs- und Staatskanzlei genehmigt gewesen. Am Vor-
abend jedoch (23. Juli 1935) wurde mitgeteilt, daß der Gottesdienst in
dieser Form nicht stattfinden könne und die Sänger abzubestellen
seien. Die als Ersatz gedachte stille hl, Messe wurde dann um eine
Stunde vorverlegt, um jeden Schein einer Provokation zu ver-
meiden und jede Teilnahme fremder Personen hintanzuhalten. Tat-
sächlich kam dann auch nur das Personal des Generalkonsulates
selbst, unauffällig und getrennt. Trotzdem die Vorladung zur
Gestapo und Verweis!
Auch die, Bahnhofmessen müssen verschwinden.
Eine weit mehr einschneidende Maßnahme wurde gegen die den
Tausenden von Sonntagsausf lüglern so willkommenen Morgengottes-
dienste (ab 3.20 — 7 Uhr hl. Messen mit Predigt und Kommunion-
austeilung) im Hauptbahnhof zu München getroffen: Sie wurden
beileibe nicht verboten, aber die bisher so entgegenkommende
Eisenbahndirektion mußte auf einmal den Wartesaal auch für diese
paar Sonntagsmorgenstunden unbedingt benötigen und durfte auch
zu dieser Zeit keinen anderen Raum entbehren können.
Auch die in Bayern so beliebten Primizen mußten ob der
unerwünschten allzu großen Teilnahme des Volkes Fesseln be-
70
kommen; trotz jahrhundertealten Brauches durften sie vielfach
nicht mehr im Freien abgehalten werden, sondern wurden auf die
für solche Massenbeteiligung viel zu kleinen Kirchenräume ver-
wiesen.
Schikanen gegen kirchliche Prozessionen.
Auch kirchliche Prozessionen, selbst die an einzelnen Tagen für
die ganze Welt vorgeschriebenen, wie an Bittagen und am Markus-
tag, wurden immer mehr eingeschränkt. Nur die „alther-
gebrachten" sollten noch sein dürfen, ebenso nur „alther-
gebrachte Wallfahrten", Ein eigener Erlaß des Reichsinnenministers
vom 17. August 1937 erläuterte den Ausdruck ..althergebracht" noch
eigens dahin, daß er nicht etwa so zu verstehen sei, als ob eine
bestimmte Anzahl von Festen, Prozessionen und Wallfahrten er-
laubt sei, sondern die Gesamtumstände müßten altherkömmlich sein,
z B. gleicher Anlaß, gleiche Ausgestaltung und Aufmachung und
gleicher Zweck. Sei eines dieser Merkmale früheren Wallfahrten
gegenüber verschieden, so läge keine althergebrachte Wallfahrt vor.
Der Minister fügte hinzu, daß für „Marienfeierstunden", „Christus-
Feiern" und andere Veranstaltungen mit ähnlicher Bezeichnung, so-
fern sie lediglich ein Ersatz für Wallfahrten seien, die gleichen Vor-
schriften gälten.
Ein Mittel, die Prozessionen auf Nebenstraßen zu verdrängen
und die Wallfahrten zu beschränken, gab dem Reichsinnenminister
am 5. November 1936 der § 33 der Reichsstraßenverkehrs-
ordnung:
„Es hat sich nun gezeigt, daß in verschiedenen Gegenden des Rei-
ches auch religiöse Kundgebungen, Fußgängerwallfahrten, Prozessionen,
besonders Fronleichnamsprozessionen, Leichenbjegängnisse, zum Teil
Verkehrsbehinderungen verursachten (die Fußmärsche, Paraden und
Aufzüge der Partei und Parteigliederungen natürlich nicht!), so daß er-
wogen werden muß, diese Kundgebungen und Züge von den größeren
Verkehrsstraßen wegzuführen, auch dann, wenn sie in althergebrachter
Weise diese Wege bisher benutzten."
Natürlich wurden größere Wallfahrten fest bespitzelt und die
Teilnehmer festgestellt. So verlangte die badische Parteileitung im
Jahre 1937, daß die Namen all der Beamten gemeldet wür-
den, die an der herkömmlichen Wallfahrt nach Birnau teilgenommen
hätten, bei der Erzbischof Gröber gesprochen hatte.
Der Krieg gab dann rechten Vorwand, die Wallfahrten ganz zu
verbieten. Pilgerfahrten nach Rom und ausländischen Gnaden-
orten wurden schon lange vor dem Kriege durch entsprechende
stille, aber zwingende Einwirkung auf Eisenbahndirektion und
Reisebüros unterbunden, ohne daß jedoch Eisenbahnverwaltung und
Reisebüroleitungen sagen, ja auch selbst auf Anfragen zugeben
durften, entsprechende Weisungen von oben zu haben.
Wie die Übertragung von Predigten von Kirche zu Kirche oder
im Freien verboten wurde, so wurde nach ein paar Jahren Nazi-
71
Herrschaft auch die schon lange übliche Lautsprecherübertragung
der Evangelien, Gebete, Lieder und Orgelstücke bei der Münchener
Fronleichnamsprozession verhindert, aber wieder nicht durch ein
offenes Verbot, sondern durch Befehl an die mit der Leitungslegung
beauftragte. Telefunkengesellschaft, Hindernis um Hindernis zu
finden.
öffentliche Musikkapellen, wie jene der Stadt, Post, Feuerwehr,
Sanität, durften bei der Fronleichnamsprozession nicht mehr mit-
wirken. In Freiburg i. Br. wurde eine solche Musik-
kapelle sogar während der Prozession abberufen.
Dafür aber durften Flugzeuge die Prozession längere Zeit auf-
fallend geräuschvoll und niedrig überfliegen!!
Den Lehrern wurde nahegelegt, den Chorregenten- und
O r g a n i s t e n d i e n s t in den Kirchen niederzulegen. Parteimit-
gliedern wurde verboten, ihren Söhnen Ministrantendienste
leisten zu lassen.
Nach einer Mitteilung vom 14, Februar 1937 untersagt der SS-
Reichsführer im Sommer 1936 den SS-Angehörigen jegliches Musi-
zieren in Kirchen, auch das bloße Orgelüben.
Bespitzelung der Exerzitienteilnehmef.
Um von der Teilnahme an Exerzitien (drei- bis viertägige
„geistliche Übungen" in besonderen geistlichen Häusern) abzu-
schrecken oder die Teilnehmer auf die Schwarze Liste nehmen zu
können, wurde im Jahre 1937 der polizeiliche Meldezwang für
Fremdenübernachtung auch auf Exerzitienhäuser ausgedehnt, hie-
für sogar eigens das Meldeformular entsprechend abgeändert.
Fünf Männer der Pfarrei Aufkirchen am Starnberger See, die im
Jahre 1938 an Exerzitien im Hause der Jesuiten auf der Rottmannshöhe
teilgenommen hatten, wurden acht Tage darauf in der Gemeindekanzlei
von Höhenrain vorgeladen und dort vom Kreisleiter von TÖlz, vom
Stützpunktleiter und 'Bürgermeister des Ortes mit schwersten Vorwürfen
überschüttet!!
Die Teilnahme am Eucharistischen Kongreß in
Budapest im Jahre 1938, zu dem sich schon Tausende von
reichsdeutschen Katholiken gemeldet hatten, wurde vollständig
verboten. Selbst die Lichtbilder, welche von diesem Kongreß
herauskamen, wurden beschlagnahmt und vernichtet.
Der Krieg gab, wie zu vielem anderen, auch Anlaß zu ein-
schränkenden Bestimmungen gegen das kirchliche Glocken-
geläute, die wohl nicht bloß zur Vermeidung von Störungen der
Luftüberwachung u. ä. erlassen wurden; z. B., daß jeweils nur eine
halbe Stunde vor Sonnenaufgang und bis eine halbe Stunde nach
Sonnenuntergang geläutet werden dürfe und dann nur in der Dauer
von drei Minuten. Später wurde sogar versucht, alle Kirchen Mün-
chens am Sonntag nur einmal gleichzeitig läuten zu lassen, ohne
.72
Rücksicht darauf, wann in den einzelnen Kirchen die Gottesdienste
begannen.
Dagegen wurde da und dort das kirchliche Glockengeläute
fixr politische oder parteiliche Kundgebungen
verlangt oder erzwungen oder einfach ohne Befragung der Kirchen-
vorstände von fanatischen Pärteileuten selbst ausgeführt (ähnlich
wie anfänglich die Beflaggung der Kirchentürme mit Hakenkreuz-
fahnen).
Gefordert wurde das kirchliche Glockengeläute und bei den in nach-
folgender Liste mit * bezeichneten Fällen schon vor jeder Fühlungnahme
mit den kirchlichen Behörden in das durch Presse und Radio veröffent-
lichte Programm aufgenommen:
* zum Sonnwendfeuer auf dem Starnberger See;
zur Eröffnung des neuen, rein nationalsozialistischen Stadtrates in
München;
zum Probealarm für „Abwehr eines FlugzeugangrifOes";
zum Nürnberger Parteitag;
• zum Tag der Deutschen Kunst in München, bzw., wie das Pro-
gramm zeigt, „zur feierlichen Einholung des Führers" 15. Oktober;
zum Einzug des Führers in Neumarkt (Opf.) am 29. Oktober 1933.
Da es versagt wurde, verlegte man den Einzug auf 12 Uhr mit-
tags und deutete dann das um 12 Uhr stattfindende „Gebet-
läuten" in der Presse als „Glockengeläute von allen Kirchen der
Stadt".
Der Gemeinderat Oberhaching ging sogar so weit, ein Glocken-
geläute von einer halben Stunde Dauer als feierlichen Auftakt zur Volks-
abstimmung für Samstag, 11. Oktober 1933 (8 bis 8.30 Uhr) zu verlangen.
3. Fesseln für die Seelsorge.
„Lehret alle Völker!" hatte Christus den Aposteln aufgetragen.
„Fesselt das WortGottes und seine Verkünder!"
war Parole der Nationalsozialisten.
„Taufet sie!" befahl Christus weiter. „Legt Fesseln
anderSakramentspendungunddemSakramenten-
empfang!" War wiederum die Antwort des Christus hassenden
Nationalsozialismus.
Schon das erste Sakrament,
die Tau f e,
wurde möglichst zu verhindern und durch Hohn und Spott zu ver-
leiden gesucht. Sie war ja nach nationalsozialistischer Auffassung
vollständig überflüssig und verstieß überhaupt gegen „germanische
Anschauungen'". Sie hing ja zusammen mit dem Glauben an die
E r b s ün d e, eine „Ausgeburt orientalischen Geistes und Aber-
glaubens".
„Das Schwarze Korps" vom 28. Januar 1937 brachte einen Artikel
über die Erbsünde: „Der erste Gang einer jungen Mutter nach dem
Wochenbett war zur Kirche. Aber wenn sie ankam, war es ihr nicht
gestattet, den geweihten Raum zu betreten, sondern sie mußte in dem
Kreuz und Hakenkresix i 73
nicht geweihten Vorhäuschen warten, bis sie .gereinigt* wurde. , So ver-
langt es katholischer Brauch ..."
Die Grundforderung des Katholizismus und der Kern seiner Lehre
über die Erbsünde mag in dem Worte zusammengefaßt sein: „Das Leben
selbst ist Sünde, der Tod aber bedeutet Erlösung." Daß diese Lehre die
ganze orientalische Mißachtung der Frau in sich begreift, wird freilich
von römischer Seite nicht zugegeben, am wenigsten in bezug auf
deutsche Frauen; denn deutsche Frauen betrachten die Stunde, in der
sie einem Kind das Leben geben dürfen, als die stolzeste Stunde ihres
Lebens. Sie wissen, daß der Sinn des weiblichen Daseins seine Erfüllung
gefunden hat und danken Gott mit freudigem Herzen für die Gnade,
die er ihnen erwiesen hat. (Bemerkung: Der Artikelschreiber hatte keine
Ahnung davon, daß im ganzen Ritus der sogenannten „Vorsegnung' oder
„Müttersegnung" tatsächlich alles von Freude und Dank klingt, kein
Wort von „Reinigung' vorkommt.)
In der Nummer vom 4. November 1937 leistete sich dann' „Das
Schwarze Korps" einen neuen Angriff auf die Taufe, besonders wegen
der „undeutschen und unhygienischen Zeremonien" der katholischen
Taufe. Dabei erniedrigte es sich zu folgender theologischer Unkenntnis
und banaler Redeweise: „Man sagt, die Taufe sei ein Sakrament, das
von Christus eingesetzt sei. Aber es war doch der hl. Johannes, der sie
zuerst übte, indem er Jesus am Jordan taufte. Weder er noch Christus
ließen die Finger abschlecken noch Salz schlucken. Erst die Priester
führten ,symbolische Handlungen' ein, die weder verordnet noch er-
wünscht waren."
Solch „ungermanische, unhygienische, überflüssige" Handlungen
durfte natürlich kein echter Nationalsozialist an seinen Kindern
vornehmen lassen, insbesonders nicht ein hoher Parteifunktionär
und SS-Mann. Und wenn einer schon gar nicht auf das a:lte Her-
kommen verzichten wollte, dann erwartete man wenigstens, daß er
seinem Kinde nicht einen ungermanischenNamen gab, son-
dern den eines der „Herren des Nationalsozialismus", beileibe nicht
einen christlichen Namen.
Der Reichsführer der SA, V. Lutze, ging da seinen Gefolgs-
mannen mit gutem Beispiel voran. Auf die schriftliche Einladung
des katholischen Pfarrers von St. Bernhard in Berlin, sein neu-
geborenes Kind taufen zu lassen, ließ er nachfolgende grobschläch-
tige Antwort geben und veröffentlichen:
Der Oberste SA-Führer, R/R
Adjutant des Stabschefs.
Briefb. Nr. 9370/36/1/1.
Betrifft: Kindstaufe.
Bezug: dort. v. 16. 9. 1936.
Berlin W, den 30. Sept. 1936.
Voßstraße 1.
Abschrift.
An das
katholische Pfarramt St. Bernhard
Berlin-Dahlem
Königin-Luise-Straße 33.
Sehr geehrter Herr Pfarrer!
Ihr Schreiben vom 16. ds. Mts. lag dem Stabschef vor, und der Stabs-
chef läßt dem katholischen Pfarramt St. Bernhard darauf folgendes er-
widern:
74
Es trifft zu, daß dem Stabschef ein Kind geboren ist, das die Namen
„Adolf Hermann" trägt. Das Kind ist nicht getauft und der Stabschef
beabsichtigt auch nicht, das Kind durch eine der beiden in Deutschland
vorherrschenden Religionseihrichtungen taufen zu lassen. Maßgebend
für den Stabschef sind folgende Erwägungen:
Mit großer innerer Besorgnis verfolgt der Stabschef seit langem die
Ijinie, auf der sich die beiden in Deutschland vorherrschenden Konfes-
sionen seit längerer Zeit bewegen. Die Wahrheit ist mit das höchste Gut
der Menschheit, wie dieses ja auch die christliche Religion in ihren
Schriftisn und in ihrer Lehre mehrfach zum Ausdruck bringt. Mit tiefer
Betrübnis hat der Stabschef als wahrhafter Mensch die vielen zusam-
mengelogenen und gehässigen Angriffe beider Konfessionen gegen den
heutigen Staat zur Kenntnis genommen. Es widerspricht sich doch,
wenn eine christliche Konfession von ihrer Anhängerschaft verlangt,
„sie solle nicht falsch reden wider den Nächsten", und wenn dann
andererseits die beamteten Sachwalter dieser Religion von der Kan-
zel herab „falsch Zeugnis reden wider den Staat". Dies muß jedem
wahrhaften und rechtlich denkenden Menschen unverständlich sein. Die
vom heutigen Staat bezahlten Warte der Religion haben es ja lediglich
dem heutigen Staat zu verdanken, daß ihre Versammlungsorte — in
denen' sie predigen — noch nicht als grausige Fackeln und lUuniination
des nächtlichen Deutschland in Flammen aufgegangen sind und daß sie
selbst von einem roten, Mob nicht in tierischer Weise hingeschlachtet
worden sind, wie dies ja in Spanien, wo der antichristliche Bolschewis-
mus herrscht, in Hunderten von Fällen vorgekommen ist und noch
heute vorkommt.
Wenn man lehrt: „Du sollst Deine Feinde lieben", dann ist es un-
logisch, daß die Religionsverkünder — selbst wenn man von ihnen an-
nehmen würde, daß sie Staatsfeinde Avären — den heutigen Staat be-
kämpfen. Denn selbst als „Feinde" des heutigen Staates müßten sie ihn
doch lieben und man kann nicht schmähen, was man liebt!
Man predigt: „Du sollst keusch und züchtig leben in Worten und
Werken" und von den berufenen Verkündern der christlichen Lehre
wandern Dutzende wegen tierischer Schweinereien auf längere Zeit hin-
ter Gitter: Verlangt man denn das „keusch und züchtig leben nur von
den Anhängern, und findet man die verbrecherischen Ausschweifun-
gen der Prediger für durchaus am Platze?" Man hat doch nachweislich
diese Schweinereien höheren Orts gewußt und geduldet, bis endlich der
Staat das schützende Tuch weggerissen und die übergroße perverse
Triebhaftigkeit der „Diener Jesu" brandmarkte. Es steht nirgendwo in
der Heiligen Schrift, daß die Diener der christlichen Weltanschauung
sexuelle Ausschweifungen begehen dürfen und nach der Heiligen
Schrift regelt siqh doch auch das Leben der Priester.
Die christliche Religion hat es in 2000 Jahren nicht nur nicht er-
reicht, die Menschheit so gut zu machen, wie sie eigentlich auf Grund
der Gebote und der Bibelsprüche sein soll, sondern es ist ihr darüber
hinaus in 2000 Jahren nicht einmal gelungen, die Verkünder zu
guten Menschen zu machen!
Dies wären von den Hunderten von Widersprüchen nur einige, die
hier angeführt worden sind. Man bringt aber junge Menschen, die man
all diesem Widerspruch aussetzt, in einen erheblichen seelischen Zwie«
spalt, der sich nachteilig auf das ganze Leben auswirken muß.
Der Stabschef kann in seiner Gottgläubigkeit diese Verantwor-
tung nicht auf sich nehmen und muß als treusorgender Familien-
vater alle Möglichkeiten ausschalten, die seine Kinder in Gefahr
bringen könnten, daß sie durch sexuelle Lüstlinge im Priester-
kleide unrein werden. Darüber hinaus muß er sie von jeder Be-
rührung mit unwahren Lehren bewahren! Sie werden zu
71
gottgläubigen, reinen Mensche.n ohne Bindung an eine Konfession
erzogen werden.
Daß das katholische Pfarramt St. Bernhard seinen Brief nicht mit
„Heil Hitler" geschlossen hat, wird diesseits lediglich als eine Vergeß-
lichlfeit angesehen.
Heil Hitler!
Der erste Adjutant des Stabschefs,
gez. Reimann, Brigadeführer.
Wo der Stabschef mit so derbem Stiefel voranschritt, da wollten
viele SA-Männer „im Geist mitmarschieren".
Und die SS, die ihre unehelichen Kinder in das Kinderheim
des vom „Winterhilfswerk", von „Mutter und Kind", von „Volks-
wohlfahrt" und ähnlichen nationalsozialistischen „Hilfswerken"
reichlieh unterstützten „Lebensborn" in Steinhöring
(Cberbayern) sandten, duldeten natürlich auch nicht, daß in dem
Hause auch nur eines der Kleinen getauft würde. Eine Mutter, die
dies doch wünschte, wußte sich nur dadurch zu helfen, daß sie mit
ihrem Kind nach ein paar Wochen angeblich zu Besuch bei einer
bekannten Familie ins Dorf ging und dort dann das Kind taufen
ließ. !
Ganz besonders verhaßt War den Nationalsozialisten die
Taufe von Juden. Des öfteren wurden von den bischöflichen
Ordinariaten Statistiken über Judentaufen, ja sogar Bekanntgabe
der Namen solcher Täuflinge verlangt, eine Forderung, die freilich
immer zurückgewiesen wurde.
Die Berliner Polizei stellte sogar dem „Stürmer" amtliches Mate-
rial zur Verfügung, um durch öffentliche Anprangerung und Drohung
von weiteren Judentaufen abzuschrecken. Der wackere Stadtpfar-
re rvon St. Matthias in Berlin protestierte daraufhin am
15. März 1936 in jeder hl. Messe dagegen, daß der „Stürmer" im vor-
ausgehenden Januar photographische Wiedergaben von zwei offiziellen
Schriftstücken dieser Pfarrei betreffs Aufnahme von zwei Juden in
die katholische Kirche veröffentlichte. Er teilte dabei mit, daß 'er auf
eine Anfrage bei der Polizei, wie diese Schriftstücke in den Besitz des
„Stürmers" gekommen seien, keine Antwort erhalten hätte, ebenso die
bischöfliche Behörde nicht. Im Gegenteil: des Pfarres Mitteilung an die-
Polizei, daß er in Zukunft der Polizei keine solchen Meldungen mehr
machen werde, sei amtlicherseits wiederum dem „Stürmer" zum Abdruck
zur Verfügung gestellt worden. Darum erklärte der Pfarrer feierlich
vor seiner Gemeinde: „Euer Pfarrer ist nicht willens, sich
seine tägliche Tätigkeit vom „Stürmer" diktieren zu
lassen, sondern von seinem eigenen Gewissen. Und
dem Gewissen folgend, wird er nicht zögern, Ungläu-
bige jeglicher Ras sein die Kirche aufzunehmen, die
Christus für alle Menschen gegründet hat, solange als er. auf der ande-
ren Seite nicht unehrliche Absichten befürchten muß."
Verdächtigung derBeicht.
Bei der feindseligen Einstellung des Nationalsozialismus gegen
Christentum und Priestertum, gegen Sünde und Sakramente ist es
nicht verwunderlich, daß auch die hl. Beicht, in gehässigster Weise
76
bekämpft wurde. Beispiele dafür sind mancherlei Spottbilder, wie
sie vom „Schwarzen Korps" am 1. 7. 37 und vom „Stürmer" in
Nr. 31/1936 gebracht wurden; ebenso die zahlreichen Verdächti-
gungen, wie sie in dem Buch von E. Thomassin: „Ich war ein
Katholik" ausgesprochen wurden. Die Überschrift, welche „Das
Schwarze Korps" Nr. 23/1937 einem Artikel gab: „Sie lügen! Sie
lügen!" hätte am besten auf all die Ausführungen dieses Blattes
über die Beicht gepaßt, wie sie auch voll zutraf für eine Behaup-
tung des betreffenden Artikels selbst, die da lautete:
„Im Beichtstuhl flüstere man den Frauen ins Ohr, die Nazis wollen
die Kirche abschaffen, sie sollen daher ihren Männern die ehelichen
Freuden versagen, wenn sie dem nationalsozialistischen Kirchenfeind
nicht abschwören."
Wie erlogen diese Anschuldigung war, zeigte sich daraus, daß
eine Aufforderung des Erzbischöflichen Ordinariates München vom
12. Juli 1937 um nähere Angaben unbeantwortet blieb.
BeschimpfungundBehinderung
der hl. Kommunion. .
Es erübrigen sich nähere Ausführungen über die niedrige Rede-
weise von Nationalsozialisten über die hl. Kommunion. In ganz
Bayern war es wohl bekannt, daß Gauleiter und Staatsminister
Adolf Wagner gern einfach von ,, Hostienfressern" sprach.
Überraschender ist wohl, daß nationalsozialistische Stellen auch
staatliche Machtmittel gegen dieses hl. Sakrament einsetzen wollten.
Bezeichnend ist hiefür nachfolgendes Schreiben:
Abdruck zu Nr. IV 33312
NSDAP Gau München -Oberbayern Freising, den 12. Juni 1935
Kreisleitung Freising. ,
Abteilung Kreisleitung. Diktat:- Le/LI.
Vertraulich !
An die Gauleitung Miinchen-Oberbayern, Kanzlei des stellv. Gauleiters
München.
1. Es ist eine allgemeine Erscheinung, daß die katholische Kirche eine
fieberhafte Tätigkeit entwickelt. In den Volksschulen war bisher üb-
lich, daß die Kinder alle 3 Monate beichteten. Nunmehr wurde
monatliche Beichte angeordnet, und zwar Samstag nachmittags, also
am Staatsjugendtag.
2. Ferner fällt auf, daß in diesem Jahr zweimal Kommunion für die
Erstkommunikanten stattfindet, d. h. nach den nunmehr 10jährigen
Kindern werden nun auch die 9jährigen Kinder in den nächsteh
Wochen die Kommunion empfangen. Abgesehen von den wirtschaft-
lichen Opfern, die die Eltern zu bringen haben, dünkt es sonderlich,
daß nunmehr der Zeitpunkt gegeben erscheint, daß Kinder bereits in
der 3. Klasse Volksschule das Sakrament der Kirche empfangen.
3. Es besteht immer noch die alte Schulordnung, wonach Lehrer ver-
pflichtet sind, an sogenannten Bittprozessionen geschlossen mit ihren
Kindern teilzunehmen. Eine Verfügung, die diesen Zwang entkräftet,
ist bisher noch nicht' erschienen.
,77
Alle diese Fragen lege ich der Gauleitung mit der Bitte vor, bei den
zuständigen Stellen Aufklärung zu fordern bzw. Mißstände zu beseitigen.
Heil Hitler!
gez. Lederer, Kreisleiter.
(Bemerkung: Wochenlang forschte ein Jahr später die Gestapo nach,
wie das Erzbischöfliche Ordinariat München Kenntnis von diesem
Schreiben erhalten hatte.)
Auch die hl. Firmung
paßte den lOOprozentigen Nationalsozialisten nicht. Kreisleiter
Endrös von Traunstein z. B. gab sich alle Mühe, die Kinder davon
abzuhalten und ihnen dafür eine andere „Freude und Ehre" zu
bereiten. Am 31. Mai 1939 schrieb er an alle Ortsgruppenleiter:
„Es stehen immer noch die Meldungen derjenigen Kinder durch die
Ortsgruppenleiter aus, die nicht gefirmt werden. Ich beziehe
mich, auf meine wiederholten Ausführungen und ersuche, bis spätestens
11. Juni 1939 diese Meldung namentlich vorzunehmen, da ich, wie be-
reits bekannt, für diese Kinder gemeinsam mit ihren Paten eine Feier-
stunde und einen größeren Ausflug plane. (Besuch der Burg Burg-
hausen und des Geburtshauses des Führers in Braunau)."
Das katholische Ehesakramentund Eherecht
wurden natürlich auch Gegenstand besonderen nationalsozialisti-
schen Hasses und Angriffes.
„Das Schwarze Korps" z. B. polemisierte am 11. Februar 1937
gegen die Päpstliche Ehe-Enzyklika. Am 1. April 1937
und. am 17. Februar 1938 wurde die katholische Lehre von der Ehe
und insbesonders das Dispenswesen angegriffen.. Am 23v März 1939
wandte sich das Blatt in schai-fen Worten gegen den starren Wider-
stand der Kirche gegen die „Mischehen", wie schon am 26. Aug. 1937.
Am 5. März 1936 faßte es die christlichen Grundsätze in bezug auf
das 6. Gebot als „überholte Moral" zusammen.
Dementsprechend wurden auch die unverheirateten
Frauenspersonen aufgefordert, Kinder zu gebären. So
schrieb „Das Schwarze Korps" am 30. Dez. 1937: „Wir können es
uns nicht leisten, die Kinder der Frauen zu verlieren, die, zum
Überschuß gehörig, Mütter \verden können, aber keine Gattinnen."
Der Bürgermeister von Wattenscheid in Westfalen zog daraus die
entsprechende Schlußfolgerung und wurde dafür im „Schwarzen Korps"
vom 6. April 1939 ausdrücklich gelobt, seine Maßnahmen als „nach-
ahmenswert" bezeichnet. Er versprach nicht bloß allen Ehepaaren für
ein gewolltes 4. oder 5. oder 6. Kind das nötige Kapital zum Erwerb eines
eigenen Hauses oder eine moderne, gesunde viei-zimmerige Mietwohnung
zu höchstens 34 Mark Monatsmiete; er versprach weiterhin nicht bloß
für jedes 3. oder 4. oder weitere Kind der Mutter eine Prämie von
100 Mark, sondern er sicherte solche Vergünstigungen auch allen
Frauenspersonen zu;, die vor 1910 geboren und nicht durch ihre eigene
Schuld unverheiratet geblieben seien. Wenn sie über diese herkömm-
lichen Vorurteile hinwegkommen und ihrem Volk Kinder schenken, so
übernehme die Stadt für jedes erste oder zweite Kind die Patenschaft,
78
sie gebe als Geburtstagsgeschenk eine Sparkassenbescheinigung von
500 Mark und werde diesem Kind bis zur Mündigkeit Fürsorge zu-
wenden.
So würden die 2 Millionen Frauenspersonen, deren künftige Män-
ner im Kriege gefallen seien, jetzt aufgerufen, „ihrer natürlichen Be-
stimmung als Frauen Folge zu leisten". Um aber in den Genuß dieser
Vergünstigungen zu kommen, müsse die Absicht, ein Kind zu erzeugen,
vorher den Behörden kundgetan werden', weil ein Kind, das nicht mit
ernster Absicht erzeugt wird, nicht als ein freiwilliger Beitrag für das
allgemeine Wohl betrachtet werden könnte.
DerneueKrieg ab 1. September 1939 gab den biologischen
Zielen der Partei gewaltigen Aufschwung und ließ sie erst recht
über die elementarsten Moralprinzipien hinweggehen. Seit Weih-
nachten 1939 begannen nationalsozialistische Partei und Staat mit
einer systematischen Propaganda:
„Mehr Kinder, um jeden Preis, wenn's nottut, auch ohne Ehe!"
Ausgerechnet in seiner Weihnachtsnummer 1939 veröffentlichte der
„Völkische Beoboachter" in großen, dicken Lettern zwei Briefe unter
dem Titel: , .Rudolf Heß und eine unverheiratete Mutte r".
Der erste Brief ist der eiiies Mädchens, das ein Kind erwartet von Ihrem
Verlobten, der in Polen gefallen ist, und in ihrer Not 'Hilfe beim Stell-
vertreter des Führers sucht. Der zweite Brief ist die Antwort des
Reichsministers Heß an diese Mutter. Er drückt seine Bereitwilligkeit
aus, als Pate für Mutter und Kind zu sorgen. Mutter und Kind würden
durch die Partei genau so behandelt, als wenn die Heirat schon vorher
geschlossen worden wäre. Eine ähnliche Vorsorge werde für alle jun-
gen Mütter gleicher Art. getroffen werden. Denn „jedes neue Leben sei
für die Nation yon größter Bedeutung, besonders in Kriegszeit, die man-
chen jungen Mann als Opfer fordere". Wenn darum junge Männer von
untadeligen rassischen und biologischen Qualitäten zu den Waffen ger
rufen würden und daheim zur Weiterleitung ihres Blutes auf kom-
mende Generationen Kinder ließen, geboren von Frauenspersonen ent-
sprechenden Alters und ähnlicher Eigenschaften, mit denen aber aus
diesem oder jenem Grunde nicht sofort eine Heirat möglich sei, so wür-
den Schritte unternommen, dieses wertvolle nationale Erbe zu bewahren.
Gegenteilige Erwägungen, die in normalen Zeiten ge-
rechtfertigt sein mögen, hätten hier zurückzutreten.
Das Gemeinwohl, das sei das Leben der Nation, habe hier den Vor-
rang vor allen Regeln, welche Menschen ersonnen hätten, vor allen
Gewohnheiten, die der Ausdruck eines anerkannten Brauches, aber
nicht der Moral selbst seien, erst recht vor allen vorgefaßten Ideen.
Der höchste Dienst, welchen eine Frau der Gemeinschaft leisten könne,
sei, beizutragen zur Erhaltung der Nation, indem sie Kindern von ras-
sisch gesundem Stamm aas Leben gebe.
Der Schriftleiter des „Völkischen Beobachters" bemerkt hiezu,
daß der Stellvertreter !des Führers der nationalsozialistischen An-
schauung würdigsten Ausdruck verliehen habe.
Ähnlich äußerte sij;h „Das Schwarze Korps" vom 1. Dezember
1939 und vom 4. und 5{ Januar 1940.
Inzwischen war aufh etwas in die Öffentlichkeit gedrungen von
einem Geheimerlaß dejs Reichsführers SS an die gesamte SS und
Polizei.
79
(Der Erlaß war so geheim gehalten, daß der Münchener Stadtpfarrer
Paul Meisel ins Gefängnis und Kz gesteckt wurde, weil er nicht preis-
geben wollte, woher er Kenntnis von dieser Verordnung erhalten hatte.)
Die Kundgebung lautete:
Der Reichsführer SS und Berlin, den 28. Oktober 1939.
Chef der Deutschen Polizei
im Reichsministerium des Innern,
SS-Befehl
für die gesamte SS und Polizei
Jeder Krieg ist ein Aderlaß besten Blutes. Mancher Sieg der Waffen
war für ein Volk zugleich eine vernichtende Niederlage seiner Lebens-
kraft und seines Blutes. Hierbei ist der leider notwendige Tod der
besten Männer, so bedauernswert er ist, noch nicht das Schlimmste. Viel
schlimmer ist das Fehlen der während des Krieges von den Lebenden
und der nach dem Krieg von den Toten nicht gezeugten Kinder.
Die alte Weisheit, daß nur der ruhig sterben kann, der Söhne und
Kinder hat, muß in diesem Kriege für die Schutzstaffel wieder zur
Wahrheit werden. Ruhig kann der sterben, der weiß, daß seine Sippe,
daß all das, was seine Ahnen und er selbst gewollt und erstrebt haben,
in den Kindern seine Fortsetzung findet. Das größte Geschenk für die
Witwe eines Gefallenen ist immer das Kind des Mannes, den sie ge-
liebt hat.
Über die Grenzen vielleicht sonst notwendiger
bürgerlicher Gesetze und Gewohnheiten hinaus wird
es auch außerhalb der Ehe für deutsche Frauen und Mädel
guten Blutes eine hohe Aufgabe sein können, nicht aus Leichtsinn,
sondern in tiefstem sittlichem Ernst Mütter der Kinder ins Feld ziehen-
der Soldaten zu werden, von denen das Schicksal allein das weiß, ob sie
heimkehren oder für Deutschland fallen.
Auch für die Männer und Frauen, deren Platz durch den Befehl des
Staates in der Heimat ist, gilt gerade in dieser Zeit die heilige Ver-
pflichtung, wiederum Väter und Mütter von Kindern zu werden.
Niemals wollen wir vergessen, daß der Sieg des Schwertes und das
vergossene Blut unserer Soldaten ohne Sinn wären, wenn nicht der Sieg
des Kindes und das Besiedeln des neuen Bodens folgen werden.
Im vergangenen Krieg hat mancher Soldat aus Verantwortungs-
bewußtsein um seine Frau, wenn sie wieder ein Kind mehr hatte, nicht
nach seinem Tod in Sorgen und Not zurücklassen zu müssen, sich ent-
schlossen, während des Krieges keine weiteren Kinder zu erzeugen.
Diese Bedenken und Besorgnisse braucht ihr SS-Männer nicht zu haben.
Sie sind durch folgende Regelung beseitigt:
1. Für alle ehelichen und unehelichen Kinder guten Blutes,
deren Väter im Kriege gefallen sind, übernehmen besondere, von mir
persönlich Beauftragte im Namen des Reichs^ihrers SS die Vormund-
schaft. Wir steilen uns zu diesen Müttern und werden menschlich die
Erziehung und materiell die Sorge für das droßwerden dieser Kinder
bis zu ihrer Volljährigkeit übernehmen, so daß keine Mutter und Witwe
aus Not Kümmernisse haben muß.
2. Für alle während des Krieges erzeugten Kinder ehelicher und
unehelicher Art wird die Schutzstaffel während des Krieges für
die werdenden Mütter und für die Kinder, vfenn Not und Bedrängnis
vorhanden ist, sorgen. Nach dem Kriege wird die Schutzstaffel, wenn
die Väter zurückkehren, auf begründeten Ar,trag des einzelnen wirt-
schaftlich zusätzliche Hilfe in großzügiger Foim gewähren.
SS-Männer und ihr Mütter dieser von Deutschland
erhofftenKinder, zeigt, daß ihr im Glauben an den Führer und
80
im Willen zum ewigen Leben unseres Blutes und Volkes
ebenso tapfer, wie ihr für Deutschland zu kämpfen und sterben versteht,
das Leben für Deutschland weiterzugeben willens seid.
Der Reichsführer SS
gez. H. Himmler.
Es ist klar, wo solche Moralbegriffe herrschten, war kein Platz
für katholische Eheauffassung und Ehepraxis. Da war die Ehe kein
Sakrament, sondern nur ein rein bürgerlich-rechtlicher Akt; da war
die kirchliche Trauung etwas Überflüssiges, etwas Uner-
wünschtes. Darum mußte auch jeder SS-Mann Farbe bekennen:
Bei dem Einholen der Eheerlaubnis auch ausdrücklich die Frage
beantworten, ob er sich kirchlich trauenlas.sen wolle.
Je höher der Rang eines SS-Mannes oder Parteiangehörigen, desto
mehr wurde ihm kirchliche Trauung verübelt.
Der Treuhänder der Arbeit in Bayern, Kurt Frey, wurde im
Jahre 1941 mehrere Wochen lang eingesperrt, weil er ohne ausdrückliche
Erlaubnis der Partei sich hatte kirchlich trauen lassen, ebenso Dom-
vikar Josef Thalhamer- München, weil er diese Trauung vor-
genommen hatte. Verfasser wurde von der Gestapo- Berlin lange mit der
Frage bedrängt, welche kirchliche Trauungen von „Parteibonzen" und
höheren SS-Leuten in der Erzdiözese München stattg(^funden hätten und
wer diese vollzogen hätte. Als er eine Aussage hierüber entschieden
verweigerte, wurde gedroht: „Wenn Sie das nicht sagen, kommen Sie
überhaupt nicht mehr aus dem Gefängnis heraus", worauf die Antwort
natürlich nur lauten konnte: „Gut, dann muß ich' eben herinnen bleiben."
Das „Amtsgeheimnis" wollte man ja kirchlichen Personen überhaupt
nicht mehr zugestehen, wie nachfolgende Presse- Veröffentlichung vom
14. Dezember 1938 zeigt:
Berlin, 14. Dezember 1938.
Kirchlichen Amtspersonen ist bisher von ihren Kirchenbehörden
ein Schweigeversprechen auch für den Fall einer Vernehmung vor welt-
lichen Gerichten abgenommen worden. Reichskirchenminister Kerrl hat
nun verfügt, daß gegen die Abnahme eines solchen Versprechens we-
gen Begünstigung vorgegangen werden soll. Es soll damit einer
Verschleierung der Wahrheit in Strafverfahren entgegengearbeitet
werden.
„Münchener Neueste Nachrichten" vom 15. Dezember 1938.
(Dabei bestand für Partei-Amtswalter ein gleiches „Amtsgeheimhis-
gebot", auch für gerichtliche Vernehmung.)
Schlimmer noch erging es einzelnen katholischen Geistlichen,
wenn sie pflichtgemäß und in rein seelsorglicher Absicht auf
kirchlicheEhebestimmungen aufmerksam machten, z. B.
vor Ehen mit Geschiedenen warnten oder bei Erteilung von Sterbe-
sakramenten forderten, daß vorher die ungültige Ehe getrennt
würde. Dagegen wetterte „Das Schwarze Korps" wiederholt in
schärfster Weise, z. B. am 30, Juni 1938, dann wieder am 2. Februar
1939, und 14 Tage später neuerdings unter Nennung eines Augs-
burger Pfarrers als eines „Beispiels solcher Seelenmasseure und
Engelfabrikanten" und mit der Forderung „strenger Bestrafung".
81
Tragisch, geradezu zu doppeltem Martyrium führend, war der
Fall des Pfarrers Neururer von Götzens (Tirol):
Pfarrer Neururer hatte einem Fräulein seiner Pfarrei, das einen
geschiedenen Mann heiraten wollte, als Seelsorger Aufklärung dar-,
über gegeben, daß eine solche Ehe nach katholischem Recht nicht.
möglich sei. Der geschiedene Mann war aber ein Freund von Gau-
leiter Hofer in Innsbruck und teilte diesem mit, daß ob dieser
Warnung des Pfarrers Neururer seine geplante Heirat nicht zu-
stande komme. Daraufhin wurde Pfarrer Neururer verhaftet, später
nach Dachau und zuletzt nach Buchenwald gebracht. Dort endete
sein Leben sehr rasch auf unerklärliche Weise; er wurde eben
„liquidiert". Seine Leiche wurde verbrannt und die Asche in seine
Heimat geschickt. Seitehs der kirchlichen Stellen wurde von der
Gestapo die Erlaubnis zur Beisetzung der Asche in der Kirche
erwirkt.
Die Todesanzeige wurde im Benehmen mit dem Generalvikar
und Provikar, Prälat Dr. Karl Lambert von Innsbruck (geb.
9. L 94 in Göfis, Vorarlberg), gefertigt und hatte folgenden Wortlaut:
Todesanzeige
Gott hat unsern innigstgeliebten Seelsorger
H.H. Pfarrer Otto Neururer
nach großem Leid heimgeholt in seine Liebe. Er starb am 30. Mai 1940,
fern seiner Seelsorgegemeinde, in Weimar-Buchenwalde. Wir kannten
Herrn Pfarrer Neururer als einen Mann vorbildlicher Pflichterfüllung
und ganzer Hingabe an seine Seelsorgeaufgabe. Sein Leben unter , uns
und sein Sterben werden, wir nie vergessen. Die Beisetzung des lieben
Toten wird später bekanntgegeben.
Hievon gibt in tiefer Trauer Kenntnis
Die Pfarrgemeinde.
Götzens am 3L Mai 1940
bei Innsbruck
Dieser Text wurde durch den Faktor der Buchdruckerei der
Gestapo vorgezeigt. Der Gestapobeamte äußerte: „Wir sind doch
kein Leichenbestattungsinstitut. Das geht uns nichts an." Er be-
haupete später, die Todesanzeige nicht gelesen zu haben. Nach Aus-
sage des Faktors hat er sie aber gelesen.
Bald nach der Beisetzung der Asche wurde Prälat Lambert im
Auftrag des Gauleiters verhaftet mit dem Bedeuten, daß er zu-
nächst auf sechs Wochen in der Haft behalten und dann dem Land-
gericht wegen „Aufwiegelung der Bevölkerung durch die Todes-
anzeige" übergeben würde. Beanstandet wurde dem Vernehmen
nach vor allem die Stelle: „Nach großem Leide", sodann die Angabe
„Buchenwalde", endlich die Bemerkung: „Sein Sterben werden wir
nie vergessen".
In Wirklichkeit wollte man, wie der stellvertretende Gauleiter
von Tirol einmal offen bekannte, in ihm den anderen (den H. Bischof)
treffen, an den selbst man nicht herankönne, solange noch der
82
Befehl des Führers in Kraft sei, daß Bischöfe nur auf seine be-
sondere Anordnung „gepackt" werden dürften.
Am 20. August teilte Gauleiter Hofer dem Propst Wein-
g artner von Innsbruck mit, daß Prälat Lambert auf Anordnung
des Reichsführers SS in den nächsten Tagen in ein Konzentrations-
lager kommen werde. Er wurde dann zunächst ins Kz. Sachsen-
hausen-Oranienburg gebracht, und zwar in die Strafkom-
panie, später ins Kz. Dachau. Am 1. August 1941 freigelassen,
wurde er nach Mecklenburg verbannt, am 4. Februar 1943 neuer-
dings verhaftet, weil er sich von einem Lockspitzel, Ingenieur
Hagen, von deutschen , Geheimwaffen hätte erzählen lassen zu
dem Zwecke, davon den Feind zu verständigen. Am 20. Dezember
1943 wurde Lambert vom Reichskriegsg?richt wegen „Wehrmachts-
zersetzung, Feindbegünstigung, Abhören von Feindsendern" zum
Tod verurteilt, am 8. September 1944 neuerdings in ganz geheimer
Verhandlung wegen „versuchten Landesverrats durch Spionage".
Am 13. November 1944 wurde er dann in Halle hingerichtet.
Welche Scheingründe für diesen Justizmord auch vorgetäuscht
wurden (der Vorsitzende des 1. Gerichtes zog es darum vor, am Tag
vor der Verhandlung Selbstmord zu begehen), derwahreGrund
warLamberts aufrechte Haltung gegen den Natio-
nalsozialismus und seine Treue zum Bischof, ge-
nau so wieNeürurers Tod ein Opfer der Berufs-
treue und der Seielsorgepflicht war.
Ähnlich erging es Pfarrer GeorgHäfner, Pfarrer von Ober-
schwarzach, Diözese Würzburg. Als der Förster von Oberschwarzach,
der in kirchlich ungültiger Ehe lebte, versehen wurde, verlangte
der Pfarrer die vorgeschriebene Erklärung. — Bei der Beerdigung,
an der auch viele Parteiinstanzen teilnahmen, wurde diese Er-
klärung vorgelesen. Seitdem wurde der Pfarrer verfolgt. Er war
zuerst vier Monate im Gefängnis, dann 13 Monate in Dachau. Er
wurde dort mehrmals blutig geschlagen. Am 20. August 1942 starb
er aus Hunger und Herzeleid. Sein Vater und ein Domkapitular
durften nach langen Bemühungen den Leichnam sehen. Ihr Antrag,
den Leichnam zur Beerdigung mit nach Würzburg zu nehmen,
wurde abgelehnt mit der Begründung, daß er verbrannt werden
müsse,- Die Aschenüberreste wurden fünf Wochen später in Würz-
burg feierlich beigesetzt. Der Bischof von Würzburg mit dem Dom-
kapitel und 140 Priestern sowie viele Angehörige der Pfarrei
Oberschwarzach nahmen an der Beerdigung teil.
Behinderung der Seelsorge in Gefängnissen, an
Kriegsgefangenen und ausländischen Arbeitern.
Außer Fesseln bei der Sakramentenspendung wurde von selten
der Nationalsozialisten auch die Seelsorge überhaupt durch
mancherlei Beschränkungen und Behinderungen eingeengt.
83
In den Gefängnissen der Gestapo, in den Polizeigefäng-
nissen und Konzentrationslagern wurde trotz aller mög-
lichen oberhirtlichen Eingaben und Vorschläge keine Seelsorge zu-
gelassen, nicht einmal für Sterbefälle.
Die Seelsorge an den Kriegsgefangenen wurde
sehr erschwert; z. B. durften nur Militärgeistliche ihre Beicht ab-
nehmen.
Erst recht wurde die Seelsorge an den Millionen von
ausländischen Arbeitern mit Verboten und Einschrän-
kungen belegt. Die Polen z. B. durften nicht dem allgemeinen
Gottesdienst beiwohnen; auf jeden Fall mußten sie einen geson-
derten Platz, getrennt von den Deutschen, haben. Ein Sondergottes-
dienst durfte ihnen bloß einmal im Monat gehalten werden. Die
Abnahme der Beicht durfte nicht in polnischer Sprache geschehen,
mußte entweder mit Hilfe des kirchlicherseits herausgegebenen
viersprachigen Beichtspiegels gemacht oder durch die General-
absolution ersetzt werden. Ausgenommen war von diesem Verbot
nur der Sterbefall.
Unbarmherzig auch gegen Fel.dzugsoldaten und
Flüchtlinge!
Ganz unbegreiflich und ungerecht war die behördliche Unter-
bindung der Seelsorge d'es Pfarrklerus an den im Felde
befindlichenPfarrkindern, ebenso an den Flücht-
lingen der eigenen Pfarreien — ein trauriges Zeugnis der geist-
lichen Knechtung, die nicht einmal Rücksicht auf kämpfende und
notleidende Volksgenossen nahm, ihnen herzlos den ersehnten Trost
der Heimat versagte. Der Reichsminister für die kirchlichen An-
gelegenheiten und das Oberkommando der Wehrmacht reichten sich
die Hand zu solcher ,, Heldentat". Ihre erste diesbezügliche Verlaut-
barung war:
Der Reichsminister für die Berlin, 27. Oktober 1939
kirchlichen Angelegenheiten I 24190/39 II
1. An die Evangelischen Landeskirchen
2. An die Herren Erzbischöfe und Bischöfe
Betrifft: Sammlung von Feldpostanschriften und Versendung religiösen
Schrifttums dch. Pfarrämter u. andere kirchliche Stellen
1. '
Im Einvernehmen mit dem Oberkommando der Wehrmacht weise
ich darauf hin, daß die Sammlung von Feldpostanschriften
zum Zwecke der Versendung religiöse^ Schrifttums aus A b -
wehrgründen unter allen Umständen unterbleiben
muß.
2.
Im übrigen muß ich von allen Kirchenbehörden und sonstigen kirch-
lichen Stellen erwarten, daß sie nur solches religiöse Schrifttum ver-
senden oder durch ihre örtlichen kirchlichen Stellen versenden lassen,
84
das gemäß der zwischen dem Oberkommando der Wehrmacht einerseits
und dem Evangelischen Preßverband Berlin-Steglitz, Beymestr. 8 bzw.
der katholischen Kriegshilfssteile, Abteilung, Schrifttum, Berlin C 2,
Oranienbui'gerstraße 12, andererseits getroffenen Regelung geprüft
undfür geeignet befunden ist. Es genügt nicht, daß die Listen
des so geprüften Schrifttums den Pfarrämtern nur als „Anregung"
übersandt werden (vgl. Ges.Bl.d.Dt.Ev.Kirche 1939 S. 114). Die Geistlichen
und anderen nachgeordneten kirchlichen Stellen müssen verpflich-
tet werden, nur dieses vorgeprüfte Schrifttum an die Soldaten zu ver-
senden. Religiöse Schriften, die von den Pfarrämtern oder anderen
kirchlichen Stellen für geeignet zur Versendung an Soldaten gehalten
werden, aber noch nicht auf der Liste stehen, sind baldmöglichst zur
Veranlassung des Prüfungsverfahrens und nachfolgender Aufnahme in
die Liste den obengenannten Stellen (Evangelischer Preßverband bzw.
Katholische Kriegshilfsstelle) einzureichen.
gez. Kerrl.
Einige Tage vorher hatte der Reichsverteidigungskommissar
für Wehrbezirk VII, Staatsminister Wagner in Bayern, im gleichen
Betreff einen erweiterten Erlaß hinausgegeben, der in noch schär-
feren Worten die kartei- und listenmäßige Erfassung von
Feldpostanschriften, die Anschriften von Flücht-
lingen durch Geistliche und die organisierte Versorgung
mit Druckschriften aller Art durch Geistliche beider Kon-
fessionen und andere Personen verbot und, falls Ver-
anlassung bestehe, „strenge Kontrolle bei den in Frage stehenden
Geistlichen und Beschlagnahme sämtlicher bisher angefallener
Unterlagen vorbezeichneter Art" anordnete.
Dementsprechend waren dieserhalb schon Haussuchungen und Be-
schlagnahmen von Adressen, Feldpostschreiben und Schreibmaschine (!)
bei Kooperator Daurer von St. Rupert-München (28. 10. 39), im Jugend-
seelsorgeamt der Erzdiözese München, also im Ordinariat selbst,
noch ehe das Ordinariat Kenntnis von obigem Erlaß erhalten und dem
Klerus davon Mitteilung hatte machen können.
Nochmals verstärkte und erweiterte sich diese Schikane gegen
die Seelsorge an unteren Amtsstellen; zum Beispiel verfügte der
Landrat Landshut in Niederbayern:
Nr. 1963 Landrat Landshut Landshut, den 10. April 1940
An die Pfarrämter!
Betreff: Sammlung von Feldpostanschriften und Versendung religiösen
Schrifttums an Wehrmachtsangehörige.
Der Reichsverteidigungskommissär hat aus Gründen- der Reichs-
verteidigung, Spionageabwehr, Überbeanspruchung der Feldpost, Ver-
hütung von Mißbrauch die kartei- und listenmäßige Erfas-
sung von Feldpostanschriften sowie Anschriften von
Flüchtlingen durch Geistliche die organisierte Versorgung
mit Druckschriften aller Art durch Geistliche, konfessionelle Organisa-
tionen und andere Personen verboten. Unter dieses Verbot fällt also
auch die Herstellung und Versendung von hand- und
maschinengeschriebenen Briefen durch Geistliche an Wehr-
machtsangehörige und die Versendung der von den Feldbischöfen frei-
gegebenen Druckschriften durch Geistliche.
85
Die Verteilung religiöser Schriften an Wehrmachtsangehörige darf
nur durch Wehrmachtsgeistliche erfolgen.
Ich ersuche diese Anordnungen zur Vermeidung von Weiterungen
genau zu beachten.
gez.: Unterschrift.
Der Herr Landrat verbot also nicht mehr bloß die Versendung
von Drucksachen, sondern auch von Briefen, mochten sie
hand- oder maschinengeschrieben sein. Man wollte um jeden Preis
verhindern, daß der Pfarrer noch irgendwelchen seelsorglichen Ein-
fluß auf seine Pfarrkinder in der Ferne habe, auch nicht durch
Mittelspersonen oder Vereine.
So kriegswichtig erschien die Sache, daß der Chef des
Oberkomma ndosderWehrmacht und der Reichsminister
für die kirchlichen Angelegenheiten ein halbes Jahr später noch
einmal gemeinsam das Schwert gegen diesen „Feind" zückten und
verfügten:
Der Reichsminister für die Berlin, den 12, April 1940
kirchlichen Angelegenheiten
I 20859/40, II
An die obersten Kirchenbehörden.
Erlaß betreffend Sammlung von Feldpostanschriften.
Es besteht Veranlassung, auf den Erlaß des Reichsministers für die
kirchlichen Angelegenheiten vom 27. Oktober 1939 — I 24190/39, II --
hinzuweisen, wonach die Sammlung von Feldpostanschriften durch
Geistliche oder andere kirchliche Stellen oder konfessionelle Orga-
nisationen aus allgemeinen militärischen Gründen untersagt ist.
Die anderweitige Äußerung des Oberkommandos der Wehrmacht in
einem Einzelfall gegenüber dem Ländeskirch!enrat in München vom
18. Dezember 1939 findet damit ihre Erledigung.
Berlin, den 30. März 1940
Der Chef
des Oberkommandos der Wehrmacht
gez. Keitel.
Der Reichsminister für die
kirchlichen Angelegenheiten
gez. Kerrl.
Z 20623/40 Abschrift des vorstehenden Erlasses übersende ich zur Kennt-
nisnahme und Beachtung. Im Auftrag:
gez. Roth.
Die im Landshuter Erlaß so kräftig betonten Gründe der
„Reichsvertieidigung, Spionageabwehr, Überbeanspruchung der Feld-
post, Verhütung von Mißbrauch," ebenso die im letztgenannten
Gemeinschaftsschreiben von Keitel und Kerrl erwähnten „mili-
tärischen Gründe" waren aber kein Hindernis, daß nationalsozia-
listische Ortsgruppen und Vereinigungen unbehelligt Zehntausende
Kriegsteilnehmer „kartei- und listenmäßig erfassen," ja sogar ihre
Adressen in Vereinszeitschriften veröffentlichen konnten.
Einige Beispiele:
1. „Das Schwarze Korps" vom 21. Dezember 1939, Folge 51, Seite 11,
bringt unter dem Titel „Das feste Band" die tägliche Betreuung der
86
feldgrauen Betriebsangehörigen in Wort und Bild (ein Bild mit der
. großen Kartei der Feldpostadressen der Firma Bewag).
2. ,,Das Schwarze Korps" vom 28. Dezember 1939, Folge 52, berichtet
von 8000 Paketen an die Angehörigen der Wehrmacht aus dem SS-
Abschnitt Main.
3. Der „Völkische Beobachter", Münchener Ausgabe vom 22. Dezember
1939 bringt unter dem Titel „Musterbetrieb — auch im Kriege bei-
spielhaft" „Briefe zvvischen Front und Heimat" eine öfEentli(?he An-
erkennung für eine Münchener Fabrik, deren Betriebsobmann „Kund-
schreiben ins Feld schickt", so daß alle eingezogenen Betriebsmit-
glieder über Leben und Treiben im Betrieb regelmäßig unterrichtet
werden. „Dazu wurde eine Feldpoststelle eingerichtet, ihre Aufgabe
ist es, regelmäßig Liebesgaben an die Gefolgschaftsmitglieder zu
leisten".
4. Die Münchener Turn- und Sportvereine fordern in ihren
Organen zur Einsendung von Feldpostadressen ihrer Mitglieder auf
und bringen zum Teil in ihren Mitteilungsblättern lange Spalten der
eingesandten Feldpostadressen, z. B. „Postsportblatt, Postsportverein
München e.V." Heft 11 vom November 1939 Seite 7 veröffentlicht
gegen 50 eingesandte Adressen von Vereinsmitgliedern.
5. Im 2. Sonderdruck zur Hauptversammlung des D.A.V. in Graz aus
den Mitteilungen des Deutschen Alpen Vereins wird ver-
öffentlicht: „Die Verbindung mit den abwesenden oder im Felde
stehenden Mitgliedern ist ungemein wertvoll und wichtig und soll
mit allen Mitteln gepflegt werden (Nachsendungen der
Zweigvereinsnachrichten, Veröffentlichung von Feldpostanschriften,
Frontberichten, Auszeichnungen). Der Reichssportführer sagt: „Die
Fäden dürfen nicht abreißen".
6. Der Zentralverlag der NSDAP Franz Eher Nachf. G.m.b.H. Berlin
SW 68, versendet einen Aufruf (25. 11. 1939) des Reichsführers der
SS und Chefs der Deutschen Polizei H. Himmler zur „Patenschafts-
Bestellung" « des „Schwarzen Korps" für die Kameraden der
Front, wozu die Feldpostadressen der Kameraden eingeschickt wer-
den sollen."
7. „Nordland", das „Kampfblatt für gottgläubiges
Deutschtum" bringt seit einer Reihe von Nummern im April/Mai
1940 eine inseratmäßig aufgemachte Aufforderung von Paten-
schaften „für das Nordland" und bittet das entsprechende
Formular für die Feldpostadresse des Soldaten auszufüllen und ein-
zusenden.
8. Die H J hat einen eigenen Betreuungsdienst für die H J-Führer orga-
nisiert, indem die BDM-Mitglieder die regelmäßige Betreuung der im
Felde stehenden Kameraden freiwillig und ehrenamtlich übernahmen.
Zeigt dies zweierlei „Recht nicht das rohe Unrecht, das man
den Soldaten und Flüchtlingen tat, indem man ihnen die Ver-
bindung mit den Seelsorgern und ihren katholischen Vereinen ab-
schnitt? Lag in den berührten Erlassen höchster Stellen nicht eine
ungeheure Heuchelei und Verlogenheit und Gehässigkeit? Galten
„militärische Gründe" wirklich nur für die Geistlichen?
4. Fesseln für Jkatholische Schule und Schultätigkeit.
„Die Beibehaltung und Neueinrichtung katho«
lischerBekenntnisschulenbleibtgewährleistet,*
87
lautete Artikel 23 des am 20. Juli 1933 abgeschlossenen und am
10. September 1933 ratifizierten Reichskonkordates. Diese Garantie
entsprach einer Erklärung, welche Hitler schon zur Abstimmung
über das sogenannte Ermächtigungsgesetz gegeben hatte.
Der Kampf gegen die Bekenntnisschule.
Eineinhalb Jahre später begann aber schon der national-
sozialistische Kampf gegen die Bekenntnisschule und die Propa-
ganda für die „Gemeinschaftsschule", ein Deckmantel für die
„nationalsozialistische Zwangsschul e". Immer lau-
ter und allgemeiner wurde die Parole wiederholt, welche der Mün-
chener Stadtschulrat Bauer gegeben hatte mit den Worten: „E i n
Volk, ein Reich, ein Recht, eine Schule!" Was „Wille
und Macht", das Führerorgan der Hitlerjugend, um die Jahres-
wende 1936/37 schrieb, das war von Anfang an Richtung und Ziel
des Nationalsozialismus:
Der Kampf ist allerdings vereinfacht: nur zwei Fronten — aber
beide mit sehr klaren Erziehungszielen — stehen sich gegenüber; die
eine entschlossen, den Streit im Angriff — entsprechend ihren Grund-
sätzen -r zu entscheiden, die andere überzeugt, daß sie sich nur noch
auf die zähe Verteidigung ihrer Positionen im Rückzuggefecht einrichten
könne.
Der Nationalsozialismus sieht im Leben des einzelnen eine Ver-
pflichtung an das Gesamtvolk. Um diese jedem Glied eines Volkes auf-
erlegten Pflichten erfüllen zu können, muß der einzelne zur Erkenntnis
dieser Verpflichtung geführt werden, daß er die ihm gestellten Auf-
gaben zum Besten der Volksgemeinschaft lösen kann. Das ist Sache der
Schulerziehung.
Die Kirche sieht das irdische Leben als Vorbereiturigszeit für das
Jenseits an. Das Erziehungsziel gilt einer anderen Welt. Der primäre
Zweck der Erziehung ist also nach katholischer Auffassung die Aus-
richtung der seelischen Kräfte auf das Jenseits; dieser Vorbereitung
hat auch die Ausbildung in allen weltlichen Aufgaben z.u dienen. Auch
der Unterricht, dem die Entwicklung der intellektuellen Kräfte über-
tragen ist, hat die Voraussetzungen für das ewige Leben zu schaffen.
Durch den religiösen Erziehungszweck gerät er aber von selbst in das
Gebiet der Religion und — wie die Verhältnisse bei uns liegen — der
Konfessionen. So ergibt sich der Anspruch der Kirche, den die bayeri-
schen Bischöfe in einer Denkschrift vom Juni 1919 niedergelegt haben
(„Münchener Tagblatt" 8. Januar 1937).
Zu Beginn des Jahres 1935 trat der Nationalsozialismus zum
offenen Kampf an.
Durch ungeheure Propaganda, Verbot des katholischen Eltem-
vereinskalenders, Einschränkung der katholischen Elternvereins-
versammlung, Einschüchterung und Terrorisierung der Eltern
wurde bei der Schuleinschreibung am 13. Februar 1935 in München
erreicht, daß statt der bisherigen 84 Prozent nur 65 Prozent der
neu eintretenden Kinder für die Bekenntnisschule gemeldet und
25 Bekenntnisschulen in Gemeinschaftsschulen verwandelt wurden.
Selbst die von katholischen Ordensfrauen geleitete Schule des
Städtischen Waisenhauses wurde in eine Simultanschule verwandelt.
Soviel Gewalt und Ungerechtigkeit, soviel Beeinflussung durch
88
städtische Schulbehörden geschah, daß Kardinal Faulhaber in seiner
Papstpredigt 1935 feierlichst dagegen protestieren mußte.
Juni 1935 wurde die bisher allgemein übliche Mitwirkung und
Vertretung katholischer Geistlicher in den Schulkommissionen von
einer besonderen staatlichen Genehmigung abhängig gemacht.
Dann wurde eine eigene Kampf Organisation für die staatliche
Einheitszwangsschule gegründet, die „Deutsche Schul-
gemein d e", die sich einerseits durch keinerlei Konkordats-
verpflichtungen gebunden zu fühlen brauchte, anderseits durch Per-
sonalunion ihrer Vorstandschaft mit staatlichen oder städtischen
Schulleitern über großen Einfluß und starke Druckmittel verfügte,
so besonders ihr Leiter in München, der schon genannte Stadtschul-
rat Bauer.
Zur Schuleinschreibung 1936 trat die Deutsche Schulgemeinde
mit nachfolgendem Plakat an die Öffentlichkeit (während natürlich
den Freunden der Bekenntnisschule jede öffentliche Bekannt-
machung oder Aufklärung verboten war!).
„W arum Deutsche Gemeinschaftsschule?
weil der Zweck unseres völkischen Lebens, die Erhaltung der Nation
in ihrer Erziehung zur Gemeinschaft und zu einheitlichem Wil-
len erreicht werden kann,
weil sie die Volksgemeinschaft auch auf dem Gebiete der Erziehung
verwirklicht,
weil sie als christliche Schule den Keligionsunterricht für beide Kon-
fessionen getrennt in vollem Umfange durchführt, aber in ande-
ren Unterrichtsfächern keine Trennung nach konfessionellen
Gesichtspunkten duldet,
weil sie ein wohlgegliedertes Schulwesen ermöglicht und dadurch den
besten Erziehungs- und Unterrichtserfolg verbürgt,
weil die hohe Schülerzahl in vielen Klassen vermieden wird,
weil sie jedem Kinde den Besuch der nächstgelegenen Schule ermög-
licht,
weil der Bau neuer Schulhäuser nur für Gemeinschaftsschulen er-
folgen kann.
Darum, Deutsche Eltern,
heißt am 2. Februar 1936
das Kennwort:
,Deutsche Gemeinschaftsschule!'
Herausgeber:
Deutsche Schulgemeinde."
Hand in Hand mit dieser halbamtlichen Werbung für die
staatliche Zwangsschule ging jene durch die
Partei und ihre Gliederungen,
wie nachfolgende Dokumente zeigen:
Ortsgruppe Siegestor der NSDAP — Giselastraße 29/2
An den Hauswart Herrn
des Hauses Straße Nr
Die Ortsgruppe Siegestor der NSDAP bestätigt Sie vorerst zum
Hauswart obengenannten Hauses, Sie werden demnächst zu einer be-
89
sonderen Besprechung vom Ortsgruppenleiter aufgerufen. Was das Amt
eines Hauswartes bedeutet, wird Ihnen sicher bewußt sein. Sie arbeiten
damit für unseren Führer^ für unser Volle und für unser Vaterland.
Jeder, der in unserer herrlichen Bewegung mitarbeiten darf, hat erhöhte
Pflichten den anderen gegenüber. Sie wollen uns daher treu zur Seite
stehen.
Das beiliegende Rundschreiben wollen Sie sofort lückenlos
ausgefüllt mit der Ein topfliste zurückgeben. In dieseln Falle haben
Sie folgende Punkte genau zu beantworten:
Sie wollen bitte im ganzen Hause sämtliche Eltern erfassen,
die schulpflichtige Kinder besitzen, also solche Eltern, die Kinder bereits
in der Volksschule haben, welche im ersten bis zum letzten Schuljahr
stehen; weiter auch die Eltern, die erst im Frühjahr ein Kind in die
Schule schicken.
Heil Hitler!
gez. Mayer
Ortsgruppenleiter.
Noch deutlicher ist nachfolgendes parteiamtliche Rundschreiben:
München, Februar 1936.
National Sozialisten , und Nationalsozialistinnen !
Sie haben, ganz gleich ob Pg. oder nicht, bei dem Kampf um die
Gemeinschaftsschule durch tatkräftigen Einsatz Ihrer eigenen Person
mit zu dem schönen Erfolg beigetragen, der der Partei in dieser wich-
tigen Angelegenheit zuteil geworden, ist. Seien Sie versichert, daß die
Ortsgruppe Au-Nord auch Ihre Arbeit als die eines unbekannten Sol-
daten Adolf Hitlers dankbar anerkennt und daß wir auch fernerhin auf
Ihre Mitarbeit nicht verzichten wollen. Mit unserem Führer freudig und
opferbereit in das 4. Jahr.
Propagandaleiter: Ortsgruppenleiter:
gez. Dr. Ottmann gez. i. V, Tott
NB. Übergeben an die Blockwartinnen Anfang März.
Die Methode, nach welcher die bekannten und unbekannten
Soldaten Adolf Hitlers den gefahrlosen Kampf für die Gemein-
schaftsschule führen sollten, zeigt nachfolgende
Anvi^eisung für Blockwärterinnen:
„München, 2. Februar 1936
E = Einwände gegen die Gemeinschaftsschule. W = Widerlegung.
E. Die religiöse Erziehung ist in der Gemeinschaftsschule (G.Sch.) nicht
so gesichert, wie in der Bekenntnisschule (B.Sch.).
W. 1.) Die Zahl der Religionsstunden ist die gleiche, auch die Religions-
. lehrer sind häufig die gleichen.
2.) Es wird den katholischen Schülern in der G.Sch. genau die
gleiche Gelegenheit gegeben, an Beichte, Kommunion, Fronleich-
namsprozession, Schulgottesdienst, Abendandachten usw. teilzu-
nehmen, wie den Schülern der B.Schule.
E, Aber wir verlangen eben, daß das • ganze Leben, der ganze Unter-
richt von dem religiösen Bekenntnisgeist durchdrungen ist.
W. Das ist eine übertriebene Forderung, die die Natur des Kindes im
Volksschulalter geradezu vergewaltigt. Denn wenn man das ganze
Leben des Kindes, sein Spiel, seinen Sport, seine Kameradschaft, sein
Lernen, immer wieder mit Gott und den Heiligen, mit Himmel und
90
Hölle ausfüllen wollte, dann wächst ihnen schließlich die Religion
zum Halse hinaus oder wir beicommen scheinheilige Frömmler.
E. Aber im Geschichtsunterricht z. B. wenn die Reformationszeit durch-
genommen wird, muß der Lehrer doch zeigen, ob er mehr katholisch
denkt oder protestantisch, er muß Luther anklagen oder verteidigen.
W. Das muß er eben nicht; er kann das Leben und die Absichten
Luthers schildern, ohne ihn zu beschimpfen und er kann ebenso
seinen Gegnern gerecht werden. Aber jeder deutsche Lehrer muß
deutsche Geschichte geben, auch wenn er in einer B.Schule unter-
richtet; der nationalsozialistische Staat wird auch einem Lehrer der
B.Schule niemals gestatten, das Glaubensbekenntnis des anderen
Volksteils verächtlich zu machen.
E. Die Simultanschule ist aber doch eine Marxistenscliule?
W. Die deutsche Gemeinschaftsschule ist etwas ganz anderes als die
frühere Simultanschule.. Denn:
1.) Haben in ihr die Juden und die Anhänger der Gottlosenbewegung
keinen Platz mehr.
2.) Hat sich die Simultanschule nur deswegen manchmal zur Pro-
letarierschule heruntersetzen lassen müssen, weil im Jahre 1919
Kommunisten und Sozialdemokraten sie für sich in Anspruch ge-
nommen haben.
Deshalb haben viele Eltern, die den roten Terror satt hatten, ihre
Kinder in die B.Schule getan, um sie nicht mit der Göttlosen-
bewegung der Kommunisten in Berührung zu bringen. Diese Angst
ist aber doch heute hinfällig, nachdel-n der Punkt 24 des Partei-
programms heißt: ,Die Partei als solche vertritt den Standpunkt
eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell , an ein be-
stimmtes Bekenntnis zu binden.'
E< Durch das Konkordat ist aber doch den Katholiken das Recht zu-
gestanden worden, die Errichtung von B.Schulen zu beantragen.-
W. Das Recht schon, aber eine Verpflichtung dazu kann weder aus den
10 Geboten Gottes noch aus den 5 Geboten der Kirche hergeleitet
wcj den. Es gibt doch auch sonst Rechte, auf die man gern verzichtet,
weil sie ja gar keinen Vorteil bringen.
E. Die B.Schule bringt aber doch auch keine Nachteile mit sich!
W. Doch manche!
1.) Ist die gl^chmäßige Verteilung der Schüler auf die Schulen der
einzelnen Bezirke sehr erschwert. Wir haben z. B. Fälle erlebt, daß
in einer protestantischen B.Schule in einer Klasse nur 25 Schüler
saßen, in der benachbarten katholischen Bekenntnisschule aber
50.- Daß in einer so großen Klasse die Schüler nicht so gefördert
.werden können; wie in einer kleinen, ist doch klar. Und manches
Kind hat nur deswegen einen so weiten Schulweg, weil in seinem
Wohnviertel eben keine solche Schule ist, die die Eltern wollen.
Haben wir aber einmal eine einzige Schulart, dann kann eine voll-
kommen gleichmäßige VeVteilung erfolgen.
2.) Kann die Stadt doch auch leichter in neuen Wohnvierteln Schul-
häuser bauen, wenn sie nur eine Art zu bauen hat, nicht eine
eigene katholische und daneben eine protestantische.
3.) Eine Trennung nach Konfessionen in den Schulen hält im Volk
doch immer das Bewußtsein wach, daß es zweierlei Deutsche gibt,
und gerade am Einschreibetag wird der Gegensatz besonders le-
bendig, wenn die protestantischen Eltern eines Hauses in diese
Schule, die katholischen aber in eine andere gehen müssen, wäh-
rend sie sonst vielleicht freundschaftlich miteinander verkehren.
91
Für die Einigkeit der Volksgemeinschaft ist eine solche Betonung
der Bekenntnisverschiedenheit unbedingt ein Nachteil.
E. Aber in anderen Ländern kämpft man doch auch nicht so gegen die
B.Schulen, nur in Deutschland.
W. In anderen Ländern z. B. in Frankreich, in der Tschechoslowakei,
, sogar in Österreich kennt man B.Schulen in unserem Sinne über-
haupt nicht; dort ist die G.Sch. die {Regel. Aber auch in den aller-
meisten Ländern Deutschlands, in Baden z. B., hat man seit 50 Jahren
die G.Sch., obwohl dort das Zentrum doch lange Zeit die Herrschaft
hatte. Die geistliche Obrigkeit legt dort den Katholiken nicht die
geringsten Schwierigkeiten in den Weg, wenn sie ihre Kinder in
diese G.Schule schicken. Der Kampf bei der Einschreibung jedes
Jahr ist eigentlich nur mehr in München und Nürnberg. Und wenn
in allen höheren Schulen und in allen Fortbildungsschulen auch hier
in München Katholiken und Protestanten nebeneinandersitzen kön-
nen, ohne daß ihre Religion Schaden leidet, dann besteht diese Ge-
fahr doch erst recht nicht bei den noch jüngeren Volksschülern, bei
denen das religiöse Bewußtsein überhaupt noch gar nicht so ent-
wickelt ist.
E. Wenn wir aber unsere Kinder jetzt auf die G.Sch. überschreiben
lassen, dann müssen sie vielleicht in eine andere Schule und be-
kommen einen anderen Lehrer.
W. Diese Sorge hatten voriges Jahr auch viele Eltern, aber sie war voll-
kommen unbegründet, wie die Eltern, die ihre Kinder für die G.Sch.
einschreiben ließen, ja erfahren haben. Ihre Kinder behielten, ab-
. gesehen von einigen selbstgewoUten Ausnahmen, die gleiche Schule
und den gleichen Lehrer. Gerade wenn die Münchener Eltern ge-
schlossen für die G.Sch. stimmen würden, dann könnten am leichte-
sten große Umwälzungen vermieden werden, nur in den Fällen, wo
weite Schulwege oder eine Überfüllung von Klassen eine Änderung
notwendig machen würden, käme ein Schul- oder Lehrerwechsel in
Betracht. Aber das wäre ja auch den Kindern selbst zum Vorteil."
An' die Seite der Blockwärterinnen stellten sich im, Kampf
gegen die Bekenntnisschule noch die Amazonen der
NS-Frauenschaft.
Sie verfaßten und verteilten folgendes Flugblatt (während den
Verteidigern der Bekenntnisschule jedes Flugblatt verboten war):
NS Frauenschaft
Kreis München München, Prannerstraße 3/3
27. Januar 1936
„Deutsche Mutter!
Am nächsten Sonntag, 8 vormittag bis 12 mittag, findet in sämtlichen
Münchener Volksschulen die
Ein- und Umschreibung
der schulpflichtigen Kinder statt.
Du weißt, wie bedeutungsvoll dieser Tag im Leben Deines Kindes ist.
An diesem Tag gibst Du Dein Kind aus Deiner Obhut in die Erziehung
der Schule; an diesem Tag gibst Du aber auch für Dein Kind, das be-
reits zur Schule geht, der Schule Anweisung, in welchem Sinn es er-
zogen werden soll. Du entscheidest am Sonntag, ob Dein Kind
im konfessionellen Streit oder im Sinne der Volks-
gemeinschaft aufwachsen soll. Entscheide für Dein Kind! Laß
es nicht abseitsstehen, sondern gib es der deutschen Volksgemeinschaft,
92
In der es ja einmal arbeiten uhcl leben soll. Die Schule der Völks-
gemeinscVjaft ist
die Deutsehe Gemeinschaftsschule.
Die Deutsche Gemeinschaftsschule will, daß in der Schule den Kindern
keine konfessionellen Trennungsmauern aufgerichtet werden. Die
Deutsche Gemeinschaftsschule will die Jungen und Mädel christlich —
gut katholisch und gut evangelisch — erziehen.
Die Deutsche Gemeinschaftsschule will die Jungen und Mädel außer in
den Religionsfächern gemeinsam im deutschen Sinn unterrichten.
Das willst Du doch auch, deutsche Mutter! Und das wollen wir alle!
Deshalb schreibe am Sonntag in der für Dein Kind zuständigen Schule
Deine Jungen und Mädel ein in die Deutsche Gemeinschaftsschule!
Heil Hitler!
gez. Luise Rommelt."
„Jugend muß durch Jugend geführt werden", hieß ein oft ver-
kündeter Grundsatz des Nationalsozialismus. Dementsprechend
glaubte auch schon die H J zur Entscheidung über die Art der
Volksschule in Deutschland mit antreten zu müssen. Sie verteilte
in München auch massenhaft ein Flugblatt.
Die Jugend belehrte die Eltern.
Aufruf!
„Der Religionsunterricht wird an den
Gemeinschaftsschulen ebenso gesichert sein
wie an den Konfessionsschulen!"
Das Jahr 1933 war der Anfang zur Verwirklichung des Gedankens
der deutschen Volksgemeinschaft. Es gibt keine Standesunterschiede
mehr — es gibt nur noch Deutsche, zusammengeschworen gegen
alle bedrohende Not! Arbeiter der Stirne und der Faust am Aufbau
des Reiches!
Das Jahr 1936 muß die geschlossene Gemeinschaft der deutschen
Jugend bringen. Die Hitlerjugend lehnt es ab, in Konfessionen und
Konfessionsschulen geteilt zu sein. Sie redet in ihren Reihen nicht von
Religion — das ist Privatsache jedes einzelnen — sie will nicht nur
katholisch oder nur protestantisch sein, sie ist das
Junge Deutschland!
in dessen Reihen jeder marschiert, der den religiösen Glauben des ande-
ren kritiklos respektiert.
So wie der Nationalsozialistische Staat beiden Konfessionen seinen
Schutz angedeihen läßt, so wird die Jugend dieses Staates beide Kon-
fessionen als einzigartige Gemeinschaft in ihren Reihen haben.
Weil wir nun nicht getrennt sein wollen in Katholiken und Prote-
stanten, fordern wir für uns auch die Gemeinschaft an den Schulen!
Wir wollen die
Gemeinschaftsschule,
in der alle zusammenhelfen am Aufbau des Vaterlandes, das uns allen
Brot gibt, das dem Volk gibt, was des Volkes ist, und Gott, was Gottes ist!
Es lebe der Führer und sein Einigungswerk!
Der Führer des Standortes München Der Führer des Jungbannes 1 1
gez. W. Fahrmeier gez. Fritz Steves
93
Noch verwunderlicher als diese Anmaßung der HJ
ist die Einmischung einer für ganz andere Zwecke gegründeten,
angeblich neutralen Organisation, wie des
Reichsluftschutzbundes.
Sein Eintreten für die NS-Zwangsschule deutet nachfolgender
Briefwechsel an:
„München, 11. Februar 1936
Ich hielt den Reichsluftschutzbund für einen jenseits aller welt-
anschaulich-religiösen Fragen stehenden Verein. Das war ein Irrtum.
Das entschiedene Eintreten des Vereins für die Gemeinschaftsschule
widerspricht meiner innersten religiösen Überzeugung. Darum erachte
ich es für ejine Pflicht des Gewissens wie für eine Forderung deutscher
Wahrhaftigkeit und Ehrlichkeit, liiemit meinen Austritt aus dem Reichs-
luftschutzbund zu erklären.
Mit deutschem Gruß!
J. Heinzinger."
Die Antwort hierauf lautete:
Reichsluftschutzbund Hauptstadt der Bewegung, den 14. 2. 1936
Landesgruppe Bayern Gr. 1, Abt. I
Bezirksgruppe München Zi/A.
Herrn
Heinzinger
Oberstudienrat i. R.
München
Säbenersti*. 75 .
Die Bezirksgruppe München hat mit größtem Erstaunen von Ihrem
Schreiben vom 11. 2. 1936 Kenntnis genommen.
Es dürfte Ihnen wohl entgangen sein, daß wir seit dein Jahre 1933
in einer anderen Zeit leben, in der das Wort politische Betätigtmg nicht
mehr existiert. Wenn sich der. Reichsluftschutzbund in der Hauptstadt der
Bewegung für eine Aufgabe der Deutschen Jugend, nämlich der Ge-
meinschaftsschule eingesetzt hat, dann deswegen, weil der Gauleiter
und nicht zuletzt der Führer die Genehmigung für den Aufbau der
Gemeinschaftsschule gegeben hat. Es dürfte Ihnen auch nicht unbekannt
sein, daß der Nationalsozialismus auf dem Boden des positiven Christen-
tums steht, so daß durch die Gemeinschaftsschule Ihre religiöse Über-
zeugung oder Ihr Gewissen als Mitglied des Reichsluftschutzbundes nicht
Schaden leiden kann.
• Die Bezirksgruppe erwartet von Ihnen, daß Sie Ihren Austritt aus
dem RLB zurückziehen. Unter Umständen müßte die Bezirksgruppe
München Ihr Sclireiben zur weiteren Veranlassung an die Gauleitung
München-Oberbayeni weiterreichen.
Heü Hitler!
gez. Unterschrift
Adjutant.
Im letzten Satz verschmäht man es also nicht, deutlich mit
Denunziation zu drohen.
Aber nochmals müssen wir weiterfahren: „Noch verwun-
derlicher" als diese Einmischung des Reichsluftschutzbundes in
den Schulkampf ist die Beteiligung einer amtlichen Stelle und
Zwangsorganisation wie der
Ortskrankenkasse München.
94
Sie sandte all
Fragebogen.
ihren Angestellten nachfolgendes Schreiben mit
Anlage 4 zu Rundschr. 32 Betr.: Rundfrage über Zugehörigkeit
zur Staats Jugend und Besuch
der Konfessionsschule,
An alle Berufskameraden
der Allgemeinen Ortskrankenkasse München (Stadt)
Wie uns die NSDAP, Amt für Beamte, Gau München-Oberbayern,
mitteilt,, ist bis spätestens 27. Mai 1936 von allen RDB-Mitghedern
(RDB = Reichsbund Deutscher Beamten) anzugeben, wieviel Kinder sie
besitzen und ob diese bei der HJ bzw. BDM sind und ferner, ob diese
die Gemeinschaftsschule oder Konfessionsschule besuchen.
Nachstehender Fragebogen ist umgehend auszufüllen und an den Ver-
teiler zurückzugeben.
München, den 25. Mai 1936
Heil Hitler!
gez. Ernst Will,
Hauptvertrauensmann
Fragebogen
Vorname
geboren:
SA:
SS;
Alter: HJ:
BDM:
Konfessions-
GemeinschaftS'
schule
schule
Für die Richtigkeit:
gez. Fix, Vertrauensmann
Name
Dienststellung:
Parteimitgliednummer:
RDB Mitgliednummer:
Kinder: Vorname:
Auch das Polizeipräsidium München glaubte ein-
seitig in den Schulkampf eingreifen zu müssen, als die katholischen
Pfarrer Münchens den katholischen Eltern ihrer Pfarrei einen
eigenhändig unterschriebenen und gesiegelten, geschlossenen und
adressierten, also gar nicht flugblattartigen „Seelsorgsbrief" in die
Wohnung zustellen ließen.
Am 27. Januar 1937, abends ca. 6 Uhr, kamen daraufhin zwei
Beamte des Polizeipräsidiums München in das Erzbischöfliche
Ordinariat München und forderten:
1. Auskunft über ein ;,Flugblatt", das vom Erzbischöflichen Ordi-
nariat hergestellt und zu den Pfarrern gebracht worden sein soll.
2. Aushändigung eines solchen „Flugblattes".
3. Sofortige Weisung an die Pfarrer, die Verteilung dieses „Flug-
blattes" einzustellen.
Es wurde ihnen erklärt:
a) Es handelt sich nicht um ein Flugblatt, sondern um einen
Seelsorgerbrief, der im Auftrag des Erzbischöflichen Ordi-
nariates hergestellt wurde und von den Pfarrämtern unter-
schrieben und gesiegelt, in verschlossenen unc
95
adressierten Kuverts an bestimmte katholische An-
gehörige ihrer Pfarrei ausgetragen oder versendet wird. Hiefür
wird unbedingt der Schutz von Art. 4 des RK in Anspruch ge-
nommen. Darum braucht dieser Seelsorgerbrief nicht der Polizei
vorgelegt zu werden und kann nicht von ihr verboten werden
und kann ihr auch jetzt kein Exemplar ausgehändigt werden:
Es gibt keine Vcrzensurfür Ordinariatserlasse
in Sachen des Hirtenamtes. Herr Generalvikar über-
nimmt die volle Verantwortung für diese Seelsorgerbriefe.
b) Die Zumutung, eine Weisung an die Pfarrer zu geben, die
Weitervei'teilung dieses Seelsorgerbriefes einzustellen, wird zu-
rückgewiesen. Bei der Verhinderung jeder sonstigen Auf-
klärung über die Bekenntnisschule und bei der weitestgehenden
Werbung der amtlichen Stelle für die Gemeinschaftsschule kann
auf dieses konkordatmäßige Recht nicht verzichtet werden.
c) Im Falle einer Verletzung dieses Konkordatrechtes wird man
sich an den Führer. und Reichskanzler sowie an den H. H, Apo-
stolischen Nuntius wenden.
Daraufhin wagte sich die Polizei doch nicht weiter vor.
JedesMitteierlaubt!
In der Elternversammlung der Blumenschule am 23. Januar 1937
war von; dem Redner Schweinsdorf erklärt worden: „Für die
Werbung zur Gemeinschaftsschule ist mit Rücksicht
auf die Wichtigli^eit der Volksgemeinschaft jedesMittel erlaubt."
Ein Beispiel für die Skrupellos igkeit dieser Werbung zeigt
nachfolgende Mitteilung des Erzbischöflichen Ordinariats München
vom 10. Juni 1937 an alle Seelsorgestellen der Erzdiözese:
„Betreff. Werbung der deutschen Schulgemeinde
für die Gemeinschaftsschule
Heute, den 10. Juni 193 7, erfahren wir von zuverlässiger Seite
nachfolgendes:
Am nächsten Freitag, den ll.ds. Mts., soll an allen Orten für die
Gemeinschaftsschule geworben werden. Als Plal^at für diese Versamm-
lungen soll dienen ein ,f lammender Protest gegen die Bom-
bardierung des Schiffes „Deutschland" durch dieBol-
schewisten in Spanien.' Nach kurzem Protest in der Versamm-
lung soll dann zum Thema Kirche übergeleitet werden (,Poli tischer
Katholizismus', ,Ultramontan' und ähnliche Schlagwörter!). Wenn dann
die Masse etwas eingestimmt ist, soll der Redner an die Versammlung
Fragen stellen,. zu deren Beantwortung Leute bzw. ein Chor recht-
zeitig aufgestellt werden soll. Unter anderem sollen folgende
FraT;en gestellt werden: *
1. Wer hat den Staat gerettet? — Die bestellten Leute sollen
rufen: Adolf Hitler.
2. Wer sabotiert dauernd die Aufbauarbeit des Führers? — Ant-
wort der Bestellten: Die Kirche.
3. Wer soll in Zukunft die Jugend führen? — Antwort: Nur noch
Staat und Partei.
96
4, Wollt Ihr Eure Kinder in die deutsche Volksschule schicken?
(Das Wort .Gemeinschaftsschule' ist nicht zu gebrauchen!) Antwort:
Ja! (Diese Antwort soll als Zustimmung für die Gemeinschaftsschule
gelten).
5. Wollt Ihr mit uns an der deutschen Volksschule den Religions-
unterricht beibehalten? — Antwort: Ja!
Anschließend sollen Werbezettel der Deutschen 'Schulgemeinde ver-
teilt werden. Eltern, die sich weigern, zu unterschreiben, müssen zu
Hause aufgesucht und es muß ihnen eindeutig zu erkennen gegeben
werden, daß das Nichtunterschreiben Ausschluß aus den Formationen
bedeutet ..." ,
Wäre es nicht um eine so ernste Sache gegangen und wäre es
nicht eine Schande gewesen für deutsche Bürger, sich so am natio-
nalsozialistischen Gängelband führen zu lassen, so müßte man heute
noch über dieses Komödienspiel lachen. Aber es war eher zum
Weinen, ein Schwindel vom Anfang bis zum Ende.
Auch die Lehrer müssen für die Gemeinschafts-
schule we rben.
Der Leiter der Deutschen Schulgemeinde, Stadtschulrat Bauer,
ließ (natürlich nicht „amtlich!") Schulleitern einen Aufruf auf den
Katheder legen, der u. a. sagte:
„In den vergangenen Wochen wurden über die Ziele der deutschen
Schulgemeinde Unwahrheiten verbreitet, die eine Irreführung der öffent-
lichen Meinung bedeuten. So ist es unwahr, daß die Schulgemeinde die
Religion beseitigen oder eine Gottlosenschule einführen will. Sie will
auch keine andere Religion schaffen.
. . . Wir haben die Kirche vor dem Bolschewismus und die Schule
vor Gottlosigkeit bewahrt. Wir werden immer dafür eintreten, daß der
Religionsunterricht in. der gleichen Stundenzahl von den Religions-
lehrern erteilt wird.
Die Schulform in den Landschulen zu ändern ist nicht Sache der
Schulgemeinde, Jenen unverantwortlichen Elementen, welche Lügen
'über die Deutsche Schulgeraeinde verbreiten, geht es auch scheinbar gar
nicht um die Religion. Sie wollen nur Unruhe und Gewissenskonflikte
in die Elternschaft hineintragen und die vom Führer erkämpfte Volks-
gemeinschaft zerstören.
Die oberbayerischen Eltern werden ihnen damit die richtige Antwort
geben, daß sie sich geschlossen zur Schulgemeinde ihrer Kinder be-
kennen und in dieser Erziehungsgemeinschaft mitarbeiten für die Jugend,
welche dereinst das Werk des Führers vollenden soll. In einem einigen,
starken, freien und na.tionalsozialistischen Deutschland!
Heil Hitler!
München, den 4. 7. 1936
Der Leiter
der Deutschen Schulgemeinde
München und Oberbayern
I gez. Josef Bauer
Stadtschulrat."
Neue Tricks! Abstimmungsschwindel!
•Trotz all dieser hemmungslosen Propaganda für die „Deutsche
Gemeinschaftsschule", trotz der Knechtung aller außerkirchlichen
Kreuz und Hakenkreuz 7 97
Werbungen für die Bekenntnisschule war man des Erfolges noch
nicht recht sicher und mußte zu neuen Tricks und ^ Rechts-
verletzungen schreiten:
Die Abstimmung wurde vielerorts mitten in die Arbeitszeit
verlegt, so daß schließlich überhaupt niemand dazukommen konnte,
wenn er nicht Fabrik- oder Feldarbeit verlassen und in die Ge-
meindekanzlei zur Willensäußerung gehen wollte. So war dann
vielerorts der Bürgermeister der einzige, der „abstimmte" — für
die Deutsche Gemeinschaftsschule — und meldete, diesmal aus-
nahmsweise, „wahrheitsgetreu", wenn auch in ganz ungewohntem
Sinn: „Die Gemeinde NN. hat sich einstimmig für die Um-
wandlung der Bekenntnisschule in eine Gemeinschaftsschule er-
klärt," „Einstimmig" bedeutete freilich hier allzu wörtlich „mit
nur einer Stimme" aus der ganzen Gemeinde, nämlich der des
Bürgermeisters allein. '
Bischof Franz Rudolph von Trier berichtet in seiner
Predigt am 28. März 1937 ein anderes Beispiel seltsamer Volks-
befragung.
„In einem Dorf hat der Ortsbürgermeister am Freitag, also schon
einen Tag, bevor die Abstimmung gehalten wurde, die Gemeinschafts-
schule angekündigt und durch die Ortsstelle bekanntgegeben: ,Es ist
beabsichtigt, auch hier die Gemeinschaftsschule einzuführen. Wer etwas
dagegen einzuwenden hat, kann heute abend um 7 Uhr auf dem
Bürgermeisteramt seine Gründe vorbringen (also nicht etwa seine
Stimme für die Bekenntnisschule abgeben!). Natürlich ist keiner zu dieser
Abendstunde zum Vorbringen seiner Gründe gegen die Gemeinschafts-
schule gekommen. Die Zeitung aber meldete: 100 Prozent haben
fiir d"ie Gemeinschaf tsschule abgestimmt."
Ähnlich ein anderer Fall: „In einem Orte — Ich nenne absichtlich
die Orte nicht — wurde nachmittags um 2 Uhr (werktags nachmittags!)
von der Gemeindebehörde eine Bekanntmachung angeschlagen mit dem
Inhalt, daß mit dem Beginn des neuen Schuljahres hier die Gemeinschafts-
schule eingeführt wird. Wer dagegen ist, muß bis 7 Uhr abends in der
Gemeinde Einspruch erheben." Keiner kam. Nun sofort wieder die posi-
tive Ausdeutung: 100 Prozent haben für die Gemeinschaftsschule ge-
stimmt!
Bischof Sebastian von S^peyer gab in seiner Predigt
vom 11. April 1937 bekannt:
Man hat in manchen Gemeinden, von denen man wußte, daß sie
überwiegend für die Bekenntnisschule stimmen würden, überhaupt
nicht abgestimmt und doch 100 Prozent für die Gemein-
schaftsschule verkündet.
Man hat in anderen Gemeinden die erste Abstimmung, die 100
Prozent für die Bekenntnisschule ausfiel, nicht gelten lassen
und eine zweimalige und dreimalige Abstimmung unter Mas-
senaufwendung von Personen und Druckmitteln vorgenommen, bis end-
lich das gewünschte Ergebnis kam. — Einzelne Werber haben mit ver-
schleiernden und falschen Angaben ahnungslose Frauen getäuscht und
zur Unterschrift gebracht, z. B. mit Angaben: „Es wird in der Schule
nichts geändert." „Es bleibt alles beim altfen." „Es handelt sich darum,
daß der Religionsunterricht in der Schule bleibt."
98
Neben der Werbung mit allen erlaubten und unerlaubten Pro-
pagandamitteln, neben Lug und Trug wurden auch noch Zwang
und Terror benützt, um die Eltern von kirchlichen und konfessio-
nellen Schulen abzuschrecken, Sie wurden mit Entlassung, mit Aus-
schluß vom Winterhilf s werk und ähnlichem bedroht.
So kam z. B. zu dem Verfasser eines Tages ein einfacher Arbeiter
und berichtete tief bekümmert: „4 Jahre bin ich arbeitslos gewesen und
habe mich so gefreut, daß ich endlich wieder Arbeit fand, bei der
Reichspost zum Waschen der Omnibusse verwendet wurde. Und nun
bin ich wieder Knall und Fall entlassen, weil ich meine Kinder noch in
die Schule der Armen Schulschwestern am Anger gehen lasse."
Bischof Sebastian von Speyer führte in . der Predigt vom 11. April
1937 ein anderes Baispiel der Erpressung an: „Ein Arbeiter schreibt:
, Ahnungslos kam ich am Samstag "abends von der Arbeitsstelle heim.
Da wurde ich sofort herausgeholt und auf das Gemeindebüro mitgenom-
men. Dort habe ich sofort erklärt: Ich will die römisch-katholische
Schule. Damit wollte ich wieder fort. Der Zellenleiter und ein Beamter
hielten mich aber zurück und schrieben einen Zettel ' an meine Firma
und erklärten, ich sei somit von der Arbeit entlassen. Ein Gendarm
sagte mir: Wenn ich nicht unterschreibe, könne ich nicht mehr Staats-
ärbeiten bekommen. Man redete mir zu: ,Es kommt ja doch noch. Sie
machen sich nur unglücklich!' In Aufregung und Verwirrung unter-
schrieb ich. Aber niemals, auch heute nicht,' will ich etwas anderes als
die katholische Schule." ,
Anderswo, besonders in Wien, benutzte man einen anderen
Druck, um die Eltern davon abzuhalten, ihre Kinder in die Be-
kenntnisschule zu schicken: Man ließ die Angehörigen dieser Schule
möglichstweiteWegegehen. In der Großstadt für Kinder
eine große Gefahr!
Mit solchen Mitteln und Methoden „entkonf essionaliöierte" man
im Dritten Reich die Schule und schuf die nationalsozialistische
Einheitszwangsschule. Kultusminister Hipp hatte recht, wenn er
in seiner Verfügung vom 23. Juli 1945 erklärte:
„über diese eindeutige Rechts- und Sachlage, wie sie seit 1933 be-
stand, setzte sich der nationalsozialistische Staat bedenkenlos hinweg,
um seine kirchen- und bekenntnisfeindlichen Bestrebungen auf dem
Gebiet des Volksschulwesens zu verwirklichen. Es entsprach aber seiner
sonstigen Kampfweise, wenn er die geltenden Bestimmungen nicht
änderte oder nicht offen brachte; er suchte vielmehr für seine Rechts-
verletzungen den Schein des Rechtes. Er führte infolgedessen zur Um-
wandlung von Bekenntnisschulen in bekenntnisfreie Schulen Abstim-
mungen der Erziehungsberechtigten herbei. Diese Abstimmungen spra-
chen allerdings jedem Gefühl der Gerechtigkeit Hohn. Die Erziehungs-
berechtigten wurden entweder einem Druck ausgesetzt, dem sie sich
ohne Befürchtungen für ihre Existenz nicht entziehen konnten, oder sie
wurden in für andere Zwecke einberufenen Versammlungen derart über-
rumpelt, daß sie überhaupt nicht wußten, in welch schwerwiegender
Sache sie abgestimmt hatten. Die gesetzlich vorgeschriebene Einholung
des Gutachtens der kirchlichen Oberbehörde unterblieb auch in der
überwiegenden Zahl der Fälle. Auf Grund solcher Machenschaften
konnten die Gauleiter dem Ministerium berichten, daß in ihren Gauen
alle Bekenntnisschulen in bekenntnisfreie Schulen umgewandelt seien,
und das Ministerium sprach den Beteiligten mit M. B. vom 24. Oktober
1938 (Regierungsanzeiger Nr. 300) sein Lob über das Ergebnis aus und
99
stellte fest, daß in Bayier» keine Bekenntnisschulen mehr vorhanden
seien. Schließlich hat das Ministerium den erwähnten Artikel 10 des
Schulbedarf sgesetzes (,daß die Bereitstellung der Mittel zur Errichtung
einer Volksschule eines Bekenntnisses angeordnet werden könne, wenn
in einer Gemeinde oder Ortschaft oder in mehreren im Umkreis von
3,5 km Halbmesser gelegenen Gemeinden, Ortschaften, Weilern oder
Einzelhöfen nach dem Durchschnitt der letzten fünf Jahre 50 oder mehr
hauptschulpflichtige Kinder des Bekenntnisses der Minderheit vorhan-
den seien . . .'), bei der Neufassung des Gesetzes vom 11. Januar 1939 aus
dem Gesetz entfernt und nur noch übergangsweise (Artikel 20) erwähnt,
obwohl bei der Neufassung von 1939 sachliche Änderungen unzulässig
waren ... Der durch unsittliche und unerlaubte Mittel
herbeigeführte Zustand ist als rechtsunwirksam an-
zusehen."
Genau so waren zu Anfang 1939 alle Bekenntnisschulen in
Württemberg, Baden, Sachsen, Thüringen, Oldenburg, Saarpfalz,
außerdem in einem großen Teil von Preußen und in ganz Öster-
reich, im ganzen mehr als 10 000 katholische Schulen des „Dritten
Reiches", zwangsweise in nationalsozialistische Gemeinschafts-
zwangsschulen verwandelt.
Die Vertreibung klösterlicher Lehrkräfte.
Gleichzeitig mit diesen Terrormaßnahmen gegen die Bekennt-
nisschule ging der Kampf gegen die klösterlichen Lehrkräfte,
Schulen und Institute.
Auf der Frühjahrsschulung der Erzieher des Traditionsgaues
verkündete Staatsrat Dr. Boepple im Jahre 1936 laut „Völkischer
Beobachter" vom 23. Mai 1936:
„Es würden 300 neue Volksschullehrerstellen für das Land Bayern
geschaffen, von 1600 klösterlichen weiblichen Lehrstellen 600 in welt-
liche umgewandelt. Zweieinhalb Millionen Mark seien bereitgestellt, um
bedürftigen Gemeinden Zuschüsse zu Schulhausbauten und zur Her-
richtung der Lehrerwohnungen zu geben. Die Maßnahmen würden auch
im nächsten Jahr fortgesetzt werden. Die Umwandlung aller
klösterlichen Lehrstellen in weltliche sei unbedingt
notwendig, da der Staat sein Erziehungswesen zentral in der Hand
haben müsse."
Der wirkliche Abbau der klösterlichen Lehr-
kräfte setzte dann am 1. Januar 1937 ein: 600 Lehrschwestern
wurden in Bayern auf einmal auf die Straße gesetzt. Den national-
sozialistischen Staat kümmerte es keinen Deut, was diese plötzlich
entlassejien Schwestern nun zu tun hätten, wovon sie (ohne Pen-
sion) lebten, wo sie Unterkunft fänden usw.. Trotz des drückendsten
Lehrermangels setzte er die Ausweisung der Ordensfrauen aus der
Schule andauernd fort: Bis Mitte 1938, also in bloß eineinhalb
Jahren, wurden von 1676 Klosterfrauen, welche in bayerischen
Volksschulen tätig waren, 1200, entlassen!
Dazu kam dann noch die Vertröbung der Schwestern aus städ-
tischen und gemeindlichen Kleinkinderbewahranstal-
ten, Kindergärten, Kinderhorten, Nähstuben,
100
Handarbeitskursen, H aushal tun gs schulen und
ähnlichem.
Schließung k 1 ö s t e r 1 i c h e r S c h u 1 e n.
Auch das war den Feinden der Kirche und Orden und Ordens-
schultätigkeit noch nicht genug. Nachdem bereits 1937 den Kin-
dern von Beamten und Angestellten des öffentlichen Dienstes
der Besuch klösterlicher Schulen verboten worden war, wurde zu
Ostern 1938 durch das bayerische Unterrichtsministerium schlag-
artig auch noch die Schließung oder der stufenweise Abbau
von 84 klösterlichen Lehranstalten (64 weiblichen
und 20 männlichen), die Ordenseigentum waren, angeordnet.
Das war nationalsozialistische Erfüllung des Artikels 9 des
bayerischen Konkordates: „Orden und religiöse Kongregationen
werden unter den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen zur
Gründung und Führung von Privatschulen zugelassen!"
Das war die Treue zu der in Artikel 25 des Reichskonkordates
eingegangenen Verpflichtung „Orden und religiöse Kongregationen
sind im Rahmen der allgemeinen Gesetze und gesetzlichen Bedin-
gungen zur Gründung und Führung von Privatschulen berechtigt."
Das war die Einlösung des Hitlerwortes: „Was wir versprechen,
das halten wir. "Was wir nicht halten können, versprechen wir
nicht."
Er hätte weiterfahren können: „Was wir letzten Endes wollen,
das sagen wir nicht. Wir haben für alles eine scheinheilige Begrün-
dung, z. B. für die Aufhebung weiblicher Mittelschulen die Besorg-
nis um die Gesundheit der Schülerinnen; denn ,nachgewiesener-
maßen' sind die Lehrschwestern dieser Anstalten vielfach lungen-
krank!" (Eine solche Scheinbegründung wurde tatsächlich ver-
sucht!!)
Raub klösterlicher Schulräume!
Nach der Schließung der klösterlichen Gymnasien, Mittel-
schulen, Lyzeen, Aufbauschulen, Haushaltungsschulen u. ä. kam
der Raub ihrer Räume und Lehrmittel. Ein eigenes bayerisches
Gesetz ermächtigte die Gemeinden, sich erforderlichenfalls in den
Besitz der klösterlichen Anstaltsgebäude und Schulen auf dem
W^ege der Zwangsenteignung zu setzen. Das geschah z. B.
in München selbst ganz ausgiebig: Die erstklassigen Schulgebäude
der Armen vSchulschwestern am Anger, in der Au, ebenso jene der
Servitinnen in der Herzogspitalstraße wurden von der Stadt in
Beschlag genommen. In Straubing wurde außer den Schulräumen
auch noch ein großer Teil der Klausurräume des Ursulinen-
klosters genommen.
Das katholische Volk Bayerns war wie vor den Kopf geschlagen,
als es durch einen flammenden Hirtenbrief der bayerischen Bischöfe,
der trotz aller staatlichen Verbote am 21. und 28. Juni 1936 von den
101
Kanzeln verlesen wurde, Kenntnis von diesen Zwangsmaßnahmen
gegen Klosterfrauen und Klosterschulen erhielt.
Es ist bezeichnend, was der Stützpunktleiter von Schwanenkirchen
(Nby.) darüber an seine Kreisleitung berichten zu müssen glaubte:
„Stützpunkt der NSDAP Schwanenkirchen, den 8. Juli 1936
Schwanenkirchen
An die
Kreisleitung der NSDAP
Deggendorf
Betreff: Auswirkung des Verlesens vom Hirtenbrief wegen Abbau der
klösterlichen Lehrkräfte
In der hiesigen Pfarrkirche wurde am Sonntag, den 28. Juni, der
Hirtenbrief durch Verlesen bekanntgegeben. Von der Bevölkerung der
hiesigen Pfarrei wurde die Anordnung der Regierung in bezug auf Ab-
bau der klösterlichen Lehrkräfte fast allgemein als ungerecht,
von einem Großteil der Pfarrangehörigen als ausgesprochene
Härte und als direkterAngriffaufdieReligion aufgenom-
men und hat große Mißstimmung und Aufregung, zum Teil auch bei
Parteiangehörigen, verursacht. Diese Regierungsanordnung wirkt sich
im Bereich des Stützpunktes ganz besonders ablehnend aus, da sich hier
eine Klosterschule befindet, deren Lehrkräfte seit jeher ganz beson-
ders eifrig und vorbildlich für die Schuljugend ge-
wirkt haben. Ganz besonders muß lobend, hervorgehoben werden, daß
sich die Schwestern der hiesigen Klosterschule seit jeher große Ver-
dienste erworben haben außer den reinen Schulaufgaben, durch Ein-
lernen aller Arten von Handarbeiten für die Mädchen, die für dieselben
äußerst wichtig und notwendig sind. Keine Mädchenschule der
Umgebung kann ähnliche Erfolge in diesem Fach auf-
weisen. Unter der Bevölkerung wird die Besorgnis laut, weltliche
Lehrkräfte würden sich nicht die Mühe geben mit den Kindern, wie
dies bisher von den Klosterschwestern geschehen ist. D^e hiesige Be-
völkerung verfolgt mit wachsender Besorgnis den von der Regierung
angekündigten Abbau der klösterlichen Lehrkräfte und kann diese Maß-
nahmen nicht verstehen, zumal sich die hiesige Klosterschule, für alle
Schichten der Bevölkerung zum Vorteile ausgewirkt hat. Weiterhin
spielt auch der Umstand eine große Rolle, daß Angehörige seßhafter
Familien von hier als Klosterschwestern irgendwo leben, deren Existenz
durch diese Maßnahmen verlorengehen würde. Durch diese angekün-
digte Aufhebung der Klosterschulen bemächtigt sich der hiesigen Be-
völkerung eine stark gedrückte Stimmung, vielfach auch eine ausdrück-
liche Abneigung gegenüber der Partei. Selbst mehrere Pg. haben mir
offen ihre Bedenken dagegen geäußert. Ich muß berichten, daß diese
Maßnahme von der Bevölkerung absolut nicht verstanden werden kann
und diese nahezu hundertprozentig dagegen eingestellt ist
und daß ferner dadurch das Vertrauen zur Partei erheblich geschwun-
den ist. Ich bin als Leiter des Stützpunktes der NSDAP von der hiesi-
gen Bevölkerung, auch von Pg., wiederholt aufgefordert worden, diese
vorerwähnten Bedenken an Herrn Kreisleiter zu berichten, damit von
dieser Stelle aus im gleichen Sinne an die obersten Parteistellen über
die Einstellung der Landbevölkerung zum geplanten Abbau dieser Maß-
nahmen Bericht erstattet wird. Auch werden jenen Gemeinden, in denen
bisher Klosterschulen bestanden, durch den Bau von Schulhäusern und
Lehrerwohnungen ganz erhebliche Belastungen bevorstehen.
Heil Hitler!
StützpunIcUeiter.'*
102
Wie schwer den Schwestern selbst und den Kindern der Ab-
schied von der klösterlichen Schule fiel, wie rücksichtslos nun aber
nationalsozialistischerseits und behördlicherseits gegen Schwestern
und Kinder vorgegangen wurde, wie man den Schwestern statt
eines Dankes geradezu einen Fußtritt gab, zeigt nachfolgender Be-
richt über Vorgänge in Mühldorf (Obb.) am 24. März 1937, dem
letzten Tag des Schuljahres, das zugleich Schluß der Schultätigkeit
der Schwestern sein sollte:
,tAm Ende der Flaggenehrung um 8 Uhr sangen nicht alle Schwe-
stern bei den Nationalhymnen mit, alle — bis auf eine — erwiesen aber
den Deutschen Gruß. Nach dem Siegheil auf den Führer betrat der
Schulrat Pietsch das Podium und erklärte im heftigen Ton: ,Die Schwe-
stern haben nicht mitgesungen. Die Mühldorf er Jugend marschiert
trotzdem Weiter im Dritten Reich. Nochmals Siegheil auf den Führerl'
Im Auftrag des Schulrates verteilten sich die Lehrer auf die einzel-
nen Mädchenklassen, um für schleunige Entlassung der Kinder zu sor-
gen. Den Schwestern — mit einer Ausnahme — wird erklärt, sie hätten
das Schulhaus sofort oder baldmöglichst zu verlassen.
Die Schwestern erklären, sie hätten noch Zeichnungen etc. zurückzu-
geben. Währenddessen werden vom Lehrer die Kästen etc. nach Gegen-
ständen durchsucht, die die Schwestern vielleicht geschenkt bekommen
hätten. Die aufgeregten Kinder werden von Lehrern teilweise mit Ge-
walt entfernt. Viele lassen sich einfach nicht vertreiben^ sammeln sich
immer wieder und kehren zurück. Die Schwestern versuchen vergeb-
lich, die Kinder zum Heimgehen zu bewegen. Das rücksichtslose Vor-
gehen der Lehrer hat verschiedentlich auch Auseinandersetzungen mit
Schwestern zur Folge. Bezeichnend ist, daß ein Lehrer sogar mit einem
Dietrich erscheint in der Vermutung, eine Schwester könnte sich mit
den Kindern im Schulzimmer eingeschlossen haben. Der Aufforderung,
sofort die Schlüssel zu den Schulzimmern abzuliefern, begegnen die
Schwestern mit der Erklärung, sie müßten die Schulzimmer noch räu-
men. In der 3, Mädchenklasse verlangt der Lehrer ein Blatt mit
Namensunterschriften der Kinder, die bestimmt wären für einen Brief
an den Heiligen Vater, und nimmt das Blatt an sich. Verschiedentlich
werden auf der Straße Kindern die Andenkenbilder, die sie von
den Schwestern erhalten hatten, von Lehrern zerrissen. Ein
Mädchen muß sogar den Schuh ausziehen. Der Hand-
arbeitsschwester wird von einem Lehrer der Handarbeitenkorb durch-
wühlt, einer Frau sogar ihre TasChe.
Das Schulhaus wird geschlossen. Kinder, die Taschen etc. zurück-
gelassen hatten, dürfen das Schulhaus nur mehr betreten mit einem
schriftlichen Ausweis von ihren Eltern oder von Lehrer Krieger, um
die Sachen zu holen, und dann nur unter Aufsicht des Hausmeisters.
Begreiflicherweise herrscht bei der Bevölkerung eine große Erregung!
Um 2 Uhr nachmittags ist die Frau Oberin zum Bürgermeister Goll-
witzer (ehemals protestantischer Pfarrer von Mühldorf, ein paar Tage
bayerischer Landesbischof der .deutschen Christen'!) in das Rathaus ge-
beten, wo der Schulrat, der Schulleiter und andere versammelt sind.
Die Frau Oberin begibt sich mit einer Schwester in das Rathaus. Die
Verhandlungen verliefen in großen Zügen folgendermaßen: Der Bürger-
meister erklärt, sie seien heraufgebeten worden, da am Vormittag Dinge
vorgekommen seien, die nicht in Ordnung gewesen wären. Die den
Schwestern gewährte .Frist, noch 10 Tage im April in
ihrem Hause bleiben zu dürfen, müßte er zurück-
ziehen. Die einzelnen Punkte:
1. Es sei eine staatswidrige, weil gesetzlich verbotene Sammlung
g«lMiUiea worden. — Antwort: Von der Geldsammlung durch dl«
103
Kinder hätten die Schwestern nichts gewußt. Das Geld wird dem
Befehl gemäß noch heute auf dem Stadtrat abgeliefert. (RM. 23.—!)
2. Verhetzung des Volkes: Das wäre heute morgen skandalös
gewesen. Keine Lehrerin hal)e die Kinder angewiesen, dem Befehl
des Schulfates zu folgen. Das sei keine Erzieherart, wie sich manche
Schwestern gebärdet hätten. Lehrer Krieger erklärt^ daß sogar in
den Aborten Kinder zurückgehalten worden seien. Das sei diabo-
lische Verhetzung. Gemeint ist damit die Tatsache, daß zur Zeit des
Tumultes zwei Schwestern mit einigen Kindern damit beschäftigt
waren, eine im Abort befindliche Blumenstellage zu räumen, — Der
Bürgermeister sagt, wenn die Schwestern in dieser Weise die Kinder
und das Volk verhetzen, dann arbeiten sie dem Bolschewismus vor.
Er weist sodann auf Spanien hin und auf die so ganz anderen Ver-
hältnisse in Deutschland.
3. Unterschriften. Die Schwester legt den Sachverhalt genau dar
und sagt, daß die Sache vom Katecheten ausginge. Darauf wird erklärt,
daß man sich in diese Dinge nicht einmische. Als der Schulrat ein-
wendet, warum d^es die Schwester in der Schule nicht sofort erklärt
hätte, erhält er zur Antwort: Bei dem Wort ,Unterschriften* denkt man
heute doch sofort an Unterschriften der Eltern. Erst als der Lehrer die
Kinder genauer fragte, merkte die Schwester, was gemeint sei.
Schluß: Die Frau Oberrin muß in die Hand versprechen, die Schwe-
stern zu beruhigen, jede Sammlung zu verbieten, zu sorgen, daß die
Leute nicht mehr verhetzt werden und vor allem, daß die Schwestern
unauffällig verschwinden (nicht über den Stadtplatz wie eine Wall-
fahrt!), jRichten Sie mir keinen Saustall an!'
Die Schwestern können die 10 Tage noch bleiben.
Der Schulrat erklärte selber: ,Ich habe die Herren in die Klassen
befohlen und da hätte sich niemand zu widersetzen gehabt.'
Der Bürgermeister gab am Vormittag dem Hausmeister Fischer den
strengen Befehl, daß die Schwestern sämtliche Schlüssel sofort abzu-
liefern hätten. Der Schulleiter Vogl änderte das dahin, daß bis abends
die Schlüssel abgeliefert sein müssen. Am Na.chmittag könnten die
iSchwestern noch räumen, aber unter keinen Umständen dürfte eine
Schülerin zu ihnen zugelassen werden.
Über die Durchführung der letzten Maßnahme zu wachen, wird die
HJ (Jungvolk) beauftragt! !"
Deutsche Ritterlichkeit im „Dritten Reic h" !
Und nun die theologischen Hochschulenl
Nach der Beseitigung der Bekenntnisschule, nach dem Abbau
der klösterlichen Lehrkräfte, nach der Liquidierung der kloster-
eigenen Mittel- und Oberschulen ging es an die Strangulierung der
staatlichen und bischöflichen philosophisch-theologischen Hoch-
schulen bzw. Fakultäten, die an den einzelnen bayerischen Bi-
schofstädten der Ausbildung des Priesternachwuchses dienen und
durch bayerisches Konkordat (Artikel 4) und Reichskonkordat (Ar-
tikel 19 und 20) geschützt waren. Sie wurden zunächst sozusagen
„ausgehunger t", indem man die Anstellung neuer Professoren
immer mehr hinausschob bzw. ganz verschob.
Die theologische Fakultät an der Universität München wurde
ün Mai 1939 von Staatsminister Wagner kurzerhand geschlossen,
104
als Kardinal Faulhaber aus „G e Wissens g r ü n"d e h nicht seine
nach dem Konkordat erforderliche Zustimmung zur Übertragung
eines Lehrstuhles an den nationalsozialistisch eingestellten und
tätigen Professor Barion geben konnte.
Gleichzeitig wurde das mehrere Jahrhunderte alte Priester-
semi^iar Georgianum aufgehoben und für andere Zwecke in
Anspruch genommen.
In Österreich wurde im Jahre 1938 als erste theologische Fakul-
tät jene in Innsbruck geschlossen, gleichzeitig auch das Canisianum
mit 37 amerikanischen, 10 englischen, 10 schweizerischen, 8 italie-
nischen, 2 polnischen und je 1 französischen, holländischen und
japanischen Theologen. Sie mußten samt den Patres in wenigen
Tagen das Haus verlassen und in die Verbannung gehen, in die
Schweiz.
„Gauleiter Hof er möchte Hitler als Geburtstagsgeschenk ein juden-
und priesterfreies Tirol präsentieren", schrieb ein aus dem Canisianum
vertriebener amerikanischer Student am 6. Januar 1939 im Universe.
Zwei Monate spater wurde auch die theologisch* Fakultät in
Salzburg . auf gehoben.. . .
Fesseln für den Religionsunterricht.
Jahrelang hatten die Nationalsozialisten in ihrer Agitation
gegen die Bekenntnisschulen mit dem Schlagwort gearbeitet: „In
der Deutschen Gemeinschaftsschule bleibt alles
wie zuvor. Nicht einen Finger soll an der christlichen Religion
gerührt werden. Sie ist in der Gemeinschaftsschule genau so ge-
sichert wie in der Bekenntnisschule." In Dutzenden von Versamm-
lungen, in der ganzen nationalsozialistischen Presse, im Rundfunk,
in Reden offizieller Persönlichkeiten, Minister eingeschlossen, wurde
dieses Versprechen in aller Form gegeben.
„Der Religionsunterricht in den Schulen wird
niemals eine Einmischung erfahre n," erklärte bei-
spielsweise Dr. Kerrl, Reichsminister für kirchliche Angelegen-
heiten, am 24. November 1937 in Fulda, ebenso Gauleiter Bürckel
in seiner Rede an die Auslandsdeutschen im August 1938, mit Nach-
druck betonend: „Wenn auch der Staat in erster Linie für die
Jugenderziehung verantwortlich sei, so könne doch die Kirche
dieser Jugend ihre religiöse Unterweisung geben." '
Aber alle diese Versprechungen des Nationalsozialismus er-
wiesen sich als bloße propagandistische Phrase. Das Ziel stand von
Anfang an fest: Ausschaltung alles Christlichen aus Unterricht und
Erziehung! Der Marsch zu diesem Ziel kannte nur Stationen, kein
Halt. Das Tempo des Marsches mochte da und dort aus Klugheit
verlangsamt werden, aber, sobald die Umstände günstiger er-
schienen, wurde aufgeholt.
Kreuz und Hakenkreuz 8 105
Bischof Galen^Münster gab In seinem Hirtenbrief Vom 21. Dezember
1936 verschiedene Phasen des Kami»fes gegen den Religionsunterricht
bekannt:
Der Religionsunterricht wurde vielerorts abgeschafft, z. B. für die
landwirtschaftlichen Schulen.
In vielen Städten wurden Religionslehrer vorzeitig pensioniert und
nicht mehr ersetzt.
In vielen Orten durfte der Religionsunterricht, selbst in den Be-
kenntnisschulen, nicht mehr während der Schulstunden gegeben wer-
den, sondern nur in der Freizeit.
Lehrer und Schulleiter an Bekenntnisschulen (!) verkünden deri
Schülern immer wieder ausdrücklich, daß keine Verpflichtung bestehe,
dem Religionsunterricht beizuwohnen. Für junge Leute geradezu eine
Aufforderung, ihm fernzubleiben!
Am 10. Oktober 1937 muß Bischof Preysing, Berlin, in
einem Hirtenbrief klagen: Auch auf dem Gebiet der Erziehung hat
es solche Stationen gegeben. Zuerst war die Parole: „Fort mit der
Bekenntnisschule! Die Einheit des Volkes verlangt dies." Dann:
„Die Priester hinaus aus der Schule!" Was wird der nächste Schritt
sein? Wird der Religionsunterricht ganz abgeschafft und antichrist-
iiches Gedankengut den Kindern aufgezwungen werden?"
Zunächst wurde der Religionsunterricht in der Schule zeit-
lichbeschränkt:
In Süddeutschland, seit 1935/36 von vier Wochenstunden auf
drei Wochenstunden, später auf dreimal 45 Minuten.
Im Kölner Gebiet im Mai 1937 in den oberen drei Klassen auf
eine Stunde, 1938 auch noch in weiteren Klassen.
Im Frühjahr 1938 bestimmte der Reichsunterrichtsminister all-
gemein, daß wöchentlich nur noch zwei Religionsstunden sein
sollten, für das sechste Schuljahr nur noch eine. (Turnen und Sport
hatten wöchentlich fünf Stunden!)
Dann ward der Religionsunterricht mancherorts auf recht
ungelegene Stunden verlegt, z. B. in Bayern durch
Ministerialverordnung vom 17. März 1939 auf die erste und
letzte Stunde, damit Nichtteilnehmer entweder den Vorteil hat-
ten, erst später in die Schule kommen zu müssen, oder den Vorteil
genossen, schon früher nach Hause gehen zu dürfen, eine Anreizung
zur Abmeldung der Kinder vom Religionsunterricht.
Ähnlich bestimmte die Schulbehörde von Wien , im Sommer
1939, daß an allen Schulen, in welchen noch Religionsunterricht
gegeben wurde, seine Erteilung entweder nach Schluß des vormit-
tägigen Unterrichts oder erst am Nachmittag erfolgen müsse.
Der badische Unterrichtsminister verfügte ähnliches.
Auch in den Zeugnissen wurde der Religionsunterricht auf
die letzte Rubrik verwiesen, während das Turnen an die erste Stelle
vorrückte. Ja, selbst die Bezeichnung mußte dort geändert wei?den:
Statt „Religion" wurde jetzt der „konfessionelle Unterricht" be-
106
notet. Vielerorts wurde seit 1939/40 der Religionsunterricht über-
haupt nicht mehr im Stundenplan aufgeführt.
In den Berufsschulen wurde er zu Anfang 1940 voll-
ständig abgeschafft. '
In den höheren Schulen wurde er in den Oberklassen
ebenfalls ganz beseitigt, in den Unterklassen bedeutend verringert.
Die Abmeldung vom Religionsunterricht wurde
immer mehr erleichtert, konnte beispielsweise entgegen früheren
Bestimmungen auch während des Schuljahres geschehen.
Die größte Ungeheuerlichkeit aber waren die sogenannten
„Bubenrudel" und „Erzählerkreise".
Da und dort wurden Hitler jungen von ihren „Führern" eigens an-
gewiesen, dem Religionsunterricht trotz innerlicher Ablehnung
weiter beizuwohnen, um ihn zu bespitzeln, zu stören
und fruchtlos zu machen. Nachfolgendes Rundschreiben
spricht iür sich selbst:
Deutsches Jungvolk in der Hitlerjugend.
Geheim! Geheim!
Verteilt an: Jungbannstab Zur Kenntnis an:
Beauftragte des Jungbannführers Gebiet 22
Stammführer Kreisleitungen.
Allgemeine Anweisung!
(folgt L— III.)
Befehl 1/36
Für die Beauftragten:
Betrifft Bubenrudel. Wie ich bereits in der Führertagung
vom 4. und 5. Juli ausgeführt habe, soll zukünftig das Bubenrudel wei-
ter ausgebaut werden, um den Abwehrkampf gegen die Zersetzungs-
arbeit der katholischen Aktion besser führen zu können. Da hierbei
äußerst vorsichtig zu Werke gegangen werden muß, darf in der Aus-
wahl der Führer keine Vorsichtsmaßnahme außer acht gelassen wer-
den. Nur solche Führer, die vom SD überprüft wurden und außerdem,
soweit es sich um Lehrer handelt, vom NSLB als geeignet beurteilt
wurden, können für diese Arbeit verwendet werder^.
Die Arbeit, die ihnen zufällt, ergibt sich aus der Aufgabe:
1. Unmerkliches Überwachen des Religionsunterrichtes, bzw. der sog.
Bibelstunden unter Feststellung der jeweiligen täglichen Tendenz.
2. Gründung sog. Erzählerkreise zur Erfassung derjenigen Alterstufen
(7 — 9jährige), die, durch die Gegenarbeit weltanschaulich am meisten
gefährdet sind. (Freiwillig — Je besser d. Erzähler, desto größer sein
Zuhörerkreis).
3. Entgegenwirken einer Minderwertigkeitstendenz in der
Bibelstunde am Vormittag durch Erzählen- von Anekdoten, Sagen,
Kurzgeschichten aus der Bewegung und der deutschen Geschichte
nachmittags, die in der gleichen Weise heroische Weltanschauung
vertreten.
4. Damit verbunden: Spiele, Bastelarbeit, Singen von Klotzliedern usw.
5. Auftreten als Autoritätspersonen jgegenüber den Eltern als Ausgleich
des Einflusses unseres Gegners. — Deshalb einwandfreie Lebens-
führung und absolutes Vorbild für die Kleinen im Hinblick auf die
107
sphwere Verantwortung. Zwang darf in keiner Weise angewendet
werden.
Die Beauftragten sehen sich um geeignete Leute um, holen über
dieselben bei obenbezeichneten Stellen vertrauliche Beurteilung ein;
Behörden und sonstige Stellen sind unter gar keinen Umständen mit
dieser Sache vertraut zu machen.
Bei dieser Gelegenheit möchte ich anführen, daß alle Beobachtungen,
auch die kleinsten über die Arbeit der katholischen Aktion an mich per-
sönlich unter Umgehung des Dienstweges von allen Führern zu melden
sind. Von mir aus werden sie dann allen in Frage kommenden Stellen
zusammengestellt zugeleitet.
Nur belegte Ereignisse sind brauchbar..;
' Dieses Rundschreiben ist absolut vertraulich
z u b e h a n d e 1 n.
gez. Otto Würschinger . Der Führer d. Jungbannes 306
, Das war wiederum ein Schritt zu der von Bischof Pröysing
genannten Station:. ,,
„Di e P r i e;.s t er h i n a u s a ti s d e r S c h u 1 e"
" In einer M 1 1 1; e Iklasse einerMün che n e r Sc hu 1 e
würdö bei'Eihquartiefüng der SS gelegentlich des Miissoiihibesuches
delr-Schraftk mit eiri^tn N ach Schlüssel geöffnet, beiliegendes Blatt
iri den Katechismus eingelegt und dann der Kasten wiedier versperrt:
, „Die Kinder nicht mit Gewalt verdummen, sondern aufklären •
" über das Werk der Schöpfung! Deswegen gibt es eine deutsche
Nation. Frei vom römischen Ungeist. Frei von Pfaffen- und
Judengeist.
Werdet freie deutsche Frauen und Männer!
ii
Ihr Erzieher glaubt doch hoffentlich nicht an diesen sog. Erzschwindel.
Bitte, handelt als Deutsche!
Religionsunterricht nur mit besonderer staat-
licher Bevollmächtigung!
Ein weiterer Schritt zu dieser Station war die Forderung, daß
der schulische Religionsunterricht durch Geistliche von einer be-
sonderen Erlaubnis staatlicher Stellen abhängig gemacht
wurde. So schon 1936 in Westfalen und im Trierer Land.
In Bayern verlangte eine Regierungsverfügung vom 10. März
1938, daß die Geistlichen für die Erteilung des Religionsunterrichtes
in Volksschulen die Ermächtigung durch den Regierungspräsidenten
habeji müssen. Diese Befugnis sei zu versagen, hieß es dort, wenn
ein Geistlicher Nichtarier, politisch verdächtig oder als Lehrer unr
geeignet sei.
Der bayerische Staatsminister für Unterricht und Kultus,
Dr. Hipp, bemerkte in seiner Verordnung vom 23. Juli 1945 zu
obiger Verfügung seines Vorgängers:
108
( ,;Diese Bestimmung richtete sich mit voller Absicht gegen die Geist-
lichen der christlichen Kirchen und gegen sonstige Personen, die auf
Veranlassung einer Religionsgesellschaft an einer öffentlichen Volks-
schule .Religionsunterricht erteilen wollten."
Wie die bayerischen Bischöfe insbesondere beklagen mußten,
wurde nicht wenigen Geistlichen ohneAngabevon Gründen
und ohne jede Möglichk eit einer Veirteidigung
diese Erlaubnis zur Erteilung des lehrplanmäßigen Religionsunter-
richtes versagt oder entzogen.
Außerhalb Bayerns ging man. aber noch einen Schritt weiter:
Man wies den Geistlichen allgemein aus der Schule und übertrug
den Lehrern den Religionsunterricht. Bischof Preysing, Berlin, muß
dies bereits im Hirtenbrief vom 10. Oktober 1937 beklagen. Bischof
Galen, Münster", muß im November 1937 mit ihm bemerken, daß
die Maßnahme ohne jede Fühlungnahme mit dem Bischof und
unter Bruch des Reichskonkordates geschehen, sei. Ähnlich in Würt*
temberg, Ermland, Freiburg,. Trier, Hildesheim und anderwärts.
Wie der Religionsunterricht vieler, Lehrer, die ganz mit national-
sozialistischen Ideen erfüllt waren, . ausfiel, läßt sich. leicht/denken»
Die bayerischen' Bischöfe sahen sich gezwungen, in ihrem HirteiiT
brief vom 13. Dezertiber 1936 zu klagen:. „Es gibt Lehrer, jdie, einen
unchristlichen Geist in den Religionsunterricht bringen und selbst
den Bibelunterricht dermaßen geben, daß die Kinder . an i^hrem
Glauben verwirrt werden müssen". Das galt natürlich in anderen
Ländern genau so.
In Bayern wiederum suchte man überdies- die Volksschullehrer
möglichst davon abzuhalten, noch irgendwie an der religiösen Unter-
weisung der Kinder mitzuwirken. So z. B. versandte im Winter 1938
der Kreisleiter des Nationalsozialistischen Lehrerbundes von Für-
stenfeldbruck (bei München) allen Lehrpersonen seines Bezirkes
nachfolgenden Fragebogen;
1. Geben Sie noch Eibelunterricht?
2. Wenn ja, warum?
3. Können Sie den Unterricht im Alten Testament in Einklang brin-
gen mit den rassischen Gesichtspunkten?
' 4. Wünschen Sie den Bibelunterricht einzustellen?
5. Versehen Sie noch den Organistendienst?
6. Wenn ja, bestehen dafür besondere Gründe?
7. Wünschen Sie diesen Dienst, aufzugeben?
8. Gehören Sie der Partei an?
Als das Erzbischöfliche Ordinariat von München am 27. April
1939 bestimmte, daß in Rücksicht auf die Kürzung der Religions-
stunden der Religionsunterricht in den oberen Klassen nur
durch Geistliche zu erteilen sei, hielten es die städtischen Schul-
behörden für angezeigt, alle Lehrpersonen aufzufordern, zum Protest
gegen diese „Beschimpfung des Lehrerstandes" den Religionsunter-
richt auch in den unteren Klassen niederzulegen.
109
In vielen Schulen Berlins tat man im Herbst 1937 den letzten
Schritt zu dem schon von Anfang an gesetzten Ziel: Der Religions-
unterricht wurde plötzlich vollständig abgeschafft. Den Eltern ward
mit einem Zirkular mitgeteilt: Wenn sie wünschten, daß ihre Kinder
weiterhin in Religion unterrichtet würden, so könnte dies außerhalb
der Schule geschehen.
„Staatsgefährliche Religionslehrmittel"
Eine neue Fessel für die kirchliche Schultätigkeit, einen neuen
Schritt zur vollen Entchristlichung der Schule bedeutete es, wenn
immer mehr religiöse Lehrmittel ausgeschaltet wurden.
So z. B. verbot die badische Unterrichtsverwaltung am 27. Januar
1937 die Weiterbehandlung der von der Fuldaer Bischofskonferenz
herausgegebenen sogenannten „Katechismus Wahrheiten"
in der Schule, ja ließ sie durch Lehrer den Kindern direkt wieder
abnehmen.
Am 24. Juli 1937 verbot der gleiche badische Unterrichts-
minister die Weiterbenützung der seit Ostern 1936 in den Schulen
der Erzdiöizese Freiburg eingeführten, seit vielen Jahren in der
Erzdiözese Breslau und anderwärts gebrauchten „Biblischen
Geschichte" in den Volksschulen und dehnte dieses Verbot 1938
auch auf die höheren Schulen aus.
Am 29. November 1937 stellte derselbe badische Minister für
Unterricht und Kultus an die kirchliche Behörde sogar die Zu-
mutung, das Alte Testament in den Schulen über-
haupt nicht mehr behandeln zu lassen. Ähnliche For-
derungen hatten rheinländischä Lehrer schon 1936 gestellt
(siehe „Westdeutscher Beobachter" vom 25. Oktober 1936). Der
Regierurigspräsident von Münster hatte schon am 8. Januar 1936
bestimrrit, daß in Rücksicht auf die Kürzung der Religionsstunden
auch eine Stoff kürzung erfolgen müsse, und zwar durch Ausschluß
des Unterrichts über das Alte Testament. Die Regierung von An-
halt verordnete im Januar 1939 neuerdings mit allem Nachdruck,
daß das Alte Testament niqht mehr im Religionsunterricht behan-
delt werden dürfte, Weisungen, welche die mit dem Religionsunter-
richt betrauten weltlichen Lehrer natürlich willig und nicht ungern
befolgten. 1937 legten 37 badische Lehrer den Religionsunterricht
nieder, '
In Bayern unterband man den Neudruck von Katechismus-
büchern, Biblischer Geschichte und DiÖzesangebetbuch mit der Be-
gründung des Papiermangels, der aber für andere Drucksachen
zweifelhaftester Art nicht bestand (1941).
Direkt verboten wurden an kirchlich approbierten Religions-
büchlein:
Dr. Martin: Glaube und Leben, Merkbüchlein für den katho-
lischen Religionsunterricht in den bayerischen Volksschulen;
110
Cohnen- Andres: Die Lehre von der Kirche;
Thoma: Weg, Wahrheit, Leben.
Der nationalfsozialistische Staat brauchte andere Schulbücher,
als solche mit klarer Darstellung der christlichen Wahrheiten und
mit christlichen Gebeten.
Der neue Religionsunterricht:
Als Vorbild würde das Buch Schenzingers: „Hitlerjunge Quex"
im Jahre 1936 da und dort den Schulkindern der fünften und
sechsten Klasse gegeben. Darin war z. B. die nationalsozialistische
Auffassung von „Unsterblichkeit" dargeboten, indem Quex, tief
traurig über den Tod seiner Mutter, gar nicht glauben kann, daß
sie für immer ausgelöscht sein soll, bis er auf einmal die Erlösung
von allem Schmerz erhält durch die Erkenntnis: „Die Mutter
lebt noch in mi r." Ein Buch mit heidnischen Ideen . ; .
Im Sommer 1936 Wurde in Mittelschulen das Buch des Staats-
ministers Dr. Paul Schmitthenner, Universitätsprofessor vor> Heidelberg,
„Führer und Völker" eingeführt. Darin werden Kirche und Papsttum
in den schwärzesten Farben als die Todfeinde des deutschen Volkes ge-
schildert, die wichtigsten katholischen Glaubenswahrheiten als voller
Gegensatz zur deutschen Tradition hingestellt; die Reform von Cluny
als undeutsch, römisch angeprangert, besonders ob des Geistes der Buße
und der Priesterherrschaft, der Forderung des Zölibats usw.; die Kreuz-
züge mit ihren Millionen von Todesopfern werden einseitig verurteilt;
Luther wird als der große Führer des deutschen Volkes und Heros im
Kampf gegen den geschworenen Hauptfeind „in Rom" verherrlicht usw.
In München-Feldmoching benützte ein Volksschullehrer im Jahre
1939 eine Ausstellung, die er mit Knaben der 6. Klasse über „Volks-
gesundheit" in der Schule veranstaltete, unter anderem zu folgender
Darstellung über „Geistiges Gift":
Ein Bild zeigte 6 Figuren: Im Vordergrund waren zwei Juden mit
dem Talmud unter dem Arm; hinter ihnen standen zwei Kommunisten
mit einem toten Mann zu ihren Füßen; "dann sah man zwei Gestalten,
die leicht als katholische Ordensleute zu erkennen waren: eine davon,
ein Mönch in Talar, hielt in der einen Hand einen Stock, in der anderen
eine Buchrolle mit der Aufschrift: „Alle Menschen sind gleich. . Liebet
Eure Feinde!"; die zweite Figur, eine Nonne mit einer Geißel in der
Hand, kniete auf einem Betstuhl, der die Aufschrift trug: „Abtötung,
Verzicht auf die Welt." Vor dem Bild lag der „Völkische Beobachter"
Nr. 43 vom 12. Februar 1939 mit Büdern von Kardinal Mündelein von
Chicago, Eden, einigen Juden u. ä.
Wie weit sich der Ersatzreligionsunterricht von nationalsozia-
listischen Lehrkräften verirren konnte, wie man nicht davor zurück-
schreckte, Hitler neben oder sogar über Jesus zu
stellen, zeigt nachstehendes Diktat, das schon am 16. März 1934
in der dritten Volksschulklasse an der Blumenschule zu München
gegeben wurde: _ j «• • .. i «
^ ^ „JesusundHitle r."
Wie Jesus die Menschen von der Sünde und Hölle befreite, so rettete
Hitler das deutsche Volk vor dem Verderben. Jesus und Hitler wurden
verfolgt, aber während Jesus gekreuzigt wurde, wurde Hitler zum Kanz-
ler erhoben. Während die Jünger Jesu ihren Meister verleugr.jten und
ihn im Stiche ließen, fielen die 16 Kameraden für ihren Führer. Die
Apostel vollendeten das Werk Ihres Herrn. Wir hoffen, daß Hitler sein
111
Werk selbst zu Ende führen darf. Jesus baute für den Himmel, Hitler
für die deutsche Erde.
Wie ernst der Ersatz des christlichen Religionsunterrichtes
durch germanischen „Religionsunte-r rieht" gedacht
und vorbereitet wurde, offenbart nachfolgendes Inserat im „Börsen-
blatt für den deutschen Buchhandel" vom 19. Februar 1935.
GERMANISCHES GOTTGEFÜHL
im christlichen Religionsunterricht
Zwölf Unterrichtsentwürfe von
Hermann Tögel u. E. H. Wohlrab
176 S. Geh. RM. 3.—, gebd. RM. 4.20
Prof. Tögel gibt in seiner „Einführung" die gedankenmäßige Grund-
legung für die unterrichtliche Behandlung des Germanenglaubens in
der Volksschule.
E. H. Wohlrab gibt in Teil II die schulpraktiche „Ausführung" in Ge-
stalt von zwölf Unterrichtsentwürfen: 1. Naturglaube, 2. Wald- und
Baumglaube, 3. Deutscher Frühlingsglaube, 4. Semnonenheim (Zin),
5. Donar, 6. Wodan-Odin, 7. Freia, 8. Nordische Frömmigkeit, 9. Alt-
sächsische f'römmigkeit, 10. Der Götter Untergang — Sieg des Christen-
tums, 11. Die deutsche Weihnacht, 12. An den Externsteinen. Die zwölf
Einheiten sind bereits schulpraktisch erprobt; denn Wohlrab hat sie mit
ministerieller und bezirksschulrätlicher Genehmigung im Winterhalb-
jahr 1933/34 mit 28 Knaben eines 7. Schuljahres an der Volksschule zu
Bad Brämbach in über 40 Religionsstunden durchgearbeitet und
die hierbei gemachten Erfahrungen in sorgfältiger Nachbearbeitung end-
gültig ausgebaut.
Chriistentum- und kirchenfeindliche Märchendeutung.
Selbst unsere schönen deutschen Märchen und Sagen mußten
sich nationalsozialistische Aus- und Umdeutung gefallen lassen und
der Hetze gegen Christentum und Kirche dienen. Wenn nach-
folgende Erklärung vom „Dornröschen" und „Schneewittchen" in
der NS-Lehrerzeitung erschien, so kennt man sofort ihre
Bestimmung: so sollte den deutschen Schulkindern
nationalsozialistisches Märchenverständnis beigebracht werden.
Nationalsoziaiistische Lehrerzeitung Reichstagung 1934 Frankfurt a, M.
8. Heft Ernting 1934 S. 87. '
DornröschensErwachen.
Von H. Paradies, Hude.
Wer es selbst an seinen Kindern erlebt hat, wie dankbar sie, Vater,
Mutter, Großmutter oder Lehrer sind, wenn diese ihnen Märchen er-
zählen, wie da die Augen leuchten, die Wangen glühen, der weiß, welche
Schätze in unseren Märchen verborgen liegen.
Was wollen uns die Märchen sagen? Sind sie nur Dichtungen oder
gar Ausgeburten der Phantasie? Nein, unsere Märchen sind viel mehr.
Sie enthalten altaristische Wahrheiten und Erkennt-
nisse. Die prophetischen oder seherischen Menschen unserer Vor-
fahren wollten in den Märchen altaristische Erkenntnis, altaristisches
Weistum auf die Nachwelt vererben. Da die neue Weltanschau-
112
•« n g, die im Werden ist, ihre Wurzeln in der Weltanschauung
unserer Vorfahren haben muß, müssen wir die Verbindung mit
der Jugendzeit unseres Volkes wiederherstellen und das Weistum un-
serer Väter für die Gegenwart auswerten. „Märchen und Mythen sind
die Fenster in den gewaltigen Bauwerken der Völkerkulturen, Sie
erhellen" den Sinn des Lebens, sie sind ein Teil von unserem Blutstamm,
und selbst die ältesten und sogar primitivsten märchenhaften Überliefe-
rungen strömen wie vorgeschichtliche Bergseen von ungeahnter Schön-
heit und Tiefe im Unterbewußtsein der Lebenden weiter."
Die Kräfte zieht das Märchen aus einer Kulturschicht, die Jahr-
tausende zurückliegt. In den Köpfen des deutschen Bauernvolkes hat
sich dieses Weistum vererbt. Erst die Gebrüder Grimni haben die Mär-
chen gesammelt und aufgeschrieben. Diejenigen unserer Vorfahren, die
das ererbte Gut unverkürzt den Enkeln weitergaben, waren sicher nicht
im Besitze solcher Weisheit, kaum daß sie den tieferen Sinn auch nur
geahnt haben.
Märchen- „Verkalung"
Nach Werner von Bülow liegt der tiefere Sinn der Märchen in den
sogenannten Kennworten verborgen, und diese sind so gewählt, daß sie
sich dem Gedächtnis gut einprägen. So ist das entstanden, was man
später „Verkalung" genannt hat. „Es bildete sich eine Formen- und
Formelsprache heraus, durch die höchste geistige Werte auch von Un-
mündigen und Unverständigen weitergegeben werden konnten, bis ein
Geschlecht heranwuchs, in dem die Keime sich zu neuer Blüte ent-
falten konnten." Diese Zeit ist' da! Der Königs söhn des Mär-
chens, der Dornröschen und Schneewittchen aus dem Grabe erweckt,
ist da.
Die Verkalung, Vertarnung, Verheimlichung war notwendig, um sich
vor Verfolgungen zu retten. Die Verfolgung ging namentlich von der
christlichen Kirche des frühen Mittelalters aus. Wir wissen ja aus der
Geschichte, daß Ludwig der Fromme auf Drängen der daraialigen frem-
den, vielfach nichtdeutschen Priester und Missionare alles verbrennen
und zerstören ließ, was an arischem Kulturgut vorhanden war.
DieKennworte desMärchens.
Kenn Worte sind: Prinzessin, Prinz, Jäger, Stiefmutter, die Magd,
der Jude, Schlange, Wolf, Fuchs, Eule, Taube, Esel, Zwerge, Riesen,
Dornbusch, Fiedler etc. Das Königskind bedeutet im Märchen alle-
mal die menschliche Seele, sowohl die Seele des Einzelmenschen
wie die Seele der ganzen Volksgenieinschaft. Unter einer Prinzessin
stellen wir uns das herrlichste und schönste Mädchen vor, ausgestattet
mit allen Tugenden der Rasse. Was ist das Herrlichste und Schönste
am Menschen? Seine Seele, der göttliche Odem. Das Gegenstück zur
Königstochter ist die böse Magd, sie versinnbildlicht die niederen Triebe
in der Menschenbrust. Ebenfalls ist die Stiefmutter (Sneewittchen,
Aschenbrödel) ein Gegenstück zum edlen Königskind. Die Stief-
mütter sind die bösen Fremdkräfte, die die deutsche
Volksseele zugrunderichten wollen. Prinz und Jäger sind
die Geistesmenschen der Nation, die Führer und Helden, die uns aus dem
unwürdigen Gefängnis befreien wollen. Daß der Jude das Symbol der
Raffgier ist, der Wolf die Gefräßigkeit und Unersättlichkeit versinnbild-
licht, ist jedem Deutschen bekannt. Die Kennworte könnte man beliebig
vermehren, ihre Deutung ist nicht schwer.
„Dornröschen"
Es sollen noch kurz die beiden Märchen Sneewittchen und Dorn-
röschen gedeutet werden. Die Märchen sind verwandt. Beide versinn-
bildlichen die Wiedererweckung des deutschen Volkes
113
zu neuem Leben, (Nationale Wiedergeburt.) Dornröschen, die
deutsche Volksseele, soll von der bösen Fee (die uns feindlichen
Fremdkräfte) getötet werden. Dornröschen soll in der Blüte der
Jahre sterben. Aber eine von den guten Feen (die edlen Rasseeigen-
schaften, die Erberinnerung) kann den vernichtenden Schlag
noch mildern. Dornröschen fällt nur in einen langen, langen Schlaf.
Viele Prinzen, deutsche Geistesmenschen und Helden des Schwertes
(Hermann der Cherusker, Meister Ekkehardt, Luther, Friedrich der
Große, Stein, Lagarde, Bismarck und viele andere) versuchten das
deutsche Volk von fremden Einflüssen zu befreien; aber keinem ist es
restlos gelungen. Erst in unseren Tagen ist der Mann er-
standen, der die deutsche Volksseele wachgeküßt hat:
Adolf Hitler.
„S n e e w i 1 1 c h e n"
Im Märchen vom Sneewittchen wird ebenfalls die Auferstehung
oder besser die Wiedererweckung der deutschen Volksseele versinn-
bildlicht. Die böse Stiefmutter (die feindlichenFremdkräfte:
rote, schwarze und gelbe Internationale) will Sneewitt-
chen, die deutsche Volksseele, vernichten mit dem odembeklemmenden
Schnürriemen, das zweitemal mit einem vergifteten Kamm, zuletzt er-
folgreich mit dem vergifteten Apfel.
Zuerst ward der deutsche Geist in die Schnürriemen fremder
Begriffe eingezwängt. Das fing mit dem römischen Wesen an,
setzte sich in judaisierten Glaubenselementen fort und
gipfelte in allerhand internationalen Schlag- und Trugworten. Sodann
fuhr der scharfe Kamm fremder Willensrichtung uns durch
die Haare. Der römische Imperiumsgedanke lenkte den deutschen Tat-
willen von seinen eigentlichen Zielen ab (Kaiser Friedrich Barbarossa).
Die nach Rom fahrenden deutschen Kaiser verurteilten das deutsche
Königtum zur Ohnmacht im Innern des Reiches. Das römische Reich
unterdrückte deutsche Freiheit. Der materielle Erwerb, zum Selbst-
zweck erhoben, beherrschte schließlich Denken und Trachten vollstän-
dig. (Werner von Bülow.)
Allen drei Versuchen erliegt Sneewittchen. Dem letzten Eingriff
können auch die hilfreichen Zwerge (die sieben Planeten, damals Sonne,
Mond, Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn) die a r t e i g e n,e n
rassischen Kräfte im deutschen Menschen (die Erb-
erinnerung) nicht wieder gutmachen. Aber der Königssohn naht, der
giftige Apfelbiß fällt aus dem Munde, und Sneewittchen erwacht.
„Altaristisches Mythenweistu m"
Ebenso offenbart sich in den Mythen altaristisches Weistum, altari-
stische Erkenntnis: Antäus, in der griechischen Mythologie der Sohn des
Poseidon und der Gäa', der Mutter Erde, zwingt jeden Fremdling mit
ihm zu ringen. Keiner konnte ihm widerstehen; denn er empfing, so-
lange er die Erde berührte, von dieser seiner Mutter, immer wieder
frische Kraft.
Die Besiegten tötete er und schmückte mit ihren Schädeln den
Tempel seines Vaters Poseidon. Endlich wurde er von einem fremden
Riesen überwunden, der ihn frei in die Höhe hob und ihn so in der
Luft schwebend, ehe er wieder die Erde berühren konnte, erdrückte.
Könnte diese Mythe nicht von einem zeitgenössischen Beobachter
geschrieben sein? Der mit der Erde verwurzelte Riese konnte der
Bauernstand sein, der seine Kraft und Stärke von der Mutter Eirde
hat. Der andere Riese, der ihm sein Geheimnis abgelauscht hat, ist das
Fremdtum, das den Bauern entwurzelt, ihn in die Großstadt zu
locken versucht und ihn hier leicht umbringt,
Haben wir nicht das Gefühl, als wenn wir in dem letzten Jahr dies
alles leibhaftig miterlebt hätten? Ist nicht jetzt plötzlich dem deutschen
114
Volke es v;ie Schupppen von den Augen gefallen, hatAdblfHitler
mit seinem Geisteshauch nicht das deutsche Volk au3
einem langen Schlaf zu neuem Leben erweckt! Haben
wir nicht am 1. Mai 1933 ein herrliches Hochzeitsfest zwischen dem
Prinzen und der Prinzessin gefeiert!
Pas sind die trostreichen Märchen vom Dornröschen und Snee-
wittchen.
So laßt uns die Märchen als besonderes Geistesgut unserer Nation
würdigen und in Ehren halten!
Abschaffung des Schulgebetes.
Eine neue Station auf dem Weg der Entchristlichung der Schule
war die Abschaffung des Schulgebetes und die Entfernung der
Schulkreuze. Dies ging an mit der „Simultanisierung" des
Schi^lgebetes. Ein Beispiel dafür bietet folgender Bericht des Bi-
schöflichen Ordinariates Regensburg vom 22. Dezember 1936: ■
„Wir beehren uns, Abschrift eines Berichtes vorzulegen, über die
Verhältnisse in einer Gemeinschaftsschule mii über 500 katholischen und
nur 35 protestantischen Kindern:
Am Mittwoch, den 9. Dezember 1936 wurde den Kindern der Hans-
Schemm-Schule in Regensburg- Schottenheim in allen Klassen so-
wohl das Kreuzzeichen als auch das Hände falten beim
Schulgebet untersagt. Voller Entrüstung kamen die Eltern in
den Pfarrhof und berichteten darüber.
Auf Befragen bei der Schulleitung, von wem und warum dieses Ver-
bot erlassen worden sei, erklärte der Schulleiter, Hauptlehrer Blank,
folgendes:
V 1.) Das Verbot gehe weder von der Schulleitung noch von der
Stadtschulbehörde noch von der Regierung aus, sondern von der Be-
wegung. Bezirksoberlehrer Wiesend, Kreisamtswalter des NSLB, habe
auf Grund seiner Visitation in der Schule anfangs Dezember nunmehr
dieses Verbot erlassen. Daß Staat und Bewegung dasselbe sei, sei be-
kannt.
2.) Der Grund dieser Verordnung Hege darin, daß nur eine neu-
tral e Gebetshaltung mit dem Wesen der Gemeinschaftsschule verein-
bar sei. Ein Widerstand von selten der Eltern oder der Kinder müßte
sofort an die Kreisleitung gemeldet werden.
Eine Lehrkraft hat sich den Kindern gegenüber, wie die Eltern
berichten, über den Grund noch näher hin geäußert; nur diese neutrale
Gebetshaltung ohne Händefalten und Kreuzzeichen sei eines deutschen
Jungen würdig ..."
Ähnlich wurde am 30. Oktober 1937 in Neumarkt in der
Oberpfalz, alsbald nachdem die Umwandlung der Bekenntnisschule
in eine Simultanschule (14. Oktober 1937) vollzogen war, mit Rund-
schreiben des SchuUeitefs allen Klassen, auch den rein katho-
lischen, verboten, noch weiter das Kreuzzeichen machen und daf
„Vaterunser" beten zu lassen.
Im Oberdonau gebiet wurde das Schulgebet verboten
mit dem Vorwand, daß das „Aufsagen der üblichen Gebete der ver-
schiedenen Bekenntnisse" eine schädlicheEinwirkungauf
115
den wahren völkischen Gemeinschaftsgeist in den
Schuiräumen bringe.
Die nationalsozialistische Gemeinschaftsschule verlangte andere
Gebete, wie z. B. „Gütige Hand des Allrnächtigen, leite die Arbeiten
unserer Schule, sei weit ausgebreitet über unseren Führer und be-
wahre ihn vor jeglichem Bösen. Segne unser Land und unser "Volk!
Sei du ewig unser Gott!"
Entfernung des Schulkreuzes.
Der Kampf gegen das Schulkreuz begann, wie es scheint, zu-
erst in Oldenburg, indem der Minister des Innern und der
Kirchen und Schulen im Lande Oldenburg am' 4. November 1936
verordnete;
„Sämtliche öffentliche Gebäude des Staates, der Gemeinden und
Gemeindeverbände gehören dem ganzen deutschen Volke ohne Rück-
sicht auf das religiöse Glaubensbekenntnis der einzelnen Volksgenossen.
Dies gilt auch für alle Schulgebäude. Es ist daher nicht zulässig, daß
öffentliche Schulgebäude kirchlich eingeweiht oder eingesegnet
werden. Aus gegebener Veranlassung wird darauf besonders hin-
gewiesen.
öifentliche Verwaltungsgebäude des Staates sind von alters \ier mit
konfessionellen Zeichen — z. B.' Kruzifix oder Lutherbild — nicht aus-
gestattet worden. Dies entspricht auch schon deshalb einem sachlichen
Bedürfnis, weil der Staat das ganze deutsche Volk umfaßt. Für alle
öffentlichen Verwaltungsgebäude der Gemeinden und Gemeindeverbände
müssen die gleichen Gesichtspunkte maßgebend sein. Schulgebäude des
Staates, der Gemeinden und Gemeindeverbände sind nicht anders zu
behandeln. Auch die Volksschulgebäude machen dabei keine Ausnahme;
denn sie gehören der Gesamtheit . und nicht irgendeiner bestimmten
Glaubensrichtung.
Demgemäß ordnen wir an, daß künftig in Gebäuden des
Staates, der G e meinden undGemeindeverbände kirch-
liche und andere religiöse Zeichen oben erwähnten
oder ähnlichen Charakters nicht mehr angebracht
werden dürfen. Die bereits vorhandenen sind zu ent-
fernen.
Über das Veranlaßte ist bis zum 15. Dezember d. J. zu berichten.
I.V. gez. Pauly
Beglaubigt:
Wulff, Verwaltungssekretär."
Einen anderen Versuch, das Kreuz aus der Schule zu entfernen,
berichtete das Bischöfliche Ordinariat Münster am 26. Jan. 1937:
„Am 21. Januar 1937 wurde in der Katholischen Volksschule zu Bis-
lich (Kreis Rees, Diözese Münster in Westfalen) auf Anordnung des
Kreisschulrates das Kreuz von seinem Ehrenplatz entfernt und über
der Türe angebracht. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich diese Kunde
und löste bei der gläubigen Bevölkerung große Erregung aus. Als ich
am 22. Januar in einer Schulklasse Unterricht zu erteilen hatte, saßen
die Kinder laut weinend vor mir, so daß ein Unterrichten
kaum möglich war.
Am Sonntag, den 24. Januar, habe ich in jeder hl. Messe den
Gläubigen diese Tats.ache bekanntgegeben und sie auf^
116
gefordert, mit mir niederzuknien und zur Sühne 5 Vaterunser zu Ehren
der hl. 5 Wunden unseres gekreuzigten Heilandes zu beten.
Am Montag, den 25. Januar, morgens 9 Uhr, kamen 500 Männer
und Frauen auf dem Schulhof zusammen. Der hiesige Polizeiwacht-
meister Wissen suchte unter Hinweis darauf, daß eine Versammlung
nicht angemeldet sei, die Leute zu bewegen, sich Wieder zu zerstreuen.
Auf die Frage des Wachtmeisters, wer die Leute eingeladen hätte, wurde
ihm aus der Menge geantwortet, sie seien aus ieigenem Antrieb gekom-
men. Dann forderte die Menge in immer wiederholtem Sprechchor:
,Wir wollen das Kreuz auf seinem alten Platz haben!'
Dazwischen wurden zwei Strophen des Christkönigsliedes mit
erhobener Schwurhand gesungen. Bei Beginn der Schulpause, 9.15 Uhr,
forderte die Menge im Sprechchor: ,Wir wollen die Lehrer sprechen!*
Darauf erschien der Hauptlehrer und ließ durch den Wachtmeister er-
klären: ,Die Kreuze hängen wieder am alten Platz.' Diese Mitteilung
wurde mit großer Begeisterung aufgenommen, Auf Verlangen der Menge
betrat einer der Männer die Schule, um sich von der Richtigkeit dieser '
Erklärung zu überzeugen. Währenddessen sang die Menge das Lied:
,0 Du hochheilig Kreuz!' Als bekanntgegeben wurde, daß alle
Kreuze wieder auf ihrem alten Platze hingen, stimmte die Menge das
Deutschlandlied an. Im Anschluß daran wurde folgendes Protestschrei-
ben verlesen, das an die Regierung in Düsseldorf gesandt werden soll:
,Am 21. Januar 1937 wurde in der katholischen Volksschule zu Bis-
llch auf Veranlassung des Kreisschulrates Herrn Abel das Kruzifix von
seinem Platz, den es von alters her in der Schule im Blickfeld der Kin-
der hatte, entfernt und an einer Seiteriwand des Schulraumes an-
gebracht. Wir christlichen Volksgenossen der Gemeinde Bislich haben
für diese Maßnahme der .Schulbehörde kein Verständnis und erblickerT
darin den ersten Schritt, ähnlich wie in Rußland und Spanien, das
Kruzifix gänzlich aus dem Schulraum und damit aus dem Gedan-
kenkreis unserer Kinder zu entfernen. Deswegen erheben wir
gegen dieses Vorgehen einmütig allerschärfsten Protest und verlangen,
daß dem Christuskreuz, dem Zeichen unseres Glaubens, der ihm ge-
bührende Ehrenplatz wiedergegeben und daß es davon nicht wieder
entfernt wird. Wir berufen uns dabei auf die uns von höchster Stelle
gegebenen und in heiligen Verträgen verankerten Zusicherungen,
Die Eltern und Einwohner der Gemeinde Bislich.'
Nach Verlesung dieses Schreibens wurden die Anwesenden gebeten,
durch ihre Unterschrift zu diesem Protestschreiben ihre Zustimmung zu
geben. Um eine möglichst schnelle Abfertigung zu erzielen, wurden in
zwei Sälen und außerdem auf der Dorfstraße Tische aufgestellt, auf
denen die Unterschriften gegeben wurden.
Am gleichen Morgen vor der Kundgebung fuhr eine Abordnung von
5 Männern aus Bislich zur Regierung nach Düsseldorf, um Auskunft zu
erbitten, ob die Maßnahme des Schulrates von der Regierung gebilligt
würde. Es wurde ihnen erklärt, daß es nicht der Wille der Regierung
in Düsseldorf und auch nicht der Wille des Herrn Oberpräsidenten sei,
daß das Kreuz von seinem Ehrenplatz entfernt würde. Auf Wunsch der
Regierung fuhren zwei Mitglieder der Abordnung zum Schulrat nach
Wegel, um die Angelegenheit in Güte beizulegen. Zum großen Staunen
der beiden erklärte der Schulrat, daß er dem Hauptlehrer in Bislich
keinen Befehl gegeben habp, das Kreuz zu verhängen, obwohl der Haupt-
lehrer nach wie vor behauptet, er könne mit einem Eide bekräftigen,
daß dieser Befehl ihm vom Schulrat am 21. des Monats gegeben sei.
Außerdem erklärte der Schulrat den beiden unter anderem: ,Die Ge-
meinschaftsschule kommt doch!'"
In der Rheinpfalz kam es in der Pfarrei Frankenholz zu
einem heftigen Kampf um den Vorrang desChristuszei-
117
chens vor dem Führerbild. Ein Hirtenwort des Bischofs
von Speyer berichtet darüber am 14. Februar 1937:
„Liebe Diözesanen! Vor einigen Wochen habe ich Euch von den
wackeren Katholiken in Oldenburg berichtet, die siegreich gegen die
Entfernung des Kreuzes in den Schulen sich gewehrt haben. Nun muß
ich Euch zur gleichen Treue und Standhaftigkeit aufrufen in einem Fall,
der sich leider in der ;Pfarrei Frankenholz' unserer Diözese zugetra-
gen hat:
• Auf Veranlassung des dortigen stellvertretenden Schulleiters wurde
am 25. Januar 1937 während der Mittagsstünden in drei Schulsälen der
katholischen Bekenntnisschule zu Frankenholz das Kreuz von seinem
bisherigen Ehrenplatz entfernt und an seiner Stelle das Bild des Füh-
rers angebracht. Der stellvertretende SchuUeitet erklärte vor den Lehr-
personen und vor dem Pfarrer, daß in der Schulleiterkonferenz zu Hom-
burg am 23. Januar 1937 von dem Vorsitzenden Anweisung gegeben
worden sei, das Pührerbild in das Blickfeld der Kinder
zuhängen. Das Kreuz soll über der Türe seinen Platz erhalten. Viele
Eltern der Kinder waren auf die Nachricht dieser Maßnahme hin sehr
erregt. Denn sie waren sich bewußt, daß das heldenmütige Beispiel des
gekreuzigten Erlösers den Kindern allezeit vor Augen stehen müsse,
wenn sie zu charaktervollen Menschen, zu echten Christen und dadurch
zu wahrhaften Deutschen erzogen werden sollen. Die Haltung der Eltern
war nichi gegen die B^ehörde gerichtet, sondern gegen die Maßnahmen
des stellvertretenden Schulleiters in Frankenholz, weil bekannt wurde,
daß es nui ein örtliches Vorkommnis war. Seit dem 4. Februar wurden
in Frankenholz unter großer Anteilnahme der Bevölkerung Betstunden
gehalten, um einen guten Ausgang der Kreuzangelegenheit von Christus
dem Gekreuzigten zu erflehen. Eine Abordnung von acht verdienten
Männern wurde am Montag, den 8. Februar 1937, und Mittwoch, den
10. Februar 1937, bei der Regierung des Saarlandes vorstellig, um die
Forderung zu erheben, die Kreuze wieder an ihren alten Platz zu brin-
gen. Erregt über die Vorkommnisse haben 80 Prozent
der Eltern ihre Kinder von der 3. bis 7. Klasse nicht
mehr in die Schule geschickt. Die Lehrerin der beiden
untersten Klassen beließ das Kreuz entgegen der Forderung des
Schulleiters an seinem alten Platz und ließ das Führerbild darunter
anbringen. i
' Der stellvertrende Schulleiter ließ am Montag, den 8. Februar, die
Eltern, welche ihre Kinder am Morgen nicht zur Schule geschickt hat-
ten, im Schulhause versammeln, forderte sie auf, die Kinder wieder in
die Schule zu schicken und machte sie auf die ernsten Folgen eines
Schulstreikes aufmerksam. Die Versammelten ließen den Sprecher fast
nicht zu Worte kommen und unterbrachen seine Ausführungen immer
wieder mit dem Ruf: ,Das Kreuz an seinen Platz!' — Darauf
wurde die Versammlung geschlossen. Das Haus wurde von der Polizei
geräumt. Unterdessen hatten sich vor dem Schulgebäude viele Hunderte
von Leuten jeden Alters und Standes versammelt, um den Ausgang der
Verhandlungen abzuwarten. Auch sie brachten immer wieder durch
stürmische Rufe: ,Das Kreuz an seinen Platz!* zum Ausdruck, daß sie
sich mit den übrigen Eltern solidarisch erklärten. Ihre Versuche, an
der Versammlung teilzunehmen, wurden von der Polizei nicht gestattet.
Am Tage darauf gingen viele Eltern mit ihren Kindern zur Schule. Als
sie aber festgestellt hatten, daß das Kreuz noch nicht an seinem alten
Platz hänge, nahmen sie die Kinder wieder mit nach Hause. Daraufhin
verordnete die Regierung für das Saarland bis auf weiteres Schulferien
für die drei streikenden Schulklassen.
Die Erregung unter der Bevölkerung war groß, als am Donnerstag,
den 11. Februar, bekannt wurde, daß die Lehrerin, die das
118 '
Kreuz an seinem Platz belassen hatte, vorläufig aus
dem Schuldienst entlassen sei. Die Bestürzung war um so
größer, als der Bevölkerung bekannt wurde, daß der Abordnung der
acht Männer von der Regierung in Saarbrücken zugesichert worden
war, daß die Kreuzangelegenheit zur allgemeinen Zufriedenheit bald
beigelegt werde. .
Inzwischen wird die Bevölkerung, die ausnahmslos in abhängiger
Stellung ist, einzuschüchtern versucht durch Drohungen, daß sie wirt-
schaftliche Schädigungen (Entlassungen von der Arbeitsstelle) und
schwere Freiheitsstrafen zu gewärtigen hätte.
Liebe Diözesanen! Einmütig sprechen wir den wackeren Katholiken
von Frankenholz unsere aufrichtige und uneingeschränkte Anerkennung
ob ihres unerschrockenen Eintretens für Christus, den Gekreuzigten, aus.
Wir alle fühlen uns mit ihnen eins und helfen durch unser Gebet zu
einem glücklichen Ausgang des beklagenswerten Vorfalles. Wir wollen
zugleich daraus die Lehre ziehen, immer für die Ehre des Kreuzes Christi
wachsam zu sein und alle Versuche, dieses Zeichen unserer Erlösung
irgendwie herabzuwürdigen, mit Entschiedenheit abwehren.
Die oberhirtliche Stelle hat bei den maßgebenden Behörden des
Saarlandes schärfsten Einspruch erhoben. In dieser entscheidenden An-
gelegenheit betet heute ein Vaterunser und Ave Maria!"
In B ay e rn glaubten Regierung und Partei im Jahre 1941 den
letzten Schritt zur Entchristlichung der Schule machen zu können,
stießen aber auch hier auf allseitigen kräftigen Widerstand. Auch
dafür ein sprechendes Beispiel:
„Im Jahre 1941 setzte durch den Staat der Kampf wider das Kreuz
ein. Die Kreuze in den Schulen wurden entfernt. Affecking (Nieder-
bayern) behielt sein Schulkreuz noch. Wegen der sich durch die Weg-
nahme der Kreuze in vielen Gemeinden ergebenden Unruhen wurde ein
Ministerialerlaß herausgegeben (von Anfang September 1941), wonach
Kreuze aus den Schulzimmern nicht mehr entfernt werden durften.
Nach Vorliegen dieses Erlasses wurde am 9* September durch den
seinerzeitigen Kreisleiter , Dr. Donderer das Kreuz eigenhändig aus
der Schule entfernt und mit nach Kelheim genommen. Auf späteres
Schreiben des Pfarrers, daß das Kreuz sein Eigentum sei, wurde es ihm
ausgehändigt und fand seinen Platz im Pfarrhof.
Die Frauen des Dorfes (darunter viele Kriegerfrauen) waren beun-
ruhigt durch die Wegnahme des Kreuzes; sie wußten auch von dem
Erlaß, wonach, das unstatthaft war. Die Schulen sollten am 10. Oktober
1941 wieder beginnen. Zu Beginn der Schulstunden fanden sich wohl
100 Frauen im unteren Dorfe vor der Schule ein und brachten ein Kreuz
mit, das sie im Schulraum wieder anbringen wollten. Der Lehrer L i n d -
ner ließ i^nen sagen, er habe das Kreuz nicht aus der Schule entfernt
und könne auch keines wieder anbringen, sie sollten sich mit dem Kreis-
leiter auseinandersetzen. Eine der Frauen rief den Kreisleiter an und
sagte ihm, es seien Kriegerfrauen vor dem Affeckinger Schulhaus und
wollten das Kreuz wieder auf seinen alten Platz in die Schule bringen.
Donderers Antwort war: ,Was wollt Ihr sein? Kriegerfrauen? Ihr seid
Kriegerarschlöcher!' (Einem anderen hätte eine solch verächtliche Be-
merkung über Kriegerfrauen zum mindesten Zuchthaus eingebracht.) Sie
hätten sofort heimzugehen, die Polizei käme schon, (Diese war an-
scheinend durch den Lehrer verständigt worden.) Es erschienen zwei
Polizeibeamte (einer war L o i b 1) und befahlen den Frauen, sofort heim-
zugehen; sonst würden sie verhaftet. Pfarrer Rohrmeier hatte an
dem Morgen nach der hl. Messe eine Taufe und kam gerade aus der
alten Kirche.; Er hörte die Bemerkung von der Verhaftung und sagte zU
119
Loibl: jMeine Pfarrkinder lasse ich nicht verhaften; dehn diese sind im"
Recht, da ein Erlaß vorhanden ist, wonach Schulkreuze nicht mehr ent-
fernt werden dürfen. Wenn jemand verhaftet werden soll, dann ich,
nicht meine Pfarrkinder! Ich stehe für sie ein.' Loibl darauf: .Steigen
Sie nur gleich ein!' Daraufhin umringten die Frauen den Pfarrer und
riefen den Polizisten zu: ,Unsern Pfarrer lassen wir nicht verhaften!'
Um die Frauen zu beruhigen, bat Pfarrer Rohrmeier Loibl in den Pfarr-
hof, wo er mit ihm eine längere Auseinandersetzung hatte, in der er
Loibl den Vorwurf machte, daß er -^ entgegen seiner Pfarrer Rohrmeier
in Cham gegenüber geäußerten Aussage — aus der Kirche ausgetreten
. sei. — Am Mittag kam dann die Geheime Staatspolizei von Regensburg,
verhaftete Pfarrer Rohrmeier und nahm ihn mit nach Kel-
heim, wo er bis zum Abend verhört wurde, und dann nach Regensburg
ins Amtsgerichtsgefängnis, später für 4 Jahre ins Kz Dachau ! !
Das war der Beginn einer langen und harten Zeit. Erst nach der Be-
freiung des Pfarrers aus dem Kz am 18. Juli 1945 wurde das Kreuz wie-
der feierlich in die Schvüe getragen. Eine kurze Ansprache, die ein Lob
der Frauen für ihr damaliges tapferes Eintreten für das Kreuz war und
zugleich ein Dank für des Herrgottes gütige Fügung, und die Segnung
des Hauses folgte dann. Nun dürfen Affeclcings Kinder wieder unter
dem Kreuz groß werden!"
Auch das religiöse Lied v er stumm t in der Schule!
Mit Kreuz und Gebet verschwand auch das religiöse Lied aus
der Schule des Dritten Reiches. In Baden wurde es schon zu Ostern
1937 beseitigt.
Statt des religiösen Liedes kamen dann triviale Lieder, wie sie
die HJ gern sang, z. B.:
„Wir sind des Geiers schwarze Haufen."
Oder das Lied
„Schwarze Fahne"
das z. B. vom „deutsehen Jungvolk" Fähnlein 22/2/L als Liederblatt Nr. 2
verbreitet wurde:
1. Schwarze Fahne, halte stand!
Sturmgewitter zieh'n durchs Land,
Landsknechtstrommeln dröhnen gut,
Brüllt sie an die Pfaffenbrut.
:/:Wer sich unserer Fahne verschreibt,
Muß ihr folgen.
Wohin sie auch treibt.
Wer sich unserer Fahne verschwört,
Hat nichts mehr.
Was ihm selber gehört!:/:
2. Wehe Fahne, weh' zum Sturm,
Wer dich anspeit, ist ein Wurm,
Gleich dem Wurm wird er zertreten,
Keine Zeit hat er zum Beten.
:/:Wer sich unserer Fahne verschreibt . . .:/;
3. Schwarze Fahne, halte stand!
Sturmgewitter zieh'n durchs Land,
Landsknechtstrommeln dröhnen gut,
Brüllt sie an die Pfaffenbrut.
:/:Wer sich unserer Fahne versehreibt...:/:
120
Ja, sogar folgendes gotteslästerliche Lied wurde eingeübt und
gesungen:
„Wir sind die fröhliche Hitlerjugend,
Wir brauchen keine c h r i s 1 1 i ch e Tugend,
Denn unser Führer Adolf Hitler
Ist unser Erlöser., ist unser Mittler.
Kein Pfaff, kein böser, kann uns verhindern
Uns zu fühlen als H i 1 1 e r « K i n d e r.
Nicht Christus folgen wir, sondern Horst Wessel.
Fort mit Weihrauch und Weihwasserkessel.
Wir folgen singend Hitlers Fahnen,
Nur dann sind wir würdig unserer Ahnen.
IchbinkeinChristundkeinKatholik,
Ich geh mit SA durch dünn und dick.
Die Kirche kann mir gestohlen werden.
Das Hakenkreuz macht mich glücklich auf Erden.
Ihm will ich folgen auf Schritt und Tritt,
Baidur von Schirach, nimm mich mit!"
In der Singschule, welche die Kreisbauernschaft Ti-aunstein
„zur vermehrten Pflege des schönen heimischen Volksliedes" ver-
anstaltete, wurden für die öffentliche Veranstaltung auch Lieder-
(„Gstanzln") „von ganz eindeutiger Erotik" eingeübt
(Bericht des nationalsozialistischen „Mühldorf er Anzeigers" vom
Februar 1934).
Volksschullehrer Thomas Irrgang von Schlier see in
Oberbayern trug am 30. Juni 1936 seinen Schülern in der vierten
Klasse, also in der Klasse der Erstkommunikanten, auf, binnen acht
Tagen das neuheidnische Lied der „Deutschen
Glaubensbewegung": „Der Herbstwind fährt über das
Stoppelfeld" auswendig zu lernen. Der Text lautet:
„Der Herbststurm weht übers Stoppelfeld,
er weht über Acker und Brache;
Ein neues Jahrhundert beginnt in der Welt;
du, schlafendes Deutschland, erwache!
D er Pap st sitzt in Rom aufsei dnem Thron,
es sitzen bei uns seine Pfaffen.
Was hat einer deutschen Mutter Sohn
mit Papst und den Pf äff en zu schaff en?
Man hat unsere Ahnen als Ketzer verbrannt
der streitenden Kirche zur Ehre,
in Asiens Wüsten, im heiligen Land
verbluteten deutsche Heere.
Rot floß die Aller vom Sachsenblut,
die Stetinger wurden erschlagen;
als Ablaß wurde das Bauerngut
vom Mönch ins Welschland getragen.
Die Zeit verging, der Pfaffe, der blieb. —
Wir brauchen zum Himmel die Mittler nicht,
uns leuchten ja Sonne und Sterne,
und Blut und Schwert und Sonnenrad
sind Kämpfer in jeglicher Ferne."
121
So kam man dem letzten Ziel,
der nationalsozialistischen Weltanschaüungs-
schule,
immer näher.
Professor B ä u m 1 e r, Sektionschef im Stab .Rosönberg, hatte
dies schon 1938 in der Zeitschrift: „Weltanschauung und Schule"
offen ausgesprochen mit der Erklärung, ,',daß die Gemeinschafts-
schule durchaus, nicht eine Schule ohne Bekenntnis sei, weil sie
eben nicht etwa bloß mehr Staatsschule sei, sondern vielmehr
eine Schule für nationalsozialistischen Glau-
b»»
en. . . .
Ähnlich wurde 1939 auf einer der Jubiläumsfeiern des National-
sozialistischen Lehrerbundes als einer der Hauptgrundsätze betont:
„Der Nationalsozialismus hat die Bekenntnisschule nicht abgeschafft,
um sie zu verweltlichen. Er hat sie in eine Schule verwandelt,
welche den nationalsozialistischen Glauben be-
k e n n t." (Also auch eine „Bekenntnis schule", aber neuer,
deutscher, heidnischer Art! Der Verf.)
Am brutalsten umriß das Endziel Stadtschulrat Bauer von
München, als er in einer Versammlung am 14. Juni 1939, die Maske
vollends ablegend, die ihm bei der Propaganda für die Simultan-
schule so dienlich war, offen erklärte: „D er Religionsunter-
richt muß verschwinden aus den Schulen. Wir for-
dern: Unter rieht ü.b er den deutschen Glauben durch
DeutscheinderdeutschenSchule! Wer an die Dogmen
der Kirche gebunden ist, hat von uns in Zukunft nichts zu er-
warten."
Vorbild hiefür sollten die Adolf-Hitler-Schulen sein.
Sie hatten weder einen christlichen Religionsunterricht noch irgend-
eine christliche religiöse Betätigung, nur Unterricht auf der Basis
der Rosenbergideen und Religions geschieht s Unterricht. So
sollten die künftigen „Führer" der Bewegung herangebildet werden
und andere heranbilden.
5. Fesseln für die katholischen Orden.
„Die Ordensgesellschaften, in welchen wir nur eine Ver-
neinung des Lebens sehen und die eine große Gefahr für die Moral des
deutschen Volkes sind, müssen verschwinde n."
(Führerblätter der „HJ" 1936, S.31.)
„Wandelnde Leichname sind alle jene Mönche und Nonnen, die Rom
den Kadavergehorsam geschworen. Sie sind bis in die Seele entdeutscht,
entwurzelt, religiös vernichtet. Wir dürfen die kirchlich-klö-
sterlichen Zwingburgen nicht mehr im Vaterlande
dulden, dürfen nicht lässig zusehen, wie man Zehntausende unserer
Jünglinge und Jungfrauen seelisch entführt, ihnen die deutsche Seele
stiehlt und ihnen die naturhaft heilige Gemeinschaftsreligion nicht er-
laubt. Alle Sekten und Kirchen sind im DBFE (Deutscher Bund für
122
heitsreliglon). Es gibt nur mehr 1 Reich, 1 Religion mit der Reichs-
ministeriellen Spitze.
Unser unbeugsamer Wille zur Volkwerdung lautet:
Durch deutsche Einheitsreligion zum deutschen Einheitsstaat, zum großen
Dritten Deutschen Reich, zum freien Volk auf freiem Grund!"
(Dr. Hompf: „Reich und Religion", Verlag für nationalsozialistisches
Schrifttum, Stuttgart.)
„Die Orden sind der militante Arm der katholischen Kirche. Sie
müssen daher von ihren Einflußgebieten zurückgedrängt, ein-
geengt und schließlich vernichtet werden."
„Für umfassendere Maßnahmen auf dem Gebiete des Ordenswesens
muß der Boden erst propagandistisch noch mehr vorbereitet
werden."
(Geheimanweisung des Reichssicherheitsdienstes v. 15. Februar 1938.)
Äußerungen von drei verschiedenen Seiten, eins in der Z i e 1 -
kundgäbe: Vernichtung der katholischen Orden.
Und das Mittel hiezu: Propagandistische Vorberei-
tungdesBodenSi
Und für diese Propaganda hatte Goebbels längst die Richt-
linien festgelegt mit den Worten:
„Die Aufgabe der Propaganda ist nicht ein Abwägen der v e r -
schie denen Rechte, sondern das ausschließliche Be-
tonen des einen, durch Propaganda zu vertretenden (Rechtes). Sie
hat nicht objektiv die Wahrheit, soweit sie andern günstig
ist, zu erforschen, um sie dann der Masse in doktrinärer Auf-
richtigkeit vorzusetzen, sondern ununterbrochen der eige-
nen zu dienen." So lautete Goebbels allgemeine Anweisung.
Und er wandte sie rücksichtslos und skrupellos gegen die Orden an,
um sie zunächst moralisch zu vernichten; dann konnten
die verschiedenen Organe von Staat und Partei an die tatsäch-
liche und volle „Liquidierung" gehen.
Daß aber diese letztere von Anfang an als Endziel fest-
stand, zeigen nachfolgende Maßnahmen:
Schon eineinviertel Jahr nach Abschluß des Reichskonkordates,
In dem den Orden feierlichst freie Niederlassung und Tätigkeit im
Deutschen Reich zugestanden war, richtete
das Schatzamt der NSDAP
gierig seine Augen auf die Besitzungen der Orden und verfügte am
20. Oktober 1934:
„Streng vertraulich!
An alle Gauämter!
Die Gauämter werden angewiesen, bis zum 15. Dezember 1934 die
Grundstücke und Gebäudekomplexe der in ihren Gau-
Tbezirken sich befindenden Ordens- und Missionsgesellschaften beider
Konfessionen genauestens zu, vermessen und bei den zuständigen Kata-
sterämtern sich die genauen Pläne und Veranschlagungen aushändigen
zu lassen. Vor allem ist auch eine Erhebung zu machen über die in
Händen dieser Gesellschaft sich befindenden Darlehen, Hypothe-
123
k e n und Barvermögen, Die Verwendbarkeit der Häuser
undGrundstückeistgenauanzugeben;
Es wird noch einmal darauf hingewiesen, daß die Erhebungen bis
spätestens 15. Dezember d. J. in Händen des Schatzmeisters sein müssen.
Wert wird vor allem auf amtliche Unterlagen gelegt.
Bis zum gleichen Termin ist ein Bericht über die Tätigkeit der
genannten Gesellschaften an das Kulturpolitische Amt der
NSDAP einzureichen.
Mitgliederzahl, Schulung usw. ist genauestens zu vermerken. Bei
den evangelischen Anstalten auch die religiöse Richtung dieser Mit-
glieder.
Ausgenommen von dieser Bestimmung sind die Diakonissen-r, Dia-
konen-, Nonnen- und Brüderanstalten, die sich mit Kranken- und Wohl-
fahrtspflege beschäftigen. Es wird noch einmal auf die strenge Ein-
haltung des Termins hingewiesen. Die Erhebungen haben
unbemerktvorsichzugehen.
Heil Hitler!
gez. Schwarz
Reichsschatzmeister."
Das Kult urpolitisch eAmt der NSDAP
wollte seinerseits zunächst mehr die Tätigkeit der Orden be-
spitzelt haben und so Vorwände für Maßnahmen gegen sie liefern.
Sie gibt hiefür der Geheimen Staatspolizei entsprechende Winke:
„Zentralleitung der Partei.
Kulturpolitisches Amt der Nationalsozialistischen Deutschen
Arbeiter-Partei.
An die
München, 3. November 1934
Nummer O II 1405/6
Geheime Staatspolizei!
Gegenstand: Ordensschulen, ,
Exerzitien und Schulen. ,
Geheim !
An die 'Geheime Staatspolizei v. Recklinghausen.
Die Überwachung der geistlichen Exerzitien ist durch ein
Dekret des Reichsinnenministeriums nicht vorgesehen. Dennoch hat sich
in den letzten Wochen ergeben, daß die religiösen Orden als
Zentrum der reaktionären Tätigkeit betrachtet werden
müssen, die darauf gerichtet ist, das Programm der Nationalsozialisti-
schen Weltanschauung zu bedrohen. Ihr Werk ist um so gefährlicher,
als sich ihre zersetzende Tätigkeit in aller Stille und unauffällig voll-
zieht.
Es ist für alle Sehenden klar, daß diese Gesellschaft den dich-
testen Gefahrenherd für unsere Arbeit des kulturellen
Wiederaufbaues darstellen; vor allem weil den religiösen Orden
selbst sogar Schulen eingegliedert sind, die zum Teil im Ausland
liegen.
Nun hat dij Geheime Staatspolizei, Kulturpolitisches Amt, die Auf-
gabe, ein genaues Bild der kulturellen Tätigkeit der in ihrem Bereich
befindlichen religiösen Orden zu liefern und ferner zu berichten, was im
Schöße der Orden selbst vor sich geht, besonders hinsichtlich ihrer Be-
ziehung mit a u s 1 ä n d i s c h e n I n s t i t u t i o n e n. Unerläßlich ist eine
124
genaue Darstellung ihres Lehrplabes, Jhres Inhaltes wie auch ihrer Hal-
tung und der politischen Vergangenheit ihrer Lehrer.
Wir bitten, die Nachforschungen mit der größten Verschwiegen-
heit und sobald wie möglich durchzuführen. In den ersten Tagen des
Januar muß die Zentralleitung der Partei das ganze in Betracht kom-
mende Material in Händen haben.
Für die Leitung: Heil Hitler!
gez. Köster gez. von Genner."
Reichsführer SS Himmler
konnte natürlich nicht hinter Reichsschatzamt und Kulturpoli-
tischem Amt der Partei zurückbleiben, vielmehr schon zeitig ver-
sorgen, daß überall geeignete Räuber und Verwalter für
die Klosterbeute da seien, insbesondere aus den Reihen
seiner geliebten SS.
Er gründete darum den „Deutschen Reichsverein
für Volks pflegeu n.d S i e d 1 e r h i 1 f e" e. V. (Welch schöner
Name für Diebe! Ähnlich wie der Name: „Gemeinnützige Transport-
gesellschaft" für die SS- Autos, welche die Geistesschwachen aus den
Heil- und Pflegeanstalten in die Vernichtungsanstalten führten!).
Zweck und Vollmachten dieser neuartigen „Treuhandgesellschaft"
zeigt nachfolgendes Schreiben mit brutaler Offenheit:
„Inspekteur der Sicherheitspolizei Wiesbaden, den 9. April 1940
und des SD in Wiesbaden Gustav-Freytag-Straße 9
Geheim
An das
Hauptfürsorge- und Ver.Amt — SS
Berlin W 15
Kurfürstendamm 217.
BetrefE: Personal für den Verein für Volkspflege e. V.
Vorgang: ohne
Der Deutsche Reichsverein für Volkspfiege und Siedlerhilfe e. V, in
Berlin, dem einzelne Gauvereine unterstellt sind, ist mit Einverständnis
des Reichsführers SS gegründet worden. Er hat die Aufgabe,
Kirchengrundbesitz wie Klöster, konfessionelle An-
stalten usw. den Kirchen zu entziehen und derPartei
undihren Gliederungen zur Verfügung zu stellen.
Durch enge Zusammenarbeit des SD mit der Geheimen Staatspolizei
und dem Regierungspräsidenten in Wiesbaden, als der staatlichen Auf-
sichtsbehörde über kirchliche Stiftungen, ist es bisher gelungen, allein
im Regierungsbezirk Wiesbaden Klöster im Werte von rund 30.000.000
RM der katholischen Kirche zu entziehen und sie der deutschen Volks-
gemeinschaft nutzbar zu machen. Ein Zugriff auf weitere Klöster usw.
wird zum Teil dadurch erschwert, daß keine geeigneten SS-Angehörigen
zur Verfügung stehen, die als Verwalter bei den einzelnen Klöstern
eingesetzt werden können. In meiner Eigenschaft als Vorsitzender des
Gaues Hessen-Nässau — SS-Gruppenführer Heydrich ist mit der Über-
nahme dieses Amtes durch mich einverstanden — wende ich mich des-
halb mit folgender Bitte an Sie:,
Ich bitte zu prüfen, ob nicht ältere SS-Angehörige oder viel-
leicht auch solche zur Verfügung stehen, die infolge einer Verwundung
für den Dienst der Waffen nicht mehr in Frage kommen. Diese SS-
125
Angehörigen könnten In öffentlichen Anstalten des Regierungsbezirkes
ausgebildet und damit in die Lage versetzt werden, Klöster mit ihrem
wertvollen Grundbesitz zu verwalten, schriftlich und mündlich mit den
verschiedenen Dienststellen zu verkehren, Anordnungen über den Be-
trieb der Landwirtschaft zu geben und sich gegenüber den anfänglich
noch in den Klöstern befindlichen Klosterinsassen durchzusetzen. Für
eine solche Ausbildung wird etwa eine Zeit von zwei Monaten not-
wendig sein. Nach erfolgter Ausbildung könnten sie dann nach Bedarf
als Verwalter bei solchen kirchlichen Anstalten eingesetzt werden, die
zusammen mit der Geheimen Staatspolizei an zustän-
digen staatlichen Stellen auf meine Weisung hin den
Kirchen entzogen werden.
Wesentlich ist, daß die in Frage kommenden SS-Angehörigen nicht
ohnejedekirchlicheBildungsind, dasiö wenigstens am An-
fang ihrer Tätigkeit mit kirchlichen Stellen und insbesondere Kloster-
insassen zu tun haben. Um sie in die Mentalität der Kirche einzuführen,
wird beabsichtigt, die SS-Angehörigen nach Abschluß der fachlichen
Ausbildung zu einem mehrtägigen' Lehrgang zusammenzuziehen, um sie
auf diese Weise auf ihre künftige Arbeit auszurichten.
gez. Unterschrift
• SS-Standartenführer."
Das Ziel war also eindeutig und fest.
Als Einzelstationen dieses Weges dürfte vielleicht fol-
gendes genannt werden:
I. In Schrifttum aller Art, in öffentlichen Versammlungen, auf
Schulungskursen u. ä. setzte ein offener und versteckter K^mpf
gegen den Ordensgedanken überhaupt, gegen die
katholischen Ordensgelübde ein.
In allen Tonarten wurde verkündet: Mit der Armut der Klöster
sei es nicht so weit her. Sie seien sehr reich; in ihnen esse und
trinke man gut, arbeite wenig; Ordensleute wären Drohnen der
Gesellschaft. Ehelosigkeit und Keuschheitsverpflichtung seien
etwas Unnatürliches, Gesundheitgefährdendes, bevölkerungspoli-
tisch Schädliches, Anreiz zu geheimen und öffentlichen Exzessen.
Gehorsam und Abtötung seien eines freien Deutschen unwürdig.
Hinter Klostermauem sei überhaupt nicht viel Ideales, sondern
sehr viel Menschliches.
II. Dann verdächtigte man die Wirtschaftsführung der
Orden, setzte phantastische Zahlen über die Menge ihrer Nieder-
lassungen, über den Umfang des im Besitz der „Toten Hand"
befindlichen Grund und Bodens in die Welt, sprach viel von dem
gewaltigen Einnahmenentgang, den der Staat ob der vielfachen
Steuerfreiheit der Orden erleide, ebenso von der Konkurrenz
durch die gewerblichen und industriellen Betriebe der Klöster
(Brauereien, Druckereien usw.).
Und dann sprach und schrieb man viel von den unzeitgemäßen,
weitabgewandten Unterrichts- und Erziehungsmethoden der
klösterlichen Lehranstalten, von gesundheitswidrigen Verhält-
nisssen in geistlichen Instituten, von mangelnder Pflege des
vaterländischen Geistes, erst recht vom Fehlen nationalsozialisti-
126
scher Gesinnung in klösterlichen Schulen usf. Immer offener
und derber trat auch schon in Wort und Lied und Bild der
Spott über das Ordensleben in Erscheinung.
III. Im Sommer 1935 holte man dann zum großen letzten Schlag
gegen die katholischen Orden aus zur gründlichsten Diffa-
mierung. Mittel hiezu waren Devisen- und Sittlichkeits-
prozesse.
a) Devisenprozesse
Zur Finanzierung der Aufrüstung Deutschlands hatte Reichs-
minister Dr. H. Schacht unter anderem auch eine Reihe von
Devisenverordnungen gegeben.
Sie waren so kompliziert, daß selbst Fachleute Mühe hatten,
sich darin zurechtzufinden und sichere Auskunft zu geben, daß
Banken und Großbanken sich dafür eigene Spezialisten nahmen.
Rechtsanwalt Reichling, der Verteidiger der Priester vom Heiligsten
Herzen Jesu in Hiltrup, konnte am 22. Juli 1935 vor Gericht fest-
stellen: „Ich habe erfahren, daß Rechtsanwälte, die sich durch viele
Devisenprozesse durchgekämpft hatten, in privater Unterhaltung
sich geäußert haben, daß nicht Bloß Kollegen (Rechtsanwälte), son-
dern auch Richter und Staatsanwälteintheoretische
Irrt um erbezüglichDevisenangelegenheitenver-
1 e 1 e n.
War es da ein Wunder, wenn Laien sich nicht auskannten?
War es wirklich „Gaunergeist und Verbrechergesinnung", wenn
Ordensleute, besonders Schwestern, in Finanzangelegenheiten zu-
meist unerfahren, den Ratschlägen eines Finanzberaters und der
oftmaligen Versicherung voller Gesetzmäßigkeit von Transaktionen,
wie sie Finanzmann Dr. H o f i u s gab, Glauben schenkten?
Kennte z.B. ein Finanzlaie nicht wirklich meinen, es sei er-
laubt, daß deutsche Schwestern, die in Italien Schulen unterhielten,
von ihren Ersparnissen Schulden ihres Mutterhauses in Holland
zahlten? Aber nach den Devisenvorschriften durften sie dies nicht,
weil sie in Italien keine eigene Ordensprovinz bildeten und darum
nicht finanziell selbständig waren, vielmehr ihr Geld an das Pro-
vinzialmutterhaus in Deutschland senden mußten.
Zweifelhaft konnte es ebenso sein, ob ein deutscher Ordens-
oberer, der nach Vorträgen in der Schweiz mehrere Tausend
Schweizer Franken für die deutsche Ordensniederlassung in
Jerusalem geschenkt erhielt, diese vom Schenker direkt ins
Heilige Land schicken lassen durfte oder aber sie mit nach Deutsch-
land nehmen mußte, um sie der deutschen Reichsbank zur Ver-
fügung zu stellen, und so der Ordensniederlassung in Jerusalem
die vom Schenker beabsichtigte, dringendst benötigte Unterstützung
auf Jahre hinaus nicht zuwenden konnte.
Bezeichnend ist jedenfalls, was die Hiltruper Herz- Jesu-Mis-
sionare in einem Rundbrief vom 18. Dezember 1945 über den Aus-
127
gang des einstmals so groß aufgezogenen Devisenprozesses gegen
zwei ihrer Patres schrieben: „Die äußere Verfolgung des Dritten
Reiches gegen uns Hiltruper Herz-Jesu-Missionare begann mit dem
sogenannten »Devisenprozeß'. Die beiden zu schweren Zuchthaus-
strafen verurteilten Patres Rudolf Wilmsen und Martin Utsch
wurden n ach einem Jahr Haf t wi e der freigelassen,
ohne die Zuchthausstrafen angetreten zu haben,
d a i h r e ü n s c h u 1 d o f f e n b a r w a r. ■*
Ob unter den nachfolgend verzeichneten Personen, die in
Devisenangelegenheiten inhaftiert waren, nicht manche letzten
Endes subjektiv oder objektiv ebenso schuldlos waren wie diese
zwei Missionare?
Verhaftet waren 23. Juni 1935:
a) Männer
2 Generalvikare (Meißen und Hildesheim)
2 Generalsekretäre des Bonifatiusvereins Paderborn
2 Missionare vom Hl. Herzen Jesu (Hiltrup)
10 Redemptoristenpatres (Bonn, Aachen, Heiligenstadt, München)
1 Missionar V. Hl. Geist
i Lazaristenpater
4 Barmherzige Brüder aus Trier
1 Barmherziger Bruder aus Waldbreitbach
2 Angehörige der PaÜottiner (ein Pater und ein Bruder) in -Limburg
1 Stiftspropst aus Lauban
3 Franziskanerpatres aus Schlesien
2 Rechtsanwälte
3 Angestellte der Hofiusbank
Direktor Schneider (Wohlfahrtshaus Berlin)
b) Frauen
2 Missionarinnen vom Hl. Herzen Jesu (Hiltrup)
2 Schwestern U. L. Frau (Mühlhausen und Charlottenburg)
2 Schwe.stern der christlichen Liebe (Paderborn)
1 Arme Schulschwester U. L. Fr.
4 Trebnitzer Borromäerinnen
3 Graue Schwestern aus Breslau
6 Schwestern vom Guten Hirten (Reinickendorf, Beuthen, Münster)
1 Vinzentinerin (Köln-Nippes)
1 Augustinerin
1 Sekretärin vom Bonifatiusverein Paderborn
Wer nicht parier t, w i r d s u s p e n d 1 e r t.
41 Redakt-eure amtsenthoben!
In der berechtigten Sorge, daß diesen angeklagten Geistlichen
und Ordensleuten seitens der deutschen Justiz und der Goebbelschen
Propaganda nicht volle Gerechtigkeit geschehe, veröffentlichte das
Erzbischöfliche Ordinariat Breslau eine vorsichtige Erklärung zu
den Prozessen. Die Redakteure vieler ehemals katholischer Zeitun-
128
gen waren froh, nach all den aufgezwungenen Beschuldigungen und
Beschimpfungen des Klerus und der Orden dieses amtliche auf-
klärende Wort bringen zu können. Sie alle, 41 an der Zahl, wurden
daraufhin amtsenthoben, sollten sogar aus der Berufsliste gestrichen
werden, kamen aber schließlich noch mit einem „blauen Auge",
mit nachstehender „strengster Verwarnung" davon:
Der Reichsminister
für Volksaufklärung und Propaganda Berlin, W 8, den 18. Juni 1935
.'. . , Wilhelmplatz 8/9
An
Sie haben in Ihrer Zeitung eine Erklärung des Erzbischöflichen
Ordinariats Breslau zu den Devisenprozessen veröffentlicht. In dieser
Erklärung wird ausgeführt, daß Übertretungen der Devisenverordnun-
gen auch kirchlicherseits ernstlich mißbilligt würden, wobei die Frage,
ob aus Unkenntnis oder infolge Irreführung seitens dritter Personen
gehandelt ist, der Prüfung der Einzelfälle überlassen bleiben müsse.
Gleiches gelte von der weiteren Frage, ob mildernde Umstände aus dem
pfliehtmäßigen Streben nach Abwendung der sehr schlimmen Notlage
einzelner Klöster herzuleiten seien. Einer späteren Zeit müßte es vor-
behalten bleiben — unbeschadet der Achtung vor den schwebenden ge-
richtlichen Verhandlungen — , ein ruhiges, alle Momente abwägendes
Urteil über die genannten Vergehen in ihrer Gesamtheit zu t>'effen, wo-
bei auch die Absichten der verurteilten Personen, die Irreführung der-
selben von dritter Seite und nicht zuletzt die außerordentlich großen
Verdienste der Orden für Religiosität, Volkswohl und freie Liebsstätig-
keit im Inl und Ausland nicht übersehen werden dürften.
Diese Sätze enthalten eine unhaltbare Beweisführung und einen un-
geheuerlichen Abs(ihwächungsversuch eines gerichtsnotorischen Ver-
brechens. Sie stellen eine offensichtliche Herabsetzung der Würde und
des Ansehens der deutschen Justiz dar, die sich im schroffen Wider-
spruch zu der über die Devisenprozesse in allen Volkskreisen herrschen-
den öffentlichen Meinung befindet (vgl. dazu auch die Erklärung des
Reichs j ustizministeriums).
Sie haben damit gegen die Pflicht verstoßen, Ihrer Zeitung alles
fernzuhalten, was geeignet ist, die Kraft des Deutschen Reiches nach
außen und im Innern zu schwächen. (§ 14 Nr. 2 des Schriftleitergesetzes.)
Sie haben ferner gegen die Pflicht verstoßen, die Gegenstände, die Sie
behandeln, wahrhaft darzustellen (§ 13 a. a. O.). Ich verwarne Sie daher
strengstens und erwarte, daß Sie in Zukunft die Gesetze des national-
sozialistischen Staates schärfstens beachten.
Mit der. vorstehenden Verfügung ist Ihre Zurdispositionsstellung
aufgehoben. Ihrer weiteren Schriftleiterbetätigung steht dabei nichts
mehr im Wege.
Heil Hitler!
In Vertretung
gez. Walter Funk.
Es gab gewiß Fälle, wo der Sachverhalt klarer , lag, wo die
gesetzwidrige Geldausfuhr wirklich schwer zu verurteilen war.
Aber mußte es dabei zu dieser Art von Prozeßführung
kommen, wie sie nur im Dritten Reich und auch da nur für
Ordensleute beliebt wurde?
Kreuz und Hakenkreuz t ji 29
Mußte es zu so u n e r h ö r t e n G e f ä n g n i s - u n d Geld-
strafen und Ersatzforderungen (nach Hunderttausenden)
kommen?
Mußte den Verteidigern so wenig Zeit zum Stu-
dium der umfangreichen und schwierigen Akten oder zur Be-
sprechung mit dem Angeklagten belassen werden, daß z. B. der
Vertreter des Redemptoristenpaters Aigner von Gars vor Gericht
klagen mußte: „Eine kurze Frist von drei Stunden, in
welcher etwa 3 Punkte besprochen werden müs-
sen, reicht nicht aus, um den Fall klarzustellen."
Mußte mit so ungleichem Maß gewogen werden? Warum
konnte z. B. manchen Devisensündern aus Industrie- oder Bank-
häusern, besonders aber aus Parteikreisen, Gelegenheit zur außer-
gerichtlichen Wiedergutmachung gegeben oder über
ihre nicht kleineren Vergehen nur mit ein paar Zeilen in
der Presse berichtet werden?
Mußten die Prozesse gerade dann hervorgeholt wer-
den, wenn man sie besonders brauchte zur Aufreizung des Volkes
öder zur Ablenkung von unangenehmen Ereignissen?
Mußte über die Devisenverfehlungen von Ordensleuten in Zei-
tung und 'Zeitungsanschlägen, in Presse und Radio berichtet werden
unter Überschriften wie: „Fromme Gauner gehen ins
Gefängnis", „Millionen Schmuggel von Klöstern",
„Märtyrer und geistliche Devisenschieber" u. ä.?
Mußte über Verurteilungen in breitester Öffentlichkeit ge-
schrieben werden, aber geschwiegen werden über Be-
rufungen und ihren vollen oder wenigstens teilweisen Erfolg?
Mußte deutsche Justiz den Prozeß gegen den Jesuitenpater
NellBreunig im Jahre 1936 absetzen, sobald in Erfahrung ge-
bracht wurde, daß auch holländische Juristen zur Ver-
handlung erscheinen wollten und so Gefahr war, daß die Sache
nicht so einfach abgetan werden konnte, vielleicht gar nicht nach
dem „Regieplan" verlaufen würde, dann aber 1943 (nach 7 Jahren!),
als durch die militärische Überwältigung und Besetzung Hollands
von dieser Seite eine juristische Einmischung nicht mehr zu be-
fürchten war, den „auf Eis gelegten" Akt wieder hervorziehen und
die Anklage wieder aufwärmen? Und wer versteht es, daß der
Pater von einer Verletzung der Devisenvorschriften freigesprochen,
ersatzweise aber wegen „mangelnder nationalsoziali-
stischer Gesinnung" zu drei Jahren Zuchthaus, djarüber
hinaus sein Orden auch zur Zahlung von rund 1 Million Mark ver-
urteilt wurde?
Mußte die Verfehlung einzelner Ordensleute der ganzen
katholischen Kirche in die Schuhe geschoben und auf
130
Firmungsreisen Bischöfen ins -Gesicht geschleudert ^yerden, wie es
in Hamm dem Erzbischof von Paderborn geschah?
Mußte es nebst einseitiger un^ gehässigster Prozeßbericht-
erstattung auch noch zu ärgsten Karikaturen der Ordensleute
kommen, zu Bildern, wie sie „Das Schwarze Korps" brachte, z. B.
mit der Darstellung von zwei abstoßenden Ordenspatres und der
Unterschrift: „Der liebe Gott sieht es, aber Dr. Schacht sieht es
nicht"?
Mußte es veranlaßt und geduldet werden, daß auf allen Gassen
und in allen Lagern Spottlieder auf. „devisenschiebende Ordens-
leute", Vatikan und Papst gesungen wurden, selbst von unreifen
Hitler jungen?
Beispiele dafür:
„KlosterHed (Melodie: ,Eine Seefahrt, die ist lustig')
1. Ja das Leben in dem Kloster,
Ja das Leben dort ist schön,
Ja da kann man, statt zu beten
auch Devisenschieben gehn!
» Holerie, Holero...
2. Pater, Mönch und auch die Nonne,
alle drei sie nehmen an,
beten schnell. ein Paternoster
und dann geht's ans Schieben ran!
Holerie, Holero . . ,
3. Mit Devisen schwerbeladen,
schleicht die Nonne durch das Land,
ihr Gesicht ist fromm und heilig,
deshalb bleibt sie unerkannt.
Holerie, Holero., ,
4. Und sie gibt dem Mönch das Päckchen,
drückt ihm alles in die Hand,
und der schiebt dann lustig weiter
aus dem deutschen Vaterland.
Holerie, Holero . . ,
5. Eines Tages war's zu Ende,
eines Tages war's vorbei,
und das Volk bekam zu hören
von der großen Schieberei.
Holerie, Holero...
6. In des Kerkers tiefen Gründen,
hinter Gittern, welch ein Graus,
ruhen Pater, Mönch und Nonne
vom Devisenschieben aus.
Holerie, Holero . . <
131
Und es sagt die Nonn' zum Pater,
ach, wie war es doch so schön,
als man für den Heiligen Vater
könnt' Devisen-Schieben gehn.
Amen
Am Donnerstag, den 25. Juli 1936, wurde nachfolgendes Devisen-
schieberlied hektographiert beim Eingang in das Sturmheim in der
Aberleistraße zu München vom stellvertretenden Sturmführer jedem SA
überreicht mit der Bemerkung: ,Das muß man auswendig lernen.''
M e lo d i e : ,Als wir nach Frankreich zogen . . .'
1. Ein Mädchen ging ins Kloster,
Ade, du schöne Zeit!
Da hat der Papst geschrieben:
Sie soll Devisen schieben.
Der Vatikan braucht Geld.
2. Als sie nach Holland zogen.
Da waren's ihrer drei,
Ein Pater und zwei Brüder,
Das waren Devisenschieber,
Die Nonn' war auch- dabei.
3. Und als sie weiter schoben.
Da waren's nur noch zwei.
Der Pater saß im Kittchen,
Den hat man am Schlawittchen,
Da war der Spaß vorbei.
4. Njach Brüningschen Gesetzen
Stellt man ihn vor Gericht.
Sein Haupt war kahl geschoren,
Sah aus wie ein Arsch mit Ohren
Schneeweiß war sein Gesicht.
5. Bei all den frommen Heuchlern
Erhob sich ein Geschrei.
Es flehen ihre Liedei*:
Gebt die Devisen wieder
Der armen Klerisei ll
6. Als sie zum Himmel kamen,
Der Papst stand schon dafür: '
Kommt rein, Devisenschieber,
So seid ihr mir noch lieber.
Für Euch steht auf die Tür. ^
7. Mit den scheinheiligen Worten
Da ist es jetzt genug!
Ihr sollt den Nächsten lieben
Und nicht Devisen schieben,
Denn das ist Volksbetrug."
132
b) Sittlichkeitsprozesse
Wir müßten sie eigentlich Sittlichkeits s c h a n d prozesse hei-
ßen, wenn wir sie sofort richtig kennzeichnen wollten.
Denn Zweck dieser Prozesse war ja nicht so sehr die Be-
strafung von Schuldigen, nicht die Ausmerzung von Übeln, nicht
die Beseitigung von Gefahren, nicht die Besserung der Volksmoral,
nicht die Reinigung der Kirche, sondern die Diffamierung des
katholischen Klerus und der katholischen Orden, eine Schändung
des Priester- und Ordenskleides, im besonderen aber eine neue
Waffe im Kampf gegen die verhaßte Kirche, eine Rechtfertigung
der ganzen kirchenfeindlichen Haltung des NS, ein Vorwand für
die Unterbindung der Unterrichts- und Erziehungstätigkeit der
religiösen Orden, ein beschönigender Grund für die Aufhebung
geistlicher Anstalten und Klöster, ein Schreckschuß gegen die
Ordensabsichten ; junger Menschen, eine Einschüchterung der welt-
anschaulichen Gegner, eine Ablenkung von unangenehmen Tat-
sachen und Kritiken.
Kein Glied oder Freund der Kirche wird leugnen wollen, daß
es da und dort auch bei Weltpriestern und Ordensleuten Mißstände
rind Vergehen gab, besonders in Orden, die nach dem Weltkriege
wegen Mangels an Arbeitskräften weniger streng in der Aufnahme
von Kandidaten gewesen waren. Niemand wird es billigen, wenn
Ordensobere oder auch kirchliche Behörden nicht schon bei Be-
kanntwerden erster Verfehlungen schnell und scharf einschritten.
Niemand in der Kirche wird verlangen oder auch nur erwarten,
daß die Justiz halt mache vor Pfarrhöfen oder Klosterpforten oder
gegen allenfalls schuldige Insassen weniger streng vorgehe als
gegen Laien; eher das Gegenteil!
Aber die Sittlichkeitsprozesse gegen katholische Priester und
Ordensleute waren ja in der Hauptsache gar nicht eine Angelegen-
heit der deutschen Justiz, sondern der deutschen Propaganda.
Der Reichspropagandaminister Goebbels hat in seiner berüch-
tigten Rundfunkrede vom 28. Mai 1937 an die zwanzigmal betont,
daß er, der Propagandaminister, sich von Amts
wegen mit diesen Prozessen beschäftigte, also Propaganda sollte
damit gemacht werden. Und Goebbels setzte den ganzen gewaltigen
Amts apparat der Propaganda in Bewegung, um In- und
Ausland geradezu gruselig zu machen vor dem bodenlosen Abgrund,
in den, er, in seinem innersten Sittlichkeitsgefühl zutiefst verletzt,
rücksichtlos hineinleuchtete, und über den ekelhaften Schmutz,. der
„bis zum Himmel stank".
Und Goebbels befolgte hiebei genau und reichlichst seine
eigene, eingangs erwähnte Anweisung für die Propaganda, daß sie
„nicht objektiv die Wahrheit zu erforschen, son-
dern ununterbrochen der eigenen zu dienen habe."
138
Bezeichnend sind dafür nachfolgende zweiSpezialanwel-
sungen, welche der Reichs justizminister geradezu im Auftrag
des Reichspropagandaministers, teilweise mit dessen eigenen Wor-
ten, hinausgibt:,
„Abdruck
Reichsjustizministerium Berlin) den 9. April 1937
Der Pressereferent
1273 Pr. AUg. 190/37
An die Herren
Leiter der Justizpressestellen.
Betreff: Berichterstattung über Strafverfahren gegen Geistliche und
Ordensangehörige sowie sonstige Verfahren mit fcirchenpoliti-
schem Gegenständ.
Unter Bezug auf meine Verfügg. v. 8. 4. 37 — - 1273 — Pr. Allg. 190/37 •—
In der heutigen Pressekonferenz der Reichsregierung hat der R.,
Minister für Volksauf klärung und Propaganda folgende Richtlinien be-
kanntgegeben, die den Landesstellen durch Fernschreiben zugegangen
sind:
jDurch eine Rundverfügung d. Hr. Min. d. Justiz werden in kurzer
Frist die im vorigen Jahre zurückgestellten Prozesse
gegen katholische Geistliche und Ordensangehörige wegen sittlicher
Verfehlungen usw. nunmehr durchgeführt. Die Berichterstattung
über diese Prozesse wird bis auf weiteres durch von hier getroffene
Einzelmaßnahmen geregelt. Im Einvernehmen mit dem Justizminister
werden die wichtigsten und schwerwiegendsten Fälle herausgegriffen
und zur Berichterstattung freigegeben. Welche Schriftleiter
zu d^en einzelnen Prozessen zugelassen werden, wird
jedesmal einzeln bestimmt. Aus der großen Masse der übri-
gen Prozesse werden den Landesstellen zur örtlichen Berichterstattung
jeweils einzelne interessante (!) Fälle zugeteilt. Die Landes-
stellen können in dieser Beziehung Vorschläge machen, die mit d. R.
Justizministerium geprüft und entschieden werden. Den Zeitungen ist
jetzt schon zu untersagen, Verhandlungsberichte, die nur für einen
Teil der Presse freigegeben werden, willkürlich zu übernehmen. Le-
diglich die ganz schweren und großen Fälle, die im einzelnen noch
mitgeteilt werden, sollten in der gesamten Reichspresse ausführlich
behandelt werden. Über die übrigen Prozesse gibt DNB kurze zu-
sammenfassende Meldungen aus, die die Art der Verbrechen und die
ausgesprochenen Strafen enthalten. Diese Meldungen sind ebenfalls
für die Reichspresse frei'.
Zur Durchführung dieser Sprachregelung teile ich noch er-
gänzend mit:
1. Die Schriftleiter, die über besonders bedeutsame Strafverfahren
berichten sollen, werden in jedem Einzelfall von d. H. R. Min. f. Volks-
aufklärung und Propaganda ausgewählt. Gleichzeitig soll an den Haupt-
verhandlungen über diese Strafsachen ein Vertreter des DNB teilneh-
men. Diejenigen Zeitungen, deren Schriftleiter für die Hauptverhand-
lung nicht zugelassen werden, haben daher den Bericht des
DNB zu übernehmen. Eigene Berichterstattung dieser Zeitungen
hat zu unterbleiben.
Da über sämtliche Strafverfahren gegen katholische Geistliche von d.
Staatsanwaltschaft d. Hr. R. Min. d. Justiz berichtetwerdenmuß,
ist der R.Justizminister in der Lage, die besonders schweren Fälle, die
sich für die Berichterstattung im ganzen Reich eignen, auszuwählen
134
und dem R.Propagandaministerium zur Freigabe vorzuschlagen. Das
schließt jedoch nicht aus, daß die Justizpressestellen in geeigneten Fäl-
len hierher entsprechende Anregungen geben. Die hier ausgewählten
besonders schweren Fälle werden den einzelnen Justizpressestellen
ebenso wie die Namen der ausgewählten Schriftleiter unverzüglich mit-
geteilt. Diese Justizpressestellen haben darauf den Hauptverhandlungs-
termin mit größter Beschleunigung hierher zu berichten. ■>
2. Über Strafverfahren von geringerer Bedeutung, die nur örtliches
Interesse haben, darf nur die örtliche Presse berichten. Um zu ver-
hindern, daß dabei nicht richtig Maß gehalten wird, ist die Bericht-
erstattung über diese Verfahren nur nach vorheriger Genehmigung durch
die Presseabteilung des R.Propagandaministeriums gestattet. Die Ent-
scheidung der Presseabteilung, die im Einvernehmen mit dem Presse-
referenten im R.Justizministerium getroffen wird, wird der örtlichen
Presse rechtzeitig vor der Hauptverhandlung durch die zuständige Lan-
desstelle oder Justizpressestelle mitgeteilt. In diesem Strafverfahren
kann die Justizpressestelle im Einvernehmen mit der Landesstelle bei
mir die Freigabe der Berichterstattung unter Darlegung der Gründe
für die Notwendigkeit der Berichterstattung anregen.
3. In der Pressekonferenz ist die Presse noch ergänzend angewiesen
worden, sachlich, zu berichten, sich jeder Angriffe auf die Kirche als
solche zu enthalten und aus den Berichten alle Einzelheiten der Straf-
taten wegzulassen, die das Sittlichkeitsempfinden verletzen könnten.
4. Die Durchführung der Sprachregelung erfordert eine enge Zu-
sammenarbeit mit der Landesstelle und mit den Staatsanwaltschaften,
Es ist erforderlich, daß !.ich die Justizpressestellen über alle einschlägi-
gen Verfahren unterrichten und ihrerseits die Landesstellen von diesen
Verfahren laufend in Kenntnis setzen. Um die Unterrichtung der Justiz-
pressestellen sicherzustellen, hat der Hr. Reichsjustizmihister die an-
liegende R. V. an die Generalstaatsanwälte und Oberstaatsanwälte
erlassen.
5. Ich ersuche, mir besondere Erfahrungen bei der .Durchführung
dieser Verfügung oder Anregungen zu ihrer Änderung beschleunigt mit-
zuteilen.
gez. Dr. Doerner."
Um . die Unterrichtung der Justizpressestellen sicherzustellen,
gab der Reichsjustizminister noch nachfolgende Verfügung:
„Abdruck.
Der Reichsminister der Justiz Berlin, den 9. April 1937
6010/1 — 111-3 370/37 —
An sämtliche Herren Generalstaatsanwälte,
sämtliche Herren Oberstaatsanwälte,
den Herrn Oberreichsanwalt in Leipzig,
den Herrn Reichsanwalt b. Volksgerichtshof Berlin
Betreff: Strafverfahren gegen Geistliche und Ordensangehörige sowie
sonstige Verfahren mit kirchenpolitischem Gegenstand.
Unter Bezugnahme auf die RV. v. 7. April 1937 Nr. wie oben!
Für die Berichterstattung der Presse über die obenbezeichnetea
Strafverfahren sind besondere Weisungen gegeben worden, die es erfor-
derlich machen, daß die Justizpressestellen über sämtliche einschlägige
Strafverfahren unterrichtet werden. Zu diesem Zwecke bestimme ich,
daß in allen Strafverfahren gegen Geistliche und Ordensangehörige sowie
in sonstigen Verfahren mit kirchenpolitischem Gegenstand ein Durch-
schlag der Anklageschrift beschleunigt der zuständigen Justizpressestelle
135
zu übersenden ist. Dies gilt auch soweit die Anklage bereits erhoben
ist; in den Fällen des Abs. 3 der RV. v, 7. April 1937 jedoch nur, wenn
die Anklage nach Abschluß der vorgesehenen Prüfung aufrecht er-
halten bleibt.
I.A.
gez. Dr. Grohne."
Diese Anweisung läßt erkennen, daß die „Sittlichkeitsprozesse"
gegen katholische Geistliche und Ordensangehörige wie die Devisen-
prozesse auf lange Zeit zurückgestellt oder, wie der Fächausdruck
lautete, „auf Eis gelegt" waren und erst wieder hervorgeholt wur-
den, als die Zeitumstände dies günstig erscheinen ließen oder ver-
langten, daß den „Schwarzen" wieder eins ausgewischt werden
sollte. Unter diesem Gesichtspunkt ist das Datum des Rund-
schreibens und der neuen Prozeß welle von Interesse: ^/s Monat
nach der Verö»ffentlichung des Päpstlichen Rund-
schreibensüberdieLagederkatholi'schen Kirche
in Deutschland „Mit brennender Sorge". Sein gewaltiger Ein-
druck im In- und Ausland mußte verwischt und verdrängt, das
Interesse der Öffentlichkeit auf andere Dinge gelenkt werden. Und
Unsittliches begegnet ja bei vielen Leuten großem Interesse. Darum
ausführlichste Berichterstattung hierüber, und zwar durch Spezia-
listen, welche Goebbels selbst „jedesmal einzeln bestimmt"!
Und das Ergebnis dieser „Propaganda-Richtlinien" und „Sprach-
regelung" und „Schriftleiterauswahl" war eine Berichterstattung
über die Sittlichkeitsprozesse, auf die Prediger G ö 1 1 1 von Mün-
chen (t) ibit Recht das Wort des Dichters Grabbe in „Scherz, Satire
und Ironie" angewandt hat: „Diehärteste Strafe eines
Ver dämmet en bestünde darin, daß er die ,Abend-
zeitung' und den »Freimütigen' lesen müßteund
sie nicht anspucken dürfte."
Charakteristische Merkmale der „Sittlichkeitsprozesse"
und -Berichterstattung
I.Neue Methoden der Untersuchung:
Im Laufe der Jahre 1936/37 stellte die Geheime Staatspolizei
Nachforschungen in fast allen Klöstern, bischöflichen und klöster-
lichen Seminarien, Mittelschulen und Studienheimen, ja selbst in
Fürsorgeanstalten und in Krankenhäusern an, ob nicht irgend-
welche Spuren sittlicher Verfehlungen zu finden seien. Unter rück-
sichtsloser Außerachtlassung jeglichen Schamgefühls wurden düe
einzelnen Schüler über Möglichkeiten von Verfehlungen befragt,
von denen sie zumeist noch keine Ahnung hatten. In unpsycho-
logischer und unpädagogischer Art wurde manches in sie geradezu
hineingefragt und ihnen ein Anreiz gegeben, sich durch Anschul-
düngen wichtig zu machen (bes. bei Fürsorgezöglingen naheliegend).
Mit Versprechungen, Drohungen, selbst mit Mißhandlungen
wurden Aussagen gegen die Geistlichen und Ordensleute zu ge-
winnen gesucht.
136
Es ist bezeichnend, was ein Fürsorgezögling von Birkeneck bei Frei-
sing nach solch einer Vernehmung äußerte: „Sagst du die Wahrheit, daß
nichts Unrechtes gewesen ist, dann wirst du mit Einsperren bedroht,
lügst du aber schließlich, um endlich Ruhe zu bekommen, und sagst
etwas Unsittliches gegen die Geistlichen aus, dann bekommst du Ziga-
retten." Und so gepeinigt war dieser Junge schließlich von der Schuld,
falsches Zeugnis gegeben zu haben, daß er entlief, nach ein paar Tagen
aber freiwillig zurückkehrte, um die erpreßte Anklage zurückzunehmen,
sowohl vor den Vorgesetzten an der Anstalt wie vor der Oberhirtlichen
Stelle.
Ganz besonderen Wert legte die Gestapo bei diesen Unter-
suchungen in klösterlichen und geistlichen Anstalten darauf, die
Namen früherer Insassen, Schüler,, Kandidaten, Novizen, selbst
von Hausangestellten, die aus eigenem Willen ausgetreten oder
durch die Oberen entlassen worden waren, ausfindig zu machen.
Diese wurden dann ganz besonders „ins Gebet genommen" und
peinlichst ausgefragt, warum sie das Haus verlassen hätten, ob sie
nicht irgendwelche unsittliche Vorkommnisse in der Anstalt ent-
deckt oder gar mitgemacht hätten.
In den Listen der Krankenhäuser der Barmherzigen Brüder in Pil-
chowitz, Neustadt und Breslau wurden selbst Personen, die vor 1 bis
4 Jahren dort als Patienten gelegen waren, festgestellt, um sie dann zu
Hause über die Brüder zu vernehmen.
In ganz Bayern wurde im Jahre 1937 die PoUzei beauftragt,
nachzuforschen, ob Priester Kinder hätten oder jemals Alimente
bezahlt hätten oder noch bezahlten.
Selbst der Beichtstuhl war nicht sicher vor Anklage und Verleum-
dung: Im Juni 1937 wurde ein altehrwürdiger Priester Münchens, dessen
mehr als 50 jähriges vorbildliches Priesterleben keinen Makel dieser Art
aufwies, in einer Zeitung auf Grund irgendwelcher Kinderaussagen be-
schuldigt, den Beichtstuhl zu mißbrauchen zur Verteidigung von Per-
sonen, die ob ihrer unsittlichen Verfehlungen vors Gericht gehörten.
2. Tendenziöse Darstellungen und Entstellungen.
Bloße Kandidaten und Postulanten, also Personen,
die kein Ordensgelübde gemacht hatten und gar nicht zum Ordern
gehörten, sondern nur zur Probe aufgenommen waren, wurden in
Berichterstattungen über die Sittlichkeitsprozesse schon als
Ordensleute bezeichnet. Ebenso wurden Personen, die längst
aus dem Kloster entlassen waren, noch als „Ordensbrüder"
bezeichnet.
So setzte beispielsweise der Stuttgarter NS-Kurier vom 30. Dezem-
ber 1937 über eine Verhandlung in Ellwangen die Überschrift: „Ein
Laienbruder im Kloster Neresheim 20 Vergehen gegen die öffentliche
Sittlichkeit überführt." Und der Tatbestand? Nur eines dieser Ver-
gehen war im Kloster geschehen. Und gerade wegen dieser einen
Verfehlung war der junge Mann sofort aus dem Kloster entlassen
worden. Alle übrigen 19 Fälle spielten sich außerhalb des Klo-
sters ab, wurden aber von der Zeitung dem „Klosterbruder" beigelegt.
So waren von 14 Alexianerbrüdern, die verurteilt wurden, nicht
weniger als 11 aus dem Orden ausgeschieden. Ein Alexianerbruder, von
Kreuz und Hakenkreuz It jg^
dem die Zeitungen entrüstet berichtet hatten, daß er Ministranten zu-
erst mit Meßwein betrunken gemacht und dann mißbraucht hätte,
mußte als schuldlos freigesprochen werdenl
Selbst Sittlichkeitsdelikte yon bloßen Hausdienern und
Taglöhn ern, die in Klöstern oder Ordensanstalten arbeiteten,
vmrden den Ordensleuten in die Schuhe geschoben, z. B. die Ver-
fehlung eines Handwerkers, der gegen tägliche Entlohnung in der
Mittelschule der Maristenschulbrüder in Mindelhelm tätig war.
Ähnlich war es mit dem Mord von Manage in Belgien, über
den „Das Schwarze Korps" in großer Aufmachung unter dem Titel:
„Es stinkt zum HJmmel" und mit schwersten Vorwürfen und Verdäch-
tigungen gegen die Klöster berichtete und im Anschluß daran fast die
gesamte deutsche Presse. Extrablätter mit diesem Artikel des „Schwar-
zen Korps" wurden gedruckt, in die Briefkästen von München, selbst in
den Fragekasten einer Kirche gesteckt. Sogar ehemals katholische Zei-
tungen, wie die „Kölnische Volkszeitung" vom 4. April 1937 wurden ge-
zwungen, den Bericht der deutschen Nachrichtenagentur unverkürzt zu
bringen.
Und die Wirklichkeit?
1. Das Institut Manage wat gar keine Klo st er schule, sondern eine
Industrieschule, die lediglich Von Barmherzigen Brüdern ge-
leitet wurde.
2. Der Mörder War nicht ein Ordensbruder, sondern lediglich ein erst
kurz eingestellter Hausdiener.
3. Die Ärzte fanden es notwendig, den Verbrecher auf seihen Gei-
steszustand zu untersuchen.
4. , Von mehr als 10 000 Barmherzigen Brüdern Belgiens war kein
einziger eines Sittlichkeits vergebens beschuldigt.
Genau so unl ^gründet war es, als im Sommer 1937 die Ermordung
eines 13jährigen Knaben durch einen 17jährigen Jungen zunächst als
das Verbrechen eines „Laienbruders", dann als das eines Klosterzög-
lings unter schwersten Angriffen auf Zölibat und Keuschheitsgelübde
berichtet wurde. In Wirklichkeit hatte der Obere der Schulbrüder von
Maria Tann den Schuldigen, der den Eindruck eines Geisteskranken
machte, am selben Tag, an dem er Kenntnis von seiner Verfehlung
mit einem Knaben erhielt, in das eine Stunde entfernte Krankenhaus
von Villingen gesandt und hatte sofort den Vater des Schuldigen unter-
richtet und war auch durch dessen inständigstes Bitten nicht zu be-
wegen, den krankhaften jungen Menschen in die Anstalt zurückzuneh-
men, riet ihm vielmehr eindringlichst, den Sohn mit nach Hause zu
nehmen. Dieser tat es leider nicht. So schlich sich der Krankhaftveran-
lagte nach einigen Wochen während der Nacht aus dem Haus in die
Anstalt von Maria Tann und tötete das Opfer seiner Gier. Pfarrer
Ackermann von Rodalben (Rheinpfalz) konnte am Grabe des zu Tode
gemarterten Schülers der Schulbrüder zu Maria Tann konstatieren:
„Von einer Schuld auf selten der Anstalt kann keine Rede sein.
Was menschenmöglich war, ist hier geschehen. Das wurde auch
von der Untersuchungskpmmission anerkannt. Der Mörder war
kein Schulbruder, nicht einmal Klosterschüler zur Zeit der Tat,
sondern befand sich, aus der Klosterschule entlassen, schon einige
Wochen im Krankenhaus zu Villingen. Alle Vorwürfe und An-
klagen, die in der Öffentlichkeit gegen das Kloster erhoben wurden,
weise ich hier öffentlich und mit allem Nachdruck zurück."
138
Tendenziös entstellt waren auch Berichte über Sittlichkeits-
vergehen von
katholischen Theo lo gen undJugendführern.
Der „Theologie studierende" von Saßbach, der eines Sitt-
lichkeitsvsrbrechens bezichtigt wurde, war nichts als Schüler an einer
Unterklasse einer Mittelschule.
Der katholische „T heolo giestuden t" und „Führer der
ganzen katholischen Jugendvereine Baden s", S c h ü 1 1 e,
über dessen Verfehlungen „Das Schwarze Korps" vom 4. Februar 1937
berichtet unter der Überschrift „Von der Blutschande zur Weihe", war
auch bloß Student an einer Mittelschule und hatte lediglich vor zwei
Jahren etwa sechs Monate lang mit Diözesanpräsides des Katholischen
Jungmännerverbandes mitgearbeitet. Vom Empfang irgendeiner Weihe
keine Spur!
Der „Völkische , Beobachter" vom 25. Mai 1937 berichtete unter der
Überschrift. „Drei Jahre Gefängnis für den Gründer einer katho-
lischen Jugendvereinigung" über die Verurteilung eine«
44jährigen Karl; Kr leger. Aber der von ihm gegründete Verein:
„Jugendlust" war gar keine katholische Jugendorganisation. Weder
Krieger selbst noch seine Gründung war den kirchlichen Behörden be-
kannt.
Noch krasser war es, daß ein Abtreibungsvergehen, das sich eine
„Braune Schwester" in Tiengen bei Waldshut hatte zuschulden
kommen lassen, in den Zeitungen als das einer „O r d e n s s c h w e s t e r"
erschien.
3. Erwies eneErfindungen
a) Am 29. Mai 1937 berichtete der „Völkische Beobachter" einen
Artikel: „Über die Grenze mit falschen Pässen". Tags darauf
schrieben über ebendies die' „Münchener Neuesten Nachrichten"
unter dem Titel: „Jesuitenpater fälscht Zeugniss e."
In beiden Fällen handelt es sich um die Strafverfolgung von
Alexianerbrüdern in Bonn. Einer der Angeklagten, Ernist
Walter, ward in dem Artikel erzählt, hätte bekannt, falsche
Papiere (Taufzeugnis usw.) von einem Münchener Jesuiten
Friedrich Schmidt, Am Dom Nr. 5, erhalten zu haben,
um ihm zur Flucht zu verhelfen. Tatsachen:
1. Der Angeklagte hieß Walter R a u p p, nicht Ernst Walter.
2. Weder in ganz Deutschland, noch in ganz Österreich gab
es einen Jesuitenpater namens Friedrich Schmidt.
3. Es gibt keine Jesuitenniederlassung in München „Am
Dom"; ja, es gibt überhaupt nicht einmal eine Straße
dieses Namens.'
4. Das Gericht schenkte darum mit Recht diesen Behaup-
tungen keinen Glauben, aber die Zeitungen gaben sie
wieder als wahr.
b) Gegen Ende 1937 erschien eine „Schmutz- und Schundschrift"
von Schwabe, Hauptschriftleiter des „Westdeutscher Beobachter".
Darin wurden Feststellungen berichtet, die von einem katho-
lischen Priester Fr. Otto Schwab von Bamberg stamme*
139
sollten. ' Weder in der Diözese Bamberg noch in einer anderen
deutschen Diözese gab es einen Priester dieses Namens.
c) Verfehlungen imKlostervonBiberach entbehrten ebenso
offensichtlich jeglichen Fundamentes, , da ja in Biberach über-
haupt kein Kloster besteht.
4. Übertreibungen.
Der Nationalsozialismus war ein Freund großer Worte, großer
Zahlen, großer Massen, großer Bauten. So verwundert es nicht,
wenn auch die Sittlichkeitsverbrechen katholischer Geistlicher und
Ordensleute im Munde der nationalsozialistischen Redner und in
den Zeilen nationalsozialistischer Zeitungen und Zeitschriften sehr
rasch ins Riesenhafte wuchsen, wenn z. B. Reichsinnenminister
Fr ick in einer Rede zu Koblenz im Jahre 1936 sich zu der Be-
hauptung verstieg: „Ordenshäuser, welche Stätten der Betrachtung,
des Gebetes und Gotteslobes sein sollten, haben sich als wahre
Brutstätten des Lasters erwiesen."
Noch weniger verwundert es, wenn der „Meister der Lüge",
Dr. Goebbels, in seiner demagogischen Rundfunkansprache vom
28. Mai 1937 Sätze sprach wie:
„Eine große Zahl katholischer Geistlicher ist wegen Sexual-
verbrec|hien verhandelt worden. Das ist nicht mehr eine Angelegenheit
bedauernswerter Einzelverfehlungen, sondern eine solche allgemein
sittlicher Korruption, wie sie die Geschichte der Zivilisation
kaum jemals gekannt hat. Keine andere Gesellschaftsschicht
hat je solche Verderbtheit zu verbergen gehabt. Es ist kein Zweifel, daß
die Tausende von Fällen, die ans Licht gekommen sind, nur ein
kleiner Bruchteil des ganzen moralischen Sumpfes sind! !"
Eine echt nationalsozialistische Heuchelei und Irreführung aber be-
deutete es, wenn der Reichsminister für die kirchlichen Angelegenheiten,
K e r r 1, in einer Rede in Fulda am 24. November 1937 von 7000 Straf-
fällen katholischer Geistlicher seit 1933 sprach, in einer Rede zu Hagen-
Westfalen, am 30. November 1937, Zahlen über die „Sittlichkeits-
prozesse" gab, die den Eindruck von Genauigkeit machen und doch
falsch waren. Er. nannte da als
„verurteilt": 45 Priester,
176 Brüder und Nonnen,
21 Angestellte
insgesamt 242
als „noch in Verhandlung": 93 Priester
744 Brüder und Nonnen,
118 Angestellte
insgesamt 955
' Niemand konnte natürlich nachkontrollieren, wie die Zahl 7000 zu-
stande kam. Auf jeden Fall waren darin alle Vergehen irgendwelcher
Art, welche dorn katholischen Klerus zur Last gelegt wurden, beispiels-
weise auch alle Verfehlungen gegen den „Kanzelparagraphen", gegen
das „Heimtückegesetz", gegen die Befläggungsvorschriften, gegen das
Sammlungsgesetz u. ä., zusammengeworfen mit den „Sittlichkeitsver-
brechen"'.
140
Die „Verlässigkeit" der in Hagen erwähnten Einzelangaben
geht aus folgender Feststellung der deutschen Bischöfe im Juni 1937
hervor:
Von 21 6 41 Weltpriestern Deutschlands sind 4 9 in diese Pro-
zesse verwickelt. Davon sind 21 verurteilt, 28 warten noch auf die
Verhahdlung. Von 4 17 4 Ordenspriestern sind 9 angeklagt. Einer
davon ist bereits abgeurteilt; bei den übrigen 8 steht die Entschei-
dung noch aus. Insgesamt ergeben sich also für 25 634Priester
5 8 Fälle, also rund eineraufSOOPriester!
Bei den Ordensleuten kamen große Zahlen teilweise auch da-
her, daß, wie schon erwähnt, auch alle, die jemals mit einem
Ordenshaus irgendwie in Verbindung standen (Kandidaten, Diener
usw.) einbezogen wurden; ebenso solche, die eigentlich bloß zur
Ausschaltung von ,, Verdunklungsgefahr" eingesperrt waren, ohne
selbst angeklagt zu sein.
So kündigten Zeitungen zu Anfang 1937 an: „2 76 Ordensleute
vor Gerich t." Der Artikel selbst sprach dann nur von 10 6 verhafte-
ten Brüdern. Unter diesen 106 Waren aber 5 6 nur als Zeugen „sicher-
gestellt", ohne daß gegen sie selbst eine Anklage erhoben war. Von den
restlichen 5 gehörte ein Großteil längst nicht mehr zu irgend-
welchen Orden.
J.Verallgemeinerungen.
Wo solche Ü b e r t r e i b u n g e n beliebt werden, ist der Weg
nicht weit zu Verallgemeinerungen. So glaubte „Das
Schwarze Korps" vom 18. Juni 1936 gegenüber Einwänden, • daß
es sich bei den Sittlichkeitsvergehen von Orden?leuten doch um
geistige Verirrungen einzelner handle, behaupten zu können:
„Im Gegenteil: Beinahe ein ganzer Orden hat sich verant-
wortlich erwiesen für unnatürliche Verbrechen an Minderjährigen, nicht
etwa im einen oder andern Haus, sondern in 20 seiner Häuser, die zu-
sammen 500 Mitglieder umfassen, wovon 267 bereits legal überführt
sind."
Der bayerische Unterrichtsminister erklärte am 28. Dezember
1936 die Maristen-Schulbrüder, die Brüder von der Christlichen
Schule, die Augustiner-Eremiten als nicht geeignet zur Aufsicht
von Erziehungsinstituten und entzog ihnen alle diesbezüglichen
Rechte.
Zur Würdigung dieser harten Maßnahme gegen alle Angehörigen
eines Ordens sei der Fall der Maristen näher beleuchtet: Im Schüler-,
heim zu Traunstein war ein einziger Fall passiert. Der schuldige
Bruder war sofort aus dem Hause entfernt und aus dem Orden aus-
gestoßen worden. Drei Fälle, die in der Mittelschule und im Studien-
heim zu Mindelheim geschehen waren, standen in keiner -Ver-
bindung mit Ordensmitgliedern, waren Verfehlungen von
Angestellten. Im Schülerheim der Realschule zu Reichenhall war es
wohl ein Bruder, der sich an einem Knaben vergangen hatte, war aber
am selben Tage aus dem Orden ausgeschlossen wordon. Und für diese
gewiß bedauernswerten Fehler einzelner v/urde der ganze Orden haft-
bar gemacht und seiner acht Anstalten in Bayern beraubt.
141
6. Einseitigkeit.
Einseitig war, daß die Presse soviel wie nichts aus den
Verteidigungsreden für die Geistliciien und Ordensleute,
die irgendwelclier Sittlichkeitsvergehen angeklagt waren, bringen
durfte.
Einseitig war es; daß sie nicht einmal allgemeine
Erklärungsgründe für die traurigen Vorkommnisse geben
durfte. Als spe25iell die Koblenzer Volkszeitung (früher eine katho-
lische Zeitung) auf die unbestreitbare Tatsache hinwies, daß nicht
AVenige Mitglieder der Franziskanerbrüder von Waldbreitbach in
den Orden eingetreten seien während der Zeit der Arbeitslosigkeit,
getrieben von Hunger, ohne inneren Beruf, bekamen sie vom Kreis-
amt des Propagandaministeriums einen scharfen Verweis und eine
Auflagenachricht, „daß viele der Angeklagten bereits um 1900 in
den Orden kamen und erst später Jugendverführer und Jugend-
verderber wurden."
Einseitig war es, daß- mehrere Schriftleiter Westdeutsch- ■
lands mit der Ausstoßung aus der „Schriftleiterliste" bedroht wur-
den wegen ihres „passiven Widerstandes", (d. h., weil sie die ihnen
übermittelten Prozeßberichte nicht uneingeschränkt und nicht un-
gekürzt bringen wollten), daß sie aber über sittliche Verfehlungen
von Parteigenossen, Hitlerjungen, Hitlerjugendführern, SA-
und SS-Männern usw. nichts berichten durften.
Einseitig war es, daß am 1. Dezember 1936 durch besondere
Verordnung allen Amtswaltern der Partei verböten
wurde, ohne besondere Erlaubnis Auskünfte zu geben über An-
gelegenheiten, die unter ihr Amtsgeheimnis fielen, daß aber
eine besondere Anweisung des Reichsinnenministers es als unstatt-
haft bezeichnete, daß kirchlicheOberbehörden den Geist-
lichen Schweigepflicht über amtliche Sachen auferlegen.
Einseitig war . es, daß viele Vergehen, besonders sittliche
Vergehen von Parteimitgliedern, vielfach nur vor geheime
Parteigericht e kamen oder, wenn sie der allgemeinen Ge-
richtsbarkeit unterstellt wurden, nur unter Ausschluß der
Öffentlichkeit verhandelt wurden, während zu den Sittlich-
keitsschauprozessen von Geistlichen und Ordensleuten Zuschauer
und Zuhörer kostenlos aus allen Teilen Deutsch-
lands nach Koblenz herbeigeholt wurden, z. B. laut
•„Völkischer Beobachter" vom 9. Juli 1937: nicht weniger als 150
hervorragende Bürger, Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Ober-
bayerns, laut „Völkischer Beobachter" vom 10. September 1937:
volle 114 andere Personen.
Einseitig war es, wenn über Sittlichkeitsvergehen von Par-
teileuten zwar von der zuständigen Lokalpresse kurz berichtet
werden durfte, weil ja dem Leserkreis derselben der Skandal ohne-
hin längst bekannt war und der Eindruck vermieden werden sollte,
142
als ob Sünden im eigenen Kreis verschwiegen würden, dagegen der
gesamten übrigenPressejede Zeile hierüber untersagt war.
Ein Beispiel dafür: In St&rnberg und Umgebung waren schwere
Sittlichkeitsverfehlungen von leitenden , Parteiangehörigen (darunter
einem geborenen Engländer, der aber jetsJt nationalsozialistischer Amts-
walter war) geschehen. Die Starnberger Presse durfte darüber
einiges Wenige bringen, die Münchener.Presse nicht ein Wort.
Im Archiv des Erzbischöflichen Ordinariats liegt eine Menge
Material dieser Art: Lauter Sittlichkeitsverbrechen von Nazis und
Nazifunktionären, aber von Partei und Gericht ängstlich vor der
Öffentlichkeit behütet und verdeckt! Den katholischen Bischöfen
machte man Vorwürfe, daß sie die Sittlichkeitsvergehen von Geist-
lichen und Ordensleuten nicht immer In aller Öffentlichkeit und
mit . aller Schärfe verurteilt oder ihrerseits nicht schnell genug
geahndet hätten, und in den eigenen Reihen deckte man die gleichen
Vergehen mit dem Mantel der Verschwiegenheit und schritt durch-
aus nicht immer zur sofortigen Bestrafung, zum Ausschluß aus der
Partei, zur Absetzung von HJ-Pührung usw. (vgl. Röhml)
So muß noch ein 1. Charakteristikum dieser NS-Justiz und
ihrer Berichterstattung genannt werden; sie heißt:
7. H e ü c h e 1 e i.
In der Pressekonferenz vom 9. April 1937 wurde die Presse
noch ergänzend angewiesen, sachlich zu berichten, sich jeder
Angrilfe auf die Kirchen als solche zu enthalten und aus den Be-
richten alle Einzelheiten der Straftaten wegzulassen, die das „Sitt-
lichkeitsempfinden verletzen könnten."
Und die Wirklichkeit? Eine förmliche Pornographie im.
Dienste der Politik und des nationalsozialistischen Kirchenhasses!
Eine Ausführlichkeit- der Berichterstattung bis in schändlichste
Einzelheiten, eine Ausstellung dieser Berichte an Zeitungstafeln
und in Schaukästen für jedermann, auch für Kinder!
„Keine Angriffe auf die Kirchen!" hieß die „wohlwollende"
Anweisung von Goebbels. Und die Wirklichkeit?
Angriffe gegen die katholische Kirche, wie sie
z. B.'der „Völkische Beobachter" am 30. Mai 1937 brachte, mit dem
Thema: „Die katholische Kirche ist korrupt durch und durch und
muß verschwinden!"
A n g r i f f e a u f d i e B i s c h ö f e, als ob sie nicht ihre Pflicht
getan hätten, um solche Vergehen zu verhüten oder sofort ab-
zustellen!
Angriffe auf das katholische Ordenswesen,
„dessen Forderungen wohl Heilige erfüllen könnten, bei gewöhn-
lichen Menschen aber nur eine Scheinheiligkeit erzielten" (HJ:
2. Juni 1936 mit den Worten des Staatsanwaltes Hathingen)!
Angriffe aufdenZölibatals etwas Unnatürliches, mit
Gewalt zu Verbrechen Treibendes, der zum Schutz des Volkes vor
143
weiteren Verbrechen, möglichst bald abgeschafft 'werden müßte
(Flugblätter der Altkatholiken über „Unsittlichkeit in Klöstern")!
Angriffe auf die gesamte katholische Jugend-
erziehungsarbeit, die der Kirche je eher, desto besser ge-
nommen werden müßte!
Angriffe, so gemein, wie sie das schon erwähnte (S. 27) Bild
des „Schwarzen Korps" vom 6. Mai 1937: „Der Oberhirte" brachte!
Und was stand hinter all dieser mächtigen Entrüstung über
die sittliche Verderbnis in Geistlichkeit und Orden der katholischen
Kirche Deutschlands? Wahrer, innerer, sittlicher Ernst, eigene
Makellosigkeit, entschiedener Wille zur Hebung der Moral des
ganzen deutschen Voljses, irgendein sichtbarer Erfolg solcher allen-
fallsiger Bemühungen?
Im Konzentrationslager Sachsenhausen habe ich des öfteren
beobachten können, wie SS-Leute vor vielen anderen mit sicht-
lichem Behagen von Sittlichkeitsverbrechern sich alle Einzelheiten
ihrer Vetfehlungen erzählen und geradezu ausmalen ließen, dann
aber auf einmal Entrüstung und Abscheu heuchelten und mit
Faustschlägen und Fußtritten die Verbrecher traktierten.
So ungefähr war Gesinnung und Gebaren der Herren des
Dritten Reiches:
Zuerst wühlten sie voll Behagen mit beiden Hätiden in jeg-
lichem wirklichen oder vermeintlichen Sumpf und warfen ihn Mil-
lionen vor die Augen, dann aber spielten sie auf einmal die sittlich
Entrüsteten, die von Ekel Gepackten, die Sittlichkeitsrichter, die
Sittiichkeits Wächter und Sittlichkeitspächter.
ynd die Wirklichkeit?
Stieg wirklich das Barometer der Sittlichkeit
unter dem Hakenkreuz?
Im Gegenteil! Die Statistik zeigt ein tiefes Absinken.
Das statistische Jahrbuch des Deutschen Reiches zeigt folgende
Entwicklung bis zur Mitte des Jahres 1938:
Verurteilung von Jugendlichen wegen 'Unsittlichkeit:
1932: 619 1933: 612 1934: 779
1935: 1058 1936: 1465 1937: 2374
Für Verfehlungen a n Jugendlichen werden folgende Zahlen
angegeben:
1934: 478 1937: 1065
Die Zahlen „widernatürlicher Laster" sind:
1934: 121 1937: 973
Ob aber in diesen Zahlen auch die Vergehen sind, die nur ■
hinter den Kulissen des Parteigerichts behandelt wurden,
die Sittiichkeits verbrechen der Parteileute selbst?
144
IV. Die wirtschaftliche Erdrosselung der Orden.
Vereinzelten Orden war schon durch ungeheure Geld-
strafen und Ersatzauflagen für Devisenvergehen beinahe das Exi-
stenzminimum genommen worden.
Allgemein aber suchte der Nationalsozialismus den Orden
den Atem durch andere Maßnahmen zu nehmen, zunächst durch
härteste Besteuerung.
Dabei griff man vielfach auf Jahre zurück. Sodann leistete sich
die Finanzbehörde die Ungeheuerlichkeit, den katholischen Orden,
selbst Krankenpfiegeorden, die „Gemeinnützigkeit und
Wohltätigkeit" abzusprechen, weil sie zumeist in ihren Sat-
zungen als einen Zweck des Ordenslebens auch die „Selbst-
heiligun g", das Streben nach Tugend und Religiosität, genannt
hatten. Damit sei „ein egoistischer Zweck" zugegeben,
also keine „volle Gemeinnützigkeit" mehr vorhanden.
Nach dieser Steuergesetzauslegung und -praxis war also eine Barm-
herzige Schwester, die ihr ganzes Leben dem Dienst armer, lungen-
kranker, krebskranker Menschen widmete, nicht „wohltätig" und
„gemeinnützig", sondern „selbstsüchtig". Die „Braune Schwe-
ster", die sich für jeden Dienst gut zahlen ließ, zahlreiche Zu-
schüsse vom Winterhilfswerk und von der NSV erhielt, schöne
Urlaubsreisen machen konnte usw., sie war „geineinnützig"!
Sodann versuchte man, die Schwestern
arbeitslos, brotlos, wohnungslos
zu machen und auf jede Weise zu zwingen, das Ordenskleid ab-
zulegen und in die Welt zurückzukehren. Wie man die Lehr-
schwestern trotz katastrophalen Lehrermangels aus den Schulen,
sogar aus den eigenen, wies, so nahm man nach und nach Schwe-
stern Hauskrankenpflege, Kinderhorte, Krankenhausdienste u. ä.
Gauamtsleiter Dr. Heßler z. B. verordnete in seinem Rundschreiben
im Jahre 1937 für die Gemeindestationen der „nationalsozialistischen
Volkswohlfahrt" (NSV): „Die Zuziehung einer caritativen
Schwester darf nur erfolgen, wenn eine NSV-Schwe-
sternicht zur Verfügung steh t."
Die Stadtverwaltung Aachen setzte im März 1941 vertragswidrig
auf einmal die Zahl der in den städtischen Krankenanstalten Aachens
angestellten Elisabethinnen von 90 auf 60 herab, um Platz für „Braune
Schwestern" zu haben. Sodann kündigte sie den seit 1934 gültigen Ver-
trag mit dem Mutterhaus und lud jede einzelne Schwester zu einem
Vertrag selbständiger Anstellung mit günstigen Bedingungen
ein, um nur möglichst viele Schwestern zürn Austritt aus der Genossen-
schaft anzueifern.
Ein ganz besonders bezeichnender Fall von Unwahrhaftig-
keit, Ungerechtigkeit und Rücksichtslosigkeit
ist die Schließung des Vinzenzkrankenhauses in Duis-
burg, eines der größten und modernst eingerichteten Kranken-
häuser der Stadt. Am 11. Mai 1937 gab der Polizeipräsident durch
das deutsche Nachrichtenbüro bekannt, daß er nach einer sorg«
145
fältigen Prüfung det- GeschäftsfüKrung des St.-Vin:^en2-Kranken-
hauses sich gezwungen sehe, dieses zu schließen. Das Krankenhaus
sei nicht in der Lage, in allen Krankeitsfällen die erfor-
derliche ärztliche Behandlung zu garantieren. Nach ÄTZtllchem Ur-
teil sei es in einem Fall Hauptursache am Tode einer Frau von
Duisburg gewesenll Im Interesse des öffentlichen Wohles könne
daruhi in dem St.-Vinzenz-Krankenhaus keine weitere Kranken-
behandlung mehr stattfinden. Schon am nächsten Tag begann der
polizeilich befohlene Abtransport der nahezu 400 Patienten in
andere Häuser. Vergeblich bat Bischof Galen telegraphisch den
Regierungspräsidenten von Duisburg, wenigstens für eine ordent-
liche Abwicklung Sorge zu tragen» Eine Kanzelverkündigung in
allen Kirchen Duisburgs brachte dann folgende Aufklärung (12. Mai
1937):<.„Das St.-Vinzenz-Krankenhaus ist geschlossen worden, weil
wir In einem acht Monat ezurückllegenden Fall eine
gewisse Operation an einer Frau nicht erlauben wollten, eine Art
von Operation, die wir unter unserem Dache nicht zulassen können,
da sie eine Verletzung des göttlichen Gesetzes ist.
Die Frau wurde daraufhin auf den Rat des zuständigen Arztes in
ein anderes Krankenhaus gebracht und starb dort.» Das ist der
Grund für die Schließung des Krankenhauses. Alle anderen Gründe,
die damit verbunden wurden, sind unwahr." Nach ein paar Mo-
naten wurde das Krankenhaus auf Veranlassung des Reichsinnen-
ministers wieder geöffnet, aber ein paar Stunden darauf auf Befehl
des Bürgermeisters von Duisburg in seiner Eigenschaft als Direktor
des Gesundheitsamtes aufs neue geschlossen!!
So war deutsches Hecht im Dritten Reich, wenn es sich um
Klosterfrauen handelte.
V. KlosteirentviUkerUiig«
Um auch schon die Mutterhäuser der Orden zu leeren, den
Ordensnachwuchs zu unterbinden, erschwerte man schließlich auf
alle mögliche Weise den Eintritt ins Kloster, selbst bei Kranken-
pflegevereinigungen, obwohl verschiedene Reichsministerien sich
für ihre Erhaltung, wenigstens während des Krieges, einsetzten.
Hitler selbst entschied, daß kein 'Ordensnachwuchs mehr auf-
genommen werden dürfe. Drei Reichsminister gaben daraufhin
gleichsam die Ausführungsbestimmungen zu diesem „Gesetz", das
des Führers Wille allein gegeben. Sie verordneten im September
1940 als
Reichsv er Ordnung zur Verhinderung des Kloster-
nach wuchs es.
Der Reichsarbeitsminister, der Reichskirchenminister und der Stell-
vertreter des Führers sind übereingekommen, zur Sicherung der not-
wendigen nationalen Arbeitskräfte folgende^ für das gesamte Reichs-
gebiet verbindliche Regelung zu treffen i
1. Es ist unerwünscht, daß arbeitsfähige Menschen in Orden und Klö-
ster eintreten und so dem Arbeitsprozeß entzogen werden.
146
t. Wer bereits In einem Arbeltsdlenstvefhältnls steht und dieses zu
lösen wünscht, um in einen Orden einzutreten, ist vom Arbeitsamt
zu verständigen, daß die Lösung des Dienstverhältnisses für diesen
Zweclc nicht mehr möglich ist.
S. Wenn Jemand im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber das Dienst-
verhältnis aus dem gleichen Grund zu lösen wünscht, ist darauf zu
dringen, daß es beim Dienstverhältnis bleibt. Kommt es dennoch zu
einer Lösung, hat das Arbeitsamt dem früheren Arbeitnehmer sofort
eine neue Arbeitsstelle anzuweisen.
4. Dieser Erlaß ist auch anzuwenden auf Söhne und Töchter yon Arbeit-
gebern, falls erstere in einem Dienstverhältnis zu letzteren stehen.'
5. Alle Parteistellen sind angewiesen, Fälle, in denen junge Menschen,
die noch in Iceinem Dienstverhältnis stehen, in einen Orden ein-
treten wollen, sofort dem zuständigen Arbeitsamt anzuzeigen, damit
dieses dem Ordensanwärter eine Arbeitsstelle zuweist..
Noch nähere Ausführungsbestimmungen gab der Reichsarbeitsmini-
ster mit einem neuen Erlaß:
Der Reichsarbeitsminister Berlin SW 11, 29. 9. 40.
Va 5550/218. Saarlandstr. 98
An die Herren Präsidenten
der Landesarbeitsämter.
Betreff: Beschränkung des Nachwuchses für Orden und Klöster.
Der Bedarf an Arbeitskräften für Aufgaben der Reichsverteidigung
macht es notwendig, jede Gewinnung von Arbeltskräften auszunutzen.
Zudem ist der Berufsnachwuchs verknappt, weil geburtenschwache
Jahrgänge in das Erwerbsleben eintreten. Diese Umstände gebieten vom
Standpunkt des Arbeltseinsatzes, den Eintritt von arbeitsfähigen Deut-
schen in Orden und Klöster zu unterbinden. /
Ich bestimme deshalb im Einverständnis mit dem Herrn feeichs-
minister für die kirchlichen Angelegenheiten und dem Stellvertreter des
Führers folgendes:
1. Gefolgschaftsmitgliedern, die ihr Arbeitsverhältnis (Lehrverhält-
nis) kündigen wollen oder kündigen, um in einen Orden einzutreten
(Kloster), und mithelfenden Familienangehörigen, die in der gleichen
Absicht ihre Beschäftigung aufgeben wollen oder aufgeben, haben die
Arbeitsämter die Zustimmung nach dem § 1, 5 der Verordnung über die
Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels vom 1. 9. 39 (Reg.Blätt I S. 1685)
mit der Begründung zu versagen, daß der Lösung des Arbeitsverhält-
nisses (Lehrverhältnisses) oder der Aufgabe der mithelfenden Berufs-
tätigkeit aus arbeitseinsatzmäßigen Gründen nicht zugestimmt werden
kann.
2. Lösen Gefolgschaftsmitglieder oder mithelfende Familienangehö-
rige ihr Beschäftigungsverhältnis im Einverständnis mit dem Unter-
nehmer, um in einen Orden (Kloster) einzutreten, so haben die Arbeits-
ämter, solche Arbeitskräfte, insbesondere anläßlich einer Meldung, nach
§ 3 der Arbeitsplatzwechselverordnung, wieder einer Berufstätigkeit zu-
zuführen, äußerstenfalls im Wege der Dienstverpflichtung.
3. Erlangen die Arbeitsämter Kenntnis, daß Jugendliche, die noch in
keinem Beschäftigungsverhältnis stehen, in einen Orden (Kloster) ein-
zutreten beabsichtigen, so haben sie diese einer Berufstätigkeit zuzufüh-
ren, äußerstenfalls im Wege der Dienstverpflichtung. Jedoch sind bei
der Einweisung in Ausbildungsstellen Zwangsmaßnahmen unzulässig,
da die Dienstverpflichtung in ein Ausbildungsverhältnis außer im Falle
des § 3 der Kräftebedarfsverordnung vom 13. 2. 39 (Reg. Blatt I S. 206)
mit , dem Grundgedanken dieser Verordnung nicht zu vereinbaren ist.
147
Muß der Jugendliche im Wege der Dienstverpflichtung einer Berufs-
tätigkeit zugeführt werden, so ist die Dienstverpflichtung dann aufzu-
geben, wenn der Jugendliche bereit ist, in ein Ausbildungaverhältnis zu
treten.
Der Stellvertreter des Führers wird die Ortsgruppen der NSDAP
anweisen, in jedem Falle, in dem sie von einem beabsichtigten Eintritt
eines Volksgenossen in einen Orden (Kloster) Kenntnis erhalten, dies
unverzüglich dem zuständigen Arbeitsamt mitzuteilen.
gez. Dr. Syrup.
Auch zum Arbeitsdienst und in Rüstungsbetriebe
gez w ungen !
Selbst junge Männer und junge Mädchen, welche schon in der
Vorbereitung aufs Ordensleben standen, sei es in der Kandidatur
oder selbst im Noviziat, sollten noch weggezogen werden. Das war
der Hauptzweck, warum man sie, wenn sie noch nicht über das
rentsprechende Alter hinaus waren, trotz aller Gegengründe und
Gegenvorstellungen zu Arbeitsdienstund Pflichtjahr
heranzog und während dieses Dienstes von der Erfüllung ihrer reli-
giösen Pflichten (Sonntagsgottesdienst, Sakramtenempfang usw.)
möglichst abzuhalten und mancherorts in jeder Weise gegen den
Ordensgedanken zu beeinflussen suchte.
Während des Krieges mußten dann nicht bloß die männlichen
Ordensleute (Priester wie Brüder) zum Militär, sondern auch die
SchwesternwurdeninRüstungsbetriebegezwun-
g e n : „Arme Schulschwestern" z. B. durften nicht in Schulen, wo
sie so sehr benötigt gewesen wären, sondern mußten in Fabriken
oder im eigenen Haus Rüstungsarbeiten leisten.
Eine andere Schikane richtete sich
gegen ditOrdenshoehKehulen.
Die in Ordenshochschulen studierenden Theologen wurden,
nicht aufgenommen in die Vergünstigung de« § 25 Ziffer 10 der
Verordnung vom 17, April 1937 über die Musterung und Aus-
hebung, die besagte: „Ein Dienstpflichtiger römisch-katholischen
Bekenntnisses, der sich dem Studium der Theologit widmet, kann
füi die Dauer des Studiums zurückgestellt werden." So mußten
militärpflichtige Ordenstheologen entweder auch schon in Friedens-
zeiten Militärdienst leisten oder sie mußten sich neben der Ordens-
hochschule auch noch an einer staatlichen Hochschule einschreiben
und dafür Gebühren beä;ahlen, eine ©rdensfeindlieh« Maßnahme,
gegen welche die bayerischen Bisehöfe am 14. Mai 1937 schärfste
Verwahrung beim Reichskriegsministerium einlegten, aber ver-
gebens!
VI. Klosterraub.
Ein weiterer Schritt war dieWegnahmeklösterlicher
Räume für Umsiedler, nationalsozialistische Schulen, national-
sozialistische landwirtschaftliche Musterbetriebe u. ä.
148
Gauleiter Hofer von Innsbruck „veranlaßte" die Prämonstra-
tenser von Wüten in Innsbruck, das Kloster an das Land Tirol zu
„verkaufe n".
Später ersparte man sich den Schein eines Kaufes und schritt
zur brutalen Konfiskation:
So z. B. wurde die Seh wachsinnigen- Anstalt E c k s b e r g bei
Mühldorf im Werte von rund einer Million einfach dem Bezirks-
verband Oberbayern geschenkt, wie schon ein paar Jahre vor-
her das Waisenhaus in Mühldorf dem „Katholischen Frauenbund"
entschädigungslos genommen und kostenlos der Stadt übereignet
worden war. — Allein in der Erzdiözese Breslau waren 1941
mehr als 6 Klöster und kirchliche Institute beschlagnahmt.
Wer kann wohl ermessen, wieviel Leid und Not braver Män-
ner und Frauen sich hinter • nachfolgender Liste von Kloster-
aufhebungen und Ausweisungen von Ordensleuten verbirgt, die von
Mitte Dezember 1940 bis Anfang Mai 1941, also in weniger als
einem halben Jahr, geschahen, eine „nationalsozialistische Helden-
leistung" hinter der Frontl
1. Franziskanerkloster Frauenberg in Fulda
am 14, Dezember 1940
Begründung: Lebensmittel Verfehlung
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: 1 Pater in Arbeitsanstalt, Beschlagnahme des Hauses, Gau-
verweisung der Insassen. .
2. Jesuiten-Niederlassung in Luxemburg;
im Januar 1941
Begründung: staatsfeindliche Haltung, Aufnahme von Emigranten
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses (nachträglich auch der öffent-
lichen Kapelle), Ausweisung nach Trier.
,8. RedemptoristenklosterLuxemburg
im Januar 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses; Ausweisung der Insassen.
4. Redemptoristenkloster Di ekirch, Luxemburg
im Januar 1941
Begründung: keine .
gerichth'ches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Haus war nicht Eigentum der Redemptoristen. Ausweisung
der Patres.
5. Missionshaus der Weißen Väter in Mariental,
Luxemburg
im Jahre 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses. Insassen in zwei Stunden aus-
gewiesen.
149
6. Herz- Jesu-Kloster Fünf brunnen, Luxemburg
im Januar 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses. Sieben Brüder dienstverpflichtet
gegen Lohn.
7. Herz-Jesu-Priester, M.artental belKaisersesch,
am ?
Begründung: keine i
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe; Beschlagnahme. Insassen aus dem Regierungsbezirk Koblenz
ausgewiesen. Wallfahrtskirche einige Tage später frei-
gegeben. '
8. Oblatenkloster St. Karl in Valkenburg, Holland
am ?
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine -
Strafe: Beschlagnahme. Brüder dienstverf lichtet.
9. Oblatenkloster in Hünfeld bei Fulda
am 26. Februar 1941
Begründung: Lebensmittel Verfehlung
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 1 Pater
Strafe: Beschlagnahme, Gauverweisung der Insassen. 6 Bi^üder
dienstverpflichtet.
10. Benediktinerprior at Meschede i. W,
am 19. März 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 3 Patres
Strafe: Ausweisung der übrigen Insassen.
11. Benediktinerabtei Schweiklberg bei Passau
am 1. April 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren; nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme, Ausweisung, Kirche geschlossen..
12. Benediktinerinnenabtei Kellenried, Diözese Rot-
tenburg
Einzelheiten unbekannt.
13. Missionshaus St. Wendel, Saar, Diözese Trier
am 10. Januar 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme und Gauverxyeisung der Insassen
14. Benediktinerabtei St. Ottilien, Bayern
am 17. April 1941
150
Begründung: „Das Kloster hat große Suramen dem Nationalvermö-
gen entzogen und für eigene Zwecke verwendet, was
bei der Konzentration aller Kräfte der Nation heute
nicht mehr geduldet werden kann." (Missions verein:
Liebeswerk vom hl. Benedikt, der 50 Jahre als E.V.
bestanden hat.)
Verhaftung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Strafe: Ausweisung von ca. 50 Patres und Brüdern- 7 Patres und
etwa 75 Brüder müssen den Betrieb weiterführen. Kirche
geschlossen.
15. K a n i s i u s h a u s („Stin^nen der Zeit") d er Jesu itenlnMün-
c h e n
am 18. April 1941
Begründung: Vaterlands verrat
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine /
Strafe: Bechlagnahme des Hauses. Alle Insassen persönlich für
schuldlos erklärt.
16. K a n i s i u s h a u s (Provlnzlalat d6r Jesuiten) 1 n K ö 1 n •
am 15. April 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit, Kanzelverstöße einzelner, teils
früherer Bewohner aus vergangenen Jahren
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses.
17. Noviziat der Jesuiten in Mittelsteine, Glatz;
am 15. April 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: 1 durchgeführt (4 Monate Gefängnis für
1 Bruder), 2 niedergeschlagen.' Kanzel-
verstöße; alle drei aus früheren Jahren.
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme des Hauses; 3 Brüder dienstverpflichtet.
18. Kloster der Redemptoristen in Bonn
am 10. April 1941
Begründung: 6 verschiedene Gründe, die jedoch keine Verstöße be-
deuten
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme.
19. OttlllenkolleginMünchen
am 28. Apriri941
Begründung: weil zu St. Ottilien gehörig (s. Nr, 14)
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Kirche geschlossen.
20. Kolleg der Ottilianer in Dillingen a.d, Donau
am 28. April 1941
Begründung: weil zu St. Ottilien gehörig (s. Nr. 14)
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Kolleg wird unter staatlicher Aufsicht wei-
tergeführt.
ISl
21. KlosterderBenediktinerinneninBonn-Endenicb
Ende April 1941
Begründüng ?
gerichtliches Verfahren ?
Verhaftung ?
Strafe: Insassen abtransportiert. Haus beschlagnahmt.
22. Maristen-Missionshaus in Meppen, Hannover
Mitte Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung aller Insassen aus 100-km-Zone.
Öffentliche Kirche geschlossen.
23. Benediktinerabtei Münsterschwarzach, Bayern
am 9. Mai 1941
Begründung: keine (siehe Nr. 14)
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 2 Patres; Abt in häuslichem ^Arrest
Strafe: Beschlagnahme. Insassen ins Franziskanerkloster Kreuzberg
in der Rhön abtransportiert. Kirche geschlossen.
24. Missionsbenediktinerinnen in Tutzing
am 9. Mai 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein ■
Verhaftung: keine
Strafe; Beschlagnahme. 31 Schwestern dienstverpflichtet.
25. Benediktinerabtei Siegburg
am 6. Mai 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme.
26. Abtei und Pfarrei St, Matthias der Benediktiner
i n T r i e r
am 6. Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 1 Pater
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung aller Insassen, außer 1 Pater.
27. Missionshaus der Miss. v. Hl. Geist, Knechtsteden
am 16. Mai 1941
Begründung: Schlachtverfehlung
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: 1 Pater
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung der Insassen aus dem Rhein-
lande.
28. Erzbischöfliches Priesterseminar Bensberg, Köln
Mitte Mai
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung aller zum Seminarbetrieb ge-
hörigen Insassen. Militärlazarettbetrieb geht weiter.
152
29. Exerzitienhaus der Jesuiten, in H, oh eneichen-
Dresden
am 24. Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren; nein
Verhaftung: Der Obere wurde nachträglich verhaftet
Strafe: Beschlagnahme. Räumung. Kapellenraum und Kirchenmobi-
liar nicht freigegeben.
30. Redemptoristenkloster Aachen
am 24. Mai 1941
Begründung: „Wir brauchen ein Altersheim"
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme und Räumung.
31. Maris tenkloster Ahmsen, Kr. Meppen
Mitte Mai 1941
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine . ,
Strafe: Beschlagnahme. Ausweisung aus der 100-km-Zone. öffent-
liche Kapelle geschlossen. Seelsorgerstellen unbesetzt.
32. Dominikanerinnenkloster St. Peter in Bludenz,
Vorarlberg
am ? ^ .
Begründung: keine
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Räumung.
33. Kapuzinerkloster in Bludenz
. am ?
Begründung: „Haus steht im Wege"
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Räumung.
34. Stift Kloster Neuburg, Österreich
am 3. Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme.
35. Steyler Missionshaus St. Gabriel, M ö dling b. Wien*
am 6. Mai 1941
Begründung: Staatsfeindlichkeit
gerichtliches Verfahren: nein
Verhaftung: keine
Strafe: Beschlagnahme. Räumung.
Als Ergänzung hiezu noch das'
Verzeichnis
der im Reichsgau Niederdonau für die Unterbringung Volks-
deutscher Rückwanderer beschlagnahmten Klosterniederlassungen.
1. Benediktinerabtei Seitenstetten
2. Benediktinerabtei Altenburg. (Landkreis Hörn)
3. Benedilctinerabtei Göctweig (Landkreis Krems a. d. D.)
153
4. Zisterzienserabtei Heiligenkreuz (Landkreis Baden bei Wien)
5. Zisterzienserabtei Lilienfeld
6. Prämonstratenserabtei Geras (Landkreis Hörn)
7. Servitenkonvent Gutenstein (Landkreis Wiener-Neustadt)
8. Servitenkonvent L o r e 1 1 o (Landkreis EisenStadt)
9. Dominikanerkonvent Retz (Landkreis HoUabrunn)
10. Kapuzinerkonvent Scheibbs (Landkreis Hörn)
11. Minoritenkonvent Asparn a. d. Zaya (Landkreis Mistelbach)
12. Redemptoristenkonvent Eggenburg (Landkreis Hörn)
13. Salvatorianerkolleg Mistelbach
14. KalasantinerkoUeg Blum au (Landkreis Baden bei Wien)
15. Erzbischöfliches Schloß Kranichberg (Landkreis Neunkirchen)
16. Karmelitinnenkloster Mayerling (Landkreis Baden bei Wien)
17. Redempto'ristinnenkloster Gars am Kamp (Landkreis Hörn)
18. Institiut der Englischen Fräulein Schiltern (Landkreis St. Polten)
19. Institut der Barmherzigen Schwestern (Wien-Gumpendorf) Baden
bei Wien, Weilburgstraße 27—29
20. Institut der Barmherzigen Schwestern Allandim Gebirge
(Landkreis Baden bei Wien)
21. Institut der Barmherzigen Schwestern Bernhardsthal (Land-
kreis Mistelbach)
22. Kongregation der Schulschwestern Vöslau, Bahngasse 6 (Land-
kreis Baden bei Wien)
23. Kongregation der Guten Hirtinnen Obersiebenbrunn (Land-
kreis Gänserndorf)
24. Kongregation der Hartmannschwestern Baden bei Wien, Lees-?
dorfer Hauptstraße 69
25. Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes G a b 1 i t z (Land-
kreis St. Polten) ■
26. Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes Göllersdorf
(Landkreis HoUabrunn)
27 Kongregation der Töchter des göttlichen Heilandes Mitterbach
28. Dominikanerinnenkonvent Göpfritz
29. Kongregation der Töchter der ehr. Liebe v. Hl. Vinzehz v. Paul
Sitzendorf (Landkreis HoUabrunn)
30. Kongregation der Töchter der ehr, Liebe v. Hl. Vinzenz Unter-
tiJllnerbach (Landkreis St. Polten)
31- Kongregation der Dienerinnen des hl. Herzen Jesu Gainfarn
(Landkreis Baden)
32. "Kongregation der Dienerinnen des hl. Herzen Jesu Vöslau (Land-
kreis Baden)
33. Kongregation der Dienerinnen des hl. Herzen Jesu Niederholla-
brunn (Landkreis Korneuburg)
34. Kongregation der Dienerinnen des hl. Herzen Jesu St. Reginald
(Landkreis Krems)
35. Kongregation der Steyler Missionsschwestern Stockerau (Pro-
vinzhaus)
36. Kongregation der Steyler Missionsschwestern Wöllersdorf
(Landkreis Wiener-Neustadt)
37. Genossenschaft der Missionsschwestern Königin der Apostel Gau-
bitsch (Landkreis Mistelbach)
154
38. Genossenschaft der Schwestern vom armen Kinde Jesus R o h r -
bach a. d.G Olsen
39. Schwestern der Kongregation der Töchter Maria Unterwalters-
dorf (Landkreis Baden bei Wien)
Als Beispiel, wie roh man bei diesen Beschlagnahmen vorging, sei der
Bericht
über die Beschlagnahme des Dominikanerkonventes
in Retz, Kreis Ho Ilabrunn, Niederdonau (in Liste unter
Nr. 9 aufgezählt) wiedergegeben:
Donherstag, den 12. September 1940, nachmittags, erschien unter
Anführung des Herrn Kreisleiters Schuster aus HoUabrunn eine Kom-
mission aus fünf Personen (darunter der Bürgermeister der Stadt Retz,
Fenk, und der Ortsgruppenführer der NSDAP, Diwisch) und verlangte
die Besichtigung der freien Räumlichkeiten des Klostergebäudes.
Nach eingehender Besichtigung des ganzen Klosters verabschiedeten
sich die Herren, ohne einen Grund dieser Besichtigung angegeben zu
haben.
Freitag vormittag zwischen 10 und halb 11 Uhr kam Herr Gendar-
merie-^ Inspektor Thalhammer ins Kloster mit dem Bescheid, es sei vom
Landrat HoUabrunn der Befehl gekommen, das ganze Kloster müsse
bis abends 6 Uhr des gleichen Tages geräumt sein; um diese Zeit
würden die Schlüssel übernommen; die Insassen mögen schauen, wo sie
unterkommen könnten; die Privatsachen könnten sie mitnehmen. Durch
diesen Befehl wurden 10 Personen, darunter ein 82 jähriger und ein
Schwerkranker mit galoppierender Schwindsucht einfach auf die Straße
gesetzt. Zwei Ordensbrüder befinden sich im Wehrmachtsdienstj auch
ihre Zimmer mußten geräumt werden.
Wir taten das möglichste, um den Befehl auszuführen. Mittlerweile
war von Wien H. H. Provinzial P. Marianus Vetter in Begleitung des
H. H. Exprovinziales P. Angelikus TöfEler angekommen und Wünschte
mit dem Kreisleiter über den rechtswidrigen Vorgang zu sprechen. Sein
Besuch war für abends 6 Uhr angesagt. Der Herr Kreisleiter erschien
jedoch diesen Abend nicht mehr, weswegen sich Provinzial und Proku-
rator P. Albert Häller Samstag vormittag nach HoUabrunn zur Kreis-
leitung begaben, um das Ersuchen vorzubringen, wenigstens für den
Rector Ecclesiae und den Wirtschaftsführer je ein Zimmer zur Ver-
fügung zu stellen. Dies hätte sehr leicht geschehfen können, ohne die
Einheit und Abgeschlossenheit des Lagers zu stören. Dieses Ansuchen
wurde jedoch strikte abgelehnt. Während am Freitag befohlen wurde,
daß sämtliche Möbel in den Räumen zu belassen wären, wurde dann
Samstag angeordnet, daß die Zimmer vollständig zu räumen wären,
weswegen die Räumung auch Samstag nachmittag und zum Teil Sonn-
tag fortgesetzt werden mußte. Die Möbel wurden in einem langen, brei-
ten Gang zusammengestellt und dieser gegen das Lager zu abgemauert.
Infolge der ganz ungesetzlich kurzen Räumungsfrist war nicht zu ver-
hindern, daß manche, zum Teil unter Denkmalsschutz stehende Stücke
Schaden erlitten. Zu bemerken ist weiter, daß bei der Adaptierung von
Seiten der maßgebenden Faktoren so verfahren wurde, als ob kein Haus-
eigentümer mehr vorhanden wäre. Ohne jedes Befragen des Hauseigen-
tümers wurden auf Anordnung der Kreisleitung Uniänderungen in den
Räumlichkeiten vorgenommen, z. B. Herausreißen von Wänden, um einen
größeren Raum zu schaffen.
P, Pius Schreiner O. P,
155
f)RaubvonMeßstipendien, Kelchen
Bei der Beschlagnahme der Missionsklöster Sankt Ottilien,
Schweiklberg, Münsterschwarzach wurde auch das ganze Vermögen
ihres Missionsvereins „Liebeswerk des hl. Benedikt" weggenommen.
Bei der Wegnahme des Franziskanerklosters Hall in Tirol und
des Kapuzinerklosters in Innsbruck wurden sogar die M e ß -
Stipendiengelder mitgenommen.
Am 2. Januar 1941 wurde das Benediktinerstift St. Gallus bei
Bregenz beschlagnahmt. Das Benediktinerstift ist Schweizer Besitz.
Gegen 10 Uhr des 2. Januar 1941 erschien die Staatspolizei und
eröffnete dem Abt, daß die Insassen das Haus bis abends 5 Uhr
geräumt haben müßten und daß der gesamte Besitz beschlagnahmt
sei. Der Abt sagte hierauf, daß er nur der Gewalt weichen könne.
Die Staatspolizei erklärte, daß die Gewalt gegeben sei und sie sich
davor hüten sollten, gegen diese Gewalt widersetzlich zu sein. Das
Kloster wurde dann bis 5 Uhr abends geräumt und auch der ge-
samte geistliche Besitz, das ist Kirchengerät, Paramente
und geweihte Gefäße, Kelcheund Monstranzen in
die Beschlagnahme einbezogen. Das Ziborium, das konse-
krierteHostien enthielt, mußte zur nächsten Kirche über-
tragen, dort entleert und daraufhin wieder zurückgebracht
werden, so daß also auch dieses mitbeschlagnahmt wurde. Soweit
die Patres Schweizer Staatsbürger waren, mußten sie am selben
Tage das Land verlassen. Die übrigen Patres sind in ihre Heimat
zurückgegangen. ■ , ■
Ein Grund für die Beschlagnahmung wurde von den Beamten
der Staatspolizei nicht angegeben.
g) Klosterra üb in Luxemburg und Lothringen.
Was man den eigenen Volksgenossen mitten im deut-
schen Vaterland und unter den Augen der katholischen Bevölke-
rung an Gewalt und Unrecht tat, das getraute man sich natürlich
in noch viel roherer Weise im Ausland zu tun.
Um zu schweigen von der fast völligen Schließung und Be-
raubung der männlichen und weiblichen Klöster in Polen, ebenso
von der fast restlosen Vertreibung und Verschleppung ihrer In-
sassen in Gefängnisse und Konzentrationslager, ging man auch im
Westen auf großen Klosterraub aus, zunächst in Luxemburg,
dann in Lothringen.
Bischof Bornewasser von Trier schrieb hierüber am 20. Mai 1941
ans Reichsinnenministerium:
„In Luxemburg wurden sämtliche Priesterorden aufgehoben und des
Landes verwiesen. Es wurde aufgehoben die dem Hl. Stuhl unmittelbar
unterstellte Benediktinerabtei Clerf; es ,,wurden aufgehoben und des
Landes verwiesen: die Jesuiten aus ihrer Niederlassung in Luxemburg,
die Redemptoristen aus ihren Niederlassungen in Luxemburg und Ech-
ternach; die Franziskaner aus Esch; es wurden aufgehoben die Herz-
Jesu-Priester in Fünfbrunnen und Howald.
156
Von den weiblichen Ordensgenossenschaften wurden alle Klöster,
die das beschauliche Leben pflegen, aufgehoben.
Bei der Auflösung der Klöster bzw. dem Abtransport aus Luxem-
burg wurden die Ordensleute zunächst in die Häuser ihrer Genossen-
schaft in meiner Diözese gebracht, so daß meine Diözesanen es wohl
bemerkten und mit Staunen feststellten, daß in Luxemburg e i n
wahrer Klostersturm begonnen habe. Die Dominikanerinnen
von Limpertsberg z. B. kamen mit 59 an der Zahl in dem armen und
kleinen Dominikanerinnenkloster in Klausen im Bezirk' Trier an, und
zwar nachmittags unangemeldet. Die Bevölkerung Klausens nahm sich
der Schwestern in vorbildlicher Weise an und beherbergte sie zum Teil,
und allgemein fragte man sich: „Was geht nun in Luxemburg vor sich?"
Die Benediktinerinnen von Peppingen wurden zu 45 Schwestern in
Kraftwagen zum Benediktinerinnenkloster Trier-Kürenz abtransportiert.
Die Ankunft der Schwestern erregte in ganz Trier größtes Aufsehen.
Allgemein fragte man sich: ,Was geht in Luxemburg vor?' Die Frage
lag nahe: Wie lange wird es dauern, ehe auch unsere Schwestern das
gleiche Schicksal ereilt?
Den Mutterhäusern der großen caritativen Genossenschaften in
Luxemburg wurde eröffnet, daß nur einige von ihnen in Luxemburg
bleiben dürften und daß alle anderen Genossenschaften sich diesen an-
schließen oder das Land verlassen müßten. Darauf verließen die Bor-
romäerinnen von Trier und die Schwestern vom Hl. Geist in Koblenz
das Land Luxemburg.
Auch diese Maßnahme mußte selbstverständlich in meiner Diözese
bekannt werden und größtes Befremden erregen.
Dazu ist auch in meiner Diözese bekannt geworden, daß in Lothrin-
gen durch Erlaß des Ghefs der Zivilverwaltung sämtliche Kranken-
häuser, die bisher den Schwesterngenossenschaften gehörten, durch eine
einfache Verfügung in das Eigentum der Gebietskörperschaften über-r
führt wurden, was den Tod einer selbständigen katholischen Caritas
bedeutet."
h) Klosterraub im Elsaß.
Zwei Jahre später rüstete man zu einem neuen Beutezug gegen
katholische Klöster:
23KlösterimElsaß
sollten mit einem Schlag ausgehoben und weggenommen werden.
Nachfolgendes Schreiben spricht für sich selbst (die Sperrungen
und sonstigen Hervorhebungen stammen vom Verfasser):
Der Stillhaltekommissar Straßburg, den 2, Juli 1943
für das
Organisationswesen im Elsaß
An den
Reichsschatzmeister der NSDAP
Herrn Reichsleiter Schwarz
Abt. Revision München 33
Betreff: Aktion des Stillhaltekommissars
gegen Klöster und Kongregationen
in Elsaß;
hier: Mitarbeit der Gaurevisionen
Ich habe Ihnen bereits zur Kenntnis gebracht, daß nunmehr Gau-
leiter Fg. Wagner, auf Betreiben von Reichsleiter B o r m a n n, den
157
Stillhaltekommissar beauftragt hat, die Auflösung der Klöster
und Ordensgemeinschaften nunmehr vorerst in Elsaß
beschleunigt durchzuführen.
Die Durchführung dieser Aktion ist jetzt im Elsaß keineswegs mehr
so einfach. Zunächst sollen, wie bei der seinerzeit vor ca. 2 Jahren
erfolgten Aktion in Lothringen und Luxemburg, lediglich die be-
schaulichen Orden und Kongregationen — das sind also
solche, die nur beten und nichts arbeiten — erfaßt werden und in
etwa zwei Monaten die anderen Ordensgemeinschaf-
ten und Kongregationen folgen.
Die Mitglieder der beschaulichen Orden werden, soweit sie nicht in
die Welt zurückzukehren beabsichtigen, nach Württemberg und
Bayern, in entsprechende Klöster — bis zu deren beabsich-
tigten späteren Auflösung — verbracht.
Das Programm der Durchführung dieser Aktion ist wie folgt vor-
gesehen:
Sonntag, den 11. Juli, werden 23 Klöster im Elsaß, (beschauliche
Orden) vom SD besetzt. Der SD sorgt dafür, daß die Insassen der
Klöster die Bevölkerung nicht aufwiegeln können und daß am Mon-
tag gleich nach Sonnenaufgang per Omnibus die in Frage kommenden
Ordensleute an weit entfernte Bahnhöfe mit Schnellzugsver-
bindungen verbracht werden.
Die 23 Klöster müssen nun gleichzeitig von Revisoren des Still-
haltekommissars hinsichtlich Aufnahme von Bargeld-, Wertpapier-
und Viehbeständen erfaßt werden, da bei den Aktionen in Loth-
ringen und Luxemburg Klöster (bei denen noch landwirtschaftliche Be-
triebe angegliedert waren) an besonders bevorzugte Ortseinwohner Vieh,
landwirtschaftliche Maschinen und Vorräte aller Art — auch Kloster-
schätze etc. — verschenkt haben. Mit diesen Verschenkungen sollten
andererseits diese und jene katholischen Männer dafür gewonnen wer-
den, um mit der Ortseinwohnerschaft demonstrierend vor das Kloster
zu ziehen bzw. die behördlichen Maßnahmen zu stören.
Um 23 Klöster auch nur raschest aufzusuchen und die Bargeld- und
Wertpapierbestände aufzunehmen und unter behördlichen Verschluß zu
bringen, sind die beim Stillhaltekommissar in Straßburg noch verbliebe-
nen drei Gaurevisoren (Pgg. Borcers, Groß und Rabe) nicht ausreichend.
Die Revisoren sollen auch die für die Betreuung der, Landwirtschaft
bereits vorgesehenen Verwalter in ihre Tätigkeit sofort einsetzen.
Da auch weitere verwaltungstechnische Maßnahmen und vermögens-
rechtliche Feststellungen vorzunehmen sind, muß je ein Revisor hin-
sichtlich Betreuung bis zu drei Klöster übernehmen.
Der Befehl z,ur Auflösung der Orden sgemeinscha fi-
ten ist von Reichsleiter Bormann zur vordringlichen
Durchführung gegeben worden.
Der Stillhaltekommissar ist nicht in der Lage, mit dem hier vor-
handenen Personal auch nur eine Teilaktiön der 23 Klöster durchzu-
führen. Ich , habe heute nach Rückkehr von einer Reise eingehend mit
Pg. Schmidt gesprochen und bin von dem Genannten gebeten worden,
Herrn Reiehsschatzmeister herzlichst zu bitten, doch auf die Dauer von
5, längstens 7 Tagen die in Klosteraktionen bewanderten,
inzwischen wieder zu ihren Gauen zurückgekehrten Gaurevisoren Pg.
Josef Blauärmel-Moselland, Emil Lorenz-Baden, Josef Kurz-Bäden, Karl
Petzold-Sachsen, zur Verfügung zu stellen. Ich bin der festen Über-
zeugung, daß diese vier Parteigenossen und die mir noch verbliebenen
drei Gaurevisoren in der Lage sind, innerhalb einer Woche die erfor-
derlichen, vermögensrechtlichen Unterlagen fertigzustellen.
, Vertraulich berichte ich Ihnen, daß ohne die Mitarbeit der
Revisoren die Aktion des Stillhaltekommissars gegen die Klöster eine
158
blamable Angelegenheit werden muß, zunial nur noch zwei politische
Referenten bei der Dienststelle Straßburg des Stillhaltekommissars vor-
handen sind und diese für Vermögensaufnahmen ungeeignet erscheinen.
Zufolge plötzlicher Umstellung des Einsatzes SU, ukrainischer und
sonstiger ausländischer Arbeitskräfte bei der ARBED in Luxemburg, hat
Pg. Schmidt heute sofort wieder abreisen müssen, weshalb ich ersucht
worden bin, Herrn Reichsschatzmeister diese Bitte zu unterbreiten.
Ich weiß, daß Revisorenmangel besteht und durch die nunmehr er-
folgte Übernahme des Revisionsapparates der DAF, die Revisionsver-
hältnisse bei den Beauftragten noch ungünstiger werden; trotzdem
bringe ich im Auftrage des Pg. Schmidt diesen Auftrag zur Vorlage,
weil es keinem Zweifel unterliegt, daß ohne Beistand des Herrn Reichs-
schatzmeisters bei der von höchster Stelle befohlenen
Kloster-Aktion im Elsaß es ein furchtbares Durcheinander
geben wird.
gez. Baum Adolf
Reichsstellenleiter.
AbersofeinauchdiesmaldasNetzgesponnenwar,
e s z e r r i ß.
Eben dies vorerwähnte Schreiben des Stillhaltekommissars kam
durch die mutige Tat einer ins Vertrauen gezogenen Person rasche-
stens in die Hand und zur Kenntnis kirchlicher Stellen. Diese han-
delten entschlossen und schlagfertig, soweit sie auch voneinander
entfernt waren, Hand in Hand. Schon nach ein paar Tagen gingen
Telegramme des Erzbischofs von Freiburg an etwa ein Dutzend
höchste Stellen des Reiches, der Partei und der Gestapo und zeig-
ten, daß man von dem „streng geheimen" Plan genaue und sichere
Kenntnis habe, warnte ernstlichst vor dieser Provokation des katho-
lischen Elsaß' und der neuen Bloßstellung Deutschlands vor der
ganzen Welt. Und so blieben SD und Revisoren zu Hause, zer-
brachen sich die Köpfe über die Frage, wie denn die „verdammten
Schwarzen" Wind von der Sache bekommen hätten und hetzten ein
paar Wochen Spürhunde durch Elsaß und Baden usw., um nur
herauszubekommen, wo der Verrat des schönen Planfes geschehen
sei. (Näheres über die Gegenaktion im zweiten Teil.)
Hier sei zur Beleuchtung der niederträchtigen Methoden dieses
systematischen Kampfes gegen die katholischen Ordensleute nur
noch eine Detailschilderung über die Verfolgung des „meistgefürch-
teten und bestgehaßten Ordens", der Jesuiten, wiedergegeben. Doch
sei bemerkt, daß es sich dabei im wesentlichen nur um die Jesuiten
der oberdeutschen Provinz (Süddeutschland) handelt, also
bloß um einen Teil der Gesellschaft Jesu.
DerKampfgegendenHauptfeindunterdenOrden:
die Jesuiten.
Im großen Programm der SS wurden von Anfang an öffentlich als
die Hauptfeinde bezeichnet (Reichsfeinde):
1, Kommunisten, 2. Juden, 3. Freimaurer, 4. Jesuiten.
Tatsächlich begann kurz nach der Machtergreifung der Kampf
gegen die SJ. — Zuerst durch die ständigen „Devisenkontrolle n",
159
sehr viele und oft tagelange Verhöre des P. Rektor von St. Blasien,
H u g g e r , besonders aber des Provinz-Prokurators L e i c h e r , der erst
im September 1935 das Amt antrat, des Provinzials P. Rösch, am
meisten aber des P. Nell-Breuning. — Gesucht, aber nicht er-
reicht wurden, weil in der Schweiz befindlich: P. Hayler (früher Pro-
vinzial), P. Stier, P. Schönenberger, P. Villiger, später
wieder P. Hugger, der 6 Wochen eingesperrt gewesen war, dann frei
wurde ohne Verurteilung und neuerdings gesucht ward.
Im August 1936 sollte der Prozeß Nell-Breuning in Berlin statt-
finden, wurde dann „auf Eis" gelegt, weil er für die Nazi verloren zu
seiri schien. Tatsächlich erfolgte im Jahre 1943 eine objektive Frei-
sprechung des P. V. Neil und der SJ., aber die Verurteilung fand statt
wegen subjektiver Gründe, nämlich „wegen , mangelnder nationalsozia-
listischer Gesinnung."
Im Jahre 1 9 3 7 begannen im großen Maßstab die Haussuchun-
gen und gleichzeitig fing man in der Presse (Zeitungen, Zeitschriften,
Monatsheften usw.) einen Verleumdungsfeldzug gegen die Jesuiten an.
In den Tageszeitungen erschienen Artikel über eine „Paßfälscherzentrale
der Jesuiten". — In Parteiorganen, in Schulungskursen wurde außer-
ordentlich schwer gegen die Gesellschaft Jesu gehetzt. Auch Bücher
wurden gegen sie veröffentlicht.
Im Jahre 1937 wurde dem PJiilosophischen Kolleg in Pullach
die anderen Theologen gewährte Berechtigung entzogen, die Scholasti-
ker bis zur Subdiakonatsweihe vom Militärdienst zurückzustellen.
Persönliche Besprechungen im Kirchenministerium und große Eingaben
hatten zunächst Aussicht auf Wiederverleihung des alten Rechtes; aber
19 3 8 wurde dies „aus grundsätzlichen Erwägungen" endgültig ab-
gelehnt. (Später genau umgekehrt; Entlassung aus dem Militär wegen
„Wehrunwürdigkeit".)
19 3 7: Beginn der Prozesse gegen Patres wegen Predigten usw.
19 3 8: Eroberung Österreichs. — Auflösung der Stella Matutina.
19 3 9: Beginn der Beschlagnahme von Häusern im deutschen Pro-
vinzgebiet (Rottmannshöhe). — Auflösung von St. Blasien. — Anfang
des Kampfes um Pullach.
19 40 (gegen Ende): Eine neue Art der Verfolgung: Zunächst ge-
heime neue karteimäßige Erfassung aller SJ — zur „judenmäßigen Er-
fassung". — Ein Abteilungsleiter in der Gestapo München machte durch
eine Mittelsperson die vertrauliche Mitteilung, daß „im Jahre 1942 keine
Jesuiten mehr im Lande sein werden".
1941: Im Februar sollten alle Adressen der bei der
Wehrmacht befindlichen Mitglieder bei der Gestapo (!)
abgegeben werden. Dies wurde . verweigert mit der Begründung, man
möchte wissen, warum nur die SJ das tun sollten. Es sei gegen das
Konkordat; es gäbe keine Sonderbestimmung für politische Meldungen.
Angeblicher Grund war die Freistellung für die Seel-
sorge. Auf die Entgegnung, das könne doch wohl nicht der Fall sein,
daß ausgerechnet die Jesuiten und nur sie so bevorzugt sein sollten;
auf die Frage, wieso auch die L a i e n b r ü d e r für die Seelsorge in
Betracht kämen, wurde geschwiegen. Es komme alles vom Reichs-
sicherheitshauptamt Berlin. : — Es wurde dem Provinzial mit dem Kz-
Lager Dachau gedroht, wenn er nicht nachgeben würde. Die Listen
wurden nicht abgegeben und die Verhaftung erfolgte auch noch nicht.
Frühjahr 1941 begannen die zwangsweisen Auflösungen und
Vertreibungen aus den Häusern innerhalb 1 — 2 Stunden.
Im Juni 1941 kam dann der ausdrückliche Führerbefehl, daß
alle in der Wehrmacht befindlichen Jesuiten zu entlassen, wehrunwür-
dig zu erklären und als nzv. (nicht zu verwenden) der Ersatzresetve zu
160
überstellen sind. Nun war es. klar, warum man vorher die Adressen
haben wollte. Absicht: Zuerst Diffamierung wie die Juden
und dann Behandlung wie diese.
Mai 1941: Gauleiter Wagner erklärte, in wenigen Wochen werde
er die Jesuiten aus Bayern hinaushaben.
Juli 1941: Vertrauliche, aber ganz sichere Mitteilungen, die am
10. und il. Juli einliefen, sagten, daß am 12. Juli alle in und um Mün-
chen sich befindlichen Häuser aufgelöst und die Jesuiten vertrieben
W'erden sollen. Daraufhin wurde, offen mit SD-Führer in München
gesprochen durch Pater v. Waldbürg-Zeil, der ihn persönlich kannte;
dieser bestätigte die Mitteilung und versprach, er wolle sich nochmals
nach Berlin wenden; man solle in einigen Stunden wieder vorsprechen.
Endergebnis: Bis Ende August unterblieb ^ in , München auf die Vor-
stellungen hin die befohlene Aktion; denn sie mache doch viel Auf-
sehen; aber Ende August seien die Russen besiegt Und die Gesellschaft
Jesu werde ohnehin aufgelöst. So komme es auf die wenigen Wochen
auch nicht mehr an. Der Herrgott hatte wieder geholfen und , es
unterblieben diese Aufhebungen, während in der Niederdeutschen Pro-
vinz und bei anderen Orden geradl*^m 12. Juli Häuserauflösungen er-
folgten.
In den darauffolgenden Zeiten wurde der Rest der ehemaligen Kol-
legien verboten. — Viele Patres wurden wegen ihrer priesterlichen
Tätigkeit, vor allem als Obere oder als Prediger, verhört. — Siehe Liste.
Herbst 19 43: Beginn des Devisenprozesses. Am 23. Dezember
objektiver Freispruch, subjektiv wegen mangelnder nationalsozialisti-
scher Gesinnung verurteilt: p. de Neil zu 3 Jahren Zuchthaus, die beiden
Provinzen zu rund einer Million Reichsmark, „sofort zu zahlen, sonst
Wegnahme von Pullach und anderen Häusern". Die oberdeutsche Pro-
vinz hatte 653 157 Mk, ohne Advokatenkosten zu entrichten, den Rest
die niederdeutsche Provinz.
Das Schicksal der Häuser der oberdeutschen Provinz:
Kolleg „S tella Matutina": aufgelöst; wegen der Verhältnisse zwangs-
verkauft zum größeren Teil.
Exerzitien- und Noviziatshaus Tisis: aufgelöst; beschlagnahmt.
Rottmannshöhe: aufgelöst, beschlagnahmt.
„Stimmen der Zeit": Haus und Zeitschrift: aufgelöst; alles be-
schlagnahmt; weggenommen.
Kolleg und Internat St. Blasien: aufgelöst. Zum größten Teil wurde
es Lazarett; vermietet.
Ein sehr schwerer Kampf war alle die Jahre zu führen um das
Berchmannskolleg in Pullach, das die Partei immer wieder
an sich zu ziehen suchte. Zuerst war 6s als Lazarett für das Militär
vorgesehen, wobei aber der Kommunität der SJ genügend Raum bleiben
sollte. Dann wußte es die Stadt München für ein Hilfskrankenhaus zu
beschlagnahmen unter den gleichen Bedingungen, die aber dann nicht
eingehalten wurden. Die Stadt wollte erzwingen, daß das Objekt als
Ganzes an sie verkauft würde. Dann sollte alles konfisziert werden.
Zudem wollte die Stadt keine Entschädigung zahlen; jahrelang unter-
blieb jede Vergütung. Nach dem großen Brand durch Fliegerangriff
verließ das Krankenhaus überschnell das Kolleg; das Haus war endlich
frei von dem so lästigen, undankbaren und gefährlichen Partner. Die
freien Räume wurden vom Generalkommando gemietet.
Ähnlich wollte der Reichspostminister die Gesellschaft zwingen, das
ganze Besitztum Rottmannshöhe innerhalb weniger Stunden an
die Post zu verkaufen. Verweigert. Zugute kam, daß ja alles bereits
von der Volksdeutschen Mittelstelle (einer SS-Organisation) beschlag-
nahmt war, die auch nichts an Entschädigung zahlte und sicher damit
Kreuz und Hakenkreuz 11 jgj
rechnete bei der Liquidierung der Provinz diesen Besitz für sich zu
behalten. Die Jesuiten sollten die Steuern bezahlen und sogar die Aus-
gaben für Wasser und Licht, das die Behörde im Hause brauchte. Sie
lehnten dies ab, ebenso die Steuerzahlung. Daraufhin sollte gepfändet
werden. Der Provinzial erklärte der zuständigen Gauleitung, er ließe
es auf die Pfändung ankommen. Es sei ja eigenartig, daß der G 1 ä u b i -
g e r vom Schuldner für Nichtbezahlung der Miete gepfändet werde;
aber die Verantwortung für die schlechte Stimmung, die dadurch zumal
bei den Bauern in der Nachbarschaft entstehe, müsse er natürlich ab-
lehnen. Da unterblieb die Pfändung, und die Barausgaben wurden ver-
gütet.
Liste (noch nicht vollständig)
der Jesuiten der oberdeutschen Provinz, die im Laufe der Herrschaft
des Nationalsozialismus nur aus Berufsgründen verhört, zur
Flucht gezwungen, ausgewiesen, polizeilich verhört (Gestapo- Verhöre),
in Schutzhaft genommen, in Konzentrationslager gebracht, gerichtlich
verhandelt, verurteilt, eingesperrt, hingerichtet wurden.
(Bei den Verhören sind jene Mitbrüder nicht bezeichnet, die an-
läßlich ganzer Hausdurchsuchungen oder Vertreibungen verhört wurden.)
NB. Gegen kein einziges Mitglied SJ der oberdeutschen Provinz gab
es ein kriminelles Verfahren.)
Verhöre: PP. Baumann Josef, Bayer, Bleienstein, Borter, Büeb, Dir-
rigl, Dold, Gensert, v. Gumppenberg, de Hahn, Haups, Hubbuch,
Hugger, Inderbitzi, Jung, Koerbling, Knünz, Kraus, Kling, König,
Kreitmaier (Superior), Küble, Lang, Leicher, Manuwald, Mayer
Rupert, Müller Frz. X. (Prov.), Müller Frz. Jos. (Superior), Perzl,
Prinz, Rauch, Rösch (früh. Prov.), Sammer, Spitzauer, Strassenber-
ger, Stricker (Sup.), Waldmann (Sup.), Wiedemann Joh.
Tägelange Verhöre hatten P. Hugger (Rektor), P. Leicher, P. Rupert
Mayer, P. Rösch.
Von den Laienbrüdern wurden verhört: Jehle Otto, Karl Georg,
Moser Paul.
Ausgewiesen aus Deutschland: PP. Borter, Hubbuch (Schwei-
zer), Mariov. Galli (Österreicher).
Verhaftet: 1. Polizeiliche Haft: P. Hugger
2. Schutzhaft:' PP. Baumann Josef, Bueb, Delp, Fritz (Rektor der
Stella Matutina), Grimm, Haups, Huber Hermann, Jung, Kling,
Manuwald, Mayer Rupert, Müller Frz. Jos. (Super.) Perzl, Prinz,
Rösch, Wiedemann Joh. — Brüder Jehle Otto, Karl Gg., Moser P.
Gerichtlich wurden verhandelt bzw. verurteilt:
PP. Baumann Jos. (Gefängnis), Delp (zum Tod verurteilt), Prinz
(vom Sondergericht freigesprochen, dafür ins Kz-Lager), Lang (Ge-
fängnis), Mayer Rupert (Gefängnis, später Kz-Lager, Einzelzelle,
anschließend Klosterhaft Ettal), P. Grimm (zum Tod verurteilt —
hingerichtet).
Steckbrieflich gesucht: P. König (hielt sich auf Befehl des
P. Prov. Rösch verborgen, weil von Gestapo gesucht und schwer
krank), ferner P. Rösch. —
P. Rösch wurde nach der Verhaftung in Dachau eingeliefert, von
da nach Berlin, Reichssicherheitshauptamt, „Lehrter Zellengefäng-
nif" Moabit, wochenlang gefesselt bei Tag und Nacht; nach Angabe
von Dr, Reisert, Rechtsanwalt, geführt in den Listen der bereits
Hingerichteten; war unter den letzten 46, die am 25. April 1945,
18 Uhr, wenige Stunden vor der Eroberung des Gefängnisses durch
162
die Russen, noch frei wurQen. Der Befehl zur „Umlegung" (=.-. Er-
mordung) aller politischen Gefangenen war von Himmler gegeben.
In den letzten Nächten waren von 84 politischen Gefangenen 38 er-
mordet worden.
Näheres zu den gerichlichen Verurteilungen:
P. Baumann Josef, wegen einer Predigt zu 5 Wochen Gefängnis. Die
Verhandlung fand in Bamberg statt; es ist möglich, daß der Richter
sich zu dieser Strafe entschloß, um den Pater vor dem Kz-Lager
zu bewahren — Strafe abgebüßt in Bamberg.
P. Huber Hermann, angezeigt von aufgehetzten Kindern wegen Bemer-
kungen, die er im Religionsunterricht machte und die den Natio-
nalsozialisten mißliebig waren. P. Huber hatte großen Einfluß in
der Stadt, — Verurteilt durch Sondergericht in Ravensburg zu
10 Monaten Gefängnis, abgebüßt in Ravensburg und Ulm.
P. Jung Alois, wegen Predigten, Verbreitung von Bischofspredigten und
Hirtenbriefen. — Verhandlung fand statt unter dem Vorsitz des
berüchtigten „Mordrichters" Rothauge in Nürnberg; verurteilt zu
4 Jahren Gefängnis, abgebüßt in Nürnberg. (Der Pater hat aus
religiösen Motiven gut' gemeinte Unklugheiten gemacht.)
• P. Lang Berthold (bereits über 60 Jahre), wegen Predigten. Er war
schon öfters von der Gestapo verhört und verwarnt worden; die
Verhandlung fand in München statt; P. Lang wurde zu 6 Monaten
Gefängnis verurteilt, die er in Ulm abbüßte. Ein Teil der Strafe
wurde erlassen.
P. Koerbling Anton, wegen Predigten, verurteilt in München zu 6 Mo-
naten Gefängnis. Kam zum Militär und wurde amnestiert.
P. Rupert Mayer (Kriegsinvalide), bereits über 60 Jahre alt, wegen Pre-
digten und seines großen Einflusses zuerst Schutzhaft, dann verur-
teilt zu 6 Monaten; 5 davon abgebüßt in Landsberg, dann kam eine
allgemeine Amnestie. — Später wurde er ins Konzentrationslager
Oranienburg bei Berlin gebracht, Einzelbunker, „weil von einem P.
Rupert Mayer nicht zu erwarten war, daß er das Beichtgeheimnis
verrate." Von Oranienburg in die Klosterhaft nach Ettal (Obb.) ge-
bracht, wo er nicht einmal die Klosterkirche besuchen durfte. Von
dort nach dem Einmarsch der Amerikaner befreit und nach Mün-
chen gebracht.
P. Grimm Alois, von der Gestapo geholt wegen Predigten und seiner
Tätigkeit für Konvertiten; 2 Gestapoleute täuschten Konversions-
willen vor, suchten -ihn mit Gesprächen zu fangen, zeigten ihn an;
er wurde nach Berlin gebracht, vor dem Volksgericht geheim,
d. h. unter Ausschluß jeder Öffentlichkeit verhandelt und zum Tode
verurteilt und in Plötzensee, Berlin, enthauptet (11. September 1944).
P. Delp Alfred, überwacht und bespitzelt wegen Predigten, Vorträgen
religiöser Art, Jugendarbeit. Am 28. Juli 1944 verhaftet, weil sein
Name im Notizbuch von Graf v. York (auch hingerichtet) gefunden
wurde. Aber dies stellte sich als harmlos heraus und wurde nicht
weiter vor Gericht behandelt. Von Beteiligung und direktem Hoch-
verrat freigesprochen, aber zum Tode verurteilt und am 2. Februar
1945 gehängt. Grund: Er habe als Priester, Jesuit, katholischer
Soziologe an Besprechungen für Wiederaufbaumöglichkeiten teil-
genommen. Tatsächlich weil er Jesuit war und nicht aus dem
Orden austrat; denn Jesuit = fe,eichsfeind.
Ein Gedächtnisblatt für einen „Märtyrer":
P. Grimm war früher Professor in der „Stella Matutina" Feldkirc5 ■
(Vorarlberg), nach der Auflösung dieser Schule Professor in St. Blasieij
163
Nach der Schließung dieses Kollegs durch den Nationalsorialismus kam
er wieder nach Feldkirch als Prediger und Schriftsteller (Spezialgebiet
Ambrosiasterforschung). Er nahm sich auch nach Kräften der Jugend
an. Deswegen wurde er von den Nationalsozialisten sehr angefeindet.
Eines Tages erschien ein Soldat und bat um Unterricht, er möchte kon-
vertieren. Später brachte er einen anderen Kameraden mit, der den
gleichen Wunsch habe. Einer ließ ein Kind taufen. Beide stellten im
Unterricht auch Fragen über den Kommunismus, drückten ihre Sorge
aus, wie er überwunden werden könne, daß er auch schon im Lande sei
und ähnliches.
Eines Tages wurde der Pater nach der hl. Messe verhaftet; er solle
mit nach Innsbruck kommen; dann brauche man nicht so viel schreiben
und er könne wieder schneller heim. In der Gestapo Innsbruck sah er
die beiden „Konvertiten" wieder, die ihn „begrüßten" — unabhängig
voneinander — mit den Worten „Da ist er, der Sauhund!" „So muß man
es bei Euch . . . kerle machen, sonst kriegt man Euch ja nicht!" An-
klage gegen den Pater: „Wehrkraftzersetzung". — Das ganze Verfahren
wurde als „Geheime ReicKssache" behandelt und zur Verhandlung durfte
außer dem Advokaten niemand erscheinen. Dieser durfte keine Aus-
kunft über Inhalt und Verlauf des Prozesses geben. Darum ist auch
nicht bis jetzt im einzelnen bekannt, was' nun eigentlich zum Vorwurf
gemacht worden ist. Höchstwahrscheinlich „staatsfeindliche Bemerkun-
gen über die herrschenden Zustände", Der Pater schreibt im letzten
Brief: „Glaubt nicht, daß ich ein Verbrecher sei . . ."
Abschiedsbrie.fvonP. Alois Grimm SJ.
B r i e f a n P. G a 1 1 i. Brandenburg, den 11, Sept. 1944
Lieber Mitbruder!
Die Stunde ist gekommen, daß ich mich rüste zur Heimkehr in die
Ewigkeit. In einigen Stunden stehe ich vor meinem Richter, meinem
Erlöser und Vater, Es ist so Gottes Wille, er geschehe in allem! Seien
Sie, bitte, der Dolmetsch meiner letzten Grüße an alle meine Mitbrüder
und Bekannte! Ich gehe in den Tod als Kind der katholischen Kirche,
als Glied der Gesellschaft Jesu. Ich bitte um Verzeihung aller meiner
Fehler und Ärgernisse, die ich gegeben habe, und danke der Gesell-
schaft und allen Mitbrüdern für alles, was ich Gutes empfangen habe.
Wieviel es ist, fühle ich jetzt in diesem Augenblick, wo ich Abschied
nehme. Trauert nicht über mich, ich gehe heim, Ihr müßt noch aus-
harren. Ich gebe mein Leben für das Reich Gottes, das kein Ende
kennt, und für die Gesellschaft Jesu, für die Jugend, für die Religion
unserer Heimat. Ich bemühe mich, durch mein Sterben den Tod des
Heilandes zu verherrlichen und ihm ähnlich zu werden. Glaubt nicht,
daß ich ein Verbrecher sei, wohl aber bin ich ei* Bettler und Sünder
vor Gott, ein Nichts, das nur auf Gottes Erbarmen sich stützt. Wollen
Sie meinen letzten Dank an meine Obern und Mitbrüder richten.
Letzte Grüße auch an alle Mitbrüder und Bekannte . . . ! Auf Wieder-
sehen im Jenseits! Gelobt sei Jesus Christus!
Alofe. Grimm SJ.
Das Blut dieses und vieler anderer Märtyrer aus dem Ordens-
stande werde auch hier der Samen für neues Wachstum!
164
6. Fesseln für die katholisclieii Vereine.
„In Hunderten nationalsozialistischer Presseerzeugnisse, in
Tausenden von Versammlungen ist seit Jahr und Tag ein konzen-
trischer Feldzug gegen die katholischen Organisatio-
nen geführt worden, der an Schärfe, an Bedenkenlosigkeit, an
geringer Achtung der Gesetze der Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit
und Liebe seinesgleichen suchte. Den von solcher Propaganda er-
faßten Massen ist in dem verzerrenden Hohlspiegel dieser Meinungs-
mache ein Bild von den Zuständen und der Geistesrichtung in den
katholischen Verbänden vorgesetzt worden, das sie naturgemäß für
bekämpfens- und ausrottungswert halten müssen."
Das ist eine Feststellung des Hl. Stuhles in einer amtlichen
Note an die Reichsregierung am 15. April 1934.
Es war ein zäher Kampf, der vom Nationalsozialismus gegen
die katholischen Vereine geführt wurde.
Der erste und schwerste Ansturm galt jeglichem Zusammen-
schluß „Katholischer Jugend" (KJ).
A: Kampf der HJ gegen KJ
In Regensburg war schon 1933 angeschlagen: „Gift für
die Deutsche Jugend sind die Schwarzen Ver-
bände. Deshalb heraus aus ihnen und hinein in die HJ!"
Die HJ von München-Trudering versuchte es mit einer Be-
schwerde beim Innenministerium und brachte dabei
ebenso lächerliche wie lügenhafte Anklagen vor, um die Staats-
regierung gegen katholische Jugendvereine und ihre geistlichen
Leiter scharf zu machen. Die Eingabe bringt 14 Vorwürfe, die
zeigen, wie schwer den Geistlichen durch die HJ von Anfang an
die Arbeit in Schule, Kirche und Vereinen gemacht wurde, ohne
„Achtung der Gesetze der Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit und Liebe".
Anklage:
1. Der Katechet benotet Angehörige
kath. Jugendvereine bei gleicher
Leistung besser.
2. Die Angehörigen der HJ werden
auch in der allgemeinen Behand-
lung gegenüber den Angehörigen
der katholischen Jugend benach-
teiligt.
3. Der Katechet wendet den deut-
schen Gruß in der Schule nur in
stummer Weise an.
4. Der kath. Jugendverein hält die
an sich verbotenen Heimabende
und Führerbesprechungen nun-
mehr in der Kirche ab.
Erwiderung des Katecheten:
Der Vorwurf ist unberechtigt und
eine grobe Beleidigung und wird
angezeigt.
Dieser Vorwurf entbehrt genau so
jeder Grundlage wie der erste.
Jawohl, der deutsche Gruß wird
von uns entsprechend der Anwei-
sung des Amtsblattes in stummer
Weise geübt.
In den letzten Wochen wurde für
die Angehörigen der kath. Jugend-
vereine wiederholt in der Kirche
ein religiöser Abendvortrag gehal-
ten. Von Besprechungen war da-
bei selbstverständlich keine Rede.
165
5. Die Mitglieder der KJ beachten
nicht das Verbot des Uniformtra-
gens, desgleichen tragen sie katho-
lische Abzeichen in der Schule.
Es kam vereinzelt vor, daß ein
Bub gelegentlich das Blaue Hemd
trug. Der Betreffende wurde dann
vom Präses beauftragt, dies in Zu-
kunft zu unterlassen. Gegen das
Tragen katholischer Abzeichen in
der Schule ist uns ein Verbot nicht
bekannt.
6. Die Präsides haben im Unter-
richt zu verbotenen Betätigungen
der kath. Jugendvereine einge-
laden, z. B. zu Ausflügen, Gelände-
spielen.
7. Die Leitung der kath. Jugend
hat mit großen Schulden ein Ju-
gendheim erbaut und bettelt nun
für dieses Jugendheim in verbo-
tener Weise.
Der Vorwurf ist falschl
8. Für den letzten Sonntag, 22. Ok-
tober 1933, war vom männlichen
Jugendverein ein Ausflug nach
Wasserburg vorbereitet und durch-
geführt.
Der Bau des Jugendheimes ist be-
kannt, über dessen etwaige Ver-
schuldung sind wir dem Führer
der HJ keine Eechenschaft schul-
dig. Das verbotene Betteln be-
stand darin, daß am letzten Sonn-
tag an der Kirchentüre Bausteine
für das Jugendheim verkauft wur-
den.
Es ist für letzten Sonntag ein Aus-
flug weder vorbereitet noch durch-
geführt worden.
9, Die Seelsorger machen den Mit-
gliedern der nationalsozialistischen
Jugendverbände schikanöse Vor-
schriften betreffs Verhaltens in der
Kirche (Kniebeuge, Kreuzzeichen).
10.^ Der Scharführer der HJ be-
schwert sich darüber, von den
katholischen Geistlichen nicht ge-
grüßt zu werden.
11. Die BDM wurden in der Kirche
angesprochen, weil die Mädchen
um 2 Minuten zu spät kamen.
12. Der kath. Jungmädchenverein
beteiligte sich am Michaelifest in
Berg am Laim.
166
Es ist von uns in privater Weise
wiederholt versucht worden, zu er-
reichen, daß Mitglieder der ge-
nannten Jugendverbände (Schul-
kinder) vor dem Aller heiligsten das
Knie beugen und bei der hl. Wand-
lung das Kreuzzeichen machen.
Vergebens!
Wir erwidern grundsätz-
lich jeden Gruß, ganz gleich, von
wem er kpmmt.
Der BDM zog 3 Wochen nach-
einander geschlossen in den
10-Uhr-Schulgottesdienst ein,' zu
einer Zeit, in der der zelebrie-
rende Priester beim Evangelium
war, beim dritten Male erst bei
Beginn der Predigt. Hier wies
dann der Kaplan in ruhiger, sach-
licher Form darauf hin, daß die hl,
Messe um 10 Uhr angeht.
Der Fall ist anderwärts bereits
klargelegt.
13. Das Kath. Pfarramt setzte asn
Christ-Königsfest um 149 Uhr eine
Generalkommunion der katholi-
schen Pf arr Jugend an, obwohl zu
gleicher Zeit ein Fest der HJ statt-
fand.
14. Herr Kaplan Lederer hat die
Führer der HJ gelegentlich eines
Zwischenfalles in der männlichen
Volksfortbildungsschule bele ' digt.
Die Generalkommunion der Pfarr-
jugend ist seit Jahren an diesem
hierfür besonders passenden Tage,
dem Hauptfest der katholischen
Jugendvereine, was auch der HJ-
Leitung hätte bekannt sein sollen.
Eine böswillige Verdrehung einer
Bemerkung gegen das flegelhafte
Benehmen eines Fortbildungsschü-
lers, die dahin lautete, daß ein
solches Benehmen sich nicht für
einen HJ^Buben gezieme und vom
Führer sicher nicht gebilligt werde.
Forderung der Unterbannführer
Einen bedeutenden Schritt weiter im Kampf der Katholischen
Jugendvereine ging schon ein Beschluß der Unterbannführer des
Bannes HJ Oberland auf einer Tagung am 17. Januar 1934.
Es wird aufgefordert zum „passiven Widerstand", der aber in
Wirklichkeit sehr „aktiv", geradezu gewalttätig sein sollte.
, „Am Mittwoch, 17. Januar 1934 ist eine Tagung der Unterbann-
führer des Bannes HJ Oberland 2.
Dabei werde aufgefordert zum .passiven Widerstand' gegen die,
katholische Jugend, besonders gegen die DJK und Pfadfinder.
Es soll dies aber nicht offiziell von der Partei aus befohlen wer-
den, sondern Anweisung unter der Hand gehen.
Des näheren wird aufgefordert:
1. Abzeichen an den Kleidungen sind auf irgendeine Weise zu ent-
fernen, evtl. auchmit Gewalt.
2. Jedes geschlossene Auftreten katholischer Jugend ist zu ver-
hindern, bzw. soll zerstört werden.
3. Über größere Unternehmungen der katholischen Jugend i s t a n
das Innenministerium zu berichten, das versprochen
hat, die Bannführer in jeder Weise zu decken.
4. Es ist jedem Führer verboten, seine HJ geschlossen in die Kirche
zu führen. Er kann höchstens sagen: ,Wenn jemand in die Kirche gehen
will, so kann er es tun'."
Die HJ ließ sich natürlich eine solche Aufforderung zum
„Losschlagen und Dreinschlagen"
auf die „Schwarze Jugend" nicht zweimal sagen. „Schlagfertig"
begannen überall die Überfalle.
Das Erzbischöfliche Ordinariat München mußte am 26. April 1934
für die Zeit vom 2. bis 25. April dem Bayerischen Staatsministerium
des Innern nachfolgende Angriffe auf katholische Jugend melden:
Regensburg, Schliersee, Bad Reichenhall, Freilassing, Töging,
München: St. Johann Baptist (zweimal), Neuhausen, St. Bonifaz
(zweimal), St. Franziskus, St. Paul, Solln, St. Stefan, St. Rupert,
Jugendheim an der Berlepschstraße.
Selbst Wallfahrten, auch wena sie polizeilich genehmigt
waren, wie' jene des Kath. Jungmännerverbandes der Erzdiözese
167
am 6. Mai 1934 nach Birkenstein und jene der katholischen
Jugend von Oberaudorf und Kiefersfelden nach
Kirchwald am 10. Mai 1934, wurden gestört.
Letztere verlief besonders abstoßend:
Am Ortseingang von Oberaudorf warteten SS-Leute und Hitler-
jungen im Straßengraben und überfielen zuerst die Jungen des Kath.
Jugendvereins, die mit dem Rad kamen. In roher und gewalttätiger
Weise rissen sie den Jungen die Blauhemden und Christuszeichen her-
unter. Der eingerollte Wimpel wurde vom Rad weggenommen und im
Straßenschmutz herumgezogen.
Als dann das Lastauto kam mit 33 Kindern von 8 bis 14 Jahren,
brachten es die' SS-Leute zum Stehen, nahmen den Buben die Blau-
hemden ab, während die BDM-Mädchen den kathohschen Mädchen das
Abzeichen der „Weißen Rose" abforderten. Die SS „eroberte" dann
noch den zweiten Wimpel. Abends war dann gemeinsame Sie-
gesfeier von SS, HJ und BDM mit Verbrennung der blauen
Hemden und Wimpel. """
Ähnlich ging es dem katholischen Jugendverein Wolf-
ratshausen bei einem Ausflug mit Gemeinschaftsmesse: 30 HJ über-
fielen die . „J u g e n d h u n d e" und „P f a r r e r - L e h r b u b e n" und
schlugen mit ihren Schulterriemen auf sie ein.
. In Dorf en bei München drohte man nicht nur immer wieder mit
dem Zaunpfahl, sondern zerstörte auch nächtlicherweile (!) mit einem
Sprengkörper den Pfarrhofzaun (2. Mai 1934).. Auf die Beschwerde des
Pfarrers meint eder Bürgermeister hilflos: „Das Kreuz ist
halt, daß Sie die katholische Jugend nicht in die HJ überführen."
'In größerem Maß s t ab g es ch ah e n G e w alt t a t en
gegen die katholische Jugend von Berlin:
Bischof Preysing schrieb hierüber an die Regierung:
' Am Sonntag, den 25. März 1934 hatte der KJ-Führer von Groß-Ber-
lin die Jungen von 10 bis 14 Jahren zu einem Treffen nach Henningsdorf
gerufen. Etwa 1800 Jungen waren dem Rufe gefolgt. Auf das schmerz-
lichste berührt es mich, daß diese treudeutschen katholischen Jungen
in unerhörter Weise von der Hitler- Jugend angegriffen wurden, daß
sowohl die staatlichen Hoheitszeichen als auch etwa 150 kirchlich
geweihte Banner und Wimpel der Jugend gewaltsam entrissen wor-
den sind.
Neben diesem ,,E i n b 1 ä u e n" mit Schulteirriemen und Faust-
schlägen versuchte die HJ ein andermal wieder mit gütigen Worten
die katholische Jugend zur „Vernunft zu bringen" und zum Aus-
tritt zu bewegen.
Der „Völkische Beobachter" brachte am 16. März 1934 im „Amt-
lichen Pressedienst des Jugendführers des Deutschen Reiches" nach-
folgenden langatmigen, lockenden und drohenden, lobenden und
tadelnden
App eil an die k atholisc he Jugend
Berlin, 15. März 1934.
„Der amtliche Pressedienst des Jugendführers des Deutschen Rei-
ches veröffentlicht folgenden flammenden Aufruf an die katholische
Jugend Deutschlands: '
Laut und vernehmlich, klar und eindeutig haben wir im deutschen
Volke immer und immer wieder das Ziel unseres Kampfes verkündet:
Einheit der Jugend — Einheit des Reiches!
168
In Tausenden und aber Tausenden von Versammlungen, Kundgebungen
und Aufrufen haben wir uns vor dem deutschen Volk zu diesem Kampf-
ziel bekannt. In nimmermüder Arbeit haben wir das junge, einige Deutsch-
land gebaut. Jeder Schritt, den wir in unserem Handeln unternahmen,
sollte uns unserem Ziele näherbringen, jede unserer Taten war be-
stimmt vom Willen zur Nation. Das deutsche Volk weiß heute,
wartfnti wir die deutsche Einheit schaffen und erhalten wollen. Das
deutsche Volk weiß, warum wir so verbissen und rück-
sichtslos unseren Kampf um die Einheit der Jugend und die
Einheit des kommenden Reiches führen, das deutsche Volk weiß es, daß
wir (^afür auch die schwersten Opfer zu bringen gewillt sind.
das deutsche Volk weiß aber noch immer nicht,
warum es trotzdem de utsche Jugend geben kann, die vor
der geschichtlichen Größe dieser Zeit der Volkswerdung
dieAugen verschließt, sich dagegen. auflehnt und um
jeden Preis ihren kleinlichen Standpunkt aufrechterhalten will.
Das deutsche Volk weiß noch immer nicht, warum ein großer
Teil >d er deutschen Jugend am großen Werk der Eini-
gung nicht teilhaben will. Das deutsche Volk weiß noch immer
nicht, wofür es Deine ablehnende Haltung halten soll.
Katholische Jugend, Du läufst Gefahr, in den Augen des deutschen
Volkes einmal als S a b o teur der deutschen Einheit zu
gelten, indem Deine ablehnende Haltung als Eigenbrödelei und
trotzigerEigensinn ausgelegt werden könnte". Noch ist Zeit,
noch steht die Frage offen, die Frage nach dem „Warum" und harrt
ihrer Beantwortung.
Noch sind die Würfel nicht gefallen.
Katholische Jugend! Gib Antwort auf diese Fragen! Denn nur Du
bist dem Volke die Antwort schuldig geblieben. Unsere Gründe sind
den Millionen unserer deutschen Volksgenossen bekannt. Deine
Gründe, Katholische Jugend, kennt das deutsche Volk nicht.
Um der Zukunft derNation willen fordern wir Dich aus dem
Dunkel heraus, in dem Du Dich aufhältst und Deine eigenen Süppchen
braust!! • .
Um der Ehre der deutschen Jugend willen — denn auch
Du gehörst zu ihr — fordern wir Deine Antwort!
Die deutsche Jugend hat ihre Ehre darangesetzt, vor dem Urteil
der Geschichte bestehen zu können als die Schöpferin der Einheit des
Dritten Reiches und als seine Trägerin. Willst Du, katholische Jugend,
auf Deinem Sonderstandpunkt hartnäckig verharren, willst Du i m
Urteil der Geschichte als die verderbliche Kraft ge-
brandmarkt werden, die an der Einheit des Reiches und an der
Gestaltung seiner Zukunft Sabotage getrieben hat?
Noch glauben wir jungen Millionen, noch glaubt unser Deutsches
Volk an Dein deutsches Bekenntnis, das Dir hoch und wertvoll sein
muß, wenn es um die Belange der Nation geht.
Katholische Jugend! Noch glaubt Dein Volk an den Augenblick, da '
Du Dein deutsches Bekenntnis, das Du bisher nur mit den Lippen be-
kannt hast, zur lebendigen Tat werden läßt, da Du Dich zum ewigen
Deutschland bekennst, indem Du Dich in die Reihen der jungen Nation
stellst und jegliche Sonderstandpunkte überwindest.
Katholische Jugend! Das Deutsche Volk wartet auf Deinen
geschichtlichen Schritt, es wartet auf Deine Tat. Die Millio-
nen unseres Volkes wollen aus Deinem Munde hören, warum Du
Dich noch immer nicht zur deutschen Einheit durchringen
kannst.
Kreuz und Hakenkreuz 12 269
Gib Antwort äüfdiöstumme Fragenach d6m Warum,
die in dem wartenden Blick des Deutschen Volkes liegt. Unsere
Fronten sind klar. Unser Ziel und unsere Wege zu diesem Ziel
sind ebenso hell und klar. Aus Deinem Munde, und nur aus Dei-
nem Munde, katholische Jugend, nicht aus dem Munde
Deiner Führer und Sekretäre, die Dich in Deine Sonder-
stellung gedrängt und durch ihre Haltung und Handlungen bewiesen
haben, daß sie für Deutschland und für die Einheit des Reiches kein
Verständnis haben, will unser Volk hören, ob Du noch länger und aus
welchen Gründen Du Dich unserer großen Gemeinschaft fernhalten
willst. Das gesamte Volk soll über Dich sein Urteil
sprechen. Dieses Urteil soll der Geschichte über-
geben werden! Katholische Jugend, heraus mit der
Sprache I
Auch dieser „Flammende Aufruf" erreichte seinen Zweck nicht.
Darum versuchte man es jetzt mit der Polizeigewalt, mit dem
Uniform- und Ab zeichen verbot
Die Münchener Polizeidirektion ging voran, indem sie am 23. April
1934 Verfügte:
„Die Polizeidirektion München teilt mit:
Zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicher-
heit erläßt die Polizeidirektion folgende ortspolizeiliche Vorschrift:
§ 1.
Das Tragen von einheitlicher Kleidung von uniformähnlichen Be-
kleidungsstücken sowie von Abzeichen, durch welche die Zugehörigkeit-
zu einer katholischen Jugend- oder Jungmänner-Organisation zum Aus-
druck gebracht wird, ist verboten.
§ 2.
Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften werden mit Haft bis
zu sechs Wochen oder mit Geldstrafe bis zu 150 Mark bestraft.
. § 3.
Die vorstehenden Vorschriften treten mit der Verkündigung in Kraft."
Ein Jjesonders verhaßtes Abzeichen der katholischen Jugend
war das Christusmonogramm mit den zwei ersten grie-
chischen Buchstaben des Christusnamens:
Wo immer Polizei oder HJ dieses altchristliche Symbol sahen,
auf Eannermasten von katholischen Jugendheimen, auf Fahnen-
stangen, an Weihwasserkesseln usw., wurde es beanstandet, weg-
genommen oder zerstört. Ein großes Prozessionskreuz dieser Form,
dsLS bei der Münchener Fronleichnamsprozession 1934 mitgetragen
wurde, ward vom SA-Streifendienst beschlagnahmt.
Ähnlich machte es der „Streifendienst" der HJ, der besonders
an Pfingsten 1934 und 1935 seine Hauptaufgabe darin sah, alle
jugendlichen Ausflügler anzuhalten und auf Abzeichen katholischer
Jugend zu untersuchen und jedes gruppenweise Wandern derselben
zu verhindern oder zur Anzeige zu bringen.
Die Gauleltung Unterfranken überbot dann gar bald
die Polizeidirektion München. Sie versuchte es mit der vollen Auf-
170
lösung der katholischen Jugendverbände, wie nachfolgende Anord-
nung zeigt:
„Kreisbefehl für Schweinfurt-Land:
an alle Bürgermeister, Ortsgruppenleiter und
Stützpunktleiter des Dienstbereiches.
Betreff: Auflösung der katholischen Jugendverbände und Jungmänner-
vereine.
I.Laut Gautaefehl vom 25. April 1934 sind aus Gründen der
öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zum Schutze von Volk und
Staat sämtliche katholischen Jugendverbände und Jungmännervereine
mit sofortiger Wirkung zu verbieten.
2. Durch den vorstehenden Gaubefehl ist die den genannten Ver-
bänden durch das Reichskonkordat vom 2 0. Juli 1933
unter Vorbehalt erteilte Schutzbestimmung (Art. 31 des Kon-
kordates zwischen dem Hl. Stuhl und dem Deutschen Reiche) auf-
gehoben.
3. Durch das Verbot werden sämtliche katholischen eingetragenen
sowie nicht eingetragenen Vereine und Verbände, ferner alle
vereinsähnlichen Gebilde getroffen, die Jugendpflege be-
treiben. Auch Vereine, welche ihrer Satzung nach rein religiöse
Jugenderziehung betreiben, fallen unter den Rahmen dieser
Bestimmungen.
4. Die politischen Leiter sind beauftragt, den in Frage kommenden
Vereins vor ständen die sofortige Auflösung ihrer Vereine zu befehlen,
a) Die Vereinsvorstände haben ihren sämtlichen Vereinsmit-
gliedern die Auflösung des Vereins mitzuteilen. Die
Löschung eingetragener Vereine im Vereinsregister ist zu be-
antragen.
Zusammenkünfte und Veranstaltungen jeder Art, ob sie
in Vereinshäusern oder in Privathäusern stattfinden, sind ver-
boten.
c) Jede fernere Verbindung zwischen den Vereinsmitgliedern, auch
die rein gesellschaftliche Verbindung, ist ver-
boten. Darunter fallen auch der gemeinsame Bezug und die Be-
sprechung von Zeitungen, Zeitschriften und Rundschreiben.
d) Das Tragen von U n i f o r m e n und Abzeichen ist ver-
boten. Als Abzeichen sind alle äußerlich sichtbaren Kennzeichen
zu- betrachten.
e) Alles unbewegliche und bewegliche Vermögen der Vereine
ist, soweit es nicht nachweislich im Eigentum einer Kirchen-
gemeinde oder Kirchenstiftung steht, in den Besitz des poli-
tischen Leiters zu überführen. Die Eigentumsfrage wird von der
Kreisleitung geregelt. Die Auflassung von Immobilien im Grund-
buch sowie die Eintragung des Neueigentümers geschieht aus-
nahmslos nach Rückfrage des politischen Leiters bei der Kreis-
leitung.
5. Die politischen Leiter haben die im Punkt 4 umschriebene Auf-
lösung bei den Vereinsvorständen zu veranlassen, sie mit diesen zu-
sammen durchzuführen und der Kreisleitung über die Durchführung
laufend genauestens Bericht zu erstatten.
6. Sollten sich bei der Durchführung irgendwelche Reibungen er-
geben, insbesondere Widerstände von selten der Geistlichen oder der
Vereinsvorstände bemerkbar werden, so wäre auf dem schnellsten Weg
an die Kreisleitung zu berichten.
' 171
b)
7. Widerständen von selten der Vereinsvorstände oder der Vereins-
mitglieder oder dritter Personen anläßlich der Durchführung der Ver-
einsaul'lösungen wird von der Kreisleitvmg in . Einvernahme mit der
Politischen Polizei imverzüglich und schärfstens entgegengetreten wer-
den. Eigenmächtiges Vorgehen der politischen Leiter oder irgend-
w^elcher Gliederungen ist jedoch verboten.
8. Die Bürgermeister sämtlicher Gemeinden sind beauftragt, den
politischen Leitern bei der Durchführung der Veceinaaivllösungen zur
Seite zu stehen.
9. Alle katholischen Geistlichen und alle Vereinsvorstände der katho-
lischen Jugendverbände und Jungmännervereine innerhalb des Dienst-
bereiches der Kreisleitung Schweinfurt-Land werd(!n ersucht, den vor-
stehenden Kreisbefehl zur Kenntnis zu nehmen und seine reibungslose
Durchführung in Einvernahme mit dem politischen Leiter des Ortes zu
veranlassen.
Für irgendwelche Schwierigkeiten werden die verantwortlichen Per-
sönlichkeiten unweigerlich zur Verantwortung gezogen."
Amtlicher Druck a uf k a th.ol isch e In,t-er n at e !
Der Bayerische Kul t u's minister Hans Seh e m m lud
um dieselbe Zeit (25. April . 1934) die. Leiter katholischer
Ins t i' t Ute Niederbayerns, darunter auch den Direktor des Bi-
schöflichen Knabenseminars Passäu, je einen Pater aus Kloster
Me^en und Schweiklberg, drei Englische, Fräulein zu einer beson-
deren Sitzung in sein Ministerium nach München und machte ihnen
ernste Vorwürfe, weil von verschiedenen katholischen Direktoren
und Präsides nicht genügend Arbeit für den- nationalsozialistischen
Staat geleistet würde. Die Direktoren sollten dafür sorgen, daß die
Jugendlichen in die Organisationen der Partei hineinkämen. Von
dieser Aufforderung ging dann Minister Schemm zur festen Dro-
hung über:
„Wenn gegen uns gearbeitet wird in der Form, wie Sie das gehört
haben, sehe ich mich letzten Endes genötigt, Mittel dagegen zu ergreifen
und ins Feld zu führen, die nicht so aufzufassen sind, als ob wir gegen
die katholische Religion auch hur einen Schritt unternehmen würden —
die Tatsache, daß katholische Kreise dem nationalen Staat negativ
gegenübertreten, die Tatsache, daß allgemein gegen Nationalsozialismus
und Drittes Reich Stellung genommen wird, wird bewirken, daß wir
nun vor das Volk hintreten- in der breitesten Öffent-
lichkeit als Propagandisten der Bewegung und erklären
müssen, daß bestimmte Kreise der katholischen Konfession ihre Glau-
bensangehörigen von Volk und Vaterland wieder entfernen wollen. Und
es kommt die Parole: Um Volk und Vaterland und die Sauberkeit der
katholischen Konfession . des Christentums zu retten, erklären wir, daß
dies Landesverrat und Verrat an der Religion ist. Wenn
wir etwas zurückhaltend waren, wir können auch wieder, wenn es sein
muß, sehr aktiv werden . . . Jene, die sich hemmend in den Weg stellen,
werden vom Nationalsozialismus ütaerrannt werden. Ich bitte Sie
mitzumarschieren, nicht kritisch und nörgelnd und abwehrend,
sondern „Ja" zu sagen .... .
Ich hoffe nicht, daß der Nationalsozialismus gezwungen ist, große
propagandistische Aktionen vorzunehmen, die wir in
jede Familie hineinleiten. — Daß es dann zu noch mehr Zu-
sammenstößen kommt, ist außer Zweifel • . . Handeln Sie nach dem
Schema: Deutschland und Christentum, nicht bloß dogmatisch und kon-
172
fessionell. Sollten die nächsten Tage und Wochen nicht zeigen, daß diese
Besprechung Erfolg gehabt hat, dann zwingen Sie die Bewegung, alctiv
zu werden ..."
,,Aktiv werden" nannte es Sehe mm, was nichts als
brutale Gewalt war. Hohe und niedere HJ-Führer hatten eine
andere wohlklingende Bezeichnung hiefür:
„Die ,D y n a m i k' d e r H J"
Was davon zu halten war, und wie diese hochgepriesene „Dy-
namik" unter der auffälligen ,,harmonia p r ae s t ab ilit a"
zwischen Staatsjugendaktionen und Polizeimaßnahmen (Päpstliche
Note vom 14. Mai 1934) sich auswirkte, deckte der Vatikan der
Reichsregierung in der Note vom 14. 5. 1934 offen auf (in Punkt IX):
„Der Hl. Stuhl müßte ein ganzes Buch füllen, um den Pas-
sionsweg der katholischen Organisationen in den vergangenen Mona-
ten eingehend zu schildern. Es kann vorbehalten bleiben. Wer aber
auch nur einen oberflächlichen Überblick über die traurige Gewalt-
chronik dieser Monate hat, wer weiß, wie die Offensive, das mitleid-
lose Ausspielen der Faust gegen das Recht auf der Seite
der Staatsjugend -und die ..bloße Defensive auf selten der konfessionellen
Verbände war, der kann nur mit einigem Erstaunen von denjenigen
Partien des Promemoina Kenntnis ' nehmen, die in dem behaupteten
nachkonkordatären Anwachsen katholischer • Neugründungen ein auf-
reizendes Moment sehen wollen.- Die Reizbarkeit der sich der Deckung
von oben bewußten Staatsjugend ist augenscheinlich ins Anormale
gewachsen, wenn die bloße Tatsache des Nichtsterbenwollens der
katholischen Verbände und ein gelegentliches lokales Wachstum ihr als
Provokation genügt. Die betreffenden Hinweise des staatlichen Prome-
moria widerlegen sich doch wohl selber durch das von RegierupgssteÜen
bei ihrer Fühlungnahme mit dem Hl. Stuhl angewandte Argument, daß
die katholischen Jugendverbände keine Zul^unft mehr hätten, daß der
Druck und die ,Dynamik' der Staats jugend, von der noch in
den letzten Tagen der Reichsjugendführer öffentlich gesprochen hat, so
stark würden, daß die Lebensfähigkeit der katholischen Jugendorgani-
sationen erledigt und nur noch ein unnütz in' die Länge gezogener
Todeskampf sei. Nachdem diese sogenannte .Dynamik'
sich in Mißhandlungen, Überfällen, Versammlung s -
Sprengungen, Ve rh inderung Marianischer- Prozes-
sionen, Verhöhnungen des Christuszeichens und Zer-
reißen der Ghristusbanner in bekannt ,positiv-
ch ristlichem Sinne' ausgewirkt hat, ebenso wie in
Angriffen gegen Klerus, Episkopat und Kirche, sollte
man wenigstens darauf verzichten, den Lebenswillen katholischer
Jugendlicher, die auch heute noch der Christusfahne ihrer Verbände die
Treue halten, , aufreizend' zu finden."
Ein paar Beispiele dieser „Dynamik" der HJ.
Dii£ päpstliche Note vom 31. Januar 1934 erwähnt, als Beispiele
unberechtigten Vorgehens staatlich geschützter und bevorzugter
Organisationen gegen katholische Vereine folgende zwei bezeich-
nende Vorfälle:
1) eine Kundgebung der Hitlerjugend in Düsseldorf vom 11. Ja-
nuar 1934, wo der Länderbeauftragte des Reichs Jugendführers und Ober-
gebietsführer eine Rede hielt, die mit den konkordatlich festgelegten
173
Vereinbarungen unverträglich ist. In ihr wird auch die welt-
anschauliche Erziehung der Jugend in vollem Umfang als
Staats m onopol reklamiert und der Kirche ihr Recht hierzu be-
stritten. Mit klaren Worten wird der Vernichtungskampf angesagt gegen
alles, was außer der Hitlerjugend bestehe: „Genau wie wir mit
den Parteien fertig geworden sind, werden wir auch
mit den konfessionellen Bün de n, die heute noch nicht
bereit sind, ihr eigenes Dasein aufzugeben, fertig
werden." Vgl. „Köln. Volkszeitung", 11. Januar 1934.
2) Wie man es nicht nur bei der Propaganda beläßt, sondern auch
zu offener Gewalt schreitet, dafür, möge ein Fall hier Erwähnung finden,
der der jüngsten Vergangenheit angehört und typisch ist für den Un-
geist, mit dem teilweise vorangegangen wird: Am Mittwoch, den 17. Ja-
nuar 1934, hielt die Marianische Studentenkongregation
von Würzburg, also eine konlcordatlich geschützte Vereinigung einwand-
freiester Art, in einem gemieteten Saal einen Vereinsabend ab. Sie hätte
dazu die polizeiliche Genehmigung erhalten. Es war eine große Zahl
geladener Gäste anwesend, darunter der Hochwürdigste Herr Bischof
von Würzburg, der General des Augustinerordens, welch lezterem die
geistliche Leitung der Kongregation obliegt, zwei spanische Patres, ein
holländischer Ordensmann, viele Geistliche und die Eltern der Schüler.
Der Abend begann in aller Harmonie. Inzwischen schlichen sich zahl-
reiche Mitgieder der Hitlerjugend ein und nahmen auf der Galerie
Platz. In den Pausen begannen sie Knallerbsen und Stink-
bomben zu werfen; doch konnte eine in Gang befindliche religiöse
Aufführung weitergespielt werden. In der Pause vor derri 5. Akt er-
schien plötzlich der Führer der Hitlerjugend in Uniform vor
dem Podium, um eine Werberede zu halten. Der Leiter des Abends
befragte das Publikum, ob es in einer geschlossen en religösen
Feier eine solche Rede entgegenehmen wolle, was einstimmig ab-
gelehnt wurde. Darauf begann die Hitlerjugend zu lärmen und ver-
suchte die Christusfahne den Kongreganisten zu entreißen. Wegen des
Tumultes mußte der Abend abgebrochen werden. Welch beschämenden
Eindruck die anwesenden ausländischen Gäste mitnahmen, liegt auf ^ef
Hand. Solche Vorgänge, Überfälle und Terrorakte, die in großer Zahl
nachweisbar sind, wären nicht möglich, wenn die Verantwort-
lichen nicht von vornherein ihrer Straflosigkeit, ja
der Unterstützung sicher wären.
Nebst dem Recht der Faust glaubten aber auch schon kleinste
Fähnleinführer der HJ das Recht der „Gesetzgebung"
zu haben. Zum Beispiel machte ein Fähnleinführer von Traunstein
am 5. Juni 1934 folgenden Anschlag am HJ-Brett:
„ . . . Mit Wirkung vom 1. Juni (1934) ist es jedem Jungen des Jung-
volks verboten, mit Mitgliedern aller katholischen Jugendorganisationen
in Uniform zu sprechen und im kameradschaftlichen Sinn mit ihnen zu
verkehren. (Das letzte gilt auch für den, Privatverkehr.)
Es ist jedem Jungen des Jungvolks verboten, in Uniform eine Kirche
zu besuchen. Weiterhin wird kein Geistlicher auf Grund unserer Wert-
einschätzung mit dem Deutschen Gruß begrüßt.
Jeder Junge, der gegen diese Verordnung verstößt, wird zur Be-
strafung herangezogen . . ."
Der Fähnleinführer.
Wie die Faust, so die Sprache
Einem Münchener Kaplan, der am 27. September 1934 eine
Jungmännersitzung hielt, welche die HJ vergeblich zu stören ver-
174
suchte, steckte man einen Zettel mit folgender Notiz in den Brief-
kasten:
„Du jüdischer Sturmscharhäuptling.
Wenn Du schäbbiges Aas uns mal zwischen die Hände
kömmst, drehen wir Dir das Gesicht nach hinten.
218 Knochen hast Du in Deinem schäbbigen Faste-
lovensgeckebalg. Wenn Du sie alle wieder finden
willst, so laß sie Dir von der HJ erst numerieren.
Treu Heil ihr Fastelovensgecke
Die Mordkommission der HJ
Tötenkopf. PX..
Es verrecken
, die morschen
Fastelovensgestelle.
Zur gefl. Kenntnis übersandt an
Kaplan N. N.
M r d a m L e i t e r d e r p J K
Zum wirklichen Mord an katholischer Jugend kam es dann
gelegentlich des „Röhm-Putsches", Anfang Juli 1934. Da wurde der
tüchtige Leiter der ganzen Sportpflege der katholischen Jugend der
„Deutschen Jugendkraft" (DJK), namens Probst, von Heydrich
auf die Liste der „zu Liquidierenden" gesetzt, mit Auto abgeholt
und dann „auf der Flucht erschossen". Was brauchte auch nach
Ansicht der Nazi die katholische Jugend noch eine besondere Lei-
tung für Sport? Sportpflege und gemeinsames Wandern war ihr
überhaupt verboten: Das war nur Sache der HJ.
Ein paar Monate darauf, am 5. November 1934, sprach dann der
Reichsjugendführer Baidur von Schirach im Preußenhaus zu Berlin
das ebenso bezeichnende wie abschreckende Wort; „Der Weg
Rosenbergs ist auch der Weg der deutschen Ju-
gend!" Und da sollte katholische Jugend mitgehen! Da sollten
katholische Bischöfe zustimmen! Unmöglich!
Von vornherein aussichtslos war darum auch der
Sturmangriff und das Trommelfeuer
der HJ gegen die katholische Jugend im März-April 1935 im Gebiet
Ruhr-Niederrhein.
Einer 34 Seiten langen Denkschrift des katholischen Jungmänner-
verbandes entnehmen wir einige Abschnitte:
I.Vorbemerkungen:
„Die Hitlerjugend, Gebiet Ruhr-Niederrhein, führte in der Zeit vom
24. März bis 7. April 1935 eine Frühjahrsoffensive durch mit
dem Ziel, ,aufch den letzten anständig denkenden deutschen Jungen da-
von zu überzeugen, daß er in die HJ gehört.' Diese Offensive richtete
sich nach der Sachlage fast ausschließlich gegen die katholischen
Jugendbünde.
175
• Zu dem vorliegenden Bericht veranlaßt uns nicht die Tatsache der
Offensive als solche, sondern jene andere Tatsache, daß die Art die-
ser Offensive, die Methoden der Werbung die Gesetze
der Wahrhaftigkeit, der Gerechtigkeit und der Ritter-
lichkeit verletzt haben, daß die Ehre der Jugend der
Kirche in aller Öffentlichkeit durch Pressemeldungen, Rundfunk-
nachrichten und Reden aufs schwerste verletzt wurde.
Es sind uns leider heute die Möglichkeiten genommen, der Wahr-
heit und der Gerechtigkeit öffentlich zu ihrem Recht zu verhelfen, und
die unritterliche und verwerfliche Kampfesweise gegen die katholische
Jugend zu brandmarken. Deshalb soll wenigstens durch diesen zusam-
menfassenden Bericht und durch die kurze wahrheitstreue Darstellung
einiger Vorgänge während der Offensive der Wahrheit eine Gasse ge-
bahnt werden."
II. Allgemeines:
Die Offensive brachte die ganze und geballte Kraft der NS-Bewe-
gung in all ihren Gliederungen und mit dem ihr eigenen Propaganda-
apparat zum vollen Einsatz:
Hervorragende Führer der Bewegung (Baidur von Schirach,
Minister Rust, Oberpräsident Terboven -u. a.) traten als Redner auf.
Presse. und Rundfunk standen . täglich zu Diensten, in der
Schule setzte die Lehrerschaft weisungsgemäß ihre ganze Autorität als
Erzieher für die HJ und gegen die katholischen Bünde ein; .
in den Betrieben der Wirtschaft wurde unter Androhung
wirtschaftlicher Schädigung ( Arbeitsstellenverlüst) seitens der Funktio-
näre der Bewegung und der Belegschaften auf die katholischen Jungen
ein beispielloser Druck ausgeübt mit dem Ziel, den Übertritt in die HJ
zu erreichen; viele Arbeitsämter berücksichtigten, in dieser Zeit
der Schulentlassung grundsätzlich nur Mitglieder der HJ bei der Lehr-
stellen- und Arbeitsstellenvermittlung;
die H J selbst veranstaltete in den Schulen und Betrieben
eigene Werbeveranstaltungen, zu denen alle Schüler . bzw.
Jungarbeiter zu erscheinen hatten;
Werbekolonnen mit Transparenten zu Fuß und auf
Lastwagen durchzogen die Straßen, die Mitglieder katholischer Bünde
und ihre Eltern wurden einzeln aufgesucht und bearbeitet;
Flugzettel, Maueranstriche und Transparente sag-
. ten den katholischen Jugendbünden offen den Kampf an;
Beamte wurden da und dort unter Hinweis auf ihren dem Führer
geleisteten Diensteid unter moralischen Druck gesetzt, um
den Übertritt ihrer Kinder in die Staatsjugend zu vollziehen.
Die Angriffe auf die Ehre der katholischen Jugend und ihrer Führer
waren so ungeheuerlich und maßlos, daß sich Generalpräses Wolker, im
Namen der gesamten organisierten katholischen Jugend zu Protesttele-
grammen an den Reichsminister und die Geheime Staatspolizei in Ber-
lin gezwungen sah:
„Wir protestieren gegen fortgesetzte ehrverletzende und volks-
verhetzende Beschimpfung katholischer Jugend in Pressearti-
keln, Plakaten und Mauerbeschmierungen, in Werbeaktionen der
Hitlerjugend und bitten um sofortige durchgreifende polizei-
liche Maßnahmen.
Für die katholische Jugend: Generalpräses Wolker."
Eine Wirkung dieses Protestes war nicht wahrnehmbar.
176
Zu bemerken ist noch, daß die Offensive nicht auf das Gebiet Ruhr-
Niederrhein beschränkt blieb. Ihr Wellenschlag -war auch in anderen
Teilen des Reiches spürbar, da von überall her Ausschreitungen, Tät-
lichkeiten, Jugendheimeinbrüche, Sachschäden üsw. gemeldet wurden
und noch gemeldet werden.
III.
Auszüge aus den Reden maßgebender Führer, z. B. von
Minister Rust und Baidur v. Schirach:
Minister Rust auf einer kulturpolitischen Tagung in Köln, 5. April 1935:
„Ich muß nun heute sagen, daß es nicht mehr angeht, . in diesem
Funkt zweierlei Marschrichtung zuzulassen. Die Forderung, die sie
stellen, ist die, daß ihnen in ihrem religiösen Empfinden und in ihrer
religiösen Zielsetzung von uns keine Schwierigkeiten entgegengestellt
werden. Ich erkenne diese Forderung an. Ich stelle die Gegenforderung:
Für die Jugend unseres Volkes, die einst in eiserner Geschlossenheit,
wenn sie Männer geworden sind, beieinanderstehen soll, muß es heißen:
Eine Jugend steht unter einer Flagge und die sitzt da (wobei der
Minister auf die Hitlerjugend hinwies.) Ich werde in der näch-
sten Zeit 'mit verschiedenen Maßnahmen dieser Ju-
gend auch von mir aus noch stärker unter die Arme
greifen..."
Reichs] ugendführ er Baidur von Schirach in Essen am 31. März 1935:
„Ich frage Euch, meine Kameraden, was hat denn der Sport mit
der Konfession zu tun? Habt Ihr schon einmal einen katholischen oder
evangelischen Sport gesehen, wißt Ihr denn, was, eine katholische Bauch-
welle ist oder ein evangelischer Klimmzug? Das sind die Ausreden und
Ausflüchte derjenigen, die immer gegen Deutschland sind. Es geht ihnen
nicht um die Religion, es geht ihnen um ihren Posten. Sie behaupten,,
sie dienen der religiösen Erziehung, aber sie dienen keinem anderen
Gott als ihrem Bauch . . ."
IV.
Presse und Rundfunk-
standen täglich im Dienste der Offensive. In oft spaltenlangen Artikeln
wurde zu beweisen versucht, daß es bei der Offensive „um die Einheit
der Jugend" und „um eine wahre Volksgemeinschaft" gehe, daß des-
halb derjenige ein Feind des Staates und ein Verbrecher am
Volk sei. der die organisatorische Einheit der Jugend unmöglich mache.
In Schlagzeilen wurde verkündet;
„Gegner der HJ sind Gegner des Staates"
Presse und Rundfunk verbreiteten Meldungen, wonach in ver-
schiedenen Städten „ganze Gruppen katholischer Jugend
geschlossen mit ihren Führern" in die HJ übergetre-
ten sein sollten, so in Essen, Duisburg, Mülheim, Opladen und Kref eld-
Ürdingen. In all den genannten Fällen wurden eingehende Erhebungen
gemacht. In keinem der Fälle konnten die Meldungen
eine Bestätigung finden.
V.
Angriffe der Presse
Aus elf Zeitungen werden Beispiele übelster Hetze, zahlloser Ver-
leumdungen, Verweigerung jedes Nachweises und jeder Richtigstellung
geboten.
VI.
Methode: „Haltet den Dieb"!
In einem Artikel in der „National-Zeitung" Essen vom 31. März 1935
ist unter der Überschrift „Gegner der HJ — Gegner des Staates" zu
lesen: „In Mülheim-Styrum hatten jSturmschärler' an einen Zaun in
177
großen Farben den Satz geschmiert: ,Wir brauchen keinen Hitler mehr!'
Und die Standortführung Essen der HJ bel^am ein Flugblatt zurück-
gesandt, auf dem der Satz geschrieben war: ,Wir bleiben unseren
Pastoren, unseren Eltern und dem Zentrum treu! Wir
von der Sturmschar!'"
„. . . Kann denn überhaupt noch krasser gezeigt werden, in welcher
Richtung die katholischen Sturmscharen gesteuert werden? . . ."
(Merkwürdig und sonderbar ist, daß der Satz: „Wir brauchen keinen
Hitler mehr!" in der „National-Zeitung" nicht besonders herausgestellt
oder in Fettdruck kam...!!)
Vielleicht ist es aber nicht mehr merkwürdig uhd sonderbar, wenn
man folgendes hinzunimmt;
Der Katholische Jungmännerverein Mülheim-Styrum, Sturmschar,
hat unterm 2. April 1935 an die „National-Zeitung" unter Hinweis auf
obige Verdächtigung einen Brief geschrieben und darin u. a. folgendes
bemerkt:
„Wir bedauern sehr, daß Sie die Sturmschar einer solchen
Bubentat fähig halten. Gegebenenfalls möchten wir Sie aber bitten,
so liebenswürdig zu sein und zu zeigen, wo das Geschriebene stehen
soll (wir haben es bislang nicht entdecken können), und, uns wissen
zu lassen, wer — falls überhaupt von dem Geschriebenen etwas
vorhanden ist — bezeugen kann, daß dies die Sturmschärler aus-
geführt haben sollen.
Im Interesse einer Klarstellung wäre dies sicherlich notwendig."
VII.
Druck seitens der Lehrerschaft in den Schulen:
Aus vielen Städten liegen Klagen und Beschwerden von Eltern und
Jungen über Druckmittel und Zwangsmethoden seitens der Lehrerschaft
vor. Die Lehrerschaft hat von übergeordneten Instanzen entsprechende
Anweisung erhalten.
Von übergeordneter Dienststelle wurden die Lehrpersonen aufge-
fordert, in der Zeit der Frühjahrsoffensive t ä g 1 i c h mindestens
10 Minuten lang über die Bedeutung der Staatsj ugend
in den Schulen zu sprechen. In welcher Form das mancher-
orts geschah, zeigen nachstehende Berichte:
Rektor H. erklärt: „Keiner würde eine Stelle erhalten, wenn er
nicht in die HJ ginge — er nennt die Mitglieder katholischer Vereine
Kommunisten oder Funktionäre der KPD — er holt die Kinder
einzeln auf sein Dienstzimmer und setzt ihnen furchtbar zu — schickt
die Kinder mehrmals am Tag nach Hause, um die Zustimmung der
Eltern zu holen — ist bereit, das Eintt-ittsgeld für Aufnahme in HJ
zu bezahlen!"
Lehrerin W. erklärt: ,iWer nicht im BDM ist, wird von mir nicht
mehr beachtet. — Ich verderbe Euch die Zeugnisse und
werde Euch keine Stellen besorgen." — Sie bestellt die Mütter der
Kinder zu sich und. terrorisiert sie,
RektorDr. H. zu einemJungschärler: „Wenn Du kein Inter-
esse am JV hast, ist das genau soviel wie kein Interesse am Staat.
Du wirst SDäter einmal so einer wie Matz Braun! Solche Jungen sehe
ich nicht mehr als Deutsche an."
E. R.: „In der Schule wurde ein außerordentlich starker Druck aus-
geübt. Die Jungschärler wurden in die letzten Bänke gesetzt.
Es wurde ihnen mitgeteilt, daß sie keine Quäkerspeisung und
keine Lehrmittel mehr erhielten." <
178
R. E.: „Der Unterbann ftihrer Seh. hält in der Schule (!)
eine Werbung, wer jetzt nicht käme, würde nicht mehr als
Kamerad betrachtet, sei ein V o 1 k s v e r r ä t e r. Die Rede war so
scharf, daß viele Kinder ganz verschüchtert und weinend nach Hause
kamen. Viele Eltern haben sich beschwerti"
Die Lehrer hatten übrigens noch einen besonderen Grund zur
Werbung:
Der für die HJ freigegebene Samstag:
Die Kinder, welche nicht der HJ angehören, haben 6 Stunden Schule
(morgens 4, nachmittags 2 Stunden). Die anderen Stunden, die sonst
Samstags gegeben wurden, sind auf die anderen Wochentage verteilt
worden.
Die Lehrkräfte, deren sämtliche Kinder der HJ und
dem BDM, angehören, haben nun an- den Samstagen vollständig
frei, die anderen haben 6 Stunden mehr zu leisten und ist der ganze
Samstag dafür in Anspruch genommen. Die Folge davon Ist, daß
manche Lehrkräfte immer wieder fragen: „Bist du jetzt noch nicht bei
der HJ oder im BDM? Jetzt ist es aber höchste Zeit, dazu den Schritt
zu machen. Du wirst schon sehen, was das für Folgen hat, es kann
nur Dummheit oder Trotz sein." So wird wohl weiter gemacht, bis das
letzte Kind in einer dieser Organisationen ist. Es werden nur ganz
positiv gläubig gesinnte und praktizierende Lehrkräfte dieses Kreuz auf
sich nehmen und am Samstag ihre Pflicht ohne lyTurren erfüllen.
vm.
Wirtschaftliche Zurücksetzung und Bedrückung
Aus der großen Zahl der eingelaufenen Berichte geben wir hier nur
einen kleinen Teil wieder. Die überall erfolgte wirtschaftliche Benach-
teiligung und Androhung wirtschaftlich-beruflicher Schädigungen gegen-
über unseren Mitgliedern sind eindrucksvolle Beweise dafür, wie jener
von maßgebenden Führern der Staatsjugend theoretisch formulierte
Grundsatz der Freiwilligkeit der Mitgliedschaft in
der HJ durch die praktische Wirklichkeit des Lebens Lügen gestraft
wird und wie durch Gewährung materieller Vorteile für die Staats-
jugend deutsche katholische Jugend zur Untreue gegenüber ihren kirch-
lichen Bünden veranlaßt werden soll.
IX.
Besondere Vorfälle wie Körperverletzung, Überfall,
schwere Beleidigung, Sachbeschädigung,
Brandstiftung usw.
Aus der Fülle der eingelaufenen Meldungen werden 25 Fälle wie-
dergegeben. 2 Anlagen schildern erschütternde Fälle ausführlicher.
X.
Die Haltung der Polizei während der Offensive ■
Während der Offensive trug die Hauptfront des Polizeipräsidiums
in Essen ein großes Plakat, geschmückt mit dem Hoheitszeichen der
Polizei und der HJ, mit der Aufschrift:
„Die Polizei steht zur Hitlerjugend!"
Diese Inschrift illustriert treffend die Haltung der Polizei während
der Offensive. Bis heute ist in keinem der vielen gemeldeten Überfälle,
in keinem - Fall von Ausschreitungen, Schlägereien, Brandstiftungen,
Beleidigungen, Sachbeschädigungen, Hausfriedensbrüchen, Raub und
Diebstahl bekannt geworden, daß die Täter der verdienten
Strafe zugeführt wurden, soweit diese Täter einwandfrei feststehen
179
oder daß es den Bemühungen der Polizei gelungen ist, unbekannte
T ä t e r z u e r m i 1 1 e 1 n.
In den meisten Fällen wurde seitens der Geschädigten Strafanzeige
erstattet. In vielen Fällen sind die Verfahren „wegen Geringfügigkeit
oder deshalb eingestellt worden, weil die Mitglieder der HJ im Diszi-
plinarweg , bestraft' worden sein sollen."
Die Staatsanwaltschaft hat u. W. in keinem der aufgezählten Fälle
von sich aus Strafantrag gestellt.
Dagegen ist es verschiedentlich vorgekommen, daß Mitglieder
katholischer Verbände in Schutzhaft kamen nur des-
halb, weil sie sich zur Wehr gesetzt hatten!
So standen die Polizei und die Justiz eindeutig auf selten der
Hitlerjugend! Recht und Gesetz wurden bewußt mit Füßen getreten,
und jene Hitlerjungen, die. beim Überfall in Essen- Altendorf bei Alar-
mierung des Überfallkommandos ausriefen: „Polizei hält doch mit der
HJ!", sprachen nur das aus, was traurige Wirklichkeit war.
XI.
Störungen des Gottesdienstes!
Eine größere Zahl unif ormierteir auswärtiger HJ stört die Predig
durch Lachen und halblaute Bemerkungen. Die Stelle des Liedes:
„Christus, Herr der neuen Zeit.. .",
wird von der HJ in der Kirche gesungen:
„Hitler, Herr der neuen Zeit..."
XII.
Gesungene Liedtexte (während der „Frühjahrsoffensive")
„. . . Wir fürchten Sturmschar und den Präses nicht . . ."
„...Die schwarze Front, schlägt sie zu Brei!..."
„. . . Sturmschar, gib acht, daß man dich nicht zum Staatskrüppel
mächt! ..."
„Sturmschar ade, scheiden tut weh, adieu Herr Kaplan!
Nun muß ich fort in die HJ, adieu Herr Kaplan!
Daß ich nun scheiden muß, das macht mir kein Verdruß,
Weil du gelogen hast, adieu Herr Kaplan . . ."
„Wir schlagen die Pfaffen alle tot, trumm, trumm . . . !"
XIII.
Texte aufTransparenten — Maueranschläge —
Farbanstriche
Paßt auf, ihr schwarzen Schatten,
Auch eure Maske fällt,
Ihr seid die ewig Satten,
Doch uns gehört die Welt.
Wir brauchen keine Sturmschar mehr — auch dieHJ geht in die Kirche
HJ marschiert — PX krepiert
Jeder PX^Bonze ist ein Verräter.
An der Saale hellem Strande — steht PXdie Krüppelbande.
Hütet euch, ihr schwarzen Hunde,
Zwiespalt der Jugend — Verrat am Blut.
Christuszeichen am Galgen, dabei diie Worte: „Lebt hoch am Galgen."
„N i e d e r" (etwa 1 Meter große Buchstaben an der Kirche)
Wir können nur meckern (bei einer Karikatur eines Priesters und
einer Ziege!)
180
Die Kirche hat nur zu dienen, nicht zu politisieren!
Der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht.
Die Memmen aufs Schafott — die Kerle in die HJ!
Deutsche Jugend erwache — hinein in die HJ!
Das Christuszeichen erscheint wiederholt am Galgen (Farben-
anstrich).
XIV.
Text für Sprechchöre.
Wir haben die Kirche nicht nötig.
Wer fürchtet sich vor dem schwarzen Mann? (Gegenüber einem
geistlichen Herrn!)
Und nun?
Die Wahrheitüber den Erlolg der „Frühjahrs-
offensive":
" Die sogenannte „Frühjahrsoflensive" der HJ, die nach Presse und
Rundfunk einen Zuwachs von, Tausenden Mitgliedern aus den katho-
lischen Jugendverbänden in die Reihen der HJ gehabt haben soll, hatte
ihre stärkste .Werbeaktion in Essen eingesetzt.
Wir geben darum hiermit das wirkliche Ergebnis der „Frühjahrs-
offensive" in 'Essen nach genauesten und zuverlässigsten Erhebungen
bekannt:
Gesamtergebnis aus 53 Pfarreien Essens:
unter 14 über 14 J.
Aus katholischen Vereinen ausgetreten ■. ■, » 160 22
davon traten zu HJ bzw. JV über . . . ■ . . . . 124r 17
In katholische Vereine neu eingetreten . . . 407 637
davon kamen aus der HJ ...,......,.' . 29 29
Geschlossene Gruppen, Gruppen mit Führern und einzelne Führer sind
in ganz Essen keine übergetreten!
Es ergibt sich nach obigem ein Mit gliedergewinn für die
katholischen Jugendverbände in Essen während der
Oflensive: 862 unter und über 14 Jahre.
Dabei ist zu berücksichtigen, daß in 31 von 53 Vereinen während der
Offensive eine Neviauf nähme von Schulentlassenen nicht erfolgte.
Die Rache für den Mißerfolg
Der offensichtliche Fehlschlag der ganzen Frühjahrsoffsive trieb
Partei, HJ und Gestapo zu neuer Hetze und Gewalttätigkeit.
Eine Pilgerfahrt katholischer Jugendlicher nach Rom, die den
Teilnehmern ebensoviel Herzens- wie Wissensbereicherung und
seelische Stärkung brachte, die Katholiken. Roms erbaute und den
■Hl. Vater erfreute (siehe zweiter Teil unter Nr. 10), wurde von der
nationalsozialistischen Presse in gemeinster Weise mißdeutet und
verspottet. Ein Beispiel hiefür ist nachfolgender Artikel des „Völ-
kischen Beobachters" vom 26. April 1935:
Eine Zentrumsdemo nstrationmif deutscher Jugend
in Rom
Rom, 25. April.
Ungefähr 2000 deutsche Jungen, die katholischen Jugendverbänden
angehören, weilten während der Ostertage in Rom. Es fiel allgemein
auf, daß in dieser Zeit die katholischen Organisationen in Deutschland
181
es unternehmen, derartige Jugendmassenaufgebote nach Rom zu schik-
ken, wo sie nicht nur das Straßenbild mit ihren Gruppen beherrschten,
sondern schon mit ihren 52 Autobussen und ihrer Tracht als organisierte
Scharen ein Bild boten, das anscheinend den Eindruck erwecken sollte,
als ob diese deutsche Jugend dem Papst mehr zu dienen gewillt sei als
dem eigenen Vaterland.
Dies könnte schon daraus hervorgehen, daß der deutsche Leiter die-
ser Jungen beim Empfang' durch den Papst in seiner Ansprache er-
klärte, daß diese 2000 Vertreter von 300 000 Köpfen organisierter katho-
lischer Jugend Treue und Liebe zur Kirche und zum Vaterlande (Vater-
land an zweiter Stelle) versprochen hätten. Als die Jungen nach einer
Messe aus der Kirche traten und bei Passanten das Hakenkreuz sahen,
grüßten zwar einige mit erhobenen Armen, aber die große Mehrzahl
blickte vgrwirrt beiseite.
Selbst katholische Geistliche sprachen sich dahin aus, daß derartige
Besuche besser unterblieben, da sie nur geeignet seien, den religiösen
Zwiespalt im Deutschen Volke zu verschärfen, da hier in Rom selbst-
verständlich nichts unterbleibe, um diese Jugend für dauernd zu beein-
flussen. •
Sehr bezeichnend in diesem Sinne war die Feier am Ostersonntag
anläßlich des Segens nach der Papstmesse, der vom Balkon der Peters-
kirche vom Papst der draußen harrenden Menge erteilt wird. In vor-
derster Reihe wären sehr demonstrativ diese 2000 deutschen Jungen in
12 Reihen aufgestellt. Beim Erscheinen des Papstes bliesen sie auf ihren
Trpnipieten.
Die katholische Presse schreibt, daß die deutschen und österreichi-
schen Jungen zusammen, eine Ehrenwache um den Beicht-
altar in der Peterskir.che gebildet hätten. Sie hätten mit ihren Gebeten,
Gesängen und Rufen der ganzen Versammlung den Ton gegeben, obwohl
auch Jugend anderer Nationen vorhanden gewesen wäre. In den Län-
dern dieser Jugend stoße die christliche Zivilisation mit einem satani-
schen, gottesschänderischen Atheismus zusammen.
Kein Wunder, wenn nach solcher Pressehetzung der Empfang
der jugendlichen Pilger an der deutschen Grenze sehr unfreundlich
war. SS und andere Polizisten des Dritten Eeiches nahmen ihnen
Kleidungsstücke, Musikinstrumente, Wimpel und Papstandenken
weg.
Druck auf die Beamten
Es dürfte wohl nicht bloß eine Einzelaktion gewesen sein,
was der Kreisamtsleiter des „Reichsbundes deutscher Beamten"
(RDB) von Viersen-Kempen einen Monat hernach zugunsten der
HJ tun zu müssen und tun zu dürfen glaubte, indem er allen Mit-
gliedern nachstehendes Schreiben übermitteln ließ:
Kaldenkirchen, den 10. 5. 1935
An den Bfk. Herrn (folgt namentliche Anschrift)
in .
durch den Ortswalter und Amtsleiter des RDB
Die erste und zugleich grundlegende und umfassende Aufgabe des
deutschen Beamten im Dritten Reich ist im Verhältnis des Beamten
zum Führer begründet. Es erhält für jeden Beamten seinen Inhalt und
seine Form durch den gesetzlichen Diensteid der Treue und des Gehor-
sams des Beamten auf den Führer und somit auf Deutschland, das die
Ehrenhaftigkeit und die Gewissensverpflichtung gegen die Volksgemein-
schaft und gegen sich selbst an die erste Stelle gestellt hat. Der Eid ist
182
ein erhabener und feierlicher Akt des Bekenntnisses, das den Schwörenden
unlösbar bindet. Derjenige Beamte würde danach nicht wahrhaft seinem
Eide genügen, der in ihm nur die Erfüllung gewissenhafter
Diensterfüllung erblickt. Der Eid der Treue und des Gehorsams
auf Führer und Volk fordert mehr. Er schließ't ein die unbe-
dingte Hingabe der ganzen Person des Eidesleisten-
den. Aus dieser Gefolgschaft und Mannestreue folgt, daß besonders
der Beamte und seine Familienangehörigen sich mit
ganzer Person für die Verwirklichung der vom Führer gestellten Auf-
gaben einzusetzen haben.
Zu einer dieser Aufgaben gehört die Einigung der
gesamten deutschen Jugend ih der HJ. Das Ziel der staat-
lichen Jugenderziehung ist die systematische Heranbildung des un-
bewußten jungen deutschen Menschen zum bewußten Staatsbürger und
Träger der Staatsidee, d. h, des Nationalsozialismus. Das wich-
tigste Erziehungsmittel zu diesem Ziele ist die Hitlerjugend als die welt-
anschauliche Erziehungsgemeinschaft des jungen Deutschlands über-
haupt. Derjenige deutsche Beamte, dessen Kinder bewußt außer-
halb der Hitlerjugend (DJ, HJ, BDM) stehen, würde sich in
Gegensatz zu dem Totalitätsanspruch des Nationalsozialis-
mus stellen. Eine Stellungnahme, die sich mit der beschworenen Gefolg-
schaftstreue nicht vereinen ließe.
Was die konfessionellen (Verbände betrifft, so erklärte
der HeichsjugendfÜhrer kürzlich auf einem Empfangsabend des außen-
politiischen Amtes der NSDAP, daß der konfessionelle. Jugendverband
in seiner heutigen Gestalt ein außerhalb der Jugend des Staates stehen-
der Zusammenschluß derer sei, die d i e Idee des Staa-
tesverneinen. Er bedeute in dieser Gestalt einen Ausläufer aus
der Zeit, des Klassenstaates. Die sozialistische Idee des Dritten Reiches
verlange im Gegensatz zu dem früheren Staat von jedem einzelnen
bedingungslose Unterordnung seines individuellen
Seins unter das sozialistische Sein seines Volkes.
Jeder Jugendverband außerhalb der HJ verstoße gegen den Geist der
Gemeinschaft, der der Geist des Staates sei. Dennoch ,s=ebe es einen
Bezirk, innerhalb dessen der konfessionelle Bund eine Daseinsberechti-
gung besitze, der von der HJ anerkannt und geachtet werde. Es sei
der Bezirk der allein religiösen und seelsorgerischen
Tätigkeit.
Ich hoffe, daß Ihnen diese Ausführungen eindeutig gezeigt haben,
daß jeder deutsche Beamte mit seinem Eid nicht nur die heilige
Verpflichtung übernommen hat, sich selbst zum Nationalsozialisten zu
erziehen, sondern auch seine Kinder Inder HJ zu National-
sozialisten erziehen zu lassen. Ich bitte, mir bis zum
2 0. Mai mitzuteilen, ob Ihre Kinder jetzt sämtlich Angehörige der
HJ (DJ, HJ, BDM, JM) von 10 bis 21 Jahren sind.
Ich bemerke noch, daß die NSDAP eine Körperschaft des öffent-
lichen Rechtes ist und Sie, zumal Sie sich freiwillig in den der NSDAP
angegliederten RDB eingegliedert haben, zur Auskunfterteilung ver-
pflichtet sind.
Heil Hitler!
gez. Müllner (oder Wüllner)
Kreisamtsleiter.
Stempel der NSDAP, Amt für Beamte, Kreis Viersen-Kempen.
Preußischesund bayerisches Verbot für KJ
Am 23. Juli 1935 brachte eine preußische Polizei-
verordnung ein vollies Betätigungsverbot für die konfessionellen
Jugendverbände mit folgendem Wortlaut:
183
„Auf Grund des § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum
Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. I S. 83) in
Verbindung mit § 14 des Polizeiverwaltungsgesetzes vom 1. Juni 1931
(Gesetzsammlung S. 77) wird für Preußen folgende Verordnung er-
lassen:
§ 1. Allen konfessionellen Jugendverbänden, auch den für den
Einzelfall gebildeten, ist jede Betätigung, die nicht rein kirchlich-religiö-
ser Art ist, insbesondere eine solche politischer, sportlicher und volks-
sportlicher Art untersagt.
§ 2, Für die konfessionellen Jugendverbände und ihre männlichen
und weiblichen Angehörigen, einschließlich der sogenannten Pfarr-
jugend, gelten folgende Bestimmungen,
Es ist verboten:
1. Das Tragen von Uniformen Oundestracht, Kluft usw.), uniformähn-
licher Kleidung und Uniformstücken, die auf die Zugehörigkeit zu
einem konfessionellen Jugendverbande schließen lassen. Hierunter
fällt auch das Tragen von Uniformen oder zur Uniform gehöriger
Teilstücke unter Verdeckung durch Zivilkleidungsstücke (z.B. Män-
tel), sowie jede sonstige einheitliche Kleidung, die als Ersatz für die
bisherige Uniform anzusehen ist;
2. das Tragen von Abzeichen, welche die Zugehörigkeit zu einem kon-
fessionellen Jugendverbande kenntlich machen. (PX, DJK, Abzeichen.)
3. das geschlossene Aufmarschieren, Wandern und Zelten in der Öffent-
lichkeit, ferner die Unterhaltung eigener Musik- und Spielmanns-
züge;
4. das öffentliche Mitführen oder Zeigen von Bannern, Fahnen und
Wimpeln, ausgenommen bei Teilnahme an althergebrachten Prozes-
sionen, Wallfahrten, Primiz- und anderen Kirchenfeiern sowie Be-
gräbnissen;
5. jegliche Ausübung und Anleitung zu Sport und Wehrsport aller Art."
Das Bayerische Staatsministerium des Innern
erließ am 30. Juli 1935 eine eigene Verfügung, die besagte:
§ 1. Das Tragen von einheitlicher Kleidung, von uniformähnlichen Klei-
dungsstücken sowie von Abzeichen, durch welche die Zugehörigkeit
zu einem konfessionellen Jugend- oder Jungmännerverband zum
Ausdruck gebracht wird, ist verboten.
§ 2. Den konfessionellen Jugendorganisationen wird jede sportliche, ins-
besondere gelände- und volkssportliche Betätigung verboten.
§3. Zuwiderhandlungen werden nach § 4 der *Verordnung des Reichs-
präsidenten vom 28. Februar 1939 (RGBl. I, S. 83) bestraft.
§4. Die Verordnung tritt mit dem Tage ihrer Verkündigung in Kraft.
Gleichzeitig tritt die oberpolizeiliche Vorschrift der Kreisregierung
über das Uniform-, Abzeichen- und Sportverbot außer Kraft.
Beachte: Diese bayerische Verordnung enthält nicht die in
§ 2 Abs. 4 der Preußischen Polizeiverordnung vorgesehenen Aus-
nahmen des öffentlichen Mitführens von Bannern, Fahnen und
Wimpeln bei Teilnahme an althergebrachten Prozessionen,
Wallfahrten, Primiz- und anderen Kirchenfeiern sowie Begräbnissen.
Es regnet neue Verbote.
Am 29. Juli 1935 würde den K i n d ern der Beamten die
Zugehörigkeit zu konfessionellen Vereinen überhaupt verboten.
184
Dem Verbot des Organs des katholischen Jungmännerverbandes:
„Die junge Front", das schon im März 1935 erlassen worden
war, folgte im Januar 1936 auch die „Liquidierung" der Ersatz-
zeitung „M i c h a e 1". ")iese hatte eine Auflage von mehr als
300 000 Exemplaren gehabt, ein Zeichen, daß viele Hunderttausende
von jungen Deutschen noch immer treu zur Stange hielten.
Dann wurde auch noch sonstiges Schrifttum des Jungmänner-
verbandes, ^Kalender, „Das Grundgesetz der katholischen Jugend",
selbst das „Liederbüchlein" verboten und beschlagnahmt.
Am 15. August 1935 wurde den Religionslehrern an
höheren Schulen di^ seelsorgliche Betätigung in konfessionellen
Jugendverbänden untersagt, erneut am 25. Juni 1936. Am 8. März 1937
entschied dann das Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung
und Volksbildung:
„Zu den konfessionellen Jugendverbänd^n im Sinne der Erlasse
vom. 15. August 1935 und 25. Juni 1936 gehören nicht die konfessionellen
Verbände, die sich auf rein religiöse Betätigung beschränken."
Die letzten Stationen des Passionsweges der KJ
Am 6. Februar 1936 wurde dann der Leiter des katholischen
Jugendverbandes, Msgr. Ludwig Wolker, samt seinem Gene-
ralsekretär Clemens und andere Mitarbeiter verhaftet,
monatelang im Gefängnis festgehalten, ohne daß trotz aller pein-
lichen Verhöre eine wirkliche Unterlage für einen Prozeß gefunden
werden konnte.
Am 1. Dezember 1936 geschah dann die Verstaatlichung
der gesamten deutschen Jugend. Die braune Zwangs-
jacke sollte, der gesamten deutschen Jugend angelegt werden.
Der 25. Januar 1938 brachte dann auf Grund eines Befehls der
Gestapo vom 20. Januar 1938 den großen Schlag:
Die Auflösung der katholischen Jugendvereine
Am 26. Januar 1938 veröffentlichte der „Völkische Beobachter"
in München:
Katholische Jugendorganisationen in Bayern
verboten. Staatsfeindliche Betätigung erwiesen.
Auf Grund § 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum
Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 wurden in sämt-
lichen bayerischen Diözesen, einschließlich der Diözese Speyer, die
katholischen Jungmännervereine, Juhgfrauenkongregationen und
der Neudeutsche Bund aufgelöst und verboten. Die entsprechende
Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung hatte folgenden
Wortlaut:
Auflösung katholischer Jugendvereinigungen.
Bek. d. Staatsmin. d. I. — Referat 19 Nr. 52301/37 II B — vom 31. Ja-
nuar 1938 über die Auflösung katholischer Vereine.
185
Auf Grund § 1 der VO des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk
und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. S. 83) werden mit sofortiger
Wirksamkeit folgende katholische Vereine aufgelöst und verboten:
1. Die Marianischen Jungfrauenkongregationen der
bayerischen Diözesen einschließlich der Pfalz mit ihren Unter- und
Nebengliederungen sowie die ihr angeschlossenen Jungfrauenvereine.
2. Die katholischen Jungmännervereine der bayerischen
Diözesen einschließlich der Diözese Speyer mit ihren Unter- und
Nebengliederungen, insbesondere der St.-Georgs-Pfadflnder und
Sturmscharen.
3. Der Bund Neudeutschland — Jüngerenbund (Vereini-
gung von Schülern höherer Lehranstalten) für das Land Bayern,
einschließlich der Pfalz.
Den angeführten Vereinen wird jede Tätigkeit, insbesondere die Er-
richtung von Nachfolge- und Deckorganisationen verboten, Verboten
wird ferner der korporative Eintritt der Mitglieder in eine andere katho-
lische Organisation. Zuwiderhandlungen werden nach § 4 der VO vom
28. Februar 1933 bestraft.
I. V. Frhr. v. Eberstein.
Wie die Bischöfe Bayerns in einem Hirtenwort vom 6. Februar
1938 feststellten, lag das besonders Verletzende dieser Verordnung
darin, daß sie sich auf das Gesetz vom 28. Februar 1933 stützte, das
doch den Untertitel führt: „...zur Abwehr kommunisti-
scher, staatsgefährdender Gewaltakt e"; Darum
schrieben sie: „W ir erheben Einspruch dagegen, daß
man unter Berufung auf diese Verordnung kirch-
liche Vereine auflöst und verbietet, die nicht
kommunistisch, sondern christlich sind, dienicht
staaatsgefährdend, sondern staatsbejahend sind,
die nicht Gewaltakte planen, sondern bestehende
Obrigkeiten anerkennen."
Neben den im Erlaß namentlich genannten /männlichen und
weiblichen Jugendvereinen wurden vielerorts aber auch
andere Vereine aufgelöst, z. B. in der Erzdiözese München
fünf katholische Arbeitervereine, heun katholische Burschenvereine,
fünf katholische Gesellenvereine, vereinzelte Dienstmädchenvereine,
selbst rein religiöse Vereine, wie Müttervereine, Bruderschaften usw.
Das Vermögen all dieser Vereine (Häuser, Heime, Sportplätze,
Sportgeräte, Zelte, Büchereien, Musikinstrumente, Fahnen, Bühnen,
selbst Schott: Meßbuch der katholischen Kirche, „Kirchengebet",
Sparkonten, Bargeld usw.) wurde restlos weggenommen. Auch
Gelder von sogenannten „Pfarrjugendwerke n", die doch
gar keine Vereine waren, sondern nur Mittel für die allgemeine
Jugendpflege der Pfarrei sammelten, wurden mancher-
orts beschlagnahmt (z. B. in St. Ludwig München mehrere Tausend
Mark).
Am 24. August 1938 wurde in ganz Deutschland auch die
Deutsche Jugendkraft (D.J.K.), die innerhalb der katho-
lischen Jugendvereine den Sport gepflegt hatte, polizeilich aufgelöst
und ihr Vermögen beschlagnahmt.
186
Doch die katholisch eJugend blieb trotzflieser
langsamen Hinrichtung am Leben. Die Seelsorgsarbeit
an ihr wurde erst recht verstärkt, mochte sie sich auch ganz ins
Kircheninnere zurückziehen müssen.
Eigene bischöfliche Jugendseelsorgsämter
suchten in allen Diözesen die Arbeit an allen katholischen Pfarr-
jugendlichen zu steigern. Am 31. Januar 1938 verfügte beispiels-
weise das Erzbischöfliche Ordinariat München:
„Bis zur Klärung der Angelegenheit und einer evtl. weiteren Nach-
richt unserseits ruht selbstverständlich jede Arbeit in den aufgelösten
Vereinigungen ... Dagegen geht die kirchliche Jugend-
seelsorgsarbeit nach den bischöflichen Richtlinien weiter, wen-
det sich aber immer an die gesamte katholische Jugend des
Seelsorgsbezirks; z. B. ergeht die Einladung zu einer kirchlichen Jugend-
andacht jeweils an alle katholischen Jugendlichen; die Andacht selbst
führt eine entsprechende allgemeine Öezeichnung (z. B. ,Katho-
lische Jugendandacht', ,Marianische Weihestunde katholischer Jung-
mädchen'.) Auch der Inhalt der Andacht verzichtet auf alles Kongre-
gations- oder Vereinsmäßige. Die Arbeit in den nichtaufgelösten katho-
lischen Vereinen geht natürlich weiter^ hält sich aber, wie bisher, pein-
lich an die bestehenden staatlichen oder polizeilichen Verordnungen."
In Tirol ging man auch noch gegen diese lose und bloße
Jugendseelsorge vor. Die Staatspolizei Innsbruck verordnete zu
Ende des Jahre 1940:
„Jede Tätigkeit von Pfarrjugend und Jügendkongregatiohen ist ver-
boten. Unter die Pfarrjugendtätigkeit fällt jede religiöse Be-
treuung von Jugendlichen unter 18 Jahren beiderlei Ge-
schlechts mit Ausnahme: 1. des zugelassenen Religionsunterrichtes in
den Schulen, 2. des Pirmunterrichtes, für die Firmlinge, 3. der Teil-
nahme an den normalen Gottesdiensten der Erwachsenen. Es fallen
unter das Verbot insbesondere: alle Glaubefns-, Gebets-, Sing-
und Andachtsstunden, Einkehr Übungen, Exerzitien
Usw.
Die Tätigkeit der Ministranten fällt nicht unter das ' Verbot. In-^
dessen sind die in den letzten beiden Jahren zum Teil außerordentlich
stark angewachsenen Ministrantengruppen auf. den Stand vom Fe-
bruar 1938 zurückzuführen.
Das Pfarrjugend- und Jugendkongregationsver-
bot darf vom Klerus in keiner Weise öffentlich ver-
kündet oder behandelt werden, insbesondere nicht von der
Kanzel. Es ist vielmehr den in Frage kommenden Jugendlichen münd-
lich in sachlicher Form zu eröffnen.
Der Stichtag für das Verbot ist der 5. Dezember und für die Mini-
stranten der 1. Jänner 1941. Eine Umgehung durch die Geistlichkeit
oder die Laienhelfer wird bestraft."
Die zuständigen Bischöfe dieses Gebietes, d. i. der Fürsterzbischof
von Salzburg und der Apostolische Administrator von Innsbruck, er-
hoben natürlich feierlichsten Einspruch gegen diese Verordnung. Die
Staatspolizei erklärte jedoch auf das bestimmteste, daß ab S.Dezember
d. J. die Übertretung dieses Verbotes mit Zwangsmitteln geahndet werde.
Das Verbot erstreckte sich auch auf die gesamte Kinderseel-
sorge und stellte somit ein Seelsorgeverbot an der gesamten
jungen Generation dar.
187
So sabotierte man im Dritten Reich nicht mehr bloß Artikel 31
des Konkordates (katholische Organisationen und Verbände be-
treifend), sondern auch den grundlegenden Artikel 1 desselben, der
die Freiheit der Kirche gewährleistete!
B. Der Kampf gegen alle katholischen Vereine
Moloch Nationalsozialismus war von Anfang an mit den
jugendlichen Opfern allein nicht zufrieden. Er streckte
seine gierigen Arme auch nach allen übrigen katholischen Organi-
sationen aus. Es durfte ja im Dritten Reich überall nur noch Einer-
lei geben. Alle myßten in Einheitszwangsstiefeln marschieren.
„Die Reihen fest geschlossen"!
Dies verlangte zunächst einmal die
Gleichschaltung aller Vereine.
Parteimerkblatt Nr. 2 bestimmte unter anderem:
„Gemäß den von der Reichsregierung und der obersten Partei-
leitung der NSDAP herausgegebenen Richtlinien ist die Gleichschaltung
der Vereine derart durchzuführen, daß die Mehrzahl der Vor-
standsmitglie^er der NSDAP angehören oder mindestens
schon seit längerer Zeit der nationalsozialistischen Bewegung nahe-
stehen. Im einzelnen ist hiebei folgendes zu beachten:
Der ersteVorsitzende soll nach Möglichkeit jenen Mitgliedern
entnommen werden, welche schon seit längerer Zeit der NSDAP an-
gehören.
Soweit nicht besondere Verhältnisse vorliegen, ist dem Führer-
prinzip Rechnung zu tragen.
Die neue Vorstandschaft hat in kürzester Zeit Vorschläge für die
Umgestaltung der Vereinsstatuten im nationalsozialistischen Sinn
auszuarbeiten und beschließen zu lassen.
Nach Durchprüfung der Gleichschaltung der einzelnen Vereine
sind an Hand der bestehenden Bestimmungen sowie der oben angeführ-
ten Richtlinien die Vorstände der übergeordneten Ver-
bandsleitungen umzugestalten.
Vereinsmitglieder, die sich der Ausrichtung der Vereine
und Verbände auf das neue Deutschland widersetzen, sind auf Grund
ihres Verhaltens vom Verein auszuschließen.
Anhang zu den Statuten: Die Mitarbeit des Vereins an den Zielen
der nationalen Regierung, zu der sich der Verein durch geistige Aus-
richtung auf das Dritte Reich bereit erklärt, bekundet er durch den
korporativen Anschluß an den Kampfbund für Deutsche Kultur. — Er
verpflichtet sich, für die Bestrebungen des letzteren einen monatlichen ^
Beitrag von mindestens 5 Pfg. pro Mitglied abzuführen.
Meldungsbogenfür die Gleichschaltung,
Name des Vereins
Verkehrslokal .
Anschrift
Der Verein wurde am ...... gemäß den veröffentlichten Richtlinien
gleichgeschaltet. Die Satzungen wurden geändert und am ... .
Vereinsregister gemeldet (nur für e.V.).
188
Das Führerprinzip wurde ...... .durchgeführt. Im Verein befinden
sich noch , Mitglieder jüdischer Abstammung, die Ausscheidung
der Nichtarier erfolgte auf Grundlage des Beamtengesetzes.
Gemäß den derzeitigen Satzungen ist die Aufnahme von Nichtariern
grundsätzlich ^^^ ^^^^ möglich.
Der Verein hat sich am dem Kampf bund für Deutsche Kultur
als Förderer angeschlossen mit einem monatlichen Beitrag von RM
Name der neuen Vorstandschaft auf der Rückseite!
Ort ....... den
Unterschrift.
Dazu noch eigens eine:
Bestätigung
Die Unterfertigten bestätigen, daß Herr nationalsoziali-
stischer Gesinnung ist und Gewähr dafür bietet, daß er den von ihm
vertretenen Verein . im Sinne der nationalen Regierung
leiten wird.
Ort ., den ^
Unterschrift Unterschrift
Mitgl. der NSDAP Nr. Mitgl. der NSDAP Nr "
Es ist klar, daß die katholischen Vereine eine solche
Gleichschaltung nicht mitmachen konnten. Dies scheiterte ja fast
durchwegs schon an der einen Tatsache, daß Vorstand oder
Präses der katholischen Vereine zumeist ein katholischer
Geistlicher war; und von ihnen ließ sich unter tausend kaum
einer „gleichschalten".
Auch die Satzungen waren nicht leicht zu ändern; denn
dies hätte in der Regel nur mit Zustimmung der Oberhirtlichen
Stelle geschehen können. Und die war für nationalsozialistische
Abänderungsvorschläge absolut nicht zu haben.
Dann war man eine kurze Zeitlang gehemmt durch Artikel 31
des am 20. Juli 1933 abgeschlossenen „Konkordates zwischen dem
Hl. Stuhl und dem Deutschen Reich", das bestimmte:
„Diejenigen katholischen Organisationen und Verbände, die aus-
schließlich religiösen, rein kulturellen und karitativen Zwecken dienen
und als solche der kirchlichen Behörde unterstellt sind, werden in ihren
Einrichtungen und in ihrer Tätigkeit geschützt.
Diejenigen katholischen Organisationen, die außer religiösen, kultu-
rellen oder karitativen Zwecken auch anderen, darunter auch sozialen
oder berufsständischen Aufgaben dienen, sollen unbeschadet einer etwai-
gen Einordnung in staatliche Verbände den Schutz des Art. 31 Abs. 1
genießen, sofern sie Gewähr dafür bieten, ihre Tätigkeit außerhalb jeder
politischen Partei zu entfalten."
Doch was waren Verträge für Nationalsozia-
listen! Sie galten nur, solange und wie man sie brauchte,
Artikel 31 war ihnen unbequem. Also sorgte man dafür, daß er
praktisch nicht zur Geltung kam. Ein Jahr lang ließ man Papst
und deutsche Bischöfe darüber verhandeln, welche katholischen
Vereine den Schutz von Absatz 1 oder 2 genießen sollten, verzettelte
189
die Vereinbarungen in einer Reihe von Einzelabsprachen mit ver-
schiedenen Kontrahenten.
Noch während dieser Verhandlungen schuf man rücksichtslos
„vollendete Tatsachen", z. B. die
Auflösung der katholischen Studenten-
verbindungen
Die Totalität des Nationalsozialismus duldete eben nicht, daß
neben dem nationalsozialistischen „Deutschen Studentenbund"
(NSDSTB) noch besondere Studentenkorporationen irgendwelcher'
Art bestanden, am allerwenigsten solche konfessioneller Besonder-
heit. Sie mußten darum „spontan" dem Einheitsideal zum Opfer
fallen. Der Hl. Stuhl äußerte sich auch zu dieser Vergewaltigung
sehr offen in der Note vom 14. Mai 1934:
„Das Wechselspiel der in dem dortigen Promemoria angewandten
Argumentation hat gegen Ende der Ziffer IV Platz für eine Beweisfüh-
rung ganz eigener Art, im Zusammenhang mit der kurz gestreiften
Frage der Organisationen für die katholische akademische Jugend, Als
Beweis für die .ungestüme For m', in der ,der Wille zur volk-
lichen Zusammenfassung' in diesen Kreisen sich durchgesetzt
habe, weist die Denkschrift der Reichsregierung auf das ,spontane
Aufgeben des Konfessionsprinzips gerade seitens
der katholischen Studentenverbände' hin, Selbstverständ-
lich ist der Gedanke volklicher Zusammenfassung in den Kreisen der
katholischen Studentenschaft gerade so positiver Bejahung sicher wie
in anderen Kreisen. Was dieser Gedanke jedoch mit dem Konfessions-
prinzip der bisherigen katholischen Studentenvereinigungen zu tun
haben soll, ist unklar. Wer in der Bejahung des Konfession s-
prinzipsdie Verneinungdes Volksprinzips sieht, mit
dem ist jede Auseinandersetzung aussichtslos. Nichts
ist ungerechter /und beleidigender als die Behauptung ihrer Unverein-
barkeit. Davon aber abgesehen, ist die Genesis der einschlägigen Be-
schlüsse nachgerade so bekannt, daß der Hl. Stuhl hätte erwarten kön-
nen, wenigstens von der Behauptung der ,Spontaneität* dieser
Beschlüsse amtlich verschont zu bleiben. Hätte die Reichsregierung
im vorliegenden Fall nicht den Weg der Ersetzung des Mehrheitswillens
durch das sogenannte ,Führerprinzipi' beschritten und das, was eine Ge-
wissensfrage der vielen war und ist, zu einer Frage der charakterlichen
Widerstandsfähigkeit eines von ihr ausgesuchten, rein äußerlichen Re-
präsentanten gemacht, so wäre das umgekehrte Ergebnis nicht einen
Augenblick zweifelhaft gewesen. Wie gering in diesem Falle die innere
Übereinstimmung war,' hat einer dieser von oben verordneten Führer
mit seinem durch die enttäuschte Gefolgschaft herbeigeführten Rück-
tritt noch jüngst bewiesen. Der Hl. Stuhl weiß, in welchem
Maße heute in Deutschland die Freiheit der Ent-
schließungen eingeschränkt ist durch den Druck, der
vom Wirtschaftlichen und von der Sorge um die nackte Existenz her
auf Beamten, Angestellten, Arbeitern, Gelehrten, ja
selbstin früher freie nBerufen, auf fast allen Staats-
bürgern lastet. Ungezählte derjenigen, mit deren ,frei williger' Zu-
stimmung zur Entkonfessionalisierung die Reichsregierung in einem
diplomatischen Promemoria argumentiert, können ohne Gefährdung
ihrer Existenz nicht öffentlich gegen diese Ausdeutung der Vorgänge
protestieren; sonst wäre der Massenprotest sicher. Der Heilige Stuhl
möchte daher wenigstens vor der Geschichte die Feststellungen nicht
unterlassen, die zur Steuer der Wahrheit notwendig sind."
190
Echt nationalsozialistische Vertragsdeutung
Ende Juni 1934 erklärte der Unterhändler der Deutschen
Reichsregierung, Ministerialdirektor Butt mann, „Artikel 31
des Konk or d at es sei überhaupt noch nicht in
Kraft gesetz t." Im August des Vorjahres aber hatte derselbe
Buttmann die beschleunigte Ratifikation des Konkordates beim
Episkopat und Hl. Stuhl gerade mit dem Argument betrieben, daß
das Reich durch sie erst die Aktivlegitimation erhalte, gegen die
Einzelstaaten, welche der Durchführung des Artikels 31 wider-
strebten, vorzugehen.
Jetzt war das Konkordat längst ratifiziert (10. September 1933),
aber sein Artike] 31 war nach Auffassung der Reichsregierung
„noch nicht geltendes Recht".
Außerdem sollte auf einmal auch die Partei zu etwaigen
Abmachungen zwischen Kirche und Staat über Artikel 31 wie auch
zum Konkordat im ganzen gehört werden, war also die selb-
ständige Ve rhandlungs- und Abschlußfähigkeit
der Staatsbehörde ausgeschaltet. Für den Heiligen
Stuhl aber konnten als Konkordatspartner und folgerichtigerweise
auch als Abschlußpartner für ergänzende und ausführende Ab-
kommen lediglich der Staat und seine bevollmächtigten Unter-
händler existieren. Erklärungen eines Parteivertreters, er wolle
sich dafür einsetzen, daß die Parteiorganisationen die Abmachungen
halten. würden, konnten dem Hl. Stuhl um so weniger genügen, als
von dem gleichen Parteimann sofort einschränkend erklärt wurde:
„V oraussetzung sei, daß überhaupt ein fried-
liches Verhältnis zwischen katholischer Kirche
und Partei besteh e." Das war ja nun eine Bindung" auf Ruf
und Widerruf: Man brauchte ja bloß die Kirche als parteifeindlich
zu erklären — und man war aller Verpflichtungen, ledig. Und die
Kirche war doch „parteifeindlich", wenn sie sich nicht alle Ver-
stöße der Partei oder von Parteimitgliedern gegen religiöse und
kirchliche Grundsätze ruhig gefallen ließ.
Im übrigen verhinderte man alle Klarstellung und Festlegung
durch eine unerhörte und "unanständige Verschleppungs-
taktik.
In einer Note vom 29. Januar 1935 mußte der Hl. Stuhl Klage
führen, daß zehn bzw. neun Noten und Anregungen des Heiligen
Stuhles, angefangen vom 28. Oktober 1933 bis zum 18. Juli 1934,
noch der Erledigung bzw. Beantwortung harrten.
So waren bald weder Einrichtungen noch Tätigkeit der „katho-
lichen Vereine oder Organisationen und Verbände mit ausschließ-
lich religiösen, rein kulturellen und caritativen Zwecken" noch
„Organisationen, die darüber hinaus auch noch sozialen oder berufs-
ftändischen Aufgaben dienten", geschützt.
191
„Neue Fesseln'!"
Eine Hand- und Fußfessel nach der anderen wurde ihnen an-
gelegt:
Man forderte die Namen der Vorsteher, Angaben über
Zahl der Mitglieder, Satzungen ein.
Sodann beschränkte man Tätigkeitsfeld und Tätig-
keit s m a ß der katholischen Vereine: Zuerst verlangte man, daß
jede Versammlung frühzeitig gemeldet werden mußte. Später
war überhaupt erst um die förmliche Genehmigung der Ver-
sammlungen einzukommen. Wieder etwas später wurde eine solche
Genehmigung nur monatlich einmal, nach kurzer Zeit nur
noch alle zwei Monate> gegeben.
Dann ging die Einengung der Versammlungen auch auf den
Baum über: Es wurden nur noch Versammlungen in kirchen-
eigenem Raum gestattet. Wo ein solcher nicht zur Verfügung
stand, war eben eine Versammlung nicht möglich. Und wenn etwa
vorhandene kircheneigene Räume recht klein waren, um so besser.
So konnte das „katholische Unkraut" sich nicht mehr so breit
machen.
Natürlich wurden katholische Vereinsversammlungen durch-
wegs polizeilich bewacht oder wenigstens insgeheim be-
spitzelt.
Was Versammlung war, bestimmte die Gestapo . allein. Sie
ei klärte des öfteren auch rein seelsorgliches . Beisammensein meh-
rerer als Versammlung.
So z. B. eine Unterweisung, welche H. Kurat Beer von Pfarrei
„Königin des Friedens" in München am' 3. und 4. Oktober 1939 in sei-
nem Pfarrheim einigen Pfarrangehörigen bezüglich Verteilung von
Meldemappen zur kartothekmäßigen Erfassung der Pfarrangehörigen
gegeben hatte. Domkapitular N e u h ä u s 1 e r wurde im Dezember 1933
zur Polizei abgeführt und dort eine Nacht festgehalten, weil er als erz-
bischöflicher Presse-Referent Geistliche der Stadt ins Erzbischöfliche
Ordinariat berufen hatte, um sie über die Umwandlung der „Münchener
Katholischen Kirchenzeitung" in ein Diözesänblatt zu unterrichten und
entsprechende Weisungen zur Mitarbeit zu geben. Selbst Vorträge in
Kirchen, wie sie z. B. in der Alten Haidhauser Kirche von P. W a 1 d -
mann S. J. für abgefallene und abgestandene Katholiken gehalten wur-
den (28. — 30. November 1939), wurden beanstandet.
Sogar bloße Pr ob en v on Ki r ch en ch ö r en wurden da
und dort als Vereinsversammlung betrachtet und als genehmigungs-
pflichtig erklärt und auf kircheneigenen Räum verwiesen.
Bibelabende rein religiöser Art, die außerhalb der Kirche
stattfanden, wie es im Winter notwendig war, mußten schon vier
Wochen vorher polizeilich gemeldet werden bzw. später je-
weils zum 25. des laufenden Monats für den ganzen folgenden
Monat,
Nach diesen Einschnürungen katholischen Versammlungslebens
kam dann das Verbot besonderer Lehrkürse innerhalb katho-
192
lischer Organisationen, wie sie z. B. die katholischen, Gesellen-
vereine („Kolpingswerk") seit Jahrzehnten zum Segen des deut-
schen Handwerks betrieb für Stenographie, Kalkulation, Vortrags-
kunst, für Schlosser, Schneider, Schreiner, Friseure, Buchbinder
usw.
Selbst karitative Arbeit von katholischen Vereinsmit-
gliedern wurde beanstandet: z, B. brachte die Anfertigung von Meß-
taschen für Feldseelsorger dem Katholischen Frauenbund wieder-
holt Vorladungen vor die Gestapo. Beim Zweigverein Burghausen
wurde sogar Material hiefür (Kreuze, Meßbücher usw.) beschlag-
nahmt.
Dann probierte man es mit der
Anforderung von Mitgliederlisten.
So wollte man diejenigen, welche man noch nicht als An-
gehörige katholischer Vereine kannte, herausbringen; jene aber,
welche man schon als solche kannte, in Schrecken setzen, auf daß
sie doch schleunigst ihren Austritt erklären sollten. Doch die ober-
hirtlichen Stellen gaben den katholischen Vereinen strenge Weisung,
diesem Verlangen nicht nachzugeben und protestierten bei Regie-
rung und Parteiorganisationen entschieden gegen diese Ausnahme-
behandlung der katholischen Vereine.
. . Kardinal Bertram-Breslau begründete diese Ablehnung noch aus-
drücklich mit einem Schreiben vom 27. Mai 1935
„Zu der Frage:
Ob Mitgliederbestand der katholischen Jugendvereine mit Namen
und Anschrift aller Mitglieder der Polizei zu melden Pflicht ist.
Ähnlich wie früher bezüglich der Teilnehmer an Exerzitien ist jetzt
diese Anmeldung am 20. d. M. an verschiedenen Orten auf Anordnung
der Staatspolizei in Berlin gestellt, in einem Falle mit Ankündigung der
sonst folgenden Verhaftung des Kaplans als Präses. Hiesige Vertreter
der Staatspolizei erbaten zustimmende Äußerung des Generalvikariats.
Diese zu geben ist abgelehnt, weil
1. Die Absicht, dieses Adressen-Material zu besitzen, in Zusammen-
hang stehen wird mit dem an zahlreichen Orten mit größtem Nachdruck
eingetretenen Bestreben, Eltern von Jugendlichen, insbesondere Lehrer,
Beamte, abhängige Arbeiter zu nötigen, ihre Kinder aus dem katholi-
schen Verein herauszunehmen;
2. weil solche und ähnliche Bestrebungen von behördlichen Organen
unvereinbar sind sowohl mit Artikel 31 des Reichskonkordates, wie mit
der wiederholt gegebenen Zusicherung, daß Freiheit der Mitgliedschaft
zu katholischen Vereinen wie zur Hitlerjugend herrschen soll;
3. weil die gesetzliche Unterlage für diese Polizeibefugnis fehlt."
Verbot der „Doppelmitgliedschaft"
Das Adressenmaterial, das man mit Einforderung der Mit-
gliederlisten erlangen wollte, sollte besonders der NS-Arbeits-
front dienen. Dann hätten diese es ja leicht gehabt, ihr Verbot
der Doppelmitgliedschaft strengstens und bis zum letzten
durchzuführen, das heißt, jeden, der sich da noch als Mitglied eines
Kreuz und Hakenkreuz 13 293
katholischen Vereines entpuppte, aus der Arbeitsfront auszuschlie-
ßen, ihn so nicht bloß all der Vergünstigungen der Arbeitsfront und
des Wertes all seiner bisherigen Leistungen zu berauben, sondern
auch noch stellungslos und brotlos zu machen; denn Betriebsleiter
und Arbeiter drangen ja vielfach darauf, daß ihr Betrieb zu hundert
Prozent in der Arbeitsfront war, auch in dieser Hinsicht ein
„Musterbetrieb" war. Entgegen allen Protesten der
Bischöfe unter Hinweis auf Artikel 31 des Reichskonkordates
wurde darum das Verbot der Doppelmitgliedschaft aufrechterhalten,
immer wieder bekanntgegeben und verschärft. Es sollte die Mit-
glieder katholischer Vereine stärkstens schrecken und unbedingt
zum Austritt zwingen.
Terror überall und von allen Seiten!
Neben diesem allgemeinen Druck auf katholische Vereine
wurde aber auch auf die einzelnen Mitglieder drohend
und zwingend eingewirkt.
Reichsminister Frick gab auf dem Parteitag Westfalen den
Auftakt hiezu (13. Juli 1935).
„Es ist fürs ganze Reich die Zeit nicht mehr für katholische Vereine,
weil diese Organisationen immer wieder auf- Gebiete übergreifen, die
sich der NS vorbehalten muß.
Mit Rücksicht darauf muß ich verlangen, daß die Beamten, An-
gestellten, Arbeiter ihre Mitgliedschaft in konfessionellen Vereinen auf-
geben und daß sie ihre Kinder veranlassen, aus solchen Vereinen aus-
zutreten.
Ich beabsichtige keinen Gewissenszwang . . . wer glaubt, nicht ent-
sprechen zu können, muß auf weitere Mitarbeit am Aufbau des Staates
verzichten."
Der Landeshauptmann Dr. Geßner von der Provinz Han-
nover verlangte dementsprechend schon ein paar Wochen später
(Volk. Beob. 7. August 1935) mit einer gewissen zeitlichen Verschärfung
(sofort) von Beamten, Angestellten und Arbeitern,
daß sie sofort ihre Mitgliedschaft in konfessionellen Organisatio-
nen aufgeben und ihre Kinder veranlassen, aus den konfessio-
nellen Jugendverbänden auszutreten. Diese Anordnung sei kein Ge-
wissenszwang; aber wer glaube, nicht entsprechen zu können, müsse auf
die weitere Mitarbeit am Aufbau des Staates verzichten.
Einen Monat später (11, September 1935) gaben die Bayerischen
Staatsministerien bekannt:
„Bis 1, Oktober hat jeder Beamte mit Bezug auf seinen Diensteid
eine Erklärung abzugebenj welchen Beamtenvereinigungen, gleichgültig
ob diese auf berufsethischer, beamtenpolitischer, beamtenwirtschaft-
licher oder konfessioneller . . Grundlage beruhen, er in der Nachkriegs-
zeit angehört hat oder noch angehört.
Die Erklärung wird zu den Personalakten genommen. Folgerungen
. . . werden vorläufig nicht gezogen."
Der Bürgermeister von München sah keinen Anlaß, da-
gegen einzuschreiten, daß seine Angestellten aus der „Deutschen Ar-
beitsfront" ausgeschlossen wurden, bloß weil sie einer rein religiö-
sen Vereinigung, der Marianischen Männerkongregation,
angehörten. Er antwortete auf eine diesbezügliche Beschwerde unterm
18. September 1935 an das Erzbischöfliche Ordinariat:
19^
„über den Ausschluß städtischer Angestellter aus der DAF wegen
Mitgliedschaft bei der Männerkongregation gestatte ich mir mitzuteilen,
daß der Spruchausschuß der DAF diese Ausschlüsse genehmigt hat.
Der Stadtverwaltung stehen Entscheidungen nach der Richtung nicht
zu,"
Unerbittlich wollte die NSDAP (Nationalsozialistische Deutsche Ar-
beiter-Partei) der Stadt Dinkelsbühl (Bayern) den Willen von
Dr. Ley durchführen. Sie veröffentlichte am 19. August 1935:
„Auf Grund einer Verfügung des Reichsorganisationsleiters Dr. Ley
bezüglich der Mitgliedschaft von DAF und Mitgliedern der konfessionel-
len Arbeitervereine werden Sie hiemit aufgefordert, Ihren Austritt aus
dem katholischen Gesellenverein zu erklären.
Sollten Sie nicht gewillt sein, der Anordnung des R. Dr. Ley Folge
zu leisten, so haben Sie die Konsequenzen daraus zu ziehen. Es gibt
nur eines: in den NS- Gliederungen organisiert sein oder in einem kon-
fessionellen Verband ein Gegner des Staates zu sein."
Rothenburg ob der Tauber sperrte den Mitgliedern katho-
lischer Jugendvereine die Berufsausbildung:
„Im Kreis Rothenburg wurde zwischen Stellen der Partei und Wirt-
schaft vereinbart, daß in Zukunft nur noch Lehrlinge aus der HJ
eingestellt werden." (3. November 1935.)
Die Stadt Laufen (Oberbayern) dehnte das Verbot der Mit-
gliedschaft bei katholischen Vereinen auch auf die Angehörigen
der bei der Stadt Beschäftigten aus und drohte mit wirtschaftlichen
Maßnahmen:
„Die Beschäftigten der Stadt (Arbeiter, Angestellte, Beamte) und
deren Familienangehörige dürfen nicht Mitglieder eines konfessionellen
Verbandes sein.
Die Stadt Laufen vergibt ihre Arbeiten und Lieferungen in Zukunft
nicht mehr an Geschäftsleute und Handwerker, die nicht Mitglieder
einer NS-Organisation, die (oder deren Angehörige und Arbeiter) Mit-
glieder eines konfessionellen Vereins oder Verbandes sind."
Der Regierungspräsident von Regensburg wollte alle
Beamtenkinder aus den konfessionellen Jugendverbänden herausziehen
und in die HJ drängen:
5. Dezember 1935 erklärte er den Amtsvorständen gegenüber: „Die
Präsidialentschließung, wonach Beamtenkinder keinen konfessionellen
Jugendverbänden angehören dürften, gilt sinngemäß auch für Beam-
tenfrauen. Es wird erwartet, daß mit dieser Anordnung die ent-
sprechenden Konsequenzen gezogen werden. Desgleichen wird erwartet,
daß die Beamtenkinder einer Jugendorganisation der NSDAF an-
gehören."
Die Justiz bekam es auch zu spüren, daß in Deutschland Freiheit
und Recht begraben waren;
Oberamtsrichter Bettinger in Griesbach (Niederbayern) wurde vom
Kreisleiter vorgeladen und in Kenntnis gesetzt, daß seine Frau aus dem
Frauenbund austreten müsse. Sie war Vorsitzende des Zweigvereins
Griesbach. Der Kreisleiter habe von einem „ungeschriebenen Gesetz"
gesprochen. (Ähnlich in Miesbach am 7. JuU 1936.)
Die Kreisleitung Laufen Obb. verlangte, daß' sämtliche Ge-
meinderäte ihre Angehörigen aus allen katholischen Vereinen, auch
rein religiösen, wie es der „Christliche Mütterverein" ist, heraus-
nehmen.
In der Gemeinde Ten gl in g wurden zwei Männer aus dem
Gemeinderat ausgeschlossen, weil sie sich weigerten, ihre Frauen aus
dem Christlichen Mütterverein herauszunehmen.
195
Sag er Michael, Arbeiter im ReiChabahnausbesse-
rungswerk Freimann, würde zuerst versetzt, dann am 31. Juli
1936 fristlos entlassen „wegen politischer Unzuverlässigkeit", die darin
bestand, daß er zu spät aus dem Katholischen Arbeiterverein aus-
getreten sei. Er war seit 1927 bei der Bahn gewesen.
Maschinenfabrik Hurth, München, verwarnte eine An-
gestellte, daß sie als Angestellte einer Aufrüstungsfirma nicht einer
Kongregation oder einem konfessionellen Verband angehören dürfe.
(23. Februar 1937.)
Ein Straßenbahner wurde gefragt: „Sind Sie noch beim Dom-
chor?" Als er dies bejahte, wurde er von der Beförderung aus-
geschlossen.
Der Pfarrer von Peterskirchen hatte die Fortbildungs-
schülerinnen zum Eintritt in die Marianische Kongregation
eingeladen. Ein paar Tage darauf tobte der Hauptlehrer und Stütz-
punktleiter des Ortes während der Schulstunden fast eine Stunde lang
gegen die Kongregation. Dann mußten die Mädchen einen Aufsatz
schreiben: „Warum gehe ich nicht zum Bund Deutscher Mädchen?"
Jedes Bedenken, das sie äußern wollten, sollte „niedergebügelt", werden.
„So zwang man B auernburschen zur SS!
Ein sehr abstoßendes Zwangsmittel wurde da und dort auf dem
Lande versucht: Gerade die Mitglieder katholischer Jungmänner-
o'der Burschenvereine wurden in die sogenannte SS-Land-
scharen-Auslese gepreßt.
Eine solche Auslese für die SS geschah z. B. vom 16. bis 18, Dezem-
ber 1937 in Pf aflenhofen an der lim:
Unter dem 10. Dezember 1937 erhielten die jungen, ledigen Leute
der verschiedenen Dörfer, vereinzelt auch Verheiratete, nachfolgenden
^.Gestellungsbefehl":
Der Landesbauernführer München, 10. 12. 37
. Herrn . . . ,
Betreit: Landscharen-Auslese.
Zur Auslese für die SS-Landscharen haben Sie sich am ..... .
vormittags ...... in der Knabenschule in Pfaffenhofen einzu-
finden.
Sie werden gebeten, in körperlich sauberem Zustande zu er-
scheinen. Bei etwaiger Behinderung haben Sie Ihren Kreis-
bauernführer sofort unter Angabe des Behinderungsgrundes zu
benachrichtigen.
Sollten Sie Angehöriger der SA, des NSKK oder der Werk-
scharen sein, so ist dieser Einberufung nicht Folge zu leisten,
der Kreisbauernführer jedoch zu verständigen.
F. d. R. Heil Hitler!
Schepperle Der Landesbauernführer:
SS-Untersturmführer. gez. Deininger.
>•
Bei dieser Auslese fanden die Angehörigen der „schwarzen
Gemeinde Scheyern, in der viele Burschen beim Katholischen
Burschenverein waren, eine besondere Behandlung:
Während die Burschen der übrigen Gemeinden ohne weitere Um-
stände das Lokal betreten durften, mußten sich die Scheyrer schon
196
außen in Reih und Glied aufstellen und im gleichen Schritt einmarschie-
ren und wurden hiebei gefilmt. 14, welche aus 30 ausgewählt worden
waren, mußten sich dann vor allen anderen vollständig auskleiden,
wurden genau gemessen, mußten auf- und abmarschieren, Wendungen
und allerlei gymnastische Bewegungen machen; wiederum wurde alles
unter Verwendung von Scheinwerfern gefilmt,
Von ein paar Burschen wurde dann ein Personalakt aufgenommen,
der am Schluß im Kleindruck eine „Verpflichtu ng" ent-
hielt. Zeit zum Lesen wurde den Burschen nicht gegeben. Sie mußten
einfach unterschreiben. Der Eintritt in die SS wurde in den schönsten
Farben geschildert: Sie . hätten es doch dort viel schöner als bei den
Bauern, brauchten nicht zum Arbeitsdienst und zum Militär, kämen
rascher vorwärts im Leben und würden auch viel mehr verdienen.
Und dennochtreu zur katholischen Fahne!
Trotz all dieser Nötigungen hielten Zehntausende und Zehn-
tausende von katholischen Vereinsmitgliedern während der zwölf
Jahre des nationalsozialistischen Zwangsregimes stand, insbesonders
die schwer bekämpften Mitglieder der Katholischen Arbeiter- und
Arbeiterinnenvereine und des Kolpingswerkes (Katholische Ge-
sellenvereine).
Auch da sahen die NS schließlich keinen anderen Ausweg als
die Gewalt, zunächst durch den Druck auf die Vereins-
b 1 ä 1 1 e r : Sie bekamen eine Menge Auf lagenachrichten, sie muß-
ten ihre Titel ändern (z. B. das Organ des Süddeutschen Verbandes
-katholischer Arbeitervereine „Der Arbeiter" mußte den Tiiel
„Kettelerfeuer" nehmen). Und als dies alles nichts half, schritt
man eben zum radikalen Verbot der ganzen Vereine und zur Be-
schlagnahme ihres Vermögens. Die steinreiche „Deutsche Arbeits-
front" schämte sich nicht, auch noch das aus den Pfennigen der
katholischen Arbeiter gesammelte -Vermögen einzustecken, bekam
dabei freilich seitens der kirchlichen Behörde soviel Schwierig-
keiten, daß sie bis zum Kriegsende ihres Raubes nicht froh werden
konnte, ihn überhaupt nur auf dem Papier besaß, niemals wirklich
in die Hände bekam.
Noch w^enigei- gelang der Raubzug gegen das „Kolpings-
w e r k": In der Mehrzahl konnten sich die Katholis che n G e -
sellenvereine und Gesellenhäuser durch die braune Flut
hindurchretten, ähnlich auch der Katholische Frauenbund
(einzelne Zweigvereine desselben wurden freilich aufgelöst) und
insbesonders die
katholischeCaritas.
Wohl wurde die kirchliche Liebestätigkeit seit, dem Jahre 1933
zielbewußt und mit allen Mitteln aus dem öffentlichen Leben zu-
rückgedrängt, Schritt für Schritt:
1. Die katholische Caritas wurde von der Mitarbeit in der
öffentlichen Wohlfahrtspflege fast völlig ausgeschlossen.
Die staatlichen Wohlfahrtsämter bedienten sich nur noch der
197
„Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt" (NSV), ' des Winterhilfs-
werkes (WHW), der nationalsozialistischen Frauenschaft (NSF) u. ä.
2. In der Fürsorge wurde der katholischen Caritas nur die
Betreuung der körperlich und geistig nicht vollwertigen
Menschen überlassen.
3. Auf dem Gebiet der FürsorgefürMutterundKind
wurde die katholische Caritas ganz verdrängt.
4. Ebenso wurde sie vielfach ausgeschlossen von der Tätigkeit
im Pflegekinderwesen, in Kleinkinderanstalten,
in Kindertagesstätten.
5. Die kirchlichen Schwestern-Kongregationen
wurden immer mehr aus Pflegeanstalten aller Art (Kindergärten,
Kinderhorten, Altersheimen, Krankenhäusern, selbst von der Haus-
krankenpflege usw.) verdrängt.
6. Durch neue Steuern drückendster Art sollte kirchlich-
karitativen Anstalten der Atem genommen werden.
7. Die WerbungneuerMitglieder wurde dem Caritas-
Verband sehr erschwert, erst recht die Sammlung von Mitteln. Die
in den ersten Jahren noch zugestandene öffentliche Straßensamm-
lung des „Katholischen Caritas- Verbandes" und der „Inneren Mis-
sion" wurde von Anfang an terrorisiert und gestört. Dann wurde
das „Sammlüngsgesetz" gerade gegen die kirchlich-caritativen
Unternehmungen und Vereine strengstens angewandt, jede Art von
„Bettelei", von Bitten um Weihnachtsspenden usw. unterbunden
bzw. bestraft.
Und was das Winterhilfswerk aus seinen Millionen und Mil-
lionen an die katholische Caritas abgab, war wirklich weniger als
„Brosamen", zuletzt 0,00 Reichspfennig!
7. Fesseln für das kirchliche Schrifttum.
In der „streng vertraulichen" Anweisung der „Bayerischen
Politischen Polizei" vom 23v April 1935 an alle Polizeiämter hieß
es u. a.: „Der katholischen Literatur muß spezielle
Aufmerksamkeit gewidmet werde n."
Worin diese Aufmerksamkeit polizeilicherseits bestand, war im
Reiche des Nationalsozialismus im vorhinein ausgemacht: in der
Bekämpfung und' Ausrottung. Die deutschen Katholiken hatten sich
ja seit dem Kulturkampf eine beachtliche Presse geschaffen: viele
katholische Tageszeitungen, viele erstklassige Zeitschriften fürs
Volk wie für einzelne Stände, katholische Verlage und Buch-
handlungen.
Dem allen galt die staatliche, parteiamtliche, berufsamtliche,
polizeiliche „Aufmerksamkeit" und unerbittlicher Kampf. .
A. Die Fesseln werden geschmiedet.
Dezember 1933 erschien das Schriftleitergesetz, das die gesamte
Presse (mit Ausnahme der bischöflichen Amtsblätter) in die Hände
198
des Staates auslieferte. Jeder Herausgeber, auch der des kleinsten
Lokalblättchens, war gezwungen, Mitglied der „Reichsschrifttums-
kammer" zu werden und ihren Weisungen zu folgen, § 14 z. B. bot
eine reiche Handhabe, jede mißliebige katholische Presseerscheinung
zu beseitigen: Er schloß ja jede Veröffentlichung aus, „d i e g e e i g -
net war, den Willen zur Einheit des deutschen
Volkes und der deutschen Kultur zu schwäche n."
Erste Opfer dieses neuen Schwertes waren
die katholischen Tageszeitungen.
Am 24. April 1935 veröffentlichte die Reichspressekammer, daß
Zeitungen nicht einer Gruppe von bekenntnismäßig ge-
bundenen Personen angepaßt werden dürfen.
Das Innenministerium Oldenburg war diesen Verordnungen
schon einen: Schritt vorausgegangen, duldete auch nicht einmal
irgendeine religiöse Beilage zu Tageszeitungen. Die „Germania"
vom 14. Juni 1934 veröffentlicht hierüber:
Keine religösen Beilagen in Zeitungen
Eine neue Verordnung in Oldenburg
Berlin, 13. Juni
Der Innenminister von Oldenburg, der in letzter Zeit einige bemer-
kenswerte Erlasse über die Beziehungen zwischen Kirche und Staat er-
lassen hat, gibt eine neue Verfügung heraus, die besagt:
„Die nationalsozialistische Bewegung und der nationalsozialistische
Staat sind und waren immer gewillt, der Kirche zu geben, was der
Kirche ist. Politik und Religion dürfen aber nicht verquickt werden.
Aus diesem Grunde hat Reichsminister Dr. Goebbels in Auslegung des
Schriftleitergesetzes wiederholt erklärt, daß es konfessionelle
Tageszeitungen nicht mehr geben dürfe. Denn jede
Tageszeitung ist eine politische Zeitung. Hieraus folgt
ohne weiteres, daß
Tageszeitungen als politische Schriften keine
religiösen Beilagen bringen dürfen.
Im Landesteil Oldenburg gibt es mehrere Tageszeitungen aus der
Zentrumszeit, die dem noch nicht Rechnung getragen haben. Diese
Verquickung von Politik, Religion und Geschäft hat
zu großen Unzuträglichkeiten geführt. Sie kann unter den gegebenen
Verhältnissen im Interesse unseres deutschen Volkes nicht weiter ge-
duldet werden. Religiöse Angelegenheiten müssen in religiösen Zeit-
schriften behandelt werden.
Auf Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutze von
Volk und Staat vom 28. Februar 1933 wird für den Landesteil Olden-
burg angeordnet:
§ 1. Tageszeitungen, die im Landesteil Oldenburg gedruckt und
verlegt werden, dürfen keine religiösen Beilagen haben.
§ 2. Zuwiderhandlungen von Druckern oder Verlegern gegen § 1
unterliegen den im § 4 der Verordnung zum Schutze von Volk und
Staat angedrohten Strafen.
199
Es durften also von da an in Zeitungen keine konfessionellen
Gesichtspunkte mehr in Erscheinung treten, z. B. nicht mehr aus-
führliche Berichte über Wallfahrten, katholische Feste und Gottes-
dienste, kirchliche Jubiläen und Persönlichkeiten gebracht werden.
Darum wurde das „Neue Münchener Tagblatt" vom 13./i4.
April 1935 verboten, weil es für Palmsonntag und die Karwoche religiöse
Gedanken dargeboten hatte.
Das „Fränkische Volksblatt" in Würzburg wurde vom
20. bis 27. November 1934 verboten, weil es in einem Korrespondenzartikel
„Knien oder Nichtknien" von „Deutschen Neuheiden" gespro-
chen hatte. Ein Hinweis, daß doch Deutsche selbst sich stolz so be-
zeichnet hatten, half nichts. Der verantwortliche Schriftleiter mußte
verschwinden. Vor dem Verlagsgebäude mußten Hunderte „Empörung"
spielen.
Wie spontan die Einschüchterungs- und Gewaltdemonstration war,
geht daraus hervor, daß die Arbeiter einer Würzburger Konkurrenz-
zeitung statt um 12 Uhr bereits um halb 11 Uhr frei bekamen, um die
„Volksdemonstration" zu unterstützen.
Die „entkonfessiqnalisierte" Tag es presse muß
aber politisch, d. i. nationalsozialistisch, sein!
Noch gefährlicher, war aber die positive Seite dieser „Uni-
formierung" und „Entkonfessionalisierung" der Tagespresse; darum
mußte auch die bisher katholische Presse „zur Stärkung des Wil-
lens der Einheit des deutschen Volkes und der deutschen Kultur"
ihren Raum der staatlichen und parteiamtlichen Propaganda leihen,
z. B. in der breiten Darstellung der „Devisen- und Sittlichkeits-
prozesse", in der Werbung für „Winterhilfswerk", NSV u. ä.
Geheimanweisung gegen konfessionelle, Tages-
zeitungen.
Wie genau die ehemals konfessionelle Tagespresse nach dem
kleinsten Anzeichen konfessionellen Inhalts oder Tones beobachtet
werden sollte, zeigt nachfolgende Geheimanweisung des
„Reichsverbandes der deutschen Zeitungsverleger":
Berhn, den 25. April 1935.
L.V. Nr. 8
An die
Leiter und Geschäftsführer
der Landesverbände des RddZV.
Sehr geehrte Herren!
Streng vertraulich!
Im Anschluß an das L.V..-Rundschreiben Nr. 7 übersenden wir ein
Schema, aus dem sich in kürzester Zusammenfassung die einzelnen Tat-
bestandsmerkmale ergeben, die zu den gegenwärtig vorliegenden Er-
scheinungsformen der konfessionellen Presse führen.
Um das Verständnis dieses Schemas zu erleichtern, sind, wo es zweck-
mäßig erschien, stichwortartig Beispiele erwähnt. Der nachstehende
Aufriß kann selbstverständlich die eigene Arbeit nicht ersetzen; er kann
jedoch eine Hilfe bieten, in einer Zeitung ihren Charakter als konfessio-
nell eingestellte Presse zu erkennen.
200
Die einzelnen Tatbestandsmerkmale, die zu den gegenwärtig vor-
liegenden Erscheinungsformen der konfessionellen Presse führen, er-
geben sieh
A. aus dem Inhalt
I. AllgemeineHinweise.
Beschränkung des konfessionellen Inhalts auf
1. beigefügte konfessionelle Beilagen
2. Schilderungen und Berichte über konfessionelle Ereignisse in
einer Form, die über das Interesse eines konfessionell nicht be-
stimmten oder unbestimmbaren Leserkreises hinausgeht,
a) im politischen Hauptteil
' b) im politischen Landesteil
c) im Lokalteil
d) im Unterhaltungsteil und Feuilleton
e) besondere katholische Rubrik (Kirchennachrichten)
f) Anzeigenteil:
a— ) Anzeigen, die ausschließlich katholische Literatur, Rosen-
kränze, Opferkästen, Heiligenbilder etc. anpreisen;
b— ) Anzeigen, die sich ausdrücklich an die Katholiken des
Verbreitungsgebietes wenden.
g) Gottesdienstordnungen.
II. Besondere Hinweise.
Es ergeben sich meist dieselben Tatbestandsmerkmale wie unter I
aber:
1. in der Form, daß sich die Zeitung durch die Wiedergabe einer
übermäßiger^ Fülle konfessionellen Geschehens ausschließlich an
einen konfessionell bestimmten Leserkreis richten kann;
2. man gebraucht die Taktik, den Leser vom lokal-politi-
schen Geschehen sowie von den politischen Ereignissen des
Landes bzw. des Gaues entfremden,
a) entweder durch Fortlassung eines politischen Landesteils über-
haupt oder
b) durch Überfüllung des Lokalteils mit Schilderungen über kon-
fessionelle Ereignisse auf Kosten von Berichten aus Partei und Bewe-
gung.
3. Man geht mit einer gewissen Verschweigungstaktik vor.
Es wird nur über solche Maßnahmen und Ereignisse berichtet, deren
Zielrichtung der katholischen Kirche genehm ist (Förderung der sozia-
len und volkswohlfahrtlichen Ideen des Nationalsozialismus), während
andere bedeutende und allgemein interessierende Maßnahmen des
Staates konsequent unterschlagen werden (vergl. Verschweigung von
Ereignissen der HJ, NS-Kulturgemeinde, Rassenfrage usw.)
Bei Berichten über nationalsozialistische Maßnahmen, deren Ziel-
richtung der katholischen Kirche genehm ist, beschränkt man sich auf
eine Würdigung aus kirchlichen Gesichtspunkten.
, 4. Das Vorliegen einer Verfälschungstaktik ergibt sich ins-
besondere daraus, daß ^
a) soziale Bestrebungen des Staates ausschließlich unter Zuhilfe-
nahme kirchlicher Gesichtspunkte (z.B. WHW, NSV usw.) behandelt
werden. Man verlangt die Unterstützung solcher Bestrebungen durch
Handlungen der einzelnen Leser; die durch die Kirche unter Berufung
auf die christliche Nächstenliebe, nicht aber unter nationalsozialistischen
Gesichtspunkten gefordert werden;
Kreuz und Hakenkreuz 14 oni
b) man z. B. Gesetzentwurf über das Recht des unehelichen Kindes
mit einer angeblich amtlichen, in Wahrheit aber mit einer zu der amt-
lichen Begründung durchaus in Widerspruch stehenden kirchlichen
Gesichtspunkten Rechnung tragenden Kommentierung veröffentlicht;
c) man Reden von führenden Persönlichkeiten des Staates und der
Bewegung in einzelnen von der katholischen Leserschaft positiv zu be-
urteilenden Punkten besonders hervorhebt, während man andere der
Kirche weniger genehme Teile fortläßt und dadurch solche Reden^ z. B.
sinnentstellt der Leserschaft übermittelt;
d) man rein kirchliche und konfessionelle Bräuche als völkisches
Brauchtum, dessen Pflege sich der Nationalsozialismus besonders an-
gelegen sein läßt, behandelt. Dies wird oft noch durch Überschriften
unterstrichen, die auf das Volkstum Bezug nehmen, während der Inhalt
des Artikels rein konfessionell ist.
5. Man verfolgt totale Isolierungstaktik,
(besonders hervortretend bei Buchbesprechungen, unter allgemein inter-
essierenden Überschriften werden ausschliei31ich konfessionelle Werke
behandelt) derart, daß
a) man das Interesse der Leserschaft durch sensationelle Auf-
machung auf außenpolitische und zentrale Reichsgeschehnisse, die zum
Nationalsozialismus in keiner wesensverbundenen Beziehv^ng stehen,
lenkt, um das politische Bedürfnis zu befriedigen.
Gleichzeitig werden nationalsozialistische politische Geschehnisse
des Gaues, also diejenigen Ereignisse, zu denen der Leser unmittelbar
in Beziehung steht, fortgelassen;
b) man unter Fortlassung bestimmter unter 3) erwähnter Pro-
grammpunkte des. Staates das Interesse der Leserschaft auf kirchliche
Veranstaltungen und Zielsetzungen lenkt, die durch ihre positive Her-
vorhebung geeignet sind, den Leser nationalsozialistischen Einflüssen zu
entziehen (z. B.\ Kolpingsfamilie, aber nicht SA oder DAF, katholische
Jugendorganisationen, aber nicht HJ).
6. Die Zeitung betreibt offene Opposition,
a) durch eigene Stellungnahme,
b) indem sich die Zeitung selbst hinter einer oppositionellen Rede
eines Bischofs oder eines Pfarrers etc., in deren Rahmen zu beanstan-
dende Äußerungen gebracht werden, versteckt,
7. Die konfessionell eingestellte Presse versucht verschleierte
Opposition derart zu treiben, daß
a) man den politischen Teil in geeignet erscheinender Weise mit
konfessionellen Gesichtspunkten und den religiösen Teil mit politischen
Gesichtspunkten tendenziös durchsetzt. Besonders charakteristisch:
Kampf kath. Kirche — Mythos, der im politischen Teil unter konf. und
irn konf. Teil unter ausgesprochen politischen Gesichtspunkten der-
gestalt behandelt wird, daß man die katholische Kirche mit der heimat-
lichen und Volks verbundenen Kultur (nationalsozialistischer Begriff),
Rosenberg aber mit Partei und Staat identifiziert;
b) man dem nationalsozialistischen Staat abträgliche Ereignisse, die
außerhalb der konfessionellen Einstellung der Zeitung liegen (z. B. große
Aufmachung des evangelischen Kirchenstreites) in der katholisch ein-
gestellten Presse besonders hervorhebt und unter zweckbestimmten
spaltenden Gesichtspunkten schildert;
c) taan Schilderungen von außerdeutschen Kulturkämpfen (Mexiko,
Spanien, Rußland) veröffentlicht, für deren Entstehung man ausgespro-
chen oder unausgesprochen dieselben Voraussetzungen verantwortlich
machen will, die zu dem angeblichen Kulturkampf Rosenberg gegen
katholische Kirche geführt haben;
202
d) man den Gedanken propagiert, daß das dogmatische Gebot den
Vorrang vor dem staatlichen Befehl haben soll. (Typischer Satz: „Den
Gedanken der Blutsgemeinschaft darf und muß der Katholik um seiner
Seligkeit willen durchbrechen");
e) man katholische Organisationen (insbesondere katholische Jugend-
ftreinigungen) zur erhöhten Aktivität auffordert.
B. aus der Werbung
Anzeigen- und Bezieherwerbung , werden neben der in der kon-
fessionellen Presse vorhandenen Eigenwerbung durch die Geistlichkeit,
kirchliche Vereine und Organisationen unter Hinweis auf die katholische
Einstellung der Zeitung vorgenommen. Ebenso finden sich in kirch-
lichen Zeitschriften Anzeigen, in denen die betreifende Tageszeitung
als katholisch bezeichnet wird,
C. aus der Anerkennung als deutscher katholischer Tagespresse
derart, daß
1. bestimmte Zeitungen in Aussprüchen des Papstes und der Bi-
schöfe als katholisch oder der katholischen Sache dienstbar bezeichnet
werden. (Beispiel: „Der Heilige Vater segnete besonders die vollzahlen-
den Bezieher der deutschen katholisch eingestellten Presse und damit
auch die- Leser der NN.Zeitung);
2. die katholisch eingestellten Zeitungen sich bei Übernahme von
Berichten gegenseitig als für die katholische Kirche bedeutsame Blätter
erwähnen;
3. bei besonderen Ereignissen, wie z. B. bei der Weltausstellung der
katholischen Presse 1936 auch die deutsche katholische Tagespresse be-
sonders lobend erwähnt und auf ihre Bedeutung hingewiesen wird.
D. Aus der Verbindung mit den gleichen katholischen Maternzen-
tralbüros und katholisch eingestellten Korrespondenzen.
Hierbei ist auf folgendes zu achten:
1. Austausch des Maternmaterials bei Zeitungen, die in getrennten
Verlagen (auch kapitalsmäßig getrennt) erscheinen,
2. Beilagen werden von den gleichen Stellen fertig bezogen,
a) alle interessierenden illustrierten Beilagen usw.,
b) konfessionelle Beilagen.
3. Der Roman wird gleichmäßig von verschiedenen katholisch ein-
gestellten Zeitungen durch die gleichen Korrespondenzen bezogen.
E. Aus konfessionellen Zeichen im Zeitungskopf, aus der Erwähnung
von Beilagen im Zeitungskopf z. B. St. Quirinusblatt.
F. Aus den Persönlichkeiten der Verleger (früher Angehörige der
Zentrumspartei?).
H. Aus der Verlegereigenschaft der Kirche, deren Organisation und
Funktionsträgern,
insbesondere aus der Verlegergemeinschaft natürlicher oder juri-
stischer Personen, die zwar kirchlich nicht beamtet sind, die jedoch
entweder
a) mit kirchlichen oder aus kirchlichen Organisationen herrührenden
Mitteln unterstützt und subventioniert werden;
b) oder bei denen die Handhabung (satzungsmäßig) besteht, daß
Überschüsse aus der Zeitung kirchlichen oder caritativen Zwecken zu-
gute kommen. (Auflösungsbestimmung bei juristischen Personen; oft
fällt das Vermögen der Zeitung im Auflösungsfalle an den Klerus.)
203
K. Aus der Einweisung von Freistücken oder verbilligten Zeitungs-
exemplaren durcli Geistliche oder kirchliche Organisationen und einen
teils konfessionell bestimmten, teils willkürlicli ausgewählten Leserkreis.
Heil Hitler!
Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger
(Herausgeber der deutschen Zeitungen) E.V.
der Stellvertreter des Leiters:
gez. Rienhardt.
Das große Sterben der- katholischen Tagespresse
Natürlich war diese Einschnürung und Belastung alsbald der
Tod der katholischen Presse auf wirtschaftlichem Gebiet. Ihr
Lebensnerv war ja gerade das „Katholische" gewesen. Fiel dieses
weg, so waren sie nicht mehr konkurrenzfähig gegenüber der von
Seite des Staates und der Partei in jeder Weise propagandistisch
und finanziell geförderten NS-Presse (Inserat, Amtsnachrichten
usw.).
So verschwanden in Baden allein binnen kurzem 20 katholische
Tageszeitungen. So starben u. a. noch vor dem Kriege an katholischen
Tageszeitungen bekannten Namens:
„Fremonia" in Dortmund
„Münsterscher Anzeiger"
„Führer der Gegenwart" in Aachen
„Germania" in Berlin (1. Januar 1939)
das Schwester blatt „Märkische Volkszeitung" etwas später
„Deutsches Volksblatt" in Stuttgart
„Badischer Beobachter"
„Limburger Kurier"
„Trierischer Volksfreund"
„Reichspost" von Wien (1939)
„Linzer Volksblatt"
„Salzburger Zeitung"
„Salzburger Chronik"
Wer kann ermessen, wie viel Leid von Personen, von Ver-
legern und Schriftleitern, von Mitarbeitern, Druckereibesitzern und
-arbeitern, wie viel Gefängnis- und Konzentrationslagerhaft hinter
all diesem Zeitungssterben lag!
Zur Erwürgung der ehemals konfessionellen Tagespresse trug
dann noch eine erpresserisch eWerbu n g für die offiziellen
Naziblätter bei, besonders für den ,, Völkischen Beobachter". Nicht
nur jedem Geschäftsmann. Beamten und Lehrer drängte man ihn
auf mit dem Hinweis, daß man im Falle der Zurückweisung nicht
als „national und zuverlässig" gelten könne, sondern selbst bei den
Geistlichen versuchte man es aufdringlichst, holte sich dabei frei-
lich eine gründliche Abfuhr, wie nachstehende Anweisung des Erz-
bischöflichen Ordinariates München zeigt:
G V 8048 München, 23. Juli 1935
An die
Hochwürdigen katholischen Seelsorgestellen der Erzdiözese
Der Zentralverlag der NSDAP, München-Berlin, schickt zur Zeit an
die katholischen Pfarrämter eine rote Karte, mit welcher er unter Be-
204
rufung auf den Erlaß des Reichsministeriums des Innern vom 30. Okto-
ber 1933 Bericht über den Bezug des „Völkischen Beoboachters" bzw.
sofortige, Bestellung fordert.
Demgegenüber stellen wir fest:
„Was von geistlichen Ämtern als Pflichtorgan zu halten ist, bestimmt
nicht eine Reichsstelle, sondern die oberhirtliche Stelle. Das Reichs-
ministerium des Innern hat gegenüber keiner kirchlichen Oberbehörde
die Forderung erhoben, die katholischen Pfarrämter zum Bezug des
.Völkischen Beobachters' zu verpflichten. Das Erzbischöfliche Ordina-
riat empfiehlt darum, auf . die diesbezügliche Zuschrift des ,Zentral-
verlags der NSDAP' keine Antwort zu geben."
Buchwieser
Generalvikar
Der Feldzug gegen die katholischen Wochen-
blätter
Nach der „Entkonfessionalisierung" und Vernichtung der katho-
lischen Tageszeitungen kamen die katholischen Wochenblätter auf
das Schafott des Nationalsozialismus: Am 17. Februar 1936 wurde
das Henkerbeil auch für sie geschmiedet. Der Präsident der Reichs-
pressekammer verordnete da (in den Hauptpunkten):
Für Diözesanblätter, von einer Diözese herausgegeben und
nur in dieser Diözese vertrieben, gilt das folgende:
Sie dienen ausschließlich der Veröffentlichung der kirchen-
amtlichen Bekanntmachungen, der Nachrichten aus dem kirchlichen
Leben, religiöser Erinnerungsartikel aus der, Geschichte der Kirche und
der Diözese, der Behandlung dogmatischer Fragen und Fragen der
kirchlichen Ethik, Betrachtungen und Darstellungen aus dem Leben der
Kirche und dem Leben der Heiligen, religiösen Betrachtungen, sonstigen
Betrachtungen, Legenden, der Pflege der Kirchenmusik und Kirchen-
kunst.
Die Aufnahme von Anzeigen, die das religiöse Leben und
das kirchliche Brauchtum betreifen oder nach ihrem Gegenstand sich
zulässigei'weise an die Leser als Angehörige der katholischen Konfessio-
nen wenden, ist gestattet.
Für Pfarreiblätter, die vom zuständigen Pfarrer herausgege-
ben werden, gilt das folgende:
Sie dienen ausschließlich der Veröffentlichung des Gottesdienst-
anzeigers, der sonstigen p f a r r a mrt liehen Bekanntmachun-
gen, des Nachrichtendienstes über das ortskirchliche Leben (Ehever-
sprechen, Taufen, Todesfälle, Beerdigungen), kirchlicher Nachrichten
und Berichten aus der Icirchlichen Ortsgeschichte, kurzer Betrachtungen
über Ewigkeit, Psalmen und Evangelien, Heiligen- und Legenden-
geschichten.
Für Druclc Schriften, die von konfessionellen Organisa-
tionen oder Verbänden herausgegeben werden, gilt das folgende:
Sie • dienen ausschließlich der Erörterung^ der Angelegenheiten und
Aufgaben ihrer Organisationen. Die 'Aufnahme von Anzeigen,
die das religiöse Leben und das kirchliche Brauchtum betreffen oder
mit den Angelegenheiten und Angehörigen der Organisationen in un-
mittelbarer Verbindung stehen, ist gestattet.
Für Sonntagsblätter und Druckschriften gleicher Art gilt
das folgende:
Sie dienen ausschließlich der Pflege allgemein-verständlichen reli-
giösen Denkens und Fühlens durch Behandlung religiöser und sittlicher
205
Fragen dergestalt;, daß jeder einzelne Teil des Inhalts seinen Ausgangs-
punkt vom Religiösen nimmt.
Zulässig ist die Veröffentlichung des Gottesdienstanzeigers sowie
von Nachrichten über das Icirchliche Leben,
Für die Aufnahme von Anzeigen gelten die gleichen Bestimmungen
wie für die Diözesanblätter.
Das schaute auf den ersten Blick noch gar nicht so gefährlich
aus, erwies sich aber doch als mannigfache Fessel, Schädigung und
Falle. Deutlicher wurde dies schon durch die „Erläuterung", welche
am 25. März 1936 mit Rundschreiben 8/1936 gegeben wurde. Sie
gab schon mehr „Nichterlaubtes" als „Erlaubtes" kund.
Textlicher Inhalt:
. a) Kurze Erzählungen religiösen Inhalts sind gestattet, Ro-
manenicht.
b) Buchbesprechungen sind zugelassen, wenn sie sich ent-
weder mit religiösen Werken befassen oder die Würdigung von
religiösen Gesichtspunkten aus unternehmen.
c) Filmbesprechungen sind durchweg nicht zugelassen,
doch können in Einzelfällen Filme vom grundsätzlichen religiösen und
kirchlichen Standpunkt aus besprochen werden,
d) Rätsel- und Scherzecken müssen wegfallen.
e) Die Bebilderung darf nicht aktuell politischer Natur sein,
also nicht das den Tageszeitungen vorbehaltene Gebiet abfassen, da-
gegen bestehen auch gegen nichtreligiöse Bilder und Zeichnungen, die
erläuternd oder sinnbildlich zum Inhalt und Zv^^eck der Zeitschriften in
Verbindung gebracht werden, keine Bedenken.
Schon drei Monate später kamen mit Rundschreiben Nr. 16 vom
27. Juni 1936 neue Einschränkungen, insbesondere die Bestimmungen:
Bei der Bebilderung muß jedes einzelne Bild dem reli-
giösen Charakter der Zeitung entsprechen und irgendwie für
sich allein oder in Verbindung mit dem Beitrag, den es erläutert oder
versinnbildlicht, der religiösen Aufklärung oder Erläuterung dienen.
Bilder aus dem Leserkreis können allgemein nicht zugelassen
werden.
Stellenanzeigen dürfen nur insoweit aufgenommen werden, als sie
sich zulässigerweise an die Leser als Angehörige der katholischen Kon-
fession wenden.
Farailienanzeigen sind nicht gestattet.
Keine Verwischung der einzelnen Pressetypen!
Am 17. März 1937 ward daran erinnert, daß „eine Verwischung
der Grenzen zwischen den einzelnen hier genannten Pressetypen"
(Bistumsblätter, Pfarre;blätter, Dekanatsblätter, Verbandblätter,
sonstige Blätter und Druckschriften allgemein katholischen Charak-
ters) als unzulässig angesehen wird. Jede Zeitschrift hiabe sich in
dem ihr durch' die Einteilung zugewiesenen inhaltlichen Rahmen
zu halten. Als Beispiel solcher unzulässiger Inhaltsgestaltung wird
unter anderem aufgeführt, „daß es sich bei vielen Sonntagsblättern
und anderen eingebürgert hat, bei Auseinandersetzungen in Sachen
des Glaubens neben den Bistumsblättern mit eigen. er Stel-
206
lungnahme oder mit Zitaten in Erscheinung zu treten. Da ea
sich hier um die Behandlung dogmatischer Fragen handelt,
ist das Bistumsblatt allein zuständig. Sonntagsblätter sollen —
wie schon der Name sagt — dem friedlichen Charakter
des Sonntags Rechnung tragen. Sie sollen ihn nicht mit Aus-
einandersetzungen anfüllen, sondern der Entspannung des Lesers
durch Pflege allgemein verständigen religiösen Denkens und Führ
lens dienen."
Dann wird in diesem Erlaß drohend an Weisungen vom
17. Februar 1936 erinnert, die da u. a. besagten:
„Der Staat wird immer von der gesamten, in seinem Gebiet er-
scheinemden Presse fordern müssen, daß sie die zu seiner EntwickUmg
notwendigen Maßnahmen in jeder ihr nur möglichen Weise unterstützt.
Er wird die entsprechenden Folgerungen ziehen, v/enn
er bei der Durchführung der als richtig erkannten Planungen auf offe-
nen oder versteckten Widerstand stößt."
„Zu meinem Bedauern muß Ich immer wieder feststellen, daß in
einzelnen Zeitschriften Beiträge enthalten sind, die in Inhalt, Form und
Aufmachung diesem Gesichtspunkt nicht entspreclien. Alan l.eijchränkt
sich nicht darauf, vereinzelte, vom Standpunkt des Dogmas als nötig
erachtete Vorbehalte in zurückhaltender Form zu machen, stellt sie % iel-
mehr heftig und über Gebühr heraus und kehrt dabei bewußtermaßen
das Gegensätzliche hervor. Die religiöse Würdigung derjenigen
staatlichen Maßnahmen und Ausfassungen, gegen die solche Vorbehalte
nicht erhoben werden, werden unterlassen. Die Herausstellung
des Gegensätzlichen wird dadurch nur verschärft, da bei Aus-
einandersetzungen mit religiösen Strömungen der Eindruck erweckt
wird, als wenn diese vom Staat und der Partei vertreten oder gefördert
würden. Durch die Auswahl der Themen, den systematischen Gebrauch
von Vergleichen, sei es lediglich im Ausdruck oder in der inhaltlichen
Gestaltung selbst, durch Offenlassen der verschiedenen Auslegungsmög-
lichkeiten erfolgt eine stimmungsmäßige Beeinflussung gegen Partei
und Staat."
„Beim Abdruck von Hirtenbriefen in Bistumsblättern
habe ich wiederholt den Eindruck gehabt, als ob der sie ver-
öfl'entlichende Schriftwalter oder Schriftleiter sich nicht immer
der völligen Tragweite seiner Handlungen bewußt ist. Der
Schriftwalter und Schriftleiter ist für den gesamten
Text der von ihm geleiteten Druckschrift verantwortlich,
gleichgültig wer hinter' der VeröflPpntlichung steht oder aus welchem
Grunde sie erfolgt."
Im Rundschreiben 9 vom 13. April 1937 ist bestimmt:
„Nach dem Erlaß vom 17.- Februar 1936 ist den katholisch-
kirchlichen Zeitschriften eine Beschäftigung mit politischen
Dingen nicht gestattet. Bei der gegenwärtigen Sachlage mviß die
Veröffentlichung von Gebeten, Artikeln usw. zur
Erhaltung d e f- konfessionellen Schule als Be-
fassung mit Gegenständen von politischer Be-
deutung angesehen werden. Dies gilt insbesondere auch
bei der Veröffentlichung von Mitteilungen, in denen kirchliche
207
stellen über die Ergebnisse der Listeneinzeichnung für die Kon-
fessionsschule berichten."
Fesseln für die Kunstkritik
Im Rundschreiben 1 vom 4. Januar 1938 heißt es:
„In Durchführung der Anordnung über das Verbot der Kunst-
kritik und der dazu vom Herrn Reichsminister für Volksauf klä-
rung und Propaganda erlassenen Bestimmungen wird hiemit darauf
aufmerksam gemacht, daß die Kunstkritik auch in der katholisch-
kirchlichen Presse uneingeschränkt untersagt ist. Ledig-
lich bei kirchenmusikalischen Veranstaltungen kann eine
Ausnahme gemacht werden."
Am. 7. Mai 1938 wird neuerdings klargestellt, daß „das Verbot
der Kunstkritik vom 26. November 1936 grundsätzlich auf jede
ausgesprochen kirchliche Kunst ausgedehnt wird, deren Be-
trachtung also nur den in die Liste der Kunstschriftleiter ein-
getragenen Schriftleitern an katholisch-kirchlichen Zeitschriften
gestattet ist."
Rundschreiben 17 vom 30. Juli 1936 ordnete an, daß der Ab-
druck von Entscheidungen der Erbgesundheitsberichte
und des Erbgesundheitsobergerichtes in Blättern, die der Fach-
schaft der katholisch-kirchlichen Presse angehören, untersagt ist.
F essein für d ie Buch b esp rech ung
Für die Bekanntgabe neu erschienenerguterkatho-
lischer Bücher und für ihr Eindringen in die breite Masse
des katholischen Volkes ist die Bestimmung des Rundschreibens 3
vom 18. März 1938 eine harte Fessel:
„Die Besprechung von Schriften und Büchern, die nicht ausschließ-
lich katholisch-kirchliche bzw. religiöse Gegenstände, Personen und
Themen behandeln, widerspricht dem Erlaß des Herrn Präsidenten der
Reichspressekammer vom 17. Februar' 1936. Dies gilt natürlich auch
für Bücher allgemeinen Inhalts, die von sogenannten katho-
lischen Verlagen herausgebracht werden. Solche Druckwerke — in
der letzten Zeit fanden sich in der katholischen Zeitschriftenpresse oft
Besprechungen z. B. von Bilderbüchern, Reiseführern, Nachschlage-
werken u. a. — dürfen nicht mehr zur Besprechung angenommen wer-
den. Desgleichen sind Hinweise auf weltliche Zeitschriften in der katho-
lisch-kirchlichen Presse unzulässig."
Keine „W underberichte"
Der 22. August 1938 brachte der „Münchener katholischen
Kirchenzeitung" eine neue Schranke, eine Anweisung des Reichs-
propagandaamtes München-Oberbayern, die natürlich auch für die
übrige kirchliche Presse galt:
„Immer wieder erscheinen Berichte über wunderbare Heilun-
gen bei kirchlichen Ereignissen und dergleichen. Soweit die Meldungen
auf Tatsachen beruhen, handelt es sich stets um natürliche Vor-
gänge (wie unfehlbar das Reichspropagandaamt dies zu entscheiden
208
weiß!) und bei ihrer Ausdeutung meist um einen Mißbrauch religiöser
Gefühle. Solche Vorgänge dürfen daher nur berichtet werden, wenn
ihre natürliche Entstehung gewürdigt und zum Ausdruck ge-
bracht wird, daß sie nicht notwendig an religiöse Handlungen geknüpft
sind. I. A. Dr. Werner."
Keine „Gottesurteilberichte"
Noch schärfer zog man die Fesseln gegen die Berichterstattung
über sogenannte „G ottesurteil e", insonderheit über auf-
fallende Unglücksfälle von Gotteslästerern, Januar 1938 wurde dem
Kommissariat der Fuldaer Bischofskonferenz, Bischof H. Wienken,
von dem Geheimen Staatspolizeiamt in Berlin erklärt, „daß in
allenFällen, wosolcheM itteilungenüber-,G ottes-
urteil e' gebracht werden, sofort mit Beschlag-
nahme vorgegangen wir d." Ein gleiches teilte das Kirchen-
ministerium mit. Tatsächlich wurde gleichzeitig die Münchener
„Kleine katholische Kirchenzeitung", eine monatliche Neuausgabe
der „Münchener katholischen Kirchenzeitung", von der Gestapo
beschlagnahmt, weil sie folgende Notiz gebracht hatte:
„In der Fabrik des Herrn W, in J. (Bayern) handelte es. sich darum,
ob man am Josefstag, der dort kirchlicher Feiertag ist, arbeiten solle.
Einer der Arbeiter sagte bei der Aussprache darüber: ,Wer heute noch
in die Kirche geht, dem sollten Hände und Füße abfaulen!'
Am gleichen Tage kam sein 17 jähriger Sohn, der gleichfalls in der
Fabrik beschäftigt war, in die Presse und der linke Arm (Vorderarm)
wurde in wenigen Augenblicken zu einem vollständigen Brei auf 3 Mil-
limeter ausgequetscht.
Der Arm mußte im Krankenhaus D. amputiert werden. Wiederholt
besuchte der Vater seinen Sohn im Krankenhaus, und noch am Oster-
montag machte er den weiten Weg von J. nach D. zu Fuß. Plötzlich
stellten sich, beim Vater heftige Fußschmerzen ein. Beide Füße wurden
blau und schwarz. Der arme Mann mußte ebenfalls ins gleiche Kran-
kenhaus. Der rechte Fuß faulte ab und mußte amputiert werden. Jetzt
zählt der Heimgesuchte zu den fleißigsten Kirchenbesuchern."
Die Zwangsjacke des ,,Schriftleitergesetzes"
auch der kirchlichen Presse angelegt!
Eine neue schwere Fesselung der kirchlichen Presse bedeutete
es, daß die Bestimmungen für die katholisch-kirchliche Presse,
welche im Dezember 1933 zwischen dem Reichsminister für Volks-
aufklärung und Propaganda und dem Vorsitzenden der Fuldaer
Bischofskonferenz bezüglich der Nichtanwendung des Schriftleiter-
gesetzes vom 4. Oktober 1933 vereinbart worden waren, in der
zweiten Hälfte des Jahres 1937 praktisch außer Kraft gesetzt
wurden. Dieses Gesetz galt zwar dem Wortlaute nach nur für
Zeitungen und politische Zeitschriften. § 3, 3, besagte:
„Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda kann
bestimmen, welche Zeitschriften als politisch im Sinn dieses
Gesetzes anzusehen sind." Nunmehr legte er auch der kirchlichen
Presse immer mehr die Maßstäbe dieses Gesetzes an. Auch die
209
Bistumsblätter konnten nur noch von Personen redi-
giert werden, welche der Zulassung zum Schrift-
leiterberuf für „würdig" befunden worden waren.
Damit mußten nicht wenige Priester die Feder aus der Hand legen
oder konnten nur noch in untergeordneter Stellung mitarbeiten,
nur noch einem Laienschriftleiter Material sammeln, beratend zur
Seite stehen und in die Hand arbeiten — und liefen selbst da noch
Gefahr, für diese Mitarbeit zur Verantwortung gezogen zu werden
und ein Verbot der betreffenden Zeitschrift herbeizuführen, wie
dies beispielsweise für die „Münchener katholische Kirchenzeitung"
und ihren ehemaligen Schriftleiter Dr. Michael Hock der Fall war.
Ein Prozeß, der deswegen geführt werden mußte, endete zwar mit
vollem Freispruch von Dr. Hock, kam aber infolge Berufung des Staats-
anwaltes und Anforderung der Akten durch die Reichspressekammer
nie zum Abschluß. Aber das Verbot der „Münchener katholischen Kir-
chenzeitung" blieb bis zum endgültigen Prozeßentscheid, also bis zum
Ende der Naziherrschaft, aufrechterhalten und — Dr, Hock kam ins
Konzentrationslager. Deutsche Justiz und Pressefreiheit war nach Goeb-
bels' oftmaligen Äußerungen größer als irgendeine andere in der ganzen
Welt!
Der Präsident der Reichspressekammer, Amann, war ehrlicher,
wenn er in der „Deutschen Presse" Nr. 21 vom 23, Mai 1936 gerade
in bezug auf die kirchliche Presse von einer „sterilisierten Presse*'
sprach. Sie war durch all die Operationen der Reichspressekammer
Wirklichkeit geworden.
Hand in Hand mit dieser inhaltlichen und wirtschaftlichen
Drosselung ging auch jene des U m f a n g s : Mit Beginn des Jahres
1937 kamen die Verordnungen über Papiereinsparungen, die an-
fangs rund 10 Prozent des Ümfangs,^ später 33 Vs Prozent und immer
mehr betragen mußten, bis der Krieg der kirchlichen Presse als
erster die volle Einstellung brachte.
Fesseln für K alen der
Zu dem Schrifttum, das alljährlich in größten Mengen in die
breite Masse des Volkes drang, gehörten die Kalender. Grund ge-
nug . für den Nationalsozialismus, auch hier seinen Totalitäts-
anspruch geltend zu machen und Vorschriften positiver und nega-
tiver Art für die Herausgabe und den Inhalt von Kalendern zu
erlassen.
So schrieb Wilhelm Peters in „Adresse und Anzeige", Jahrgang 3,
Heft 1 vom 15. Februar 1938 unter dem Titel; „Kalender unserer Zeit"
als „Amtliche Richtlinien" für die Inhaltsgestaltung von Kalendern:
„Hiermit ist ein Punkt berührt, der gemeinhin bei der Gestaltung
des Gesamtinhaltes viel zu wenig berücksichtigt wird. Es kommt dar-
auf an," den Kalender in allen seinen Teilen nach heute
geltenden Prinzipien und Gesichtspunkten auszu-
richten. Das heißt nun nicht, daß er nur einem Thema dienen soll — ^
seine .Buntheit ist uns von jeher eine seiner wertvollsten Eigenarten ge-
•v^resen — , es heißt aber Sichtung und Wertung der aufzunehmenden Ar-
210
beiten nach Maßstäben, die in der nationalsozialistischen
Weltanschauung begründet sind. Nichts liegt uns ferner als die
Kalender gesamtinhaltlich zu politisieren. Wir wollen aber, daß
auch der nichtpolitische Teil so ausgerichtet ist, daß er nicht nur natio-
nalsozialistischer Wertung standhält, sondern darüber hinaus auch als
vorbildlich angesprochen werden Icann."
Noch deutlicher und schärfer wurde in der gleichen Zeitschrift
Heinz Haß, indem er schrieb:
„Die Forderung zeitnahen Kalenderschaffens ist
allerdings dort mißverstanden, wo man sie in der formellen Hinzu-
nahme einer Jahresschau oder eines Beitrages über die NSV erfüllt
sieht. Zu ariderem ist sie ebensowenig allein durch eine Vielzahl zeit-
politischer Themen gegeben. Von einem zeitnahen Volkskalender kann
man erst dann sprechen, wenn die Kalenderanlage im gan-
zen vom Geiste der nationalsozialistischen Welt-
anschauung und Gegenwart durchdrungen ist. Bisher
belegen erst wenige Kalender eine so gesehene und aufgefaßte Text-
gestaltung. Nicht selten werden in den politischen Beiträgen über-
zeugend vori^etragene Auffassungen durch den weltanschaulichen Ge-
halt der Erzählungen wieder aufgehoben. So etwa, wenn in einer ^uf
eine Würdigung des Arbeitsdienstes unmittelbar folgenden Erzählung das
Schicksal eines Gefangenen geschildert wird und diese Erzählung im
Grunde nichts anderes ist als eine Interpretation liberalistischer Rechts-
auffassung. Sehr auffällig wird schließlich dieser Mangel an der Sprache
der Beiträge. Nichts ist lästiger und peinlicher, als Beiträge über poli-
tische Gegenwartsfragen zu lesen, die in der Auffassung dieser Gegen-
wart und ihrem Ausdruck nicht über abgestandene patriotische Wen-
dungen hinauskommen. Solche Beiträge verlangen Verfas-
ser, die wahrhaftin unserer Zeit stehen und sie aus
innerem Erlebnis heraus darstellen können. Auf diese
Voraussetzungen hin sollten vor allem die Arbeiten überprüft werden,
die aus dem Leben der Gliederungen der Partei berichten.
Die Ausgestaltung der Kalender mit zeitpolitischen Beiträgen
wird nach den bisherigen Erfahrungen fast durchweg thematisch zu
eng gefaßt. Es ist daher eine Ausweitung der politischen Themen zum
eigenen Nutzen der Kalender dringend geboten. Als Themen soll-
ten neben den aktuellen Problemen des Aufbauwer-
kes des Führers die Grundfragen der nationalsozia-
listischen Weltanschauung stehen, Rassen- und
Völkskunde, Vor- und Frühgeschichte, die Wandlun-
gen des Re'chtsdenkens usw.
Die bisher gestreiften Maßstäbe und Forderungen zeitnaher Kalen-
dergestaltung lassen sich vorbehaltlos an jedem Kalender verwirlclichen,
am allgemeinen Unterhaltungs- wie am Heimatkalender. Auch für
,den religiösen Kalender gelten sie, dessen besonderes An-
liegen innerhalb der auf das Volk gerichteten Zielsetzung verbleibt."
Diese Knebelung der Kalender veranlaßte Bischof Konrad
Preysing von Berlin zu folgender Entschließung vom
13. April 1938: „Die Richtlinien für den pfiichtmäßigen Inhalt der
Kalender, die von den zuständigen Stellen in „Adresse und Anzeige"
Jahrgang 3, Heft 1/1938, veröffentlicht worden sind, veranlassen
mich, da sie für die Inhaltsgestaltung auch der bisher religiösen
Kalender Geltung beanspruchen, von derweiteren Heraus-
gabe des St. -Petrus-Kalenders für das Bistum
Berlin abzusehe n."
211
Umgekehrt glaubte der Reichsminister für Ernährung und
Landwirtschaft, Darre, im „Deutschen Bauernkalender 1935",
herausgegeben von der Reichsbauernschaft,
das Muster eines total nationalsozialistischen
Kalenders
bieten zu müssen. Da war alles Christliche und erst recht alles
Katholische vollständig ausgemerzt. Selbst die höchsten Feste des
Herrn, wie Weihnachten, Ostern und Pfingsten, waren darin ver-
schwunden. Der 6. Januar, der Tag der Hl. 3 Könige, ist zum
Tag der 3 A s e n geworden. Der 29. Februar als Tag von P e t r i
S t u h 1 f e i e r ist im Bauernkalender das Fest von Thors
Stuhl, Der Aschermittwoch ist der Tag von Wodans
Asche. Der Gründonnerstag, als der Gedenktag der Ein-
setzung des heiligsten Altarsakramentes, soll für den deutschen
Bauern nur mehr der Tag der „W eihe des Nachtlichtöles"
sein. Karfreitag, der Trauertag der ganzen Christenheit über
den Tod des „Menschensohnes" und göttlichen Erlösers, ist im NS-
Bauernkalendel" der Erinnerung an die 4500 Sachsen gewidmet,
die von Karl dem Großen („dem Schlächter") hingemordet wurden,
und „den 9 Millionen anderen Verfechtern des Rechts, Heroen
des Glaubens, Häretikern und Hexen, die gemordet, zu Tode ge-
quält und am Pfahl verbrannt wurden." Ostern, das Fest der
Auferstehung des Herrn, ist von Darre der heidnisch-germanischen
Frühlingsgöttin Ostara geweiht. Der Himmelfahrts-
tag ist der Tag der Rettung von Thors Hammer. Der H e i -
ligeAbendist der Tag der Geburt des LichtgottesBaldur.
Von allen Seiten ob dieser unerhörten Beleidigungen alles
christlichen und katholischen Fühlens angegriffen, suchte Darre in
einer Veröffentlichung vom 26. Februar 1935 alle Schuld auf die
„Herausgeber" abzuwälzen, die trotz der Titelbemerkung: „Heraus-
gegeben von der Reichsbauernschaft" und trotz Ein-
leitungsartikels aus der Hand Darres selbst und trotz seiner
eigenen Namenszeichnung doch nur „P r i v a t a r b e i t" ge-
leistet hatten!
Fesseln für Flugblätter und Kleinschriften
Schon am 29, Juni 1934 hatte der badische Innenminister die
Verbreitung von Flugblättern politischen und religiösen In-
halts verboten,
Anfang 1936 erließen dann Gestapostellen verschiedener Länder
Verbote gegen Gratisverteilung von Hirtenbriefen, apologetischen
Broschüren und religiösen Flugblättern in Kirchenvorräumen und
an Kirchentüren.
Am 22. April 1936 antwortete das Reichskirchenministerium
auf diesbezügliche Beschwerde des Erzbischöflicheri Ordinariats
München: „Nach diesem Erlaß kann, die Verbreitung von Flug-
212
blättern und Flugschriften mit Ausnahme der von staatlicher oder
parteianitlicher Seite herausgegebenen Flugschriften künftig nicht
mehr geduldet werden, wobei es nicht darauf ankommt, ob der
Inhalt polizeilich zu beanstanden ist oder nicht."
Wollte darum ein Pfarrer seinen eigenen Pfarrangehörigen
irgendeine seelsorgliche Mitteilung machen oder z, B. in jedes Haus
oder in jede katholische Familie eine Einladung zu einer Volks-
mission oder religiösen Woche oder Erstkommunionfeier senden, so
durfte er dies nicht mehr in Form eines Flugzettels tun, sondern
mußte jedes einzelne Schriftstück persönlich unterzeichnen, in ein
genau adressiertes Kuvert stecken und sorgfältig darauf achten,
daß das Seelsorgsschreiben „nicht einer Person oder Familie zu-
geleitet wurde, die entweder überhaupt nicht oder nicht mehr
katholisch war."
Fesseln für das ganze Schrifttum
Die gesamte Buchproduktion stand „im freien Deutschland"
unter strenger Kontrolle, insbesondere unter dem Gesichtspunkt
der „politischen und weltanschaulichen Richtung". Für die Heraus-
gabe neuer Werke waren zwei Prüfungsstellen zu passieren: „Die
ReichsstellezurFörderungdesdeutschenSchrift-
t u m s" und „die parteiamtliche Prüfungskommis-
sion zum Schutze desNS-Schrifttum s." Kam ein neu-
geplantes katholisches Buch glücklich durch die erste Sperre, konnte
es immer noch an der zweiten aufgehalten werden. Die zwei
Prüfungsstellen hatten praktisch nur drei Entscheide: „Positiv",
„Mit Einschränkung", „Negativ".
„Mit Einschränkung" wurden beispielsweise einzelne „Papst-
rundschreiben", dann die Werke des hl. Thomas, des hl. Augustin
zensiert.
„Negativ" wurde verbeschieden: Alois Dempf : „Meister Ecke-
hardt", Hermann Muckermann: „Grundriß der Rassenkunde",
Alfons Erb: „Thomas Morus und Johann Fischer", Jakob Kneip:
„Das Reich Christi".
„Positiv" wurden dagegen gewertet Werke wie: Jam: „Die katho-
lische Kirche, eine Gefahr für den Staat" (1936); Rose: „Rom mordet,
mordet Seelen, Menschen, Völker" (zuerst als „gefährlich und nicht
wünschenswert" beurteilt, dann freigegeben ohne Einschränkung);
Gottschling: „Zwei Jahre hinter Klostermauern" erhielt 1935 sogar den
Preis der Universität Jena für Kunst und Literatur.
Von der „Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrifttums"
aber erhielt dies Buch günstigste Beurteilung und Empfehlung, die so-
fort der Propaganda zur Verfügung stand, wie nachfolgendes Reklame-
blatt des Verlages A. F. Koehler-Leipzig zeigt:
Neuerscheinung Februar 1935:
Dr. Erich Gottschling
Zwei Jahre hinter Klostermauern
Aufzeichnungen eines Dominikaners
Über diese hiermit erstmalig angelcündigte Neuerscheinung hat d i e
Reichsstelle zur Förderung des deutschen Schrift-
tums, Berlin, am 2 0. November 1934 folgendes Gut-
achten abgegeben:
213
„Der Mönch hat eine eigentümliche Psyche. Das konnte ich in den
zwei Jahren meines Klosterlebens reichlich erfahren. Um es lange Zeit
oder gar lebenslang unter so gearteten Menschen aushalten zu Icönnen,
muß jemand entweder schon eine ebensolche von der Norm abweichende
psychische Struictur besitzen, oder er muß eine solche im Kloster durch
die .Umformung' erwerben. Ein so Umgeformter ist dann aber für das
normale bürgerliche Leben unbrauchbar geworden."
Hier gibt einer, der zwei Jahre lang Mönch gewesen ist, eine durch
ihre Sachlichlceit erschütternde Darstellung vom Aufbau und Er-
ziehungssystem des Dominilcanerordens; der Dominikanerorden ist, wie
eine Reihe von anderen Orden, exemt, d. h. er untersteht keinem Bischof,
sondern unmittelbar dem Papst selbst.
Gottschling begnügt sich als Quelle nicht mit der allgemein gehalte-
nen offiziellen Literatur über das Ordenswesen, sondern er stützt sich
fast ausschließlich auf eigene im geheimen unmittelbar gemachte Auf-
zeichnungen und auf die Einblicke, die er verschiedentlich in die Ge-
heimsatzungen des Ordens tun konnte. Die Sprache ist frei von jeder
Sensationshascherei; sie überzeugt durch ihre Verbindung von beschei-
dener Vornehmheit und schonungsloser Wahrhaftigkeit.
Das Werk ist eine unersetzliche, aus unendlich vielen Einzelheiten
und dem Außenstehenden niemals erkennbaren Kleinigkeiten aufgebaute
Dokumentensammlung für die Tatsache, daß durch die' Ordens-
erziehung systematisch das Selbstbewußtsein und
das Ehrgefühl des Menschen zerbrochen wird, um ihn
zum willenlosen Werkzeug in der Hand der Ordens-
gebieterzumachen.
Es ist fast unnötig, festzustellen, daß dieser Frevel am Menschen-
tum nichts mit dem katholischen Glauben zu tun hat, der in diesem
Buche in keiner Weise angetastet wird. Im Gegenteil, jeder aufrechte
deutsche Katholik wird diese reinliche Scheidung des katholi-
schen Gedankengutes von solchen Verirrungen ge-
rade im Hinblick auf ein gesundes Verhältnis von
Nationalsozialismus und Katholizismus dankbarst
begrüßen."
Unterschrift des Referenten der Reichsstelle
Kirchliche Fragen stehen augenblicklich im Mittelpunkt der Er-
örterung. Für den Buchkäufer ist es schwer, auf den ersten Blick wert-
volles, neues Material zu erkennen. Wir freuen uns daher, schon bei der
ersten Ankündig ungdes Buches das Urteil, das die maß-
gebende Jleichsstelle abgegeben hat, veröffentlichen zu können.
Groß Oktav, 196 Seiten. In Ganzleinen 4.50 RM.
K. F. Koehler / Verlag / Leipzig.
„Steckbrief" gegen katholische Literatur
In der „streng vertraulichen" Anweisung der bayerischen
politischen Polizei vom 23. April 1935 an alle Polizeiämter, Staats-
polizeistellen usw. hieß es:
„Der katholischen Literatur muß spezielle Aufmerksamkeit
gewidmet werden. Die Bücherstände an den Pilgerorten, an den
Kirchenportaien, auf Eisenbahnstationen wie überhaupt katholische
Buchhandlungen und Verlage sind ständig und gründlich
zu überwachen. Dabei ist besonderes Augenmerk auf neue Ver-
öffentlichungen katholischer Volks- und Flugschriften zu legen.
Dies bezieht sich besonders auf folgende Büchereien:
2H
.Katholische Flug'blätter über Tagesfragen*, herausgegeben von
der Saarbrückener Druckerei- und Verlags-AG., Saarbrücken;
,Klare Begriffe', herausgegeben von Dr. Heinrich Krone, Berlin,
Wilhelmshaven; ,Die Kirche in unserer Zeit', herausgegeben von
J. P. B a c h e m G. m. b. H., Köln; ,Zur Verteidigung des Glaubens',
herausgegeben von A. H u b e r, München. Alle staatsfeindlichen
Veröffentlichungen sind zu beschlagnahmen."
Kolportageverbot für konfessionelle Druck-
schriften
Auch die Haus- und Wohnungstüre sollte dem konfessionellen
Buch versperrt werden.
Zunächst bezeichnete ein Runderlaß des Reichskirchenmini-
steriums den Vertrieb christlichen Schrifttums durch Reisende und
ambulante Händler als u n e r w ü n s c h t. Am 18. September 1935
aber verfügte ein Erlaß der Gestapo, daß der gewerbsmäßige Ver-
trieb unbeanstandeter (!) konfessioneller Druckschriften aller Art,
wie von Legendenbüchern, Kalendern usw., sowie das Aufsuchen
von Bestellungen hiefür von Haus zu Haus restlas und mit
allen Mitteln zu unterbinden sei. Die Beschwerden von
kirchlicher und buchhändlerischer Seite gegen diese Fesselung der
konfessionellen Presse hatten nur den einen Erfolg, daß die
„Hl. S c h r i f t" kolportiert werden durfte.
Im nachfolgenden einige Dokumente für diese Ausnahme-
behandlung des religiösen Schrifttums:
Erlaß der bayerischen Politischen Polizei vom 8. September 1935
Der gewerbsmäßige Vertrieb unbeanstandeter konfessio-
neller Druckschriften aller Art wie von Legendenbüchern, Kalen-
dern sowie das Aufsuchen von Bestellungen hiefür von Haus zu Haus
ist restlos und mit allen Mitteln zu unterbinden.
München, 29. Februar 1936.
An den Bernreuther-Verlag und Kunsthandlung in München, Goethe-
straße 64.
Auf Grund § 1 der VV des Reichspräsidenten zum Schutze von
Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. 1933 I, S. 83) ist der Ver-
trieb religiöser Druckschriften, Bilder und Bildwerke (z. B, Figuren,
Kreuze usw.) von Haus zu Haus oder durch Aufsuchen von Bestellun-
gen mit sofortiger Wirksamkeit verboten. Zuwiderhandlungen werden
nach § 4 a. a. O. mit Gefängnis nicht unter einem Monat und mit Geld-
strafen von RM. 150.— bis zu RM. 15 000 bestraft.
I.A. Mayr.
Betreff: Vertrieb religiöser Druckschriften, Bilder und Bildwerke.
Dienststelle 512
Der Präsident der Reichsschrifttumskammer
III/2 9304 Berlin W 8, 23. April 1936
An den Verlag der Ars Sacra, München
Betreif: Ihr Schreiben vom 9. April 1936.
Die ^Maßnahmen der Polizeidirektion München gehen auf einen
Runderlaß des Herrn Reichsministers für (!) die kirchlichen Angelegen-
215
heiten zurück, in dem der Vertrieb cliristlichen Schrifttums durch Rei-
sende und ambulante Händler als unerwünscht bezeichnet wird. Ich
kann Ihnen deshalb lediglich empfehlen, Ihre Verbindungen mit den
Buchhandelsfirmen zum Absatz Ihrer Werke energisch auszubauen.
Der Vertrieb durch Einzelhandelsfirmen, die in die „Stammrolle ge-
nehmigter Buchverkaufsstellen" eingetragen sind, ist durch den Rund-
erlaß nicht eingeschränkt.
Polizeipräsidium München, Dienststelle 519 2. Februar 19'37
Nebenstelle 541
An Verlag Peiffer, München
Vertrieb von religiösen Schriften.
Das Gesuch vom 4. Januar 1937 um Genehmigung zum Reisevertrieb-
von religiösen Druckschriften wurde abgelehnt. Ausgenommen ist nur
die Werbung von Beziehern für bestehende Zeitungen und Zeitschriften,
soweit die Bezieherwerber den vorgeschriebenen Werbeausweis der
Reichspressekammer besitzen.
I.A. gez. Mayr.
„Sterilisation" der kirchlichen: Volks-
bibliotheken
Auch den Büchern der vom bayerischen katholischen Presse-
verein (St.-Michaels-Bund zur Pflege des katholischen Schrifttums
in Bayern e. V.) und vom Borromäusverein gegründeten und sehr
geschätzten Volksbibliotheken sollte das Eindringen in die breiten
Volksmassen unterbunden werden. Sie durften sich überhaupt nicht
mehr „K a t h. V o 1 k s b i b 1 i o t h e k" oder „Volksbücherei"
heißen, sondern nur noch Pf a r r b ib li o th e k; sie sollten* so
schon als etwas „Einstiges", „Konfessionelles", „Frommes" ab-
gestempelt werden. Für das „Volk" durfte ja nur noch der
Nationalsozialismus etwas haben und tun. Und was die neuen
Herren an Büchern nicht hatten, das nahmen sie eben den andern.
Weil die Pfarrbibliotheken doch nur noch Erbauliches, Religiöses
haben sollten, mußten sie alle Bücher- erzählenden Inhalts und all-
gemein belletristischer Art, etwa die Hälfte ihrer Bücherbestände,
an die neu zu gründende gemeindliche „Volksbibliothek", auch an
. Kz.-Büchereien u. ä., abtreten.
B. Die Fesseln werden angelegt.
Mit all diesen Verordnungen und Erklärungen waren genug
Fesseln bereitgestellt und überall ein engmaschiges Netz gezogen.
Da war es nicht mehr schwer, „staatsfeindliche Verbrecher" schrift-
stellerischen Charakters zu fangen und festzuhalten.
Nur einige Beispiele:
Eine Nummer der „Münchener katholischen Kirchenzeitung" wurde
beschlagnahmt, weil sie einen Artikel über den ersten Bischof von
Münster mit den Worten (aus dem Gedächtnis zitiert) eingeleitet hatte:
„Auch der erste Bischof von Münster war schon ein mutiger Kämpfer."
Das war schon ein unzulässiger Hinweis auf den gegenwärtigen mutigen
Inhaber des Bischofsstuhles von Münster, H, A. Galen, der den Dikta-
toren des Dritten Reiches manch entschiedenes Wort sagte.
216
Die „Kleine Münchener Kirchenzeitung" vom März 1937 mußte
einen Artikel tilgen, in welchem berichtet war, wie General von Ziethen
einstmals eine Verspottung des christlichen Glaubens durch den' „Alten
Fritz" entrüstet zurückwies.
Am 24. August 1938 erhielt die Schriftleitung nachfolgendes Schrei-
ben des „Reichsministers für Volksauf klärung und Propaganda": „In
Nr. 27' Ihrer Kirchenzeitung geben mehrere Notizen Anlaß zu scharfer
Beanstandung.
Auf Seite 420 heißt es in dem Artikel „Zeit und Ewigkeit" folgen-
dermaßen:
„Alle Rassen finden sich hier zusammen. Ging da nicht gerade ein
gelber Bischof vorüber? Ein • schwarzer Priester kommt gerade aus dem
Petersdom und ein deutscher Kardinal unterhält sich mit einem fran-
zösischen Prälaten."
Der Roman „Priester der Verbannten" enthält auf Seite 423 folgende
Sätze:
„ . . . der Berufene darf nicht zurückschauen,, nicht nach der Scholle,
auf der er geboren war, nicht nach den Menschen, mit denen er ver-
bunden ist durch den Strom des Blutes; denn wer die Hand an den~
Pflug legt und zurückschaut, ist nicht tauglich für das Gottesreich.
Aber irgendwo, vielleicht auf einer fernen Insel, sind Menschen, die
ihre wunden Hände nach der Liebe ausstrecken, die mit zerrissenen
Lippen nach Hilfe rufen, die mit den toten Augen des Elends nach
einem Heiland ausschauen, der sich niederbeugt zu ihrer Not und ihre
Last auf die eigenen Schultern wirft."
In der Buchbesprechung auf Seite. 425 heißt es u. a.r
„. . . denn sie wußten, daß der Soldat in dem Maße seine nationale
Pflicht erfüllt, als er Christ ist."
Die angeführten Sätze sind geeignet, das Rasse- und Nationalgefühl
des deutschen Volkes zu untergraben, während sie andererseits dem
nichtchristlichen, gottgläubigen Soldaten die Fähigkeit der Pflichterfül-
lung absprechen.
Ich erteile Ihnen daher einen scharfen Verweis und weise Sie mit
Nachdruck auf die Folgen weiterer Beanstandungen hin.
Im Auftrag
gez. Dürr."
Treibjagdim,, Anzeigenfeld"
Wie kleinlich die Vorschriften über die Anzeigen bei
Kirchenzeitungen angewendet werden, zeigt nachfolgendes Schrei-
ben des „Präsidenten der Reichspressekammer, Berlin" vom
16. Juni 1937 an den Verlag der „Münchener katholischen Kirchen-
zeitung":
Betrifft: Anzeigen-Beanstandung.
Im Rundschreiben 7/1937 der Fachschaft der katholisch-kirchlichen
Presse wurde in Punkt 2 in meinem Auftrag darauf hingewiesen, daß
bei allen Verstößen gegen meinen Erlaß vom 17. Februar 1936 ohne
vorherige Verwarnung gegen den schuldigen Verlag eine Ordnungsstrafe
von mir verhängt wird.
Ich habe den Anzeigenteil Ihrer Zeitschrift „Münchener Katho-
lische Kirchenzeitung" von Nr. 18 ab (2. Mai 1937) geprüft und dabei
folgendes festgestellt: '
In Nr. 18 sind unzulässig die Kleinanzeigen Nr. 1492, 1502, 1500,
1493, Scheifel, 1506, Arcisstraße 5, 1499, 1497, 1482. (Diese Wohnungs-
217
gesuche und -angebote haben einen rein wirtschaftlichen Hinter-
grund, sie entbehren ihrer Natur nach des konfessionellen Charalcters,
auch wenn dieser durch Zusätze in sie hineingelegt wird), Stellen-
gesuche: Telefon 22 995, Nr. 1505, Anzeige: Betzl (moderne Damen-
schirme usw.).
In, Nr. 19 beanstande ich die Kleinanzeigen Hiltenspergerstraße 17/1
Nr. 1513, 1509, 1512, Hieber, Fentsch, 1507, 1511, Koller.
Nr. 20 bringt folgende unstatthafte Anzeigen: Nr. 1528, 1516, 1509,
1534, 1523, 1524, 1531, Herrnstraße 22/2 r., Hochhäusl, Waldtrudering,
Florastraße, 1529, 1525, Breisacher Straße 3/2 r., Nr. 1533, Klenzestr.
Nr. 95/2 1., Emma Schweiger, Volkartstraße 71/4, Daxenberger, Drei-
mühlenstraße 18, Stellenanzeigen: Nr. 1515, Kugler, Foto-Geschäft, An-
zeige: Joh. Betzl Ww.
In Nr. 21 sind unzulässig die Anzeigen Keßler, Herzog-Rudolf-
Straße 51, Nr. 1525, M. K. postlagernd Altötting, teilweise F. Reitsamer
& Sohn, Drahtgeflechte und Einfriedungen.
In Nr. 22 sind zu beanstanden die Kleinanzeigen Nr. 1547, 1551,
Andrä, 1546, 1558, Stellengesuche: 1548, 1561, 1554, Joh. Betzl Ww.
Folgende Anzeigen der Nr. 23 sind unstatthaft: Kleinanzeigen Nr.
1589, 1574, 1565 sowie die Anzeigen U, B. Fridrich, München, Sendlinger
Straße 14, Alban Scharner, München, Dienerstraße 11, Jakob Janich,
Reichenbachstraße 12, teilweise Rid & Sohn (im Sonderrundschreiben
der Fachschaft an die Verlage vom 26, Mai 1937 heißt es, daß Firmungs-
anzeigen, in denen Güter des allgemeinen Lebensbereiches entweder
allein oder zusammen mit religiösen Gegenständen angeboten werden,
unstatthaft sind).
Mit Rücksicht auf die große Zahl der beanstandeten Anzeigen setze
ich hiermit gegen den Verlag eine
Ordnungsstrafevon 5 0. — R M
bez. P.Sch. 21. Juni 1937
fest. Der Betrag ist binnen acht Tagen auf das Postscheckkonto der
Reichspressekammer Berlin Nr. 5861 unter dem Aktenzeichen A 4b zu
überweisen.
Ich ersuche, künftig genauestens darauf zu achten, daß in Ihrer
Zeitschrift keine unzulässigen Anzeigen veröffentlicht werden.
Im Auftrage:
gez. Unterschrift"
Ähnlich kleinlich wurde bezüglich des U m f a n g s der „Mün-
chener katholischen Kirchenzeitung" verfahren. Die Beilage eines
längst gedruckten, mit vielen Abkürzungen arbeitenden „Kirchea-
anzeigers" brachte am 22. August 1938 eine besondere Rüge.
Erst recht leicht und oft fand natürlich der Inhalt Beanstan-
dung, wenn er die geringste Kritik an nationalsozialistischen
„Größen" oder eine Abwehr ihrer Angriffe brachte.
Der Verlag „Katholisches Kirchenblatt des Bistums Berlin" erhielt
von der Staatspolizeistelle Berlin am 7. April 1935 nachfolgendes
Schreiben:
„Die Nr. 14 vom 7. April 1935 des Katholischen Kirchenblattes für
das Bistum Berlin wird wegen des auf Seite 13 erschienenen Artikels
„Der Reichs] ugendführer über die katholischen Jugendverbände" gemäß
§ 7 der Verordnung vom 4. Februar 1933 beschlagnahmt."
Wie das Bischöfliche Ordinariat Berlin in einem Rundschreiben an
den Reichsinnenminister unter dem 11. April 1935 darlegte, gab der an-
218
gezogene Artikel zunächst einen Teil der über alle deutschen
Sender gegangenen Rede des Reichs Jugendführers Baidur von
Schirach wieder. Wörtliche Zitate wiesen dann auf einschlägige Be-
stimmungen des Konkordates hin, aus denen die selbstverständliche
Folgerung für die Rechte und Pflichten der hohen Vertragspartner ge-
zogen wird. In schneidendster! Form wurde dann das Urteil über die ,
ungeheuerlichen Anwürfe des Reichsjugendführers dem Leser anheim-
gestellt und zum Schluß die Tatsache einer Beschwerde des Bischofs an
den Führer und Reichskanzler bekanntgegeben. „Der in seiner Gesamt-
haltung und in jedem einzelnen Satz durch stärkste Zurück-
haltung und strengste Sachlichkeit sich auszeichnende Ar-
tikel hatte den Zweck, in erzwungener Abwehr zu der Rede des
Reichsführers im Sinne des Bischöflichen Ordinariates grundsätzlich
Stellung zu nehmen und dadurch aufklärend und beruhigend auf das in
seinem religiösen Empfinden und in seiner Ehre aufs tiefste verletzte
und erregte treukatholische Volk einzuwirken."
Wir betonen dies, um das für den kirchentreuen K&tholiken gerade-
zu Unfaßbare der Beschlagnahme des Katholischen Kirchenblattes
wegen der gesetzlich unantastbaren, nach Inhalt und Form auf das
Mindestmaß beschränkten Notwehr zu kennzeichnen, die weit hinter
der an sich berechtigten und vom Volk erwarteten Abwehr zurück-
bleibt. Wenn die Beschlagnahme aufrechterhalten und der Grund der-
selben dem katholischen Volk bekannt wird, ist eine zur Verbitterung
sich steigernde Entrüstung zu erwarten aus dem allzu berechtigten
Empfinden, daß katholische Kirche und katholisches
Volk bezüglich des Schutzes seiner heiligsten Güter
unter Ausnahmerech tstehe n."
Beschlagnahmen und Verbote:
All die Beschlagnahmen katholischer Bistums-
blätter, Pfarrblätter und Zeitschriften aufzuzählen
würde zu weit führen.
Auch hierfür bloß ein paar Beispiele:
4. Mai 1934: Das Pfarrblatt von Aibling (Oberbayern)
Ende Juli 1934: Das Bonifatiusblatt Nr. 4
Ende des Jahres 1934: Das St. Konradblatt von Freiburg
20. Januar 1935: Das St. Konradblatt von Freiburg
8. März 1935: Das Pfarrblatt von Essen Nr. 10
21. März 1935: Das Pfarrbiatt von Essen Nr. 12
21. April 1935: Das Paulinusblatt von Trier Nr. 17
4. Mai 1935: Die Münchener Katholische Kirchenzeitung
10. Mai 1935: Die Münchener kleine Kirchenzeitung
28. Mai 1935: Leo Nr. 9
21. Januar 1935: Der Johannesbote von Schneidemühl Nr. 26
24. Januar 1935: Der Dortmunder Kirchenanzeiger
14. Juli 1935: Die Münchener Katholische Kirchenzeitung Nr. 28 ,
21. Juli 1935: Die katholische Kirchenzeitung von Ermland (bereits
das sechstemal!)
1. März 1936: Die kleine katholische Kirchenzeitung Münchens
20. März 1936: Die Kölner katholische Kirchenzeitung
Auch die Vatikanische Zeitung „L'Osservatore Romano"
blieb nicht verschont von den NS-Gewalttaten. In steigendem Mai3e
wurden Nummern, die irgendwie etwas für Deutschland Unan-
219
genehmes enthielten, beschlagnahmt bzw. im Auftrag der Gestapo
von der Post zurückbehalten und vernichtet.
Die „Ketteier Wacht" (die frühere „Westdeutsche Zei-
tung"), das Organ der katholischen Arbeitervereine Westdeutsch-
lands, mit ca. 150 000 Auflage, wurde im Frühjahr 1936 verboten.
Wie schon erwähnt, wurde auch die vom Katholischen Jung-
männerverband herausgegebene „Junge Front" mit mehreren
hunderttausenden Auflage verboten, noch vor Ablauf eines Jahres
auch ihr Nachfolger: „M i c h a e 1".
Die „W eltmission derkatholischen Kirch e", Aus-
gabe Aachen, mit rund 300 000 Exemplaren, herausgegeben vom
„Päpstlichen Werk der Glaubensverbreitung", wurde im • August
1937 verboten, „weil sie mit ihrer Verherrlichung fremder Rassen
eine Gefahr für die Rassentheorie, die Basis des national-
sozialistischen Staates, sei."
Das „K 1 e r u s b 1 a 1 1" der katholischen Priestervereine Bayerns
durfte für lange Zeit nicht mehr erscheinen, weil seine Darstellung
kirchlicher Verhältnisse in Rußland im Gegensatz zu dem stünde,
was von d,er deutschen Presse über Rußland ver-
öffentlicht werde und eine kommunistische Propaganda sei. In
Wirklichkeit hatte aber der Artikel das Wiederaufleben des reli-
giösen Lebens in Rußland und seine Triumphe über die Verbote
und Widerstände des Staates und der Parteiorganisationen be-
schrieben.
Die „Stimmen der Zei t", ebenso alt wie wissenschaft-
lich gediegen und in der ganzen Welt geschätzt, wurden verboten,
weil einer ihrer früheren Mitarbeiter, der gottbegnadete Schrift-
steller P. L i p p e r t, sechs Jahre vor seinem Tode in einem Briefe
eine abträgliche Äußerung über den Nationalsozialismus gemacht
hätte. •
Über die Erwürgung der Zeitschrift hinaus wurde auch noch das
ganze Haus der Schriftleitung in München mitsamt der wertvollen
Bibliothek innerhalb zwei Stunden weggenommen. Die Patres
durften nur ihre persönlichen Sachen mitnehmen.
Mit der Auflösung der katholischen Jugendvereine wurden alle
ihre Zeitschriften verboten, so die „ J u n g w a c h t", „D e r
Kran z", „Die Knosp e", „M y r t e".
Ebenso verfielen der polizeilichen Einstellung „M o n i k a", die
Zeitschrift der katholischen Müttervereine, die bereits 71 Jahrgänge
hatte; freilich forderte sie ein ganz anderes Ehe- und Mutterideal
als der Nationalsozialismus.
Auch der in ganz Bayern so beliebte „A 1 1 ö 1 1 i n g e r L i e b -
frauenbote" mußte die nationalsozialistische Rache über sich
ergehen lassen: Sein langjähriger, schreibgewandter, edler Schrift-
leiter, Msgr. Karl Vogl, der ebenso volkstümlich wie entschieden
220
die Irrtümer des NS oft dargelegt hfttte, wurde abgesetzt, später
sogar eine Zeitlang des Landes verwiesen.
Beispiele von Verboten katholischer Kalender sind: Katho-
lischer Elternkalender (herausgegeben von der katholischen Eltern-
vereinigung), Katholischer Familienkalender (herausgegeben vom
Verband süddeutscher katholischer Arbeiter- und Arbeiterinnen-
vereine), Franziskuskalender, Marienkalender.
Selbst Kirchenführer beschlagnahmt!
Eine ebenso große Härte wie Unbegreiflichkeit war die Be-
schlagnahme fast der Hälfte aller Kirchenführer, wie sie der
Münchener „Dreifaltigkeitsverlag" von Dr. Schnell und
Dr. Steiner für zahlreiche, künstlerisch besonders wertvolle Kirchen
herausgegeben hatte. Als Vorwand für das Verbot wurde genommen,
daß einzelne Hefte auf der Titelseite einfach den Namen oder das
Bild des Ortes trugen und damit den Anschein erweckten, als ob
sie eine Geschichte und Beschreibung des ganzen Ortes brächten,
während sie tatsächlich doch nur dessen Kirchen erläuterten.
Der Titel müßte also heißen „Die Kirche von . . ."
Um die fadenscheinige Begründung und den ganzen Umfang
des Verbotes erkennen zu lassen, sei der Beschlagnahmebeschluß
wiedergegeben.
Geheime Staatspolizei
Staatspolizeileitstelle München München, 15. November 1937
B.Nr. 66768/37 II P Be.
I. Beschluß
Auf Grund § 7 der VO des Reichspräsidenten zum Schutze des
Deutschen Volkes vom 4. Februar 1933 in Verbindung mit Artikel 102
des Ausführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung vom 18. 8. 79 werden
die im Dreifaltigkeitsverlag in München, Von-der-Pfordten-Straße, in
Broschürenform erschienenen „Kirchenführer", sofern diese nach deut-
schen Städten bzw. Orten benannt sind, beschlagnahmt und eingezogen.
Der Beschlagnahme unterliegen insbesondere die nachfolgenden bis
heute erschienenen Schriften mit Aufdruck:
Altenstadt, Aschaifenburg, Bad Charlottenbrunn, Bad Tölz, Bad Wiessee,
Bayrischzell, Bergrheinfeld, Blaubeuren, Buchau am Federsee, Burg-
hausen a. d. S., Cham in der Oberpfalz, Deggendorf, Dischingen a. d.
Egau, Egern am Tegernsee, Freilassing, Freudenstadt, Fürstenfeldbruck,
Füssen im AUgäu, Ebersberg, Fischbachau, Gauting vor München, Ge-
rolzhofen, Gmünd am Tegernsee, Gößweinstein, Schloß Hohenaschau,
Hohenfurch, Inchenhofen, Indersdorf, Ising am Chiemsee, Kirchweidach,
Köln-Hohenlind, Königshofen, Konnersreuth, Lenggries/Isarwinkel, Lig-
gersdorf/Hohenzollern, Margarethenberg, Marquartstein, Memmingen,
Meßkirch/Baden, Niederaschau, Nußdorf am Inn, Obergünzburg, Ober-
marchtal, Ottobeuren, Pfaffenhofen an der Um, Puch bei Fürstenfeld-
bruck, Reichenau-Mittelzell, Rosenheim, Rot an der Rot, Säckingen
am Rhein, Sandizell, Schussenried, Sigmaringen, Der Staflelberg, Stein-
gaden, Steinhausen, Starnberg am See, Stockach, Tegernsee, Teisendorf
vor dem Untersberg, Tiefenbronn, Tuntenhausen, Vilsbiburg, Volkach
am Main, Waldsassen, Weissenau/Württemberg, Ziemetshausen.
221
Gründe:
Die Benennung der „Kirchenführer" nach deutschen Städten und
Orten und der " Aufdruck der Städte- und Landschaftsbilder auf der
Titelseite läßt den Charakter der Schrift in keiner Weise erkennen und
gibt zu Irreführungen Anlaß. Insbesondere wurde durch diese Tarnung
das Publikum zum Kauf der Schriften angereizt, die es bei Kenntnis des
Inhalts zweifellos nicht erworben hätte. Da die „Kirchenführer" in
dieser Form insbesondere mit den Werbeschriften des Fremdenverkehrs
verwechselt wurden und das unlautere Angebot den berechtigten Un-
willen der Bewerber erregte, war die Beschlagnahme anzuordnen.
II. An den Dreifaltigkeitsverläg Dr. Steiner (Einschreiben)
München, Von-der-Pfordten-Straße 15
I.V.
gez. Beck
Bemerkung: Es hat wohl seinen besonderen Grund, warum die
Strafmaßnahme speziell Dr. Steiner zugestellt wurde. Als ehemaliger
Geschäftsführer der von Dr. Gerlich herausgegebenen Wochenzeitung
„Der gerade Weg" sollte er eben am meisten getroffen werden.
Als Beispiel des „Massenmordes" am katholischen Klein-
schrifttum und seiner fadenscheinigen Begründung eine kleine
Zusammenstellung:
Beschlagnahme von Schriften und ihre Begründung
I.Aus der Sammlung: „Dem Glauben zur Wehr!"
Nr. 7 „Braucht die Kirche einen Papst?" Das Heft darf
nur dann verkauft werden, wenn auf S. 13 die Bemerkung
„um das Jahr 300" (betr. Zölibat) geändert wird in „Jahr 970".
Nr. 8 „War Petrus in Rom?" — Ausführungen S. 9 (Schlechte
Päpste) und S. 13 und 14 (Trennung von Staat und Kirche,
Konkordat) sind teils imwahr, teils irreführend.
Nr. 11 „Kirche und Ehe" — Ausführungen auf S. 11 über Zivil-
ehe und letzte S. (24) über Ehe nach dem bürgerlichen Gesetz
sind irreführend. Bezeichnung „Mischehe" (S. 14 ff) ist heute
nur mehr im rassischen Sinne zulässig (Ehe mit Juden), nicht
aber in diesem kirchlichen Sinn.
Nr. 12 „Kirchliches Bücherverbot" — Die Ausführungen
S. 11/13 über „Duell und Ehre" sind heute überholt und irre-
führend, , da Duell heute ein staatlich anerkanntes
Erziehungsmittel ist (!).
Nr. 18 „W arum die vielen Sekten?" — Ein Heft über Sekten
ist heute überholt und deshalb unerwünscht, da in Deutsch-
land alle Sekten verboten sind.
2. Schriften von A. Worlitscheck :
Das Kritisieren — Ausführungen S. 3 und 5 nicht mehr an-
gebracht.
Spannung — Ausführungen S. 3 nicht mehr angebracht.
Familien brüche — S. 4, Ausführungen über Sozialismus über-
holt.
Mehr Rücksicht — S. 4 (Unwesen der Rücksichtslosigkeit).
Christus und heutige Jugend — überholt.
Wagnis der Ehe — Definition unmöglich, Erbgesundheit und
Rasse fehlen.
222
Weckruf an die Mütter — S. 12 betr. Konfessionsschule.
F ü h r e r i d e a 1 — • S. 11, 16, 28.
Bekenntnisschule — Idealschule — überholt.
Wertbeständiges Christentum — überholt.
Geweckte Mädchen — überholt.
Rettung der Jugendseele — S. 5, veraltete Anschauungen.
Heiligkeit und Nationalität — enthält Hiebe auf das heute
hoch im Kurs stehende deutsche Christentum.
Die Straße — überholte Ausführungen.
In die Kirche gehen? — - schafft auf S. 1 und 2 Verwirrungen.
3. Geusert: LiebeDeineKirche! ^
4. Schleger Fr. Leo: „Das Kleinod der christlichen Mäd-
chen" und „P a r a d i e s a u f Erden" (freilich 2 Büchlein, welche
die „Jungfräulichkeit" anders bewerteten als die Freunde von
„Lebensborn", Rudolf Heß und Heinrich Himmler (in ihren Kund-
gebungen zugunsten unehelicher Mystik).
5. Pribilla F. S.J.: „Fürchtet euch nicht".
Diese und ähnliche „K 1 e i n s c h r i f t e n" dünkten der Gestapo
eine so große Gefahr, daß auch- die letzten Exemplare noch aus
den Bücherständen der Münchener Kirchen geholt wurden, z. B.
im Mai 1936 aus St. Vinzenz in München.
Heft 1: Das Alte Testament nicht ein nationales, sondern ein Mensch-
heitsbuch.
Rasse und Religion.
Germanentum und Christentum.
Jesus kein Arier.
Ist Paulus der Stifter des Christentums?
Klare Begriffe! Gegen den Mißbrauch religiöser Begriffe in
der neuheidnischen Bewegung.
Germanisches Frauentum und Christentum.
Im Kampf um den Gottesgedanken.
Was heißt positives Christentum?
Was beweisen die Sünden der Päpste?
Gemeinschafts- oder Bekenntnisschule?
Zum Streit um Karl den Großen.
Kirche und Ketzer- Verfolgungen.
Seltsame Beschlagnahmebegründung
J. Pfeiffers Verlag hatte im Herbst 1939 begonnen,
packende Bub engeschic h t e n von Kaplan Weiser, Schwaz
(Tirol), herauszugeben, um ein Gegengewicht gegen die damals in
jeder Richtung anders eingestellte Jugendliteratur zu bieten. Sie
hießen kurz „Pfeiffer Bildhefte". Alles riß sich darum. In kurzer Zeit
mußten Neuauflagen gemacht werden. Ein Verbrechen in den Augen
von Gestapo und HJ! So etwas Zügiges zu schaffen, ohne braunes
Kleid und ohne Basse-, Blut- und Volksverhimmelung. Das mußte
doch genau unter die Lupe genommen und mit oder ohne Grund
aus der Welt geschafft werden!
223
Heft
2
Heft
3
Heft
4
Heft
5
Heft
6
Heft
10
Heft
11
Heft
13:
Heft
16
Heft
17
Heft
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Heft 21
Im Frühjahr 1940 das erste Gewitterwölkchen: Die Gestapo
verlangt je ein Exemplar der bis dahin erschienenen Hefte. Im
Juli verfinsterte sich der Himmel noch mehr: es wurden von jedem
Hefte mehrere Exemplare einverlangt. Am 15. August brach das
Gewitter los.
Lassen wir das weitere dem Verlagsinhaber, J. Hafner, selbst
erzählen:
Zur Mittagszeit des 15. August 1940 erschien ein Beamter der Geh.
Staatspolizei und eröffnete mir, daß er den gesamten Bestand der Pf eifler
Bildhefte zu beschlagnahmen hätte. Einen Gruhd hiefür konnte er mir nicht
angeben. Auf meine» Bitte hin, mir doch die Griinde bekanntzugeben, die
zur Beschlagnahme veranlaßten, erklärte er sich bereit, für mich um
diese nachzusuchen. Auch schriftlich habe ich eafum gebeten. Außei*
der Bestätigung über 46 750 Exemplare, die teils bei mir, teils in
der Druclterei mit Lastwagen abgeholt wurden, wurden noch zwei
weitere vorbereitete und gedruckte Auflagen beschlagnahmt. Warum
dieselben nicht aufgefiihrt sind, ob ein Fehler vorliegt oder ob sie vom
Drucker nicht genannt wurden, kann ich, nicht sagen. Der Gesamtver-
kauf swert belief sich auf etwa 20 M a r k. N a c h W o c h e n er-
hielt ich von der Gestapo einen Anruf, in dem mir die- Begründung mit-
geteilt wurde. Der Beamte las mir einen etwa 8 — 10 maschinenzeilen-
langen, in verklausuliertem Juristendeutsch ' abgefaßten Satz vor, den
ich zunächst nicht verstand. Auf meine Bitte hin, mir doch das Ganze
noch einmal langsam vorziilesen, um mir einige Notizen machen zu
können, antwortete die Gegenseite wörtlich: „Legen Sie den Bleistift
weg, Sie dürfen sich keinerlei Notizen mache n." Ich
habe mir trotzdem einige Stichpunkte notiert und das Wesentliche
lautete etwa: „Umfang der Auflage sowie der Inhalt der
Schriften gingen über den Rahmen der erlaubten Be-
tätigung auf dem Gebiete des konfessionellen Schrift-
tums hinau s."- — Ich glaube auch, daß die Art des Vertriebes
beanstandet wurde. Es war kein einziger Satz des Inhaltes
beanstandet; die Höhe der Auflage aber war durch die zu-
ständige Reichsschrifttumskammerstelle genehmigt. Der Vertrieb
erfolgte auf normalem buchhändlerischem Wege. Auf eine Anfrage, wie
ich mich gegenüber zwei Angeboten, betreifend der Übersetzungen ins
Holländische und Ungarische verhalten sollte, ließ mapi mich ohne
Antwort.
BeschlagnahmeundVerbotekatholischerBücher
Der Kampf gegen das katholische Buch forderte als
eines der eisten Vorkämpfer die Adventspredigten von Kardinal
Faulhaber: „Judentuhi — Christentum — Ger-
man entum".
Der deutsche Sturmtrupp Berlin vom 1. April 1934 gab den
Sieg über diesen „Feind" mit folgenden Worten bekannt:
„Das Buch des Kardinals Faulhaber verschwindet!
Die Aktion gegen das Buch des Kardinals Faul-
h a b e r ist nunmehr auch in Mannheim mit. vollem Erfolg durch-
geführt. Das Buch ist aus s ämtliche nBuchhändlungen ver-
schwunden, und die Buchhändler haben sich durch Unter-
schrift verpflichtet, das Buch auch auszugsweise nicht mehr in den
Handel zu bringen."
224
Die tapfere HJ tat auch mit und meldete
triumphierend:
„Das Faulhaber-Buch" aus dem Oberbann
Mittelbaden restlos verschwunden!
„Im Oberbann Mittelbaden ist das Buch des Kardinals
Faulhaber „Judentum — Christentum — Germanentum" vollständig aus
dem Buchhandel zurückgezogen. Der Buchhändlerverband hat auf Ver-
anlassung der Oberbannführung sämtliche Buchhandlungen angewiesen,
die Bücher zurückzuziehen. Selbst ausgesprochen katholische Buch-
handlungen . sind dieser Aufforderung restlos nachgekommen. Die ge-
samte Hitler-Jugend betrachtet das Buch als eine Be-
schimpfung unserer Vorfahren; sie verwahrt sich energisch
dagegen, daß in unserem Staat Bücher dieses Inhalts in der Öffentlich-
keit verbreitet werden."
Auch spätere Predigten von Kardinal Faulhaber, wahre Perlen
von Theologie und Redekunst, fanden nicht Gnade und Gefallen
der „Parteiamtlichen Prüfungskommission" und der Polizei, wie
nachfolgende Erlasse zeigen:
Parteiamtliche Prüfungskommission Berlin W 35, Mathäikirchpl. 7
zuni Schutz des NS-Schrifttums den 26. April 1937
9p/Sch.
Aus gegebener Veranlassung ersuchen wir Sie, uns die bei Ihnen
erschienene Schrift M. v. Faulhaber
„Münchener Kardinalspredigten" Folge 1:
„Unser Papst, unser Bischof, unsere Priester"
unter dem Zeichen P.X. in einem Exemplar vorzulegen. Sie wollen den
Ladenpreis des Buches angeben.
Heil Hitler!
L. S. gez. M. Pabst.
An den Verlag J. Pfeiffer, München 2 M, ^
Herzogspitalstraße 5
Polizeipräsidium München, Ettstraße.
An das Erzbischöfliche Ordinariat,
München, Pfandhausstraße 1
Geschäftszeichen und Tag meines Schreibens
DSt. 512 30. April 1937
Betrifft: Polizeiliche Beschlagnahme und Einziehung von Druckschriften.
Beschluß :
Gemäß § 6 der VO. des Reichspräsidenten zum Schutze des Deut-
schen Volks vom 4. Februar 1933 (Reichsgesetzblatt I, S. 35) wird
die Broschüre „Münchener Kardinalspredigten"
2. Folge
polizeilich beschlagnahmt und eingezogen.
I. A.: gez. Kriger.
Dem Todesurteil der Gestapo und ihrer Helfershelfer im Pro-
pagandaministerium verfielen auch:
Kreuz und Hakenkreuz _ 35 ppc
Sämtlich eBücher von P. Lippert, die doch zu den
höchststehenden literarischen Werken der letzten Jahrzehnte ge-
hören.
Algermissen: „Germanentum und Christentum", ein Buch,
so gediegen und ansprechend, daß es vom November 1934 bis Juli
1935 sechs Auflagen mit je 12 000 Exemplaren erlebt hatte.
Paffrath: Gottes Licht im Alten Testament.
Generalvikariat Köln: „Zu Rosenbergs Mythus des
XX Jahrhunderts."
D a h 1 : Zum Mythus des XX. Jahrhunderts.
Koch Anton: „Der neue Mythus und der alte Glaube."
Auch der Krieg brachte kein Nachlassen des Kampfes gegen
das katholische Buch. Von Kriegsbeginn bis zum 1. Oktober 1940,
also in 13 Kriegsmonaten, wurden folgende katholische Bücher ver-
boten:
1. Kirchliche Bestimmungen für militärpflichtige
Ordenspersonen, Wien 1940. Druck und Verlag Julius Lichter,
. Wien, Strozziggasse 41.
2. Gesegnete Brautzeit, von Burgmaier. Werkstudentenverlag.
3. Rückständiges Christentum, von Pius Fischer. Verl.,Huber.
4. Eugenik, von H. Muckermann. Dümmler- Verlag, Berlin.
5. Eugenik und Katholizismus, von H. Muckermann. Dümm-
■ ler-Verlag, Berlin.
6. Dein Kind im Gotteskleid, von Brecher, Ebbecke- Verlag,
Leipzig.
7. Altar und Leben, von Abt Heun, S.O.-Cis.-Verlag Schöningh,
Paderborn.
8. Christliche Ehe, Von Erwin v. Kienitz, Hessen- Verlag, Frank-
furt am Main.
9. Katholisch^, oder deutsche Kirche, von Reuß, Verlag
Laumann, Dülmen. 1935.
10. Junge, ich gehe mit Dir, von Andre, Steffenverlag, Lim-
burg. 1927.
11. Blinkfeuer, von Berghoff, Pustet- Verlag, Regensburg. 1930.
12. Christof er, von Msgr. Wolker, Dr, Tillmann, Vestischer Verlag,
Recklinghausen.
13. Schwäbische Bräuche, von Baumann, Keppler- Verlag,
Stuttgart. '
14. Wertphilosophie, von Johannes Hessen.
15. Botschaft vom Leben, von Wilhelm Hünermann, Missions-
druckerei Steyl.
16. Der Geheimbef ehl, Pallottiner- Verlag, Limburg, 1940,
17. Tage der Entscheidung, von Allroggen, Mosella- Verlag.
18. Vita nova, Zürich (alles verboten).
19. Jahrbuch der Matthias-Pfarrei, von Coppenrath, Ger-
mania-Verlag.
20. Heiliges Wissen, von Lux, Ars Sacra- Verlag, München.
21. Umbruch der Zeit, von Johannes Engel, Aderholz- Verlag,
München.
226 ■
22. Familienseelsorge, Kolping- Verlag, Köln.
23. Im Streite zur Seite, Hermann-Joseph Schmitt,' Vestischer
Verlag, Recklinghausen.
24. Die Kirche Christi, von Otto Iserland, Benziger- Verlag.
25. Katholischer Chris t. Waseristundwasernichtist^
von Matthias Laros, Schöningh-Verlag.
26. Maria. Gedanken für die Seelsorge, Verlag „Fahne
Mariens", Berlin.
27. Held im Werktag, von Dr. Menninger, Pallotiner- Verlag,
Limburg.
28. Friedrich Muckermann, sämtliche Werke verboten.
29. Omnibus omnia, von Heinr. Schulte, Pallottiner-Verl., Limburg.
Auf eine Anfrage des Erzbischöflichen Ordinariates München
am 16. Februar 1937 bei den außerbayerischen Ordinariaten über
Schriftenbeschlagnahme gingen unter anderem folgende Antworten
ein:
' DiözeseAachen:
Beim Verlag Butzon & Bercker, Kevelaer (Diözese Münster) wurden,
wie man uns mitteilte, 150.000 Stück „Zeitfragen" der von den Jesuiten
herausgegebenen Sammlung und 36.000 Stück der von Pfarrer Dr. Ernst
Breit herausgegebenen JHeftchen für Reichsarbeitsdienst, Landjahr,
Landhilfe beschlagnahmt.
Erzdiözese Freiburg i. Br.:
Nach unseren Feststellungen sind aus dem Verlag Herder hier bis-
her verboten worden:
Stimmen der Zeit: Novemberheft 1934
Dezemberheft 1936; die drei ersten Hefte des Jahrgangs 1936 sind
nicht erschienen.
Helmut Meisner: „Pfadfinder zum Volk" (Jugenderzählung, 1934)
Anton Koch S.J.: „Der neue Mythus und der alte Glaube" (1936)
Frz. Schweyer: „Politische Geheimverbände" (1925)
Max Pribilla S.J.: „Fürchtet euch nicht!" (1935)
Paul Simon: „Das MenschUche in der Kirche Christi" (1936)
Von dem 1936 erschienenen Buch von Dr. M. Laros „Neue Zeit und
alter Glaube" ist auf einen persönlichen Wink einer maßgebenden
Stelle eine Neuauflage nicht veranstaltet worden.
Emmy Gruhner: „Feuerseele" (Roman mit dem Thema der religiösen
Mischehe) (1935)
In der Monatsschrift „Bücherkunde" der Reichsstelle zur Förderung
des deutschen Schrifttums sind aus demselben Verlag nachstehende
Schriften negativ beurteilt worden:
J.B.Schuster S.J.: „Die Soziallehre nach Leo XIII. und PiusXI." (1935)
Dr. Anton Stonner: „Die religiös-sittliche Führung Jugendlicher durch
den Priester" (1934)
Hilda Torthof er: „Der fahrende Schüler" (Roman, 1935)
Arthur Kern: „Der neue Weg im Rechtschreiben" (1935)
Fritz Grüninger: „Der Ehrfürchtige." „Anton Brückners Leben, dem
Volk erzählt" (1935)
Johannes Mumbauer: „Die deutsche Dichtung der neuesten Zeit", Bandl
(1931)
Dr. Konrad Gröber: „Einer ist Euer Lehrer, Christus" (1935)
227
Franz Schneller: „Blaubuch eines Herzens" (Roman, 19S5)
Ansgar Vonier: „Christianus" (1935) ,
Icilio Felici: „Unter Wölfen. Pater Linus von Parma, ein Apostel der
Liebe aus neuester Zeit" (1935)
Henriette Fernholz: „Klassenkameraden" (1935)
Dr. Konrad Gröber: „Kirche, Vaterland und Vaterlandsliebe" (1935)
Johannes Lindworsky: „Psychologie der Aszese" (1935)
Dr. Josef Prestel: „Deutsche Literaturkunde" (1935)
Wilhelm Schüssen: „Die Geschichte des Apothekers Johannes" (1935)
Hermann Muckermann: „Kind und Volk" (1934)
Diözese Limburg :
Aus Verlagen in unserm Bistum sind verboten:
1. Fiedler, „Der neue Mensch", Matthias-Grünewald-Verlag, Wiesbaden
2. Weinrich, „Das Xantener Domspiel", St.- Georgs- Verlag in Frankfurt.
Die Begründung ad 1 ist uns nicht bekannt geworden.
Die Begründung ad 2 lautet: „Da ihr Inhalt sich mit den im heutigen
Staate herrschenden Anschauungen und Grundsätzen nicht verein-
baren läßt."
Erzdiözese Paderborn:
Bei der Bonifatiusdruckerei ist für folgende Druckwerke ein Ver-
triebsverbot, ergangen:
F. Walter- „Die Kirche, die Mönche und die Bauern" '
O. Schilling: „Das soziale Evangelium"
Pinsk; ;,Die Kirche Christi als Kirche der Völker"
Die erste Auflage von Schilling darf unter streng einzuhaltenden
Bedingungen ausverkauft werden.
Verbot und Beschlagnahme von Hirtenbriefen
Überraschend schnell, noch ehe zwei Jahre seit dem Abschluß
des Reichskonkordates verflossen waren, begannen die Verbote und
Beschlagnahmen von offiziellen bischöflichen Amtsblät-
tern, insbesondere von solchen, welche Hirtenbriefe ent-
hielten, sei es des gesamten deutschen Episkopates oder einzelner
Bischöfe.
Artikel 4 des Reichskonkordates bestimmt zwar:
„Der Hl. Stuhl genießt in seinem Verkehr und seiner Korrespon-
denz mit den Bischöfen, dem Klerus und den übrigen Angehörigen der
katholischen Kirche in Deutschland volle Freiheit. Dasselbe gilt
für die Bischöfe und "sonstigen Diözesanbehörden für ihren
Verkehr mit den Gläubigen in allen Angelegenheiten ihres Hirtenamtes.
Anweisungen, Verordnungen, Hirtenbriefe, amtliche Diözesanblätter
und sonstige die geistliche Leitung der Gläubigen betreffende Ver-
fügungen, die von den Kirchenbehörden im Rahmen ihrer Zuständig-
keit (Art. 1 Abs. 2) erlassen werden, können ungehindert ver-
öffentlicht und in den bisher üblichen Formen zur Kenntnis der
Gläubigen gebracht werden."
Aber solch eine Verpflichtung band ja nur oder, besser gesagt,
sollte nur solange den Schein einer Rechtsbindung vortäuschen,
solange dies nützlich war; denn „gut ist, was nützlich ist." Aber
nachdem die Zeiten sich geändert hatten, nachdem man mehr den
228
Machtstandpunkt als den Rechtsstandpunkt hervorkehren konnte,
war Artikel 4 des Reichskonkordates ebensowenig eine Fessel wie
die übrigen 33 dieser feierlichen Übereinkunft. Da konnte beispiels-
weise die „Bayerische Politische Polizei" nachfolgende gründliche
und scharfe Anweisung für die allseitige Durchführung des Ver-
botes eines' Hirtenbriefes geben:
Bayrische Politische Polizei
B. Nr. 30 765 I 2
„München, den 4. September 1935
An alle Bezirksämter
Betreff: Hirtenbrief der in Fulda versammelten deutschen Bischöfe
vom 20, August 1935.
Der Hirtenbrief der Fuldaer Bischofskonferenz darf in keiner
Form in der Tagespresse veröffentlicht werden. Ein
Erscheinen in gek Qr zt er F orm ist ebenfalls nicht angängig. Die
Veröffentlichung in Wochen- oder Monatsschriften, in sogen. . Sonntags-
blättern, Sonderdrucken usw. ist gleichfalls unstatthaft.
Die Verbreitung des Hirtenbriefes in jeglicher
Form ist unter allen Umständen zu unterbinden. Unter
die Verbreitung in jeglicher Form fällt sowohl der unentgeltliche als
auch der entgeltliche Vertrieb, jede flugblattmäßige Verbreitung —
auch wenn es sich um kirchliche Amtsblätter handelt -^ die Verteilung
auf öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen, von Haus zu Haus, die
Versendung- durch die Post, die Verbreitung bei Versammlungen und
in Kirchen, sowie jeglicher Verkauf in Buchhandlungen, Zeitungsstän-
den usw. Besonderes Augenmerk ist hierbei den Klöstern, Bücher-
ständen in Kirchen und den Verkaufsstellen an Wallfahrtsorten zuzu-
wenden. Erfaßte Exemplare des Hirtenbriefes sind polizeilich zu
beschlagnahmen und zu vernichten. Von einer Beschlagnahme des
Hirtenbriefes ist lediglich dann abzusehen, wenn es sich um einzelne
von Geistlichen abonnierte bzw. kirchenamtlich an diese gelieferte,
ebenfalls einzelne Amtsblätter handelt.
Bei der Wegnahme von Druckerzeugnissen mit dem Hirtenbrief,
die zur öffentlichen Verbreitung in Kirchen gelangen sollen, ist folgen-
dermaßen zu verfahren: der zuständige Pfarrer oder dessen Vertreter
ist von der Beschlagnahmeverfügung mündlich in Kenntnis zu setzen
und zur Herausgabe der Hirtenbriefe aufzufordern. Bei bereits begon-
nener oder beabsichtigter Verbreitung in der Kirche ist der Verteiler
oder bei Aufliegen der Hirtenbriefe zu persönlicher Entnahme gege-
benenfalls der Kirchendiener vor der Kirche zu bitten. Hier ist der
Verteiler, bzw. der Kirchendiener, auf die Beschlagnahmeverfügung
hinzuweisen und zur Herausgabe der Druckschriften aufzufordern. In
der Kirche verteilte, aufgelegte Blätter sind vom Kirchendiener ge-
gebenenfalls unter Aufsicht eines Beamten einzusammeln und
abliefernzulassen.
In Kirchen selbst darf jedoch nur im äußersten Notfalle und nur
durch Beamte in Zivil vorgegangen werden. Gottesdienstliche Hand-
lungen dürfen in keiner Weise gestört werden. Das Einschreiten in
Kirchen selbst würde sich demnach nur auf die Zeit vor oder nach
gottesdienstlichen Handlungen beschränken.
gez. I.V. Stepp."
Abdruck in /Tagespresse und Kirchenzeitungen, Verteilung von
Sonderdrucken u. ä. waren aber „die bisher üblichen
Formen" gewesen, in denen Hirtenbriefe „zur Kenntnis der
Gläubigen gebracht wurden." Trotzdem das Verbot!
229
'Von 1937 ab konnte überhaupt fast kein Hirte n-
briefmehrgedruckt oder in größerer Auflage dem Volk in
die Hand gegeben werden. Die Gefahr der Beschlagnahme und von
Repressalien selbst gegen die Druckerei, welche die Hirtenbriefe
herstellte, war so groß, daß das Personal derselben in Angst geriet,
sobald in einer bischöflichen Kundgebung eine klare Zurück-
weisung oder Verurteilung nationalsozialistischer Anschauungen
oder staatlicher oder polizeilicher Willkürmaßnahmen enthalten
war. Hirtenbriefe konnten darum zumeist nur noch von den
bischöflichen Behörden inhektographierter Form dem
Klerus bekanntgegeben werden.
Als der deutsche Episkopat im Jahre 1935 eine kirchliche
„Informationsstelle der bischöflichen Behörden
Deutschlands" gründete, damit an einer Stelle (in Berlin)
die kirchlichen Nachrichten aus den Diözesen ganz Deutschlands
gesammelt und von dort wiederum an die einzelnen Ordinariate
weitergeleitet würden, wurde diese Zentrale alsbald von der
Gestapo aus- und aufgehoben, ihr Leiter, Domkapitular B a n a s c h
von Berlin, für mehrere Monate verhaftet, der Generalvikar von
Würzburg auf einige Tage, jener von Passau ebenfalls kurz.
Gipfelpunkt der Rücksichtslosigkeit,
Gewalttätigkeit und Vertragsuntreue
Das Dritte Reich fühlte sich auch durch den ersten Satz
des Artikels 4 des Reichskonkordates nicht gebunden. Die darin
„zugesicherte volle Freiheit" für den Hl. Stuhl
war keiner Beachtung wert, wenn der Hl. Stuhl den „Bischöfen,
dem Klerus und den übrigen Angehörigen der katholischen Kirche
in Deutschland" Unangenehmes, wenn auch noch so Wahres über
den Nationalsozialismus zu sagen hatte, wie es in der Enzyklika:
„Mit brennender Sorge" am 13. März 1937 geschah. .
Da erhob die Gestapo ihren mächtigen Arm, um alle zu ver-
nichten, die es wagten, dieses Papstwort zu drucken und zu ver-
breiten und streckte überall ihre langen Finger aus, um noch
an sich zu reißen, was davon schon irgendwie ins Volk gedrungen
war.
So verfügte beispielsweise die Gestapo in München:
Geheime Staatspolizei München, 27. März 1937
Staatspolizeileitstelle München
Betreff: Päpstliches Eundschreiben über die Lage der Katholischen
Kirche im Deutschen Eeich.
Papst Pius XI. hat an die Erzbischöfe Deutschlands ein Rund-
schreiben über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Reiche
erlassen, das bereits am 21. März 1937 von den Kanzeln der Kirche
verlesen wurde und in der Zwischenzeit auch im Druck erschienen ist.
Da das Rundschreiben hochverräterische Angriffe gegen
den nationalsozialistischen Staat enthält, wird folgendes angeordnet:
1. Sämtliche außerhalb der Kirchen und. Pfarrhöfe
greifbaren Exemplare des Kimdschreibens sind zu beschlag-
230
nahmen. Auch die im Besitze von Privatpersonen vorgefundenen
Einzelstücke sind einzuziehen.
Druckschriften, die sich in Händen von Geistlichen befinden, wer-
den von dieser Maßnahme nicht berührt.
2. Sämtliche Personen, die sich mit der Verteilung
der Schriften außerhalb der Kirchen und Pfarrhäuser
befassen, sind, soweit es sich nicht um Geistliche handelt, sofort
festzunehmen und umgehend dem Gericht zur strafrechtlichen Ab-
urteilung zu übersteilen. Ihre Entfernung aus der Partei, ihren Gliede-
rungen und angeschlossenen Verbänden, wie DAF, ferner Handwerks-
kammer, und dergleichen ist sofort zu veranlaßsen.
3. Kirchenblätter und kirchliche Amtsblätter, die
das Rundschreiben abgedruckt haben, sind zu beschlagnahmen
undauf die Dauer von drei Monaten zu verbieten.
4. Druckereien und Verlage, in denen das Rundschreiben
hergestellt bzw. verlegt wurde, sind sofort zu schließen. Die ver-
antwortlichen Personen (Verleger, Drucker, Schriftleiter) sind unverzüg-
lich hieher zu melden, damit von hier aus weitere Maßnahmen gegen
sie ergriffen werden können.
I.V. gez. Dr. Stepp"
Absatz 1 der obigen Gestapoverordnung war schon am Vor-
abend der Verlesung des Päpstlichen Rundschreibens voraus-
genommen worden: über 10 000 Exemplare, die für das Erzbischöf-
liche Ordinariat München nach Lieferung von etwa 35 000 Exem-
plaren noch in der Druckerei waren, wurden beschlagnahmt.
Ganz besonders hart aber wurde Absatz 4 der Polizeiverfügung
durchgeführt. Vergebens versuchte Kardinal Faulhaber den Bann-
strahl der Gestapo von der Firma Höfling (Inh. Dr. V. Mayer), die
in seinem Auftrag die Enzyklika gedruckt hatte, abzuwehren, in-
dem er großmütig alle Verantwortung auf sich selbst nahm mit
dem Schreiben:
„Der
Erzbischof von München und Freising
an .
Herrn Dr. Valentin Mayer
Druckerei Höfling-München
Geehrter Herr Doktor!
Für die strafrechtlichen Verhandlungen über das päpstliche Rund-
schreiben vom 14. März 1937 (Lage der katholischen Kirche im Deut-
schen Reich) erkläre ich, daß der Auftrag zur Drucklegung tmd zur
Verlesung des Rundschreibens in den Kirchen meiner Erzdiözese von
mir gegeben wurde, und das Begleitschreiben an die Seelsorgstellen,
das über die Verlesung nähere Anweisungen erteilte, mit meinem vollen
Namen gezeichnet ist. Damit habe ich diemoralische Ver-
antwortung übernommen, wenn das Rundschreiben wirklich
strafrechtliche Nachspiele haben sollte. In dem Maße, in dem ich diese
Verantwortung übernehme, will ich den Drucker entlasten,
der in gutem Glauben einen Druckauftrag ausführen konnte, weil er
keine polizeiliche Zensurstelle bildet, und der von der Minute ab, in
der ihm das Verbot der Geheimen Staatspolizei bekannt wurde, kein
einziges Stück mehr druckte. Ebenso will ich die braven Ar-
231
beiter entlasten, die sich in keiner Weise bewußt waren, etwas
Unrechtes zu tun und deshalb nach gesundem Rechtsempllnden nicht
gestraft werden können. Ich ermächtige Sie, geehrter Herr Doktor, von
dieser Erklärung jeden Ihnen gut scheinenden Gebrauch zu machen.
München, 3. April 1937
gez. Kardinal Faulhaber
Erzbischof von München"
Die Gestapo ließ sich durch diese Entlastung in ihrem Zorne
auf die Druckerei Höfling nicht beeinflussen, sondern verfügte am
14. Juni 1937:
„B.Nr. 65995/37 — II 1 K — Br.
Betrifft: Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens; hier
Buchdruckerei und Verlag Valentin Höfling in München,
Lämmerstraße 1 (Inhaber; Dr. Valentin Mayer).
Beschluß
Auf Grund des § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Einziehung kom-
munistischen Vermögens vom 26. Mai 1933 (RGBl. X, S. 293)
in Verbindung mit dem Gesetz vom 14. Juli 1933 (RGBl. I, S. 479) über
die Einziehung volks- und staatsfeindlichen Vermögens
und der Min. Bekm. vom 19. Sept. 1933 Nr. 3862 a 133 (St. Anzeiger
Nr. 218), wird hiermit das gesamte Vermögen der Firma
Buchdruckerei und Verlag Valentin Höfling
In München, Lämmerstraße 1, — Inhaber Dr. Valentin M a y e r in Mün-
chen, Potsdamer Straße 5 — unter Bestätigung der Beschlagnahmung
am 11. Juni 1937 auf Grund § 1 der VO des Herrn Reichspräsidenten
zum Schutze von Volk und Staat vom 28. Februar 1933 (RGBl. I, S. 83)
zugunsten: des Landes Bayern eingezogen.
' gez. Christmann"
Am 6. Juli 1937 veröffentlichte der „Reichsanzeiger" diese Ent-
eignung mit dem Zusatz:
„Gegen diesen Beschluß ist ein Rechtsmittel
nicht gegeben."
Besonders zu beachten ist hiebei, daß auch das gesamte Ver-
mögen des Verlags Höfling eingezogen wurde, obwohl dieser
mit der Enzyklika nicht das geringste zu tun hatte, sich auf die
Herausgabe kleiner Druckschriften, besonders kleiner Theater-
stücke für die katholische Vereinsbühne u. ä., beschränkte.
Eine neue Ungeheuerlichkeit bedeutete es, als nach ein paar Wochen
(27. Juli 1937) von der Gestapo entschieden wurde, daß die Schuld
der Firma Buchdruckerei und Verlag Val. Höfling von 25 000 RM. auf
dem Bankkreditkonto bei der Bayerischen Staatsbank in München von
dem Lande Bayern (der Nutznießerin der Vermögensenteignung) nicht
übernommen würde. Also alles, was an Bankgeldern, Postscheckgut-
haben, Büroeinrichtung, Schreibmaschinen, Setzmaschinen, Druck-
maschinen, Schriftmaterial, Verlagswerken etc. vorhanden war, dies
alles wurde restlos und entschändigungslos weggenommen. Belassen
wurden dem bisherigen Inhaber nur die Verpflichtungen, '
außer der genannten Bankkreditforderung auch eine alte Schuld gegen-
über seinem eigenen Vater und seinen eigenen Kindern.
232
Der Gestapo stellte sich dann auch noch die Vereinigung
der Bühnenverleger e, V., Fachverband der Reichstheater-
kammer, rächend an die Seite, indem sie am 11. August 1937 an
Dr. Valentin Mayer schrieb:
„Betrifft: Zulassungsurkunde.
Durch den kommissarischen Treuhänder für die Firma Val. Höfling
bin ich von Ihrem • Ausscheiden aus dem Verlag benachrichtigt worden.
Da hierdurch die vom Herrn Präsidenten der Reichstheaterkammer
ausgefertigte Zulassungsurkunde vom 7. Februar 1936 ungültig gewor-
den ist, ersuche ich um umgehende Rückgabe dieser Urkunde.
Gleichzeitig ersuche ich Sie um Rückgabe des in Ihren Händen
befindlichen Mitgliedsausweises Nr. 1049 des Fachverbandes, da mit
Erlöschen der Zulassungsurkunde auch die Mitgliedschaft im Fachver-
band endet und der Mitgliedsausweis Eigentum des Fachverbandes ist.
Heil Hitler!
Vereinigung der Bühnenverleger e, V^
Fachverband der Reichstheaterkammer
gez. Stadeler."
Die „Reichspressekammer'
stehendem Erlaß:
tat ein gleiches mit nach-
Der Präsident der
Reichspressekammer
Geschäftzeichen :
Dr. Mö./Hn./XII
Herrn
A 2 5092
Berlin W 35, am 27. Aug.
Viktoriastraße 11.
Fernsprecher: 22 Ol 88
1937,
Einschreiben!
mit Rückschein!
Dr. Valentin Mayer
München
Potsdamer Str. 5.
Betr. : Verlag Valentin Höfling, München, Lämmerstraße 1.
Unter Bezugnahme auf den Erlaß des Herrn Reichsministers des
Innern vom 25. Mai 1937 schließe ich Sie hiermit auf Grund des § 10-,
der I. Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes
vom 1. November 19^3 (RGBl. 1/1933 S. 7971f.) wegen mangelnder
Zuverlässigkeit und Eignung mit sofortiger Wirkung aus der
Reichspressekammer aus und untersage Ihnen jede weitere presse-
mäßige Betätigung.
Siegel
Im Auftrage:
gez. Dr. Richter.
Als Dritter glaubte auch noch der Präsident der Reichsschrift-
tumskammer dem Verleger Dr. Val. Mayer einen besonders kräf-
tigen Fußtritt geben zu müssen, indem er ihn nicht bloß aus der
Berufsvertretung ausschloß, sondern ihm auch jegliche buchhänd-
lerische Betätigung untersagte.
Kreuz und Hakenkreuz 16 233
Der Präsident dar Berlin W 8, de» 4. September 37
Reichsschrifttumskammer Friedrichstraße 194/19D
Fernruf: 113043 u. 113044
n B 1.2328.BO.
Einschreiben.
Herrn
Dr. Valentin Mayer
München
Potsdamer Straße 5
Der Herr Reichsminister des Innern hat mit dem Erlaß vom 25. Mal
1937 gemäß dem Gesetz über die Einziehung volks- und staatsfeindlichen
Vermögens vom 14. Juli 1933 festgestellt, daß die Druckerei Valentin
Höfling, München, volks- und staatsfeindliche Bestrebungen verfolgt
hat. Da dies unter Ihrer Inhaberschaft und Leitung geschehen ist,
kann ich in Ihrer Person die nach § 10 der Ersten Verordnung zur
Durchführung des Reichskulturkammergesetzes vom 1. 11. 1933 (EQBl.
1933 I S. 797) für die Betätigung als Buchhändler erforderliche Zuver-
lässigkeit nicht mehr als gegeben era%hten. Ich muß Sie deshalb hier-
durch mit sofortiger Wirkung aus meiner Kammer ausschließen. Da-
mit verlieren Sie die Befugnis, sich Irgendwie im Zuständigkeitsbereiche
der Kelchsschrifttumskammer zu betätigen. Im Falle von Zuwiderhand-
lungen würden Sie Sich der Gefahr von Ordnungsstrafen und polizei-
lichen Zwangsmaßnahmen auf Grund von § 28 der genannten Verord-
nung aussetzen.
Sie wollen unverzüglich der Reichsschrifttumskammer — Gruppe
Buchhandel — in Leipzig C 1, Gerichtsweg 26 — bestätigenj daß Sie
jede buchhändlerische Betätigung eingestellt haben.
In Vertretung:
Siegel \ gez. Baur.
Ähnlich wurden zwölf Druckereien und Verlage
Deutschlands wegen Druck des päpstlichen Rundschreibens
cntschUdigungslos weggeinommen, so z. B.:
St.-Otto- Verlag G. m. b. H. in Bamberg,
Druckerei Metz in Aachen,
Regensbergsche Buchdruckerei. In Münster,
Druckerei Emmerich Herzig in Trier,
Hof rat Jägersche Druckerei in Speyer.
Die Staatspolizeistelle für den Regierungsbezirk Hildesheim
teilte sehon am 22. Mär2 1037 dem Bischöflichen Öeneralvikariat
Hiidesheüm mit:
„Auf Grund der Verordnung des Herrn Reichspräsidenten vom
4. Februar 1933, §§ 7 und 9 — in Verbindung mit § 14 P.V.Bl. vom
1. Juni 1931 (Ges. S. S. 77) ordne ich hiermit die vorläuftge Beschlag-
nahme und Slcherstellung des von Ihnen herausgegebenen und bei dem
Verlage Landespost in Hildesheim gedruckten „Kirchlichen Anzeigers
der Diözese Hildesheim" Nr. 5 vom 17. März 1937 sowie jeder Nach-
folge- oder Ersatzschrift desselbeh, die däS Rundschreiben des Papstes
Plus XI. über die Lage der katholischen Kirche im Deutschen Heieh
bringt, in der gesamten Auflagenhöhe an.
Die Anordnung erfolgt, weil dieses Rundschreiben mit seinen
von mangelndem Verständnis für den.natlonalgoala-
234
listischen Staat zeugenden Äußerungen Angriffe auf
die deutsche Staatsführung enthält und geeignet ist, die
vom Staate bislang gewährleistete Euhe und Ordnung im Deutschen
Reiche zu stören.
Gleichzeitig verbiete ich den Druck und die Herausgabe des
kirchlichen Anzeigers der Diözese Hildeshelm auf die Dauer von
3 M o n a t e n.
Ein Verstoß gegen diese Anordnung zieht die gesetzlichen Folgert
nach sich.
(Siegel) In Vertretung:
gez. Söchting."
Von besonderem Interesse dürfte in dieser polizeilichen Ver-
fügung die „Inanspruchnahme dör Verordnung des Herrn Reichs-
präsidenten vom 4. Februar 1933" sein, die mit den Worten beginnt:
„Auf Grund des Artikels 48 Absatz 2 der Reidhaverfassung wird zur
Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Ge-
waltakte folgendes verordnet." Also der Hl. Vater, der wenig«
Tage Vorher ein Weltrundsehreltaen gegen den Kommu-
ni am u» erkäsen hatte, wird von der deutschen Gestapo „kommu-
nistisch staatsgefährdender Gewaltakte" geziehen.
Ein zweites Ist in der Polizeimaßnahme besonders auffallend:
Druck und Herausgabe eines kirchlichen Amtsblattes, das
dem Diözesanklerus die offiziellen kirchlichen Verordnungen und
Mitteilungen übermitteln soll, wird auf V4 Jahr verboten I!
Das war „ungehinderte Veröffentlichung" bi-
schöflicher Anweisungen, Verordnungen, Hirtenbriefe,
amtlicher Diözesanblätter, wie sie die Reichsregierung in Artikel 4
des Reichskonkordates feierlichst zugesagt hatte.
Das Wort „Fessel n" ist hlefür eigentlich zu schwach, man
muß es schon Ketten nennen.
Der Oegensatsi.
Der Weizen wurde ausgerissen und zertreten oder ins Feuer
geworfen, das Unkraut aber durfte wild wachsen und sich aus-
breiten. Wir schauen gleichsam eine Parade der anti-
christlichen Zeitungs- und Z ei t s c hr if tenf r on t
des Dritten Reiches in nachfolgendem Verzeichnis der
Zeitungen und Zeitschriften, di^ damals in München bei Straßen-
händlern und Zeitungskiosken verkauft wurden (Tageszeitun-
gen sind dabei nicht aufgeführt).
I. Politische Schriften:
1. Braune Post.
2. Der SA-Mann.
3. Das Schwarze Körps.
4. Deutsche Zukunft.
5. Deutsche Wochenschau.
6. Berliner Herold.
1. Neudeutsehe Zeltung.
8. Sonntag-Morgen-Post.
235
IL Antisemitische Schriften:
1. Der Stürmer.
2. Der Judenkenner
3. Der Hammer.
III. Antichristliche (Neu heidnische) Schriften:
1. Der Reichswart.
2. Der völkische Herold.
3. Der Bhtz.
4. Die Drehscheibe. (Verlag Fi'iedr. Oberschilg, Bredenbeck üb. Hann.)
5. Der Durchbruch. (Neue Folge der „Vollendung", früher JVerwolf.
Verlag Karl Gutbrod, Stuttgart-O, Moserstraße 22.)
6. Am hl. Quell. 1
7. Der Brunnen. \ Ludendorlf.
8. Das Wikingerschiff. )
9. Der romfreie Katholik (gegen die katholische Kirche) von Pfarrer
Rüthwohl, Essen, Bernestraße 1.
10. Bunte Wochenschau.
11. Deutsche Volksschöpfung.
12; Die Flammenzeichen. (Schriftl.: Alfred Miller, völk. Blätter, f. nor-
disch-germ. Art in Religion und Kultur, Staat und Wirtschaft, gegen
allen Freradgeist und gegen jede Art Verfälschung. Erscheinen wö-
chentlich. Verlag: Schwertschmiede, LeonbergrStuttgairt.)
13. Nordische Zeitung.
14. Deutsche Freiheit. (Begründet von Dr. Otto Dikas, Augsburg,
Richtung Ludendorff, Verl, Leonberg-Stuttgart.)
15. Deutsche Revolution. (Ludendorff- Richtung.) ■
16. Deutsches Werden. (Leipzig, Zeitschrift für nordische Kultur.)
IV. Militärische Schriften:
1. Der Stahlhelm.
2. Der Frontsoldat.
3. Der Frontkrieger.
4. Der Freiheitskämpfer.
5. Friderikus.
V. Astrologische. Schriften:
1. Weltpolitische Rundschau.
2. Neues Deutschland.
3. Der Seher.
VI, Verschiedene Schriften:
1. Runenforscher.
2. Blick in die Zeit.
3. Kurze Pause.
4. Der Menschenkenner.
Zeitschriften, die in Geschäften auf Bestellung
zu haben sind:
1. Die Deutsche Volkskirche.
(Das Geistchristentum, Monatsschrift zur Vollendung der Reforma-
tion durch Wiederherstellung der reinen Heilandslehre. Herausgeber:
Dr. phil. nat. Arthur D i n t e r. Verlag: Deutsche Volkskirche, Leipzig
O 1, Querstraße 5.) '
2. D i e R a s s e.
(Monatsschrift der nordischen Bewegung. Verlag: B. B. Teubner,
Leipzig C 1, Postschi. 380.)
236
8. Der Norden.
(Monatsschrift der nordischen Gesellschaft. Verlag: Wilhelm Lim-
pert, Dresden A 1, Marienstraße 16.)
4. D i e S o n n e. (Nordische Monatshefte).
Diese Hochflut von christentumsfeindlichen Tages- und Wochen-
blättern genügte aber der Partei noch nicht. Sie gab auch noch
eine eigene „Parteiamtliche Wandzeitung" der NSDAP
heraus und stellte in besonderen Schaukästen zugkräftige und
pikante Artikel und Bilder aus, besonders solche des „Stürmers".
Selbst dieMauerngeweihterFriedhöfe
waren ihr dafür nicht zu heilig; wie nachfolgendes erweist:
Kath, Pfarramt Vachendorf. Vachendorf, am 29. Juni 1936
An das
Hoch würdigste Erzb. Ordinariat in München.
j,Stürmer"-Kasten •
Seit kurzem hat die hiesige Parteileitung einen Schriftenkasten
an der Friedhof mau er am Dorfplatz angebracht, und es sind
schon beim ersten Male verschiedene Spottbilder darin enthalten. ,
Die Friedhofmauer ist Eigentum der Kirche, und ich
habe bei der Ortspolizei Einspruch gegen dieses Vorgehen erhoben
und habe die sofortige Entfernung des Kastens gefordert. Was ist
weiter zu tun, • wenn die Forderung, wie zu erwarten steht, nicht
erfüllt wird? Ich bitte ehrfurchtsvollst um entsprechende Weisung.
Denn ich halte es für alle Fälle richtig, daß dieser Mißbrauch kirch-
lichen Eigentums nicht geduldet werden kann.
Ehrfurchtsvollst!
Joh. Freibergen
Das Erzb. Ordinariat antwortete: 3. Juli 1936.
An das
katholische Pfarramt
Vachendorf
P. Bergen, Obb. 2.
Betreff: „Stürme r".
Wenn die Friedhofmauer sicher Eigentum der Kirche ist, wie
es bei kirchlichen Friedhöfen naturgemäß ist, so ist die Rechtslage
bezüglich der Anbringung eines Zeitungskastens an der Friedhof-
mauer ganz klar: nur der rector ecclesiae hat zu bestimmen, was
an der Friedhofmauer angebracht werden darf.
Darum sollte es unseres Erachtens nur einer bloßen Aufklärung
über diese Rechtslage bedürfen, um die Parteileitung sofort zur
Entfernung des Schaukastens zu bringen.
Falls dies keinen Erfolg hat und auch die' bereits angegangene
Ortspolizeibehörde nicht eingreift, so möchten wir empfehlen, noch-
mals schriftlich von der Ortspolizeibehörde die Entfernung wegen
Eigentumsverletzung unter Angabe einer bestimmten Frist zu for-
dern und zu bemerken, daß nach Ablauf der Frist das Pfarramt
selbst für die Wahrung des Eigentumsrechtes der Kirche Sorge
tragen wird. Die Entfernung könnte dann am besten durch den
Kirchenpfleger in Beisein eines Schutzmanns geschehen.
Schließlich dürfte die Parteileitung auch darauf hingewiesen
werden, daß nicht nur kirchliche Kreise und viele Ortsbewohner,
sondern auch Fremde die Anbringung des „Stürmers" an der Fried-
237
hofmauer für geschmacklos und wenig ehrenvoll für die Partei
halten. Wir möchten meinen, daß man es nicht für zu schwer
halten sollte, den Bürgermeister und die Mehrheit der Bevölkerung
für diesen Standpunkt zw gewinnen und so auf friedlichem Wege
die Frage zu lösen.
Streichers Pornographie hielt man für so wertvoll zur iKinder-
erziehung, daß man jseinen „Stürmer" sogar am Schulhaua
zur Schau stellte. Erweis hiefür:
Kath. Pfarramt Weildorf, den 21. Februar 1937.
Weildorf, Post Straß
bei Teisendorf.
An das Hochwürdigste Erzbischöfliche Ordinariat
München-Freising.
Betreff: Errichtung eines Stürmerkastens am Schulhaus,
Die Gemeinde Weildorf hat im November 1936 einen neuen
Bürgermeister erhalten, erst 35 Jahre alt, aber ganz national-
sozialistisch eingestellt. Seine Hauptaufgabe besteht
darin, das schwarze Welldorf braun zu färben.
Zu diesem Zwecke fand vor acht Tagen durch den K r e i g «
leiter Kämmerer von Laufen die feierliche „Ein-
weihung" eines Stürmerkastens statt. Der Kasten
befindet sich am Schulhaus, ganz nahe beim Ein-
gang, so daß alle Schulkinder, auch die von der Portbildungs-
schule, an demselben vorbeigehen müssen. Unsere guten Eltern
sind darob in großer Sorge und bitten den Unterzeichneten, doch
alles zu versuchen, daß der Stürmerkasten wenigstens vom Schul-
haus entfernt wird.
Der recht gut gesinnte Lehrer von Weildorf teilte dem Unter-
zeichneten mit,- daß eine eigene Bestimmung das Anschlagen unge-
eigneter Schriften und Bilder am Schulhaus verbietet. Aber eine
Eingabe an den Bezirksschulrat Laufen wird nichts helfen, weil
Herr Bezirksschulrat selbst bei der Feier in Weildorf anwesend war.
Der Unterzeichnete bittet die oberhirtliche Stelle um gütige
Angabe von Verhaltungsmaßregeln in dieser schwierigen Lage, ob
eine Entfernung erreichbar ist und an welche Behörde sich die Eltern
wenden sollen.
Einem Hochwürdigsten Ordinariate gehorsamster
Josef Schönberger, Pfarrer.
Wahrlich, vi^er so mit „Stürmer" Sturm sät, kann nur Sturm ernten!
8. Fesseln für die wirtschaftliche Entwicklung der Kirche.
„Mein Reich ist nicht von dieser Welt" hat der Gründer der
katholischen Kirche in feierlichem Augenblick gesagt (Jo. 18,36).
Aber Gottes Reich ist in dieser Welt. Darum braucht sie auch
Luft und Boden in dieser Welt, um sich entwickeln zu können. Die
Kirche Gottes ist nicht etwas rein Pneumatisches und Übernatür-
liches, sondern etwas Sichtbares und Organisches. Wie ihr Gründer
selbst nicht aller irdischen Mittel entbehren konnte (vgl, Joh. 12,6),
so kann auch die Kirche nicht auf alle materiellen Grundlagen ver-
zichten.
238
Umgekehrt wollte der Nationalsozialismus die Kirche gerade
auch hierin empfindlich treffen, sie wirtschaftlich geradezu er-
drosseln. Rosenberg sagte auf der Reichskulturtagung 1938 unter
anderem: „Wir haben noch ein Druckmittel, und das ist die f i n a n -
z i e 1,1 e Seite. Wir werden hier behutsam, aber desto syste-
matischer vorgehen, um dem nicht zu gewinnenden Klerus die
flnanzielle Ader zu durchschneiden,"
In den Geheimanweisungen des Reichssicherheitsdienstes vom
15. Februar 1938 heißt es: „Da ein großer Teil der Kampfmöglich-
keiten der Kirche einzig und allein auf ihren unbeschränkten
finanziellen Mitteln beruht, sind gerade hier große
Möglichkeiten zur Eindämmung des kirchlichen
Kampfes gegebe n."
Diese Möglichkeiten wurden von Anfang an reichlichst aus-
genützt.
Zunächst wurde der Großteil aller staatlichen Zu-
schüsse für die Kirche gestrichen, obwohl diese letzten Endes
nur einen geringen Ausgleich für den staatlichen
Raub des umfangreichen Kircheneigentums durch die Säku-
larisation zu Anfang des 19. Jahrhunderts darstellten.
Dem Beispiel des Staates folgend, stellten alsbald auch viele
Stadt- und Landgemeinden ihre althergebrachten Zu-
wendungen an die Ortskirchen ein oder lösten sie eigenmächtig
mit geringen Geldbeträgen ein für , allemal ab. In der Erzdiözese
Freifeurg wurde dieser Ausfall kirchlichen Einkommens auf jähr-
lich etwa 350 000 bis 400 000 Mark geschätzt.
Nach ein paar Jahren stellte der Staat auch die Einziehung
der Kirchensteuer durch die staatlichen Finanzämter und
bald auch jene auf dem Wege des Lohnabzuges ein, obwohl Hitler
und Goebbels in ihren Reden gar oft diese staatliche,, von der
Kirche bezahlte Arbeitsbeihilfe geradezu als einen wesent-
lichen Teil der staatlichen Finanzleistungen für die
Kirche behandelten und so riesige Zahlen zusammenbrachten als
Beweis für den Edelmut der nationalsozialistischen Regierung, die
trotz aller feindlichen Einstellung von Kirche und Klerus soviel
für sie- gäbe. Natürlich wurde auch in nationalsozialistischen Ver-
sammlungen und Zeitungen entsprechend gegen die Kirchen-
steuer gehetzt und damit, genau wie einst von den Kom-
munisten, der Kirchenaustritt' zu fördern gesucht. Die
„höchsten Herrschaften" ließen sich im übrigen von der rück-
ständigen und laufenden Kirchensteuer befreien, indem sie sich
gleich dem „Führer" selbst Steuerfreiheit zuerkennen ließen.
Dann schränkte der Staat durch das
Sammlungsgesetz
vom 5. November 1934 die freiwilligen Gaben für Kirchen
und kirchliche Wohltätigkeitszwecke sehr ein. Selbstverständlich
239
'war sein Wortlaut allgemein, richtete sich aber praktisch fn
erster Linie gegen die von kirchlicher Seite außerhalb des
gottesdienstlichen Raumes veranstalteten Kollekten. Es besagte:
„Jede öffentliche Sammlung von Geld oder Sachspenden, jede
öffentliche Werbung von Vereinsmitgliedern, jede öffentliche ge-
meinnützige oder mildtätige Veranstaltung, jeder öffentliche Waren-
versand für gemeinnützige Zwecke bedarf einer eigenen Genehmi-
gung."
„Als nicht öffentliche und darum nicht genehmigungspflichtige
Summlungen wurden lediglich diejenigen anerkannt, die sich bloß
an einen nach außen abgegrenzten, unter sich
durch persönliche Beziehungen verbundenen
kleinen Personenkreis wenden zum Versand von Bitt-
briefen an einzelne persönliche Bekannte des Pfarrers oder an
solche, die bisher schon in der Regel für gewisse Pfarrzwecke etwas
gaben, z. B. Erstkommunikantenausstattung."
Ein Nachtrag vom 5. April 1937 machte noch miehr Einschrän-
kungen, ließ Sammlungen außerhalb der Kirche nur noch frei,
„wenn sie nur innerhalb eines begrenzten, zahlenmäßig kleinen
Personenkreises durchgeführt werden, dessen Mitglieder in
e i n e m näheren, eigenbewußten, inneren Zu-
sammenhang zueinander stehen und wenn auch
der Veranstalter zu diesem Personenkreis ge-
hört."
Jedes neuhinzugefügte Wort bedeutete eine neue Fußangel für
Pfarrer, die für diese und jene kirchliche oder karitative Zwecke
Mittel sammeln wollten. Zum Beispiel wurde es schon als eine
„Sammlung außerhalb der Kirche" betrachtet, wenn in
einem Gottesdienst eine Missionspredigt gehalten und dabei zum
Beitritt in das „Päpstliche Werk der Glaubensverbreitung" auf-
gefordert und Beitrittsformulare verteilt würden, die dann erst
außerhalb der Kirche ausgefüllt und abgegeben werden
sollten. Eine nichtgenehmigungspflichtige Sammlung galt in diesem
Falle nur als gegeben, wenn die Anmeldezettel noch in der
Kirche ausgefüllt und abgegeben wurden!!
Wollte etwa der Pfarrer einer Großstadtpfarrei durch einen
Brief oder durch die Pfarrschwester alle Angehörigen seiner Pfar-
lei zu einer Spende für die Erstkommunikanten auffordern, so war
dies eine verbotene Sammlung, weil der Personenkreis nicht klein,
nicht in- einem eigenbewußten, inneren Zusammenhang stand, viel-
leicht auch nicht jeder Pfarrangehörige dem Pfarrer persönlich
bekannt war.
Selbst Fesselung der eigentlichen Kirchen-
kollekten!
Am 9. Juni 1937 kam eine neue Einschränkung, die schon in
den innerkirchlichen Raum eingriff. Ein gemeinsamer
240
Runderlaß des Reichsministeriums des Innern und des „Reichs-
minisleriums für die kirchlichen Angelegenheiten" bestimmte:
, „1. Aus gegebener Veranlassung weisen wir darauf hin, daß nur
diejenigen Kirchenkollekten, die nach Maßgabe der von den ordent-
lichen vorgeordneten Kirchenbehörden aufgestellten Kol-
lektenplänen in den regelmäßigen Gottesdiensten ver-
anstaltet werden» als genehmigungsfreie Sammlungen im Sinne
des § 15 Ziifer 4 des Sammlungsgesetzes anzusehen sind. Ebenfalls
fallen unter das Verbot des Sammlungsgesetzes alle Kollekten, die
in Sonderg ottesdiensten veranstaltet werden.
2. Künftighin werden nach Maßgabe der §§ 13 und 14 des
Sammlungsgesetzes nicht rechtmäßige Kirchenkollekten strafrecht-
lich verfolgt und die Kollektenerträge eingezogen . . ."
Demgemäß waren nur noch jene kirchliche Kollekten staat-
licherseits genehmigungsfrei, welche entweder von der oberhirt-
lichen Stelle oder von den Kirchen- und Seelsorgvorständen amt-
lich angeordnet und bei den ordentlichen Gottesdiensten in
Kirchen und kirchlichen Versammlungsräumen für kirchliche
Zwecke gehalten wurden. Wollte also beispielsweise ein kirchlicher
Missionsverein bei einer außerordentlichen Missionsfeier in der
Kirche eine Sammlung für die Missionen halten, so konnten schon
Schwierigkeiten entstehen.
Frauenhilf s werk für Priest er b erufe beraubt
und verboten
Irgendeine kleine Verfiehlung einer Ortsgruppe oder ihrer Kas-
sierin gegen das „Sammlungsgesetz" genügte, um einem katho-
lischen Verein, auch einem rein religiösen, das Todesurteil zu brin-
gen. Ein Beispiel dafür ist das „Frauenhilfswerk für Priester-
berufe", das mit Gebet und Opfer die Heranbildung neuer Priester
fördern wollte, freilich auch des großen Verbrechens schuldig be-
funden wurde, einen Namen zu haben; der dem nationalsozialisti-
schen „Frauenwerk" ähnelte und darum Anlaß zu Verwechslungen
geben konnte. Er mußte darum verschwinden. Und Himmler fand
im „Sammlungsgesetz" das Henkerbeil und schlug los:
„Geheime Staatspolizei München, den 11. September 1939
Staatspolizeileitstelle München
. B.Nr. 35676/39 II/B/pf.
Beschluß.
I.
Auf Grund § 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1933 (RGBl. I S. 293) in
A Verbindung mit dem Gesetz über die Einziehung volks- und staats-
feindlichen Vermögens vom 14. Juli 1933 (RGBl. I S. 479) und der Min.
Bek. vom 8. November 1938 Nr. IV 2894 wird mit Erlaß des Reichs-
führers SS and Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des
Innern vom 14. August 1939 Nr. 1095/39 das „Frauenhilfswerk für Prie-
sterberufe e. V.'" einschließlich aller Untergliederungen und Neben-
241
gliederungen aufgelöst und das beschlagnahmte Vermögen zu Gunsten
des Landes Bayern eingezogen,
II.
Gründe;
Der Reichsführer SS und Chef der Deutschen Polizei Im Reichs-
ministerium des Innern hat mit Erlaß vpm 14. August 1939 —S— PP(IIB)
1095/39 auf Grund des Gesetzes vom 14. Juli 1939 über die Einziehung
Volks- und staatsfeindlichen Vermögens festgestellt, daß zahlreiche Orts-
gruppen des „Frauenhilfswerkes für Priesterberufe" gegen die geltenden
Bestimmungen des Sammlungsgesetzes verstoßen haben. Es war daher
zu entscheiden wie geschehen.
Gegen den Beschluß ist ein Rechtsmittel nicht zulSssig.
I.A. gez. Schimmel
Für die Richtigkeit:
gez. Unterschrift.
Po. Sektr."
Da und dort sah die Gestapo sogar in dem ortsüliDlichen Zu-
sammensteuern von unter sich bekannten Pfarrangehörigen oder
einzelner Stände für die gemeinsame Bestellung eines Engel-
amtes im Advent eine verbotene Sammlung und beschlagnahmte
die gesammelten Gelder, die doch letzten Endes Meßstipendien
waren.
Natürlich vi^are» die üblichen Haussammlungen der
Bettelorden vom Nationalsozialismus nicht mehr gestattet.
Ebenso waren alle Sachsammlungen in Kirchen» wie sie
gerade in der letzten Zeit besonders auf Bauerndörfern sehr beliebt
geworden waren, beinahe überall unterbunden. Wie sehr das ge-
samte kirchliche Sammlungswesen überwacht und gesiebt werden
soljlte, zeigt nachfolgender Erlaß des Reichskirchenministeriums:
„Betreff: Staatliche Nachforschung über Kirchen-
sammlungen.
Nach mir zugegangenen Berichten wurden in den Kirchen, ins-
besonders in den katholischen Kirchen, seit einiger Zeit, namentlich
seit Herbst des vergangenen Jahres, Sammlungen aus verschiedenen
Anlässen in großem Ausmaße veranstaltet.
Es ist deshalb zu prüfen, ob , die Sammlungen die öffentlichen
Sammlungen im Interesse der Wohlfahrtspflege schädigen; auch sollen
auf diese Weise Edelmetalle der deutschen Volkswirtschaft entzogen
werden. •
Solche Sammlungen sollen stattfinden einmal zur Befriedigung
besonderer kirchlicher Bedürfnisse, wie Kirchenbau, Kapellenbau,
Kirchturmbauten, Anschaffung von Glocken, von Paramenten der eigenen
Kirchengemeinde oder auch fremder Gemeinden.
Ferner sollen solche Sammlungen erfolgen aus besonderen
Anlässen, wie zur Bekleidung von armen Kommunionkindern oder
zur Bereitstellung von Festen wie Fronleichnamsprozessionen und dgl.
Vielfach sollen die Sammlungen auch regelmäßig stattfinden,
wie an jedem Sonntag und am ersten Freitag des Monats; auch soll ein
Opfergang während der Messe eingeführt sein.
Die Sammlungen sollen sich teilweise auf Geldspenden beschränken,
darüber hinaus sollen sie sich vielfach aber auch auf Lebensmittel, ins-
besondere Fleisch und Eier, und auf Kldider erstrecken. Zumeist sollen
242
cf
Körbe in den Kirchen aufgestellt sein, worin die Gaben von den Spen-
dern gelegt werden. Die Spenden sollen regelmäßig für bedürftige
Mitglieder der Kirchengemeinde bestimmt sein, Es ist aber
auch vorgeliommen, daß eine Eier-, Butter- und Specksammlung für ein
kirchUches Krankenhaus stattgefunden hat.
Darüber hinaus haben OeistliQhe in fremden Gemeinden für die
Bedürfnisse ihrer Gemeinden gepredigt und gesammelt,
Metallsammlungen aollen insbesonders zur Beschaffung von
Kelchen veranstaltet worden sein.
Auf solche Sammlungen ist vielfach durch Anhänge in der Kirche
und durch Aufrufe im Kirehenblatt hingewiesen worden.
Ich ersuche ergebenat um Bericht über den Umfang und den Erfolg
der Sammlungen 'in Ihrem Bezirk, insbesonders auch darüber, inwie-
weit diese Herkommen und Brauch überschreiten vind ob sie den öffent-
lichen Sammlungen Abbruch tun.*'
Die beliebteste Straßensammlung abgeschafft!
Die behördlich -genehmigte und beim Volk außerordentlich
beliebte Straßensammlung zugunsten der katholischen Caritas, von
wirklich freiwilligen Caritashelfern durchgeführt, wurde
wiederholt gewaltsam gestört; ihre opferwilligen Saniml^r und
Sammlerinnen wurden sogar vielfach geschlagen. Ab 1937 wurde
sie überhaupt untersagt, ein Ausfall von Millionen I Als Ausgleich
wurde dem Caritasverband ganz Deutschlands vom Winterhilfs-
werk ein Jahresbeitrag von 600 QOO Mark gegeben, im nächsten
Jahr viel weniger, bald überhaupt nichts mehr!
Selbst die Rechtsfähigkeit
und danait, den Besitz von Grund und Häusern wollte man r e 1 i -^
g i ö s e n Vereinen nehmen.
Durch eine Entscheidung des bayerischen Verwaltungsgerichts-
hofes vom 5. Februar 1934 Nr. 2 I 34 (Reichsverwaltungsblatt 1935
Nr. 4 Seite 81) wurde in Frage gestellt, ob religiöse Vereine
auch weiterhin einen Rechtsanspruch auf Erwerb der Rechtsfähig-
keit (als eingetragener Verein) hätten, wie dies Artikel 124 Abs. 2
der Reichsverfassung unter Aufhebung der im § 61 des BGB. vor-
gesehenen Bestimmung festlegte; denn „der hiernach begründete
Rechtsanspi-uch eines religiöse Zwecke verfolgenden Vereins auf
Erwerb der Rechtsfähigkeit ist durch die mit der nationalsozialisti-
schen Revolution eingeleitete und gegenwärtig noch im Gange be-
findliche Umgestaltung des Verfassungsrechtes hinfällig geworden.
§ 1 der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von
Volk und Staat vom 28. Februar 1933, die auf Grund des Art. 48,
Abs. 2, der RVerf. erlassen wurde, hat den Art. 124 RVerf. bis auf
weiteres außer Kraft gesetzt und Beschränkungen des Vereins-
rechtes auch außerhalb der sonst hierfür bestimmten gesetzlichen
Grenzen für zulässig erklärt. Diese Verordnung hat die in der
Reichsverfassüng und im Bürgerlichen Gesetzbuche aufgerichteten
Schranken, die von der Verwaltungsbehörde bei der Handhabung
243
der Vereinspolizei zu beachten waren, beseitigt. Ein Rechts-
anspruch auf die Erlangung der Rechtsfähigkeit
steht einem Verein, der religiöse Zweckever-
folgt, nach dem gegenwärtig geltenden Rechte
n i c h t m e h r z u; ob seine Eintragung in das Vereinsregister durch
Einspruch erhebung zu verhindern ist, hat die Verwaltungsbehörde
nach ihrem freien pflichtmäßigen Ermessen zu beurteilen."
Auch die Steuerfreiheit vieler kirchlicher
Vereine, z. B. auch des „Päpstlichen Werkes der Glaubens-
verbreitung" (Franziskus-Xaverius- Verein, Ludwig-Missions- Verein),
wurde aufgehoben, indem man ihnen, wie den Orden, die Ge-
meinnützigkeit und Wohltätigkeit absprach. So mußte
der Xaverius-Verein 2 Millionen Mark Steuern nachzahlen, der
Ludwig-Missions- Verein über 100 000 Mark.
Um letztwilligeVerfügungen (Testamente) zugunsten
der Kirche oder für katholische Orden und religiöse Wohltätig-
keitsanstalten einzuschränken, evtl. für ungültig erklären zu können,
wurde in das Erbschaftssteuergesetz Artikel 48 § 2 eingefügt mit
dem Wortlaut:
„Eine testamentarische Bestimmung ist nich-
tig, wenn sie sich in irgendwelcher Weise in Gegen-
satz setzt mit dem gesunden Volks empfinden und
der Achtung, die ein Testator vor der Familien-
und Volksgemeinschaft haben mu ß."
Eine Gewaltmaßnahme war auch das Verbot, daß die so-
genannte .„T 1 e Hand" — so nannte man mit einem alten
billigen Schlagwort die Kirche, die doch für alle Hilfswerke eine
offene Hand hat — noch Örund und Boden erwerbe, und sei
es auch so viel, um für eine Neusiedelung eine neue Kirche zu
bauen. Ja, es wurde sogar öfters der Baugrund, der für künftige
Kirchen schon vorhanden war, wieder enteignet. Durch solche Aus-
nahmegesetze sollte der Bau von Kirchen von vornherein unmög-
lich gemacht werden. (Kardinal Faulhaber in Silvesterpredigt 1941.)
Wie sorgfältig man im ganzen Deutschen Eeich jeden entgeltlichen
oder unentgeltlichen Grunderwerb der Kirche verfolgen und verhindern
wollte, zeigt nachfolgender Erlaß:
Abschrift.
Der Reichsminister des Innern Berlin, den 29. Februar 1940
VI c 7066/40 NW 40, Königsplatz 6.
Grundstücke.
Sofort!
Betrifft: Statistik des Rechtserwerbes juristischer Personen.
Zur Vorbereitung einer reichsrechtlichen Rege-
lung'der Beschränkungen des Rech t s er wer bes juri-
stischer Person en (zu vgl. Art. 88 EG., zum RGB.) sollen zunächst
statistische Erhebungen über diesen Rechtserwerb angestellt werdea
244
Die Statistik wird vom Statistischen Reichsamt in Berlin C 2, Neue
Königstraße 27—37, durchgeführt.
Anbei übersende ich ergebenst Vordrucke von Zählkarten, die für
Jeden einzeihen ' Rechtser wer bungs Vorgang ausgefüllt
dem Statistischen Reichsamt zu übersenden sind. Diese Benachrichti-
gungen obliegen den Regierungspräsidenten, beim Fehlen dieser Behörde
der obersten Landesbehörde, in der Ostmark den Reichsstatthaltern (bis
zu deren Einsetzung den Landeshauptmännern).
Der Vordruck 1 bezieht sich auf den entgeltlichen Er-
werb von Grundstücken, der Vordruck 2 auf den Erwerb auf Grund
einer Schenkung oder von Todes wegen, im letzteren Falle
einerlei, ob es sich um bewegliche oder unbewegliche Sachen
handelt. Während hinsichtlich der beweglichen Sachen (Geld usw.) nur
die der Genehmigungserfordernis unterliegenden oder sonstwie' zur
behördlichen Kenntnis gelangenden Rechtsvorgänge erfaßbar sind, ist
bei den Grundstücken die vollständige Erfassung dadurch gegeben, daß
auf Anordnung des Herrn Reichsministers der Justiz vom 13. Februar
1940 —341— IV— b- 195 (Deutsche Justiz S. 211) — die Grundbuchämter
(Grundbuchsgerichte) den für die Ausfüllung der Zählkarten
an
a) die Landesregierungen
(für Preußen: die Regierungspräsidenten,
den Polizeipräsidenten in Berlin),
b) die Herren Landeshauptmänner in der Ostmark
(für Wien: Reichskommissar — Staatl. Verwaltung des Reichs-
gaues Wien — ),
c) den Herrn Reichskommissar für das Saarland
in Zweibrücken,
d) den Herrn Reichsstatthalter im Sudetengau
. in Reichenberg
zuständigen Behörden über jeden nach dem 29. Februar d. J. grund-
buchlich zu behandelnden Fall schriftlich Anzeige zu erstatten
haben.
Von der statistischen Erhebung ist ausgenommen der Rechtserwerb
der öffentlichen Gebietskörperschaften. c
Für die Erhebung gilt als Arifahgszeitpunkt der 1. März d. J.
Die benötigten Zählkartenvordrucke 1 und 2 sind nach Bedarf beim
Statistischen Reichsamt anzufordern.
Im Auftrag
Unterschrift: unleserlich.
Vordruckl
Statistik des Rechtserwerbs "juristischer Personen
Zählkarte Nr
Er wer b, von Grund stücken durch juristische Personen.
a) durch die evang. Kirche oder eine evang.-kirchl. Vereinigung*)
b) durch die katholische Kirche oder eine kath.-kirchl. Vereinigung
(Orden usw.)*)
c) durch eine sonstige juristische Person*).
1. Land (Reichsgau): ; r ^ '. a , i . i s vi : : . i ^ . .
2.' Regierungsbezirk- s i. , t i_ . i ;• l . « . » ■
245
3. Des Erwerbers
a) Name: . . . j 4 s
b) Wohnsitz: ^ -.
4. Des Veräußerers:
a) Name: i t a t t . i .,...-. n . i
b) Beruf: .....,...,..»
c) Wohnsitz; . i . .«...«
5. Bezeichnung des übereigneten Grundstückes:*)
a) ungeteiltem Grundstück mit — ohne Gebäude, mit — ohne Inventar
b) Teilstück mit •— ohne Gebäude, mit — ohne Inventar
Acker — Wiese — Weide — Wald — Wasserflächen — Unland —
• • * • . . » i N . i
6. Lage des Grundstückes:
Grundbuchamt (Grundbuchßerlcht): * . . Band . , . Blatt . * s
7. Grundstückgröße ...... ha a qm .....
8. Einheitswert für 19 . . . (soweit bekannt) . . . RM. ,,,,.,,
9. Erwerbspreis: . . . i • « « EM. • 4 b % « . <
10. Genehmigung: erforderlich ja — nein*)
erteilt am: .....««. versagt am: <«.......
11. Beschränkung der Genehmigung (Auflage): s .....*.. .^ •
. i
, . . i k » . ' i> i
12. Grund der Teilgenehmigung: . ^ i . . « « . « . ^ . . . . 1
. ......... ..i«i<-«jit. •..<■..
13. Bemerkungen (z. B. Grundstückstauäch): < s •..«.«.. »
•) Zutreffende! unteratrelehen«
.....i.#>i Qen ..t..iti
(Unterschrift) •
Einzusenden an: Statistisches Reichsamt
Abt. VI, Allg. Wirtschaftsstatistik 8530
Berlin C 2
Neue Könlgstr. 27^37
Abschrift. Vordruck 2
Stätistikdes Rechtserwerbs juristischer Personen
Zählkarte Nr
ZuwendungenanjuriitiBchePersonen.
a) an die evang. iCirehe oder ein© evang.-kirehl, Vereinigung*)
b) an die katholische Kirche oder eine kath.-kirchl. Vereinigung
(Orden usw.)*)
c) an eine jüdische iCultvirvereinlgUng oder eine jüdisch-religiöse Ge-
meinschaft*)
248
d) an eine sonstige Juristische Person*).
1. Land (Reichsgau): «««Bi«
2. Regierungsbezirk: .,<'•«. ^ . u .. v ..».»•••• •
3. Des Gebers
a) Name: •« ti »• n t « t a »««.-«.;.••.•• •
b) Beruf:
c) Wohnsitz: « t; . t • . ^ . . . .
4. Des Empfängers
a) Name: ....... v ..-.:........... «
b) Wohnsitz:
5. Zuwendungen von Geld, sonatigen beweglichen Sachen (genaue An-
gaben):
6. Zuwendung von Grundstücken*):
a) ungeteiltes Grundstück mit — ohne Gebäude, mit — ohne Inventar
b) Teilstück mit — ■ ohne Gebäude, mit — ohne Inventar.
Acker — Wiese — Weide — Wald — Wasserflächen — Unland — ^
c) Grundbuchamt (Grundbuchgericht): « . . Band .... Blatt ....
d) Grundstückgröße: ha ...... a ..... . qm
7. Wert der Zuwendungen: .!...-.... EM. . ;.
8. Genehmigung: erforderlich ja — nein*)
erteilt am: . s s s . . -. . . versagt am: j « ; b s . . . .
d. Beschränkung der Genehmigung (Auflage): «»»,.$»....
10. Grund der Teilgenehmigung: • . t. ,i . y e « i . » ^ . . . .
*) Zutreffendes unterstreichen.
. . . . . 8 . . ., den
(Unterschrift)
Einzusenden an: Statistischeg Reichsamt
Abt. VI, AUg. Wirtgchaftsetatlstik 8B30
Berlin C 2
Neue KönigBtr. 27—37
Das behutsame, aber desto systematischere Vorgehen, um
„dem nicht zu gewinnenden Klerus die finanzielle
Ader zu durchschneiden"» schritt schließlieh von der
Drosselung der kirchlichen Einnahmen immer mehr zum bru-
talen Raub kirchliche n Vermögens:
Wie schon gezeigt, wurde den meisten kirchlichen Vereinen
ihr bewegliches und unbewegliches Eigentum konfisziert. Viele
katholische Klöster und caritative Anstalten wurden enteignet (ab-
gesehen davon, daß beiden schon länger vorher immer mehr Be-
schäftigung und Einkommen genommen wurde).
Katholische Presseinstitutionen, Druckereien, Verlagsflrmen
und Buchhandlungen Wurden durch die steigenden Verbote und
Beschlagnahme katholischer Bücher oder Verhinderung fast aller
247
Neuerscheinungen auch rein finanziell schwerstens geschädigt, viel-
fach auch ganz weggenommen.
Bez. Klosterraub siehe vorausgehendes Kapitel!
Kirchliche Grundstücke wurden im Bedarfsfall ohne viel Feder-
lesens weggenommenj z. B. der Kirchenstiftung von Reichersbeuern
und dem Kloster Reutberg zur Entschädigung der Bauern, die
Grundstücke hatten abgeben müssen für den Bau der NS- Junker-
schule in Bad Tölz; ebenso der Kirchenstiftung Germering für den
Bau eines „Forschungsinstitutes", dem St.-Josefs-Haus in Percha
(Oberbayern) zur Vergrößerung des städtischen, von Christian
Weber gepachteten Gutes Buchhof.
„Ein Mann fiel unter die Räuber; die plün-
derten ihn aus." (Lk. 10,30.)
C. Antichrist ohne Fesseln.
Heinrich Heine schrieb in der zweiten Vorrede seiner Schrift
über „Religion und Philosophie in Deutschland" im Jahre 1852
„von der Schlange, der kleinen Privatdozentin, die schon 6000 Jahre
vor Hegels Geburt die ganze Hegeische Philosophie vortrug" mit
den Worten: „Wenn ihr vom Baum der Erkenntnis genossen, werdet
Ihr wie Gott sei n,"
Und am Schluß dieser Schrift sagt er: „Das Christentum — und
das ist sein schönstes Verdienst — hat jene brutale germanische
Kampflust einigermaßen besänftigt, konnte sie jedoch nicht
zerstören. Und wenn einst der zähmende Talisman, das Kreuz,
zerbricht, dann rasselt wieder empor die Wildheit der alten
Kämpfer, die unsinnige Berserkerwut, wovon die nor-
dischen Dichter so viel singen und sagen. Die alten steinernen
Götter erheben sich dann aus dem verschollenen Schutt und
reiben sich den tausendjährigen Staub aus den Augen, und Thor
mit dem Riesenhammer springt endlich empor und zerschlägt die
gotischen Dome."
Mit der Herrschaft und dem Geist des Nationalsozialismus
wurde dieses Heinewort traurige Wahrheit. Menschen dünkten und
gebärdeten sich wie Götter oder verehrten andere wie Götter
und gehorchten ihnen wie Göttern.
Und „die Wildheit der alten Kämpfer" rasselte empor
„mit dämonischen Kräften" und verübte Grausamkeiten und Ver-
brechen, für die die Worte „Berserkerwut" und „barbarisch" noch
viel zu gering sind.
Thor, der altgermanische Kriegsgott, sprang empor mit seinem
heidnischen Göttergefolge und schlug um sich mit seinem Riesen-
hammer, bedrohte die ganze Welt, erschlug ungezählte Menschen,
zerschlug unersetzliche Kulturgüter und schwang in wildem Gottes-
haß den Riesenhammer auch gegen das Kreuz.
„Viele Antichristen traten auf" (1. Jo. 2,18).
24P
1. Antichrists Wüten gegen das Christentum.
„Das Schwarze Korps" vom 8. April 1937 brachte ein großes
Bild mit dem Titel:
„Gott schuf den Menschen nach seinem Gleichnis."
Teufel und Priester reichen sich die Hände mit den Worten:
„Wir sind gut e Freunde. Wir braucheneinan der."
Da ist es zu wenig, zu sagen: „Sie spottetenihrerselbst
und wissen nicht, wie!" Da paßt eher das Wort: „Sie bezich-
tigten sich selbst und wissen nicht, wi e."
Nicht Teufel und Priester, sondern Satanund National-
sozialismus standen im Bunde miteinander:
Satanisch war des Nationalsozialismus' Haß gegen das
Christentum ur^d alles Heilige.
Satanisch ; waren des Nationalsozialismus' Verlogenheit
undÜberhebung!
Satanisch waren des Nationalsozialismus' Kampf- und
Werb e w.eis e !
Satanisch waren des Nationalsozialismus' Gewalttätig-
keit und Grausamkeit!
Satanisch waren schließlich auch des Nationalsozialismus*
Sturz und Ende!
A. Abschied dem alten Gott!
Es lebe der Heidengott, der deutsche Gott!
Die ganze Glut des nationalsozialistischen Hasses gegen
Gott, Gottes Wort, Gottes Sohn, Christentum,
Kreuz, Kirch eundPriestertum sprüht uns entgegen aus
dem nachfolgenden Gedicht von G. Sebecker in „Freiheitsflammen,
Verse und Sprüche für deutsche Heiden":
Wem das Hakenkreuz ins Herz gebrannt.
Der haßt all' andern Kreuze!
Wer« sich in seinem Volk erkannt,
Der lachet der Erlöserkäuze!
Sonntag ist's
Ich sehe viele Deutsche hin zum Kreuze kriechen
Und die dumpfen Hallen der Kirchen füllen.
Wir freien Deutschen hassen diese Seelenkerker!
Mehr noch hassen wir die Priesterhünde,
die das Bibelgift ins Herz des Volkes gießen.
Schlagt sie tot! Die schwarzen Hunde,
die die Seele unseres Volkes schänden
Schlagt sie tot! Die Seelenmörder,
die das Erbbild unseres Volkes töten. —
Hütet euch vor dem, der da spricht:
„Wer mir will nachfolgen, der verleugne sich selbst!"
Denn was der Nazarener will, ist unser Untergang,
Unser Verderben ...
249
Priesterhunde heulen durch Österreichs Straßen.
Sie zerren, was Deutsch ist, in ihre schmutzigen Gassen,
Sie jagen, was Deutsch ist, hinein in die Arme des völkischen Todes,
Sie töten, was Deutsch ist, zur Ehre des jüdischen Gottes.
Fluch über Rom!
Weh dir, du schwarzer Orden, Weh dir, Weh!
Deine Liebe ist das Morden, Weh dir, Weh!
Dein listiger, feiger Mordbrand
verwüstete das Nordland!
Weh dir, du schwarzer Orden, Weh dir, Weh!
Die Rache kommt aus Norden! Weh dir, Weh!
Die „Baseler Nationalzeitung" bemerkt nach „Reichspost" vom
18. März 1937 zu diesem Haßerzeugnis:
„Im Volke eines Goethe und Schiller kann derlei Schund als Ge-
dicht gedruckt werden! Welche Geistesverfassung gewährt solchen in-
ferioren Produkten Daseinsberechtigung? Dieser haßtriefende „Gedicht-
band" wurde, wie das Schweizer Blatt mitteilt, in einem Heim der
Hitlerjugend aufgefunden.
Leider muß man sagen, daß das Buch nicht etwa nur eine zufällige
Erscheinung, das Erzeugnis eines närrischen Kopfes ist. Es ver-
dolmetscht, so plump und ungefügig seine Sprache ist,
die Lehren, die in den Führer- und Rednerschulen der
Deutschen Glaubensbewegung' unter Mitverantwor-
tung na tionalsozialistischer Parteistellen ins Vc^lk
getragen werden.
Die Freiheit und aktive Unterstützung, deren sich
parteimäßig diese Propaganda erfreut — und wie man
erst in den letzten Tagen erfahren hat, auch von maßgeblichen
Stellen — , steht in krassem Widerspruch zu der Un-
freiheit, der die christliche Volksaufklärung unter-
worfen ist."
Sprachlich ruhiger, aber sachlich ebenso ablehnend gegen alles
Biblische, Christliche und Kirchliche ist nachfolgendes Gedicht aus
den „Flammenzeichen":
Gott.
Wir sehen keinen Gott mit langem Barte
Und einem Stocke in der Hand.
Wir sehen nur das Werk des Schöpfers
In unserm deutschen Vaterland.
Wir sehen keinen Gott der Juden,
Der jenes Volk sich auserwählt.
Wir glauben nicht an Gottverträge,
Wovon die alte Schrift erzählt.
Wir sehen Gott nicht in Verbrechen,
Die sein Volk jederzeit verübt,
Wir sehen Gott in seinem Wirken,
D"as Deutschen Brot und Arbeit gibt.
Wir glauben nicht an Gottes Worte,
Wir glauben nicht an Gottes Schrift,
Wir glauben, daß in seinen Werken
Man Gott am nächsten trifft.
250
„Der neue Gott**
aber, an den deutsche Jugend glauben soll, offenbart sich in nach-
folgenden „Anrufen", die den Kindern in K ö 1 n, Ortsgruppe
R e i n a u, für die Speisung in der NSV beigebracht wurden:
VordemEssen:
„Führer, mein Führer, von Gott mir gegeben,
beschütz' und erhalte noch lange mein LebeH!
Hast Deutschland gerettet aus tiefster Not,
Dir danke ich heute mein täglich Brot.
Bleib lang noch bei mir, verlaß mich nicht,
Führer, mein Führer, mein Glaube, mein Licht!
Heil, mein Führer!"
Nach dem Essen :
„Dank sei Dir für diese Speise,
Beschützer der Jugend, Beschützer der Greise!
Hast Sorgen, ich weiß es, doch kümmert's Dich nicht,
ich bin bei Dir bei Nacht und bei Licht.
Leg ruhig Dein Haupt in meinen Schoß,
bist sicher, mein Führer, denn Du bist groß.
Heil, mein Führer!"
Von solchem Gebet zu Hitler war es nicht mehr weit zum
Altar für Hitler, zum „H a u s a 1 1 a r", den ihm manch hysterische
Frau errichtete, aber auch nicht mehr weit zum förmlichen Kult
für ihn Und seine Helfershelfer. So brannten beispielsweise in dem
Versammlungslokal einer HJ-Gruppe in Baden zwei Kerzen vor
dem Bild von Hitlers „Leibtheologen" Rosenberg, war über-
haupt alles aufgebaut wie ein Altar. „Ihr werdet sein wie Gott.**
'Auf der gleichen Linie lag es schließlich, wenn der schöne
süddeutsche Gruß „Grüß Gott!" mit Gewalt verdrängt wurde
von „H e i 1 H i 1 1 e r", einer Grußart, diewohlin derganzen
übrigen Welt nicht ihresgleichen hatte. Millionen-
mal im Tag mußte es im Feldwebelton geschrien, millionenmal im
Tag am Schluß von Briefen geschrieben werden.
Die Kreisleitung Berchtesgaden der NSDAP und der Fremdenver-
kehrsverein des Berchtesgadener Landes gaben im Olympiajahr 1936
sogar einen Sonderabdruck eines ellenlangen Zeitungsartikels heraus
und versandten ihn massenweise, um nur das verhaßte reaktionäre
„Grüß Gott!" verstummen und das einzig nationale „Heil Hitler" überall
und bei allen Gelegenheiten vim so lauter ertönen zu lassen. Das groß-
sprecherische „Kulturdökument" lautet:
Berchtesgaden, im Olympiajahr 1936
Liebe Volksgenossin!
Lieber Volksgenosse!
Wir wissen, daß Sie jetzt zur Hochsaison vollauf beschäftigt sind
und Ihnen deshalb nicht zugemutet werden kann, täglich die Zeitung zu
lesen, so daß Ihnen wahrscheinlich der im „Berchtesgadener Anzeiger"
erschienene Artikel entgangen ist.
251
^ir übersenden Ihnen daher auf diesem Brief diesen auch für Sie
interessanten Artil^el und ersuchen, Ihrerseits auf die übrigen in Ihrem
Betrieb tätigen Volksgenossen in diesem Sinne einzuwirken.
Heil Hitler!
Es gibt tausend kleine Beweise im Alltag des Lebens, ob wir er-
kannt haben, daß wir gemeinsam nur als Volk vor der Welt bestehen.
Der Kleingeist, der sich einbildet, daß das altvertraute, liebgewordene,
von den Vätern übernommene „Grüß Gott" doch sicher recht freundlich
sei, besonders für Frauen und Mädchen, ist doch ein rechter Tölpel. Wir
wählen gerade dieses Beispiel, weil es weit wichtiger ist, als sich man-
cher rechtschaffene, brave und biedere Bürgersmann das vorstellt.
Es ist nicht wahr, daß es doch gleichgültig sei, ob wir nun „Grüß
Gott" sagen oder unser „Heil Hitler", unter dem wir wieder aufgewacht
sind, vernünftig und anständig geworden sind. Mit dem „freundlichen"
Grüß Gott oder Guten Tag sind wir in die Hölle gefahren, nicht in das
Leben marschiert. „Grüß Gott" kann freundlich vertraut klingen — wer
aber will es abstreiten, daß es zu nichts verpflichtet und daß es, in der
Stadt gesprochen, eine unverbindliche und nichtssagende Grußformel
bedeuten kann und auch für die meisten bedeutet.
Nicht dieses freundliche „Grüß Gott" hat uns gerettet, so freundlich
und vertraut es klingen mag. Der Gruß „Heil Hitler" hat uns zusammen-
geführt, hat uns die Kraft und den entschlossenen Willen gegeben, uns
unser Recht von der Welt zu ertrotzen, die nun ihre Jugend zu uns
schickt. Nicht das „Grüß Gott" hat die Parteien weggefegt, dem Bol-
schewisten den Dolch und den Schießprügel aus der Faust geschlagen,
(die Schieber und Wucherer unschädlich gemacht, dem Arbeiter das Brot,
dem Bauern den Acker zurückgegeben, dem Geschäftsmann Büro und
Laden, dem Industriellen und Handwerker die Werkstatt mit neuem
Leben erfüllt, dem Fremdenverkehr neuen Auftrieb gegeben.
„Heil Hitler" — das war der Gruß der ersten Kämpfer, der ihre
Seele beflügelte und erfüllte, war der letzte Gruß vieler hundert sterben-
der SA-Männer, war der Schreckensruf für alle Verbrecher und Halun-
ken, für alle Schlafmützen und Spießer, der Schreckensruf für diejeni-
gen Völker, die uns für alle Ewigkeit rechtlos zu lassen gedachten.
Dieses „Heil Hitler" des ersten kleinen SA-Mannes hat eine ganze Welt
in Bewegung gebracht. Aber nur ein einfältiger Tölpel kann sich ein-
bilden, daß wir es jetzt gerade deshalb während der Olympischen Spiele
aussphalten müssen, weil „doch jetzt gerade die vielen Ausländer
kommen"!
Als wir kürzlich mit einem Ausländer durch die Straßen gingen,
begegnete uns ein „Grüß-Gottler". Sicher kein „Staatsfeind", auch kein
„Nazifresser", aber halt ein „lieber, herzlicher, netter Grüß-Gottler",
dessen freundlicher Gruß auch gewiß nicht anders gemeint war, als ein
freundlicher Gruß, der so hingesprochen wird. Als er wieder seines
Weges ging, fragte unser Ausländer sehr erstaunt, ob dieser Mann ein
Gegner des Führers sei! ^
Das ist es, worauf wir heute noch einmal hinweisen wollen." Wer
sich in seiner, Gedankenlosigkeit und Undankbarkeit gegen Führer und
Partei schon gefällt, daß er ohne „Heil Hitler" auskommt, der soll wissen,
daß er heute vor dem Fremden, ' der uns aufmerksam betrachtet, als
Gegner des Führers steht und damit als Gegner des Volkes. Wir wün-
schen nicht durch Ausland und Fremde darauf aufmerksam gemacht
zu werden, daß es heute noch Deutsche gibt, die sich nicht zu benehmen
wissen. Diese Gleichgültigkeit und Gedankenlosigkeit muß aufhören,
insbesondere hier im Berchtesgadener Land — der Wahlheimat des
Führers — , das auch in den nächsten Wochen von zahlreichen Olympia-
' gasten besucht wird.
252
Es ist auch durchaus unangebracht, wenn umgekehrt ein Gast nait
dem lieben, netten „Grüß Gott" grüßt und man glaubt dann, verpflichtet
zu sein, ebenfalls mit „Grüß Gott" zu grüßen. Im Gegenteil! Der Aus-
gangspunkt für die Gedankenlosigkeit liegt meist bei denen, die den
größten Nutzen von der deutschen Wiedergeburt haben, einem Teil der
Geschäftswelt, der glaubt, einen Hering oder ein Glas Bier mehr ver-
kaufen zu können, wenn er sich devot mit einem „freundlichen" Grüß
Gott vor der „gnädigen" Frau verbeugt.
Schluß jetzt damit und Schluß mit der Weisheit lächerlicher Tölpel,
die glauben, der Ausländer müsse bei einem „Heil Hitler" einen Nerven-
schock bekommen. Das Gegenteil ist der Fall. Die meisten von ihnen
haben sich' das für sie nicht leicht auszusprechende „Heil Hitler" für
ihre Deutschland- und Olympia-Reise einstudiert und erwidern strahlend
und lachend unseren Deutschen Gruß. Wie beschämend muß es für uns
sein, wenn dann so ein eitler, unterwürfiger und spinnender Tölpel seine
Dummheit unter einem „freundlich lieblichen Grüß Gott" an den Mann
des Auslandes bringt.
Das Ausland will im Olympia-Deutschland keine Grüß-Gottler
sehen, sondern das Volk, die Leute und die Männer, die eine Revolution
zum Segen Deutschlands und der Welt durchführten. Die alten Tanten,
die in Mannskleidung mit „Grüß Gott" durch die Welt dösen, werden
höflichst gebeten, sich in ihre Schlafgemächer und unter den Schutz
ihrer Zipfelmützen zu begeben, ehe wir noch deutlicher werden müssen!
Wir fühlen uns zu dieser deutlichen Attfforderung zum letzten Male
verpflichtet, nachdem uns ein Ausländer, der kein Nationalsozialist und
kein Faschist ist, darüber sein Erstaunen zum Ausdruck gebracht hat,
daß es überhaupt in Deutschland noch einen Menschen gibt, der den
Gruß „Heil Hitler" schuldig bleibt.
„Wir würden diesen Mann sofort zur Ordnung rufen", sagte uns
dieser Ausländer, und dieser Ausländer ist ein Franzose! Das ist be-
schämend, und deshalb wünschen wir, daß wir verstanden werden, auch
von denen, die ihre Seele um eine Mark Tageskasse mehr verschleudern!
Es ist gewiß Privatsache, wieweit einer käuflich ist, aber wir wün-
schen nicht, von Privatangelegenheiten belästigt zu werden, wünschen
vielmehr, daß sich jeder der Ehre bewußt ist, das nationalsozialistische
Deutschland vor den fremden Gästen aus aller Welt repräsentieren zu
dürfen.
Ein Führer — eine Fahne — und deshalb auch ein Gruß!
Heil Hitler!
Max Kammerer, Kreisleiter.^ Dr. Max Berkmann, Kurdirektor.
Nicht Kreuz und Heiligenbilder, Hitlers Bild in jedes Gastzimmer!
In der gleichen Richtung, wie diese Hilter-Gruß-Großaktionen,
lag, was drei Jahre später im gleichen Kreis geschah:
Die Wirtschaftsgruppe „Gaststätten- und Beherber-
gungsgewerbe" von Berchtesgaden-Lauf en forderte in einem
Zirkular vom Januar 1939 ihre Mitglieder auf, in den Gastzimmern
statt der „Heiligenbilder und ähnliche m" (hinter
diesem „ähnlichen" verbirgt sich wohl verschämt die Anregung,
auch das Kre.uz zu entfernen) das Bild des Führers oder irgend-
eines der führenden Männer Deutschlands aufzuhängen, wie es sich
253
für die „Wahlheimat des Führers * gezieme. Hitler auch hier statt
und vor Gott und seine vorbildlichen Diener!
Wie sehr übrigens die katholische Heiligenverehrung den
Nationalsozialisten überhaupt ein Dorn im Auge war, zeigte ein Artikel
von SA am 26. Februar 1938. Darnach ist die katholische Heiligen-
verehrung „dem Führerideal abträglic h". Gegen diese Idee
sei es auch, wenn die „Katholische Aktion" sich mühe, „neue Hei-
lige auf den Markt zu werfen", wie Kolping, den Gesellen-
vater. „Katholische Feste seien überhaupt nichts als eine Gegenpropa-
ganda zu nationalen Festen. So wie der 1. Mai mit allem Pomp der
,Maienkönigin* geweiht werde, so werde der Sonnwendtag als Fest des
Martyriums des Heiligen Johannes des Täufers gefeiert."
In die gleiche Kategorie des Hasses gegen alles Heilige gehörte es
auch, wenn der Fastenhirtenbrief von Kardinal Faulhaber vom Januar
1940 über die „WafEenrüstung Gottes" (nach Eph. 6,10— 18) von der Ge-
stapo-Berlin beanstandet wurde, weil er als Datumsangabe enthielt:
„Am Tag des Heiligen Sebastian, des Soldatenpatrons, 1940."
Thors Mannen schämen sich dieses bleichen
Gekreuzigten !
Eine „religiöse Betrachtung" des „Schwarzen Korps" vom
8. Juni 1 1939 geht schon mehr aufs Ganze und ereifert sich in einem
Artikel: „Die Natur Gottes" folgendermaßen:
„Wir haben lange über die Frage nachgedacht: Welche christlichen
Lehren stehen in Widerspruch mit den sittlichen Forderungen der ger-
manischen Rasse und müssen darum nach klarem Wortlaut von Art. 24
des Parteiprogramms der NSDAP als unvereinbar mit den Rassebegrif-
fen betrachtet werden? Wir sind zu dem Schluß gekommen, daß eine
Menge christlicher Anschauungen wirklich unvereinbar ist mit den
unseren.
Diejenigen von uns, die durch deutsche Landschaften reisen und
mitten im Blick auf schneebedeckte Berggipfel oder auf westfälisches
Moorland die Figur des Gekreuzigten antreffen, müssen, wenn sie
sich wirklich ihres Blutes bewußt sind, in der Tiefe des Herzens
sich wahrhaft schämen. Die Götter unserer Vorfahren wa,ren
nicht so. Sie waren wahre Männer, Männer mit dem Schwert in der
Hand. Wie verschieden davon ist dieser bleiche Gekreuzigte!
Seine passive Haltung, der tiefeingegrabene Kummer seiner Gesichts-
züge, Demut und volle Selbstaufgabe ausdrückend: das alles sind
Eigenschaften, die den heldischen, fundamentalen
Eigenschaften unseres Blutbewußtseins widerspre-
che n."
„N e u e E r 1 ö s e r"
„Christus, von dem wir nie wußten, ob die uns dargebotene
Religion seine wahre Lehre war, ist in dem Dunkel der Ge-
schichte versunken. Erst jetzt erkennen wir, daß sein
stellvertretender Bruder, um den sich eine Welt zer-
fleischte, uns nichts zu sagen hat, daß vielmehr der Tod
jener herrischen Streiter für ein Reich der Deut-
schen jene Handlung darstellt, die ein weitzurückliegen-
des Erlösungsmysterium überflüssig machte.
Die Kriegerdenkmäler in deutschen Landen sind Altäre
eines kommenden Volkes. Der ungenannte Soldat des Krie-
254
vges ist gestaltender Wegbereiter des kommenden Reiches, der den
Jesus von Nazareth ablösen soll." („Nordland" 27. Januar 1935.)
„Gott Deutschlan d."
Baidur von Schirach gab der deutschen Jugend einen neuen
Herrgott an Stelle des Christengottes. Er sagte bei der Einweihung
eines deutschen Jugendheimes im April 1939:
„Jedermann muß klar erkennen und zu Herzen nehmen, daß der
Dienst an Deutschland, der auch ein Gottesdienst ist, über
dem Dienst irgendeines Bekenntnisses steht, und unter unserer Jugend
darf niemand sein, der nicht bedingungslos Deutschland
gehör t."
Ähnlich bekundete er vor 45 000 HJ im Juli 1939 vor dem
Dom zu Magdeburg:
„Wenn Leute sagen: ,Die Hitlerjugend sei eine Jugend ohne Reli-
gion und ohne Gott', dann antwortet die HJ.: ,Dieser unser Dienst
an Deutschland ist auch ein Gottes diens t."'
Ein anderes oft zitiertes Wort des Reichsjugendführers Baidur
von Schirach:
„Ich bin weder Protestant noch Katholik, ich glaube nur an
Deutschlan d."
„Unser ist das Reich und die Kraft und die Herr-
lichkeit"
SS-Obergruppenführer Schulz, Pommern, sagt
zwar, daß er keine „Gotteslästerung" begehen wolle, begeht sie
aber tatsächlich, wenn er sagt:
„Ich will mich keiner Gotteslästerung schuldig machen, aber ich
frage: „Wer war größer, Christus oder Hitler? Christus
hatte bei seinem Tode 1 2 Jünger, die ihm aber nicht einmal treu blieben.
Hitler aber hat heute ein Volk von 70 Millionen hinter sich. Wir
können es nicht dulden, daß neben uns eine andere Organisation ent-
steht, die einen anderen Geist hat als wir. Wir müssen sie zerschlagen.
Der Nationalsozialismus erhebt allen Ernstes den
Anspruch: Ichbin der Herr, dein Gott. Dusollstkeine
anderen Götter neben mir habe n."
Schulz vergleicht dann weiter die Einstellung zum Heldentod fürs
Vaterland in Japan und Deutschland. Er fährt wörtlich fort:
„In Japan heißt es über den Heldentod: Ihr werdet sein wie Götter!
Ja, es werden auch Göttertempel errichtet werden, in denen Ihr ver-
ehrt werdet." Aber bei uns rufen die Pfaffen: „Wehe, wehe! Denn es
wird sein Heulen und Zähneklappern."
Er schließt dann seine Rede mit deutlicher Anspielung auf den
evangelischen „Vaterunser"-Schluß nach Mt. 6, 13, das „Dein" blas-
phemisch mit „unser" ersetzend:
„Denn unser ist das Reich und die Kraft, denn wir haben
eine starke Wehrmacht, und die Herrlichkeit, denn wir
sind wieder ein angesehenes Volk, und, so Gott will, ,in Ewigkeit'.
Heil Hitler!"
255
Das deutsche Heidenlied.
(Ein im Jahre 1940 von Nürnberg aus mit Postkarten massenhaft
verbreitetes, stolzes Bekenntnis zum deutschen Heidentum von
Otto Peitsch)
Ereifert ihr euch, ihr Gesalbten des Herrn,
Im christlichen Haß? Wir gönnen's euch gern!
Wir haben die Tat unserer Rettung vollbracht
Und haben uns frei von den Pfaffen gemacht,
Wir deutsehe Heiden!
Der Kampf mit dem Leben ist hart allezeit.
Doch ihr wollt uns machen zum Himmel bereit,
Auf ewige SeUgkeit rechnen wir nicht,
Dem Leben, der Wahrheit schau 'n wir frei ins Gesicht.
Wir deutsche Heiden!
Frei auf uns der Blick und empor das Haupt,
Und weder an Engel und Teufel geglaubt.
Die Demut, ihr Herren, überlassen wir euch,
Und lassen euch gern das himmlische Reich.
Wir deutsche Heiden!
Wir halten nichts mehr von Gebet und Litaneien,
Das Heidentum stärkt, macht uns männlich und frei;
Wir glauben an u n s und unsere Kraft,
An Deutschland und das, was ihm Größe verschafft.
Wir deutsche Heiden. .
Nationalsozialismus und Christentum
sindAntipoden.
Wie gegensätzlich Nationalsozialismus und Christentum emp-
funden wurden, zeigt folgende Gegenüberstellung, welche in der
Wochenschrift „Blitz" vom 10. Januar 1937 stand. Mag sie den
Standpunkt des Christentums vielfach falsch darstellen, es bleibt
die Tatsache, daß der Nationalsozialismus das Christentum so auf-
faßte und darum so wütend bekämpfte.
„Was der National- Was das Christentum
Sozialismus lehrt": lehrt:
Lebensbejahung ...... Lebensverneinung
Selbstbewußtsein Schuldbewußtsein
Stolz Demut
Körperpflege Kasteiung
Ringen um neue Erkenntnisse . Beharren in den Anschauungen
aus den Kindertagen der
Menschheit
Sehendes Wissen Blinden Glauben
Bekenntnis zu Rasse und Volk . Verehrung des Menschheits-
begriffes
Irdische Bewährung Absoluten Vorrang des Religiösen
256
Hingabe an die Volksgemeinschaft Hingabe an das Jenseits
Kraftvolle Erfüllung der Berufs- Völlige Unterwerfung unter die
pflichten kirchlichen Dogmen
Selbstverantwortlichkeit . . . Abhängigkeit von der Gnade
Kampfbereitschaft Friedfertigkeit um jeden Preis
Energische Abwehr des Bösen . Unbedingte Duldsamkeit
Verehrung von Blut und Boden Verleugnung von Blut und Boden
Vollen Einsatz für Volk, Sippe Überordnung des kirchlichen*
und Familie Interesses über alle Ideale
Volkseinheit ........ Glaubenszwiespalt
Rassenpflege . Rassenvermanschung
Ausscheidung der Erbkranken . Gleichberechtigung der Erb-
kranken
Geburtenvermehrung der Wert- Kampf gegen die Geburten-
vollen Vermehrung der Wertvollen
durch den Zölibat
Verwerfung des volksfeindlichen Anerkennung des Judentums als
Judentums des auserwählten Gottesvolkes
Ablehnung des jüdischen Natio- Anbetung Jahwes als des höch-
nalgötzen Jahwe sten Gottes '
Glaubensfreiheit Glaubenszwang
Wirklichkeitssinn ..... Religiöse Spekulationen
Lebensfreude Lebensflucht
Vertrauen in die Meisterung des Mißtrauen des Menschen gegen
Lebens durch eigene Kraft . . sich selbst wegen der angeb-
lichen Erbsündebelastung.
B. Der Theologe der „deutschen Heiden".
„Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten
geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der
NSDAP" war Alfred Rosenberg.
Sein Hauptwerk: „Der Mythus des 20. Jahrhunderts" wurde
geradezu die „Bibel des Nationalsozialismus".
Rosenberg selbst hatte zwar in der Einleitung seines Werkes
ausdrücklich bemerkt:
„Die in dieser Schrift vorgetragenen Gedanken und Schlußf olger un-
gern sind durchaus persönliche Bekenntnisse, nicht Pro-
grammpunkte der politischen Beiwegung, welcher ich an-
gehöre. Diese hat ihre großen Sonderaufgaben und muß sich als
Organisation fernhalten von Auseinandersetzungen
religiöser, kirchenpplitischer Art..."
Auch Regierungs- und Parteimänner wurden nicht müde,
immer wieder zu erklären, daß Rosenbergs „Mythus" ein rein
privates Werk sei.
Kreuz und Hakenkreuz 17 257
Aber die W i r k 1 i c h k 6 i t war anders:
1. Rosenberg schrieb nicht bloß als irgendeine Privatperson,
sondern als der vom Führer bestellte Leiter der
weltanschaulichen Schulung der nationalsozialisti-
schen Partei.
2. Rosenberg durfte und sollte die in seinem Buch nieder-
gelegten Gedanken als „Nation alsoizialistische Welt-
, a n s c h a u u n g" in zahllosen Reden auf offiziellen Partei-
schulungskursen darlegen.
3. Auf dem Parteikongreß in Nürnberg im Jahre 1937 zeichnete
Hitler Rosenberg speziell als seinen Beauftragten für die
geistige Schulung der Partei als allerersten mit dem neuen
„Staatspreis für Kunst und Wissenschaft" aus
und rühmte ihn in dem offiziellen Begleit-
schreiben als den Mann, „der in wissenschaft-
licher u,nd tiefgründiger Weise die festen
Voraussetzungen für ein Verständnis der
geistigenGrundlageridesNationalsozialis m u s
geschaffen hab e".
4. Rosenbergs Bücher wurden durch eine intensive und extensive
Parteipropaganda unterstützt.
5. Die ganze Nazipresse suchte den „Mythus" und die anderen
, Werke Rosenbergs als die für den Nationalsozialismus wich-
tigsten Lehrbücher zu verbreiten („SA-Mann" vom 15. 1. 1938).
Umgekehrt wurde Msgr. Leffers, Pfarrer von Rostock, gerade
wegen abträglicher. Äußerungen über Rosenbergs „Mythus" und
die darin vertretenen Ideen zu eineinhalb Jahren Gefängnis
verurteilt.
6. Der „Mythus" stand in der offiziellen Liste der für
.Lehrer und Büchereien empfohlenen Bücher.
7. In ungezählten Schulungskursen und „L a g e r" - V o r -
trägen wurde der „Mythus" als Gr-undlage des ganzen
Unterrichts benützt. Kursteilnehmer wurden vielfach schon
vorher aufgefordert, den „Mythus" als „ein grundlegendes Werk
über den Nationalsozialismus" mitzubringen (z. B. Lehrer des
Rheinlandes).
8. Der Reichsjustizminister verordnete^ daß Referendare, die sich
auf die Assesso rprüfung vorbereiten, den „Mythus" stu-
dieren und mit seinen grundsätzlichen Lehren vertraut sein
müßten. Rosenbergs Nachschrift zum „Mythus": „An die Dunkel-
männer unserer Zeit" (1935) wurde den Beamten mit aller
Gewaltaufgedrängt.
9. Der Sächsische Erziehungsminister empfahl das
Buch für den offiziellen Schulgebrauch (Ministerial-
blatt vom 15. Oktober 1935).
258
10. Alle volkstümlichen Entgegnungen auf den „My-
thus" wurden beschlagnahmt und verboten.
Die Polizei stand zu Rosenberg.
Das Kath. Pfarramt Schliersee, Erzdiözese München, schreibt am
8. März 1935 an das Erzbischöfliche Ordinariat:
Betreff: Mythus des 20. Jahrhunderts.
Soeben wurde mir folgender Auftrag der Politischen Polizei durch
die hiesige Gendarmeriestation zur Kenntnis gebracht:
„Die Geistlichen sind zu verständigen, daß jede Behandlung des
Werkes .Mythus des 20. Jahrhunderts' in geschlossenen oder öffent-
lichen Versammlungen außerhalb der Kirche zu unterbleiben hat.
Gegen Zuwiderhandlungen ist mit Auflösung vorzugehen.
8. März 1935. gez. Obermayr."
11. Auf einem Kongreß der Leiter von 47 Gauschulungszentren, der
im Januar 1939 zu Erwitte bei. Lippstadt gehalten wurde, ward
als Programm aufgestellt, „noch im laufenden Jahre 60 000
Parteiamtsmänner nach den vertraulichen Richtlinien
von Rosenberg und Ley über philosophische und reli-
giöse Probleme zu schulen".
12. In einem 14tägigen Schulungskurs Mitteldeutschlands im Sep-
tember 1935 erklärte der Leiter unter anderem: „Der National-
sozialismus ist eine Weltanschauung. Und diese Welt-
anschauung ist zu finden in Rosenbergs
»Mythus des 2 0. Jahrhunderts'."
In mehreren dieser Schulungskurse erklärte der damalige
Reichsführer des NS-Studentenbundes, Derichsweiler:
„Die Zeit wird kommen, daß viele Parteimitglieder, die glaubten, für
eine politischeBewegung gekämpft zu haben, enttäuscht merken
werden, daß sie für eine neue Weltanschauung gekämpft
hatten. Solche Leute müßten jetzt schon ihre Entscheidung treffen."
Kein Wunder, wenn bei solcher amtlicher und parteiamtlicher
Propaganda für Rosenbergs Ideen auf einem Schulungskurs für
Bürgermeister in Oberbayern im Jahre 1936 tagelang auf der
Schultafel des Vortragssaales zu lesen war und mehrmals auch
als „Tischgebet" gesprochen wurde:
„Lieber mit Rosenberg in die Hölle,
als mit Faulhaber in den Himme 1."
Kein Wunder, daß bei der Sonnwendfeier des Personals des
Finanzamtes München-Nord am 22. Juni 1938 auf dem Frgimanner
Sportplatz der Steuerinspektor M. H. vor dem Sprung über das
Feuer eben diesen blasphemischen Spruch tat, dann freilich beim
Sprung sich den Fuß brach und mit Auto vom Sportplatz weg-
geschafft werden mußte.
UndRosenbergs letztes Ziel?
Er selbst offenbarte es auf der Reichskulturtagung 1938 mit den
Worten: „Daß die katholische Kirche und mitihr die
259
e V a n g e 1 i s c h e B e k e n n t n.i s k i r. c he in der htutigen Form-
gestaltung verschwinden müssen, darüber bin ich mir —
und ich glaube das auch im Sinne unseres Führers
sagen zu können — vollkommen klar." „Wir sind in der
Durchsetzung der nationalsozialistischen Weltanschauung bereits
bei der deutschen Jugend ein großes Stück weitergekommen.
Die HJ ist ein Saugschwamm, dem niemand widerstehen kann.
Weiterhin ist der Aufbau des Lehrplanes in
allen Kategorien unserer Schule bereits derartig
in antichristlichem, antijüdischem Sinn erfolgt,
daß die aufwachsende Generation vor dem schweren Schwindel
bewahrt bleibt.
Wir haben aber noch ein Druckmittel, und das ist das finan-
zielle. Wir werden hier behutsam, aber desto syste-
matischer vorgehen, um dem nicht zu gewinnenden Klerus die
finanzielle Ader zu durchschneiden."
Rosenbergs Nachbeter.
Rosenberg sprach durch, den Mund vieler. Man könnte wirk-
lich Bände füllen mit Unterweisungen von Schulungsleitern und
Propagandisten, die ganz auf Rosenbergs Ideen aufgebaut waren.
Hier können nur einige Proben aus Schulungskursen verschiedener
Art wiedergegeben werden:
„Rosenberg" an den NSDStB.
Bei einer weltanschaulichen Schulung des nationalsozialistischen
deutschen Studenteribundes (NSDStB) im Jahre 1935 sprach in
einem Vortrag über:. „Unser Blut — Unsere Welt-
anschauung" Gau-Schulungsreferent S c h i n k e :
„Der Führer hat auf dem Parteitag 1933 erklärt: Der Nationalsozia-
lismus ist eine Weltanschauung. Diese Weltanschauung ist im Mythus
des 20. Jahrhunderts von Rosenberg dargelegt. In den Lagern des
NSDStB soll ein Stoßtrupp für Rosenberg zusammengeschweißt
werden für den kommenden, voraussichtlich im Winter einsetzenden
Kampf um die deutsche Seele, und zwar im Reiste und mit Willen des
Führers: .
Es gibt heute drei Weltanschauungen in Deutschland: die christ-
liche, die marxistische imd die nationalsozialistische. Eine schließt die
andere kompromißlos aus. Die germanische Frömmigkeit ist weiter
nichts als eine Ehrfurchtsgeltung gegenüber den Gesetzen der Ger-
manier und des Schönen." Die Menschen, die unseren Glauben nicht
haben oder haben können wegen ihrer rassischen Minderwertigkeit,
müssen ausgeschieden werden, was zum Teil bereits geschieht durch die
Sterilisation, die man ruhig als Mord bezeichnen könne. Die national-
sozialistische Weltanschauung ist nur für die germanische Rasse be-
stimmt, nicht wie das Christentum für alle Rassen.
Der Artikel 24 im Parteiprogramm besagt nur: „Positive Religio-
sität". Da das Christentum die landesübliche Religiosität gewesen ist,
ist der Verständlichkeit halber der Ausdruck Christentum gebraucht
worden."
260
„Wir lehnen nicht nur die hundert verschiedenen Christentümer,
sondern das Christentumansich ab.
Für uns Nationalsozialisten gibt es nur eine Befehlsstelle, auch
gegen Rom und Wittenberg."
Das Wesentliche dieser Ausführung bestand aber darin, daß der
Referent immer wieder betonte, daß das nicht seine Privatmeinung sei,
sondern die offizielle Einstellung der Partei und des Führers.
„Rosenberg" an Landjahrführer.
Ein Teilnehmer an einem Schulungskurs für Landjahrführer
berichtete darüber alsbald nach Ende desselben vertraulich:
Sofort nach dem Eintreffen im Lager war eine Erklärung zu
unterschreiben:
1. Nichts aus dem Lager in die Öffentlichkeit zu bringen,
2. Unbedingt und vorbehaltlos sich auf die Rosen-
bergschen Richtlinien festzulegen — auf etwas Un- .
bekanntes, dessen Inhalt und Bedeutung sich erst im Laufe der
Schulung, und zwar ganz zuletzt vor der Fackel- und Flaggen-
parade, ergab.
3. Unbedingten Gehorsam dem Lagermeister, d6n Leitern und
Helfern zu leisten.
> .
Aus dem Inhalt der rund 80, jeweils 15 Minuten dauernden
Referate der Teilnehmer:
' Nationalsozialismus ist eine Religion, geboren aus Blut und
Rasse, nicht eine politische Weltanschauung. Sie ist die neue, allein
wahreReligion, geboren aus nordischem Geiste und arischer Seele;
die noch bestehenden Religionen müssen schnellstens ver-
schwinden, bzw., wenn sie sich nicht selbst auflösen, voii Staats
wegen beseitigt werden. § 24 ist nur ein eingefügter Köder für die
Schwarzen aller Schattierungen, Nur ein vollständiger Idiot
verläßt sich auf das Programm und das Konkordat mit
Rom. Jedem Einsichtigen ist es klar, daß Nationalsozialismus und
Kirche Todfeinde sind. Die Kirchen sind politische Institutionen und
als solche, weil staatsfeindlich, auszurotten.
Es gibt weder Gewissensfreiheit noch Lehr- noch D e n k -
freiheit. Der Staat in seiner Totalität übernimmt die volle allei-
nige Verantwortung für Lehre und Leben. Anderes Denken ist
staatsfeindlich. Kritik in jeder Form ist vollständig verboten;
weder an dem Führer noch an den Führern bis zum Blockwart her-
unter, noch an deren Meinungs- und Willensäußerungen darf Kritik
geübt werden.
Alleinige Quellen sind:
I.Für die religiöse Seite des Nationalsozialismus: Rosenbergs.
Mythus.
2. Für die politische: das nur bedingt gültige Parteiprogramm.
3. Kulturelle und allgemeine Grundlage: einzig und
allein Rosenbergs Nationalsozialismus; dieser ist die neue
allein berechtigte Religion. Nicht Religionsdiener mit Hemmungen und
Vorbehalten.
Die Erziehung obliegt dem Staat allein. Kirchen- und andere An-
sprüche sind ausgeschlossen. WA der Geburt wird cl«r Mensch Natior
261
nalsozialist, und mit der Geburt beginnen des Staates Rechte. Die Eltern
sind nur Stellvertreter des Staates und nur bedingt zugelassen, solange
sie die Gewähr für nationalsozialistische Erziehung bieten. Wegnahme
der Kinder ist Recht des Staates. Jugend ist Träger der nationalsozia-
listischen Geistesrevolution. Der Zusammenhang mit dem Herkommen
muß restlos zerstört werden. Neue, ganz unerhörte, nie gekannte For-
men! Kein Individual-, nur Gemeinschaftsrecht!
Immer wieder: Wir sind einzig und allein Sozialisten mit unserer
eigenen, aus Blut und Boden geborenen Weltanschauung. Die Arbeit
allein entscheidet und nicht der Geist. Auf den legen wir keinen Wert.
Es kann nur der Führer sein, der sich hemmungslos dem National-
sozialismus hingibt und , als solcher arbeitet. Wer kritisch prüft,
ist schon erledigt. Wer nicht alles Vorgetragene restlos zu lehren
und zu leben bereit ist, muß gehen und schließt sich von selbst von allen
staatsbürgerlichen Rechten für alle Zeiten aus.
Der rechte Nationalsozialist muß mindestens SA-Mann sein. Nicht
früh genug kann mit dieser Ausbildung begonnen werden. Wer aus
körperlichen oder geistigen Gründen nicht mitmachen kann, muß sofort
das Lager verlassen. Der Nationalsozialismus hat das Recht auf den
ganzen Menschen.
DerBesuch von Gottesdiensten artfremder, rassen-
feindlicher, an orientalische Religion gebundener Konfessionen — katho-
lisch oder protestantisch — ist deshalb verboten.
Die orientalisch- jüdischen Lehren sind schuld: 1. am Untergang der
nordischen Rasse, 2. an der Vernichtung Deutschlands, 3. am Aufstieg
des Bolschewismus.
Der Nationalsozialismus hat die Welt vor dem Untergang gerettet,
nicht nur Deutschland.
Wer der^ Totalität des Staates entgegenarbeitet, hat sein Aufent-
haltsrecht verwirkt. Kein Konkordat kann ihn schützen; denn das Kon-
kordat setzt die Allmacht des Staates voraus. Um nicht die Schwarzen
und Rom gegen sich zu haben, bleibt § 24 des Programms vorläufig
bestehen. Nationalsozialismus und Christentum sind Todfeinde.
„Rosenberg" an Land Jahrerzieher
Einen noch deutlicheren Einblick in den ganzen antichrist-
lichen, rosenbergianischen Geist der „Führerkurse" gibt nach-
folgender Bericht über den Führerkurs für Land-
jahrerzieher inD., bei dem seinerzeit aus begreiflichen Grün-
den die näheren Angaben über Ort und Öatum weggelassen werden
mußten, der aber sonst alle Zeichen der Wahrheit in sich trägt.
Chronologische Aufzeichnung über meine dort verbrachte Zeit
vom . . . bis . . .
Sonntag, den ...
18 Uhr mußte alles im Lager sein. Einkleidung, Einteilung in Kame-
° rädschaften und Zuweisung der Betten. Ich schlafe auf Stube . . . Die
anderen Stuben haben interessante Namen: Wittekind, Alf red Rosenberg,
Walter Darre, Frunsberg, Florian Geyer. Ich lese den Spruch: Schmeißt
ihn raus, reines Haus muß ein Landsknecht haben. Aber die Sprache
und der Ton waren bald anders als rein. 19 Uhr sind wir im Rittersaal
versammelt. Vor dem Abendessen singen wir ein Lied, reichen uns die
Hand mit dem Gruß: Heil! Nach dem Essen genau "dasselbe. Es spricht
dann der Vertreter der Partei zu uns. Die Losung der vier Wochen wird
bekanntgegeben: „Gelobt sei, was da hart macht." 80 Leute legen sich
262
um 9.15 zu Bett. Die schlechten Witze sind das Abend-
gebet vieler, die meine Kameraden werden sollen. 11 Uhr nachts
Alarm! Wir springen über Zäune, klettern über Mauern und liegen um
12 Uhr endgültig in der Falle.
Montag, den . . . •
6 Uhr Aufstehen, Frühsport. Wir machen die erste Bekanntschaft
mit Wasser, Morast. Harte Körperschule. Wir lernen das Bettebauen.
Bis Mittag haben wir Arbeitsdienst, bestehend aus Roden und Dränage-
arbeiten. Nachmittags Schulung. Thema: Das Landjahr, sein Erzieher
und dessen Aufgaben. Die Jugend muß revolutionär erzogen werden,
daß sie jedem, der anders will, in die Fresse schlägt. Der Erzieher muß
Nationalsozialist sein und nicht irgendwelchen internationalen und pazi-
fistischen Ideen anhängen oder nachjagen. Wir erziehen den Jungen
zum wehrhaften deutschen Mann, der rassebewußt im Blut und Boden
verwurzelt seinem Vaterland dient. In der Abendrunde werden Lebens-
schicksale erzählt. Wir lernen das erste nationalsozialistische
Abendgebet:' „Ein altes Weib gewesen, krank gewor-
den, gestorben, in die Hö^e gekommen, wieder 'raus
gekommen, warum?, wegen der Hit z." Das beteten Ka-
meraden mit gefalteten Händen. Wir singen jedesmal vor
und nach dem Essen ein Lied und begrüßen uns immer mit dem Gruß:
„Heil!" Andere Gebete kennen wir nicht. Nur eines ist ims heilig, die
Fahne. Jeder muß genügend Flaggensprüche kennen, um sie bei Hissung
oder Herabnahme zu . deklamieren. .Erwünscht sind solche des Inhalts:
„W irbeten nichtzudem, zu dem diePfaffenbeten,
wir glauben, nur anuns selbst, anunsere Fahne,
unsere Idee, unser Schwert. Wir glauben nur an
D e u t s c h 1 a n d , a n s o n s t n i c h t s."
Dienstag, den. ..
Man darf im Lager alles, nur sich nicht i kriegen lassen. Das habe
ich gleich am ersten Tage lernen müssen, als ich keine Bettbezüge hatte
und mir der Lagerleiter sagte, ich solle sie mir nehmen, egal
woher. Alles ist erlaubt. Wir kennen nur eine Sünde:
die Feigheit! Nachmittags haben wir die ersten Ordnungsübungen.
Wir lernen Lieder: Es pfeift von allen Dächern, das Niedersachsenlied!
Schimpfkanonade auf Karl, den Sachsenschlächter. Wir verspotten
diePfaffen. Wirmüssen unseren Jungen beibringen,
alles, was schwarz ist, zu hassen. — Rom ist unser
größter Feind. Wer mit Rom in Verbindung steht, muß
auf der Flucht erschossen werden. Klausner wird er-
schossen', weil er als Leiter derKatholischenAktion
die LinieKöln — München — Rom aufstellte. Ich fange an
zu begreifen, was hier gespielt wird, und mein Grundsatz ist von heute
an, klug sein wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben. — Die
Abendrunde- bringt weitere Lebensschicksale meiner Kameraden an den
Tag. Wir kennen uns schon besser. Die meisten Kameraden sind HJ-
Führer, SA- und SS-Führer. Ein Teil von ihnen ist alte Kampfgarde.
Sie sind Schlosser, Maurer, Dreher, Chemiestudenten, Studienreferendare,
Junglehrer, Bauern, Kauf leute, kurz, sie kommen aus allen Ständen. Dem-
nach ist auch ihr Wissen, ihr Reden, ihr Wesen. Einige Kameraden be-
kennen offen, daß sie einem katholischen Jugendpflegeverein angehörten.
— Heute haben uns weitere 10 Kameraden verlassen.
Mittwoch, den ...
Schlechtes Wetter. Aber wir tun vollen Dienst. Mittags um 3 Uhr
trifft der Landjahrführer N. N. ein. In seiner Begleitung Sturmführer N.
Wir werden auf unsere Rassenzugehörigkeit untersucht. Wir gehen 10
zu 10 Mann auf das Führerzimmer, natürlich nackt, denn es heißt ja
263
Nacktparade. Man beschaut jeden einzelnen. Ich muß einige Kehrt-
wendungen machen und kann abtreten. Meine Rasse ist festgestellt. Ob
ich wohl zur nordischen Rasse gezählt worden bin? — Nachmiitags ist
Vortrag über Nationalsozialismus und Rasse. Der Redner ist zu Ende.
Bravo, Trampeln mit den Füßen. Ich habe den Eindruck, der Mann ist
ein Laie und hat Rosenberg gelesen und versteht es gut, Phrasen zu
klopfen. Ich melde mich zu Wort. Wir dürfen als Nationalsozialisten
kritisieren. Widerspruch hin und her. Ich werfe dem Redner Unkennt-
nis der Sache vor. Man ersetzt jetzt das Nichtwissen durch Schimpfen
über meinen Glauben. Unsere Bischöfe sind Schweine-
hunde, Idioten, Volksverräter, Bas'tarde. Rom ist die
einzige Schmach auf der Welt. Wie wohl tut der Schlaf nach
des Tages Last! Aber ich schlafe nicht. Kann ich verantworten, daß ich
noch länger hier bleibe? Darf ich noch länger schweigen zu diesem
Treiben? Ich beiße die Zähne aufeinander und warte ab. Heute sind
wir noch' 40 Kameraden. Morgen? Unser Lager ist das schönste
Bienenhaus.
Donnerstag, den ...
Die körperliche Schulung bleibt wieder eisenhart. Das Liebste, was
ich tue, bis an die Knöchel im Wasser stehen und Wassergräben ziehen.
Nur nichts hören von nationalsozialistischer Schule. — Wie; froh war ich,
als wir nachmittags wieder Lieder lernen, aber schnell ist die Herrlich-
keit zu Ende. Wir sprechen über die katholische Jugend,
die wir gewinnen müssen. Aber diese Schwarzen, die
inüssen wir in die Fresse hauen, denn nur sie sind
unsere Feinde. Hätte man doch diesen Affen mit dem
Zylinder auf dem Kopf eine Handgranate anden Kopf
geschleudert, daß sie alle krepiert wären!
Freitag, den ...
. Wer keine Achtung hat vor den Mitmenschen, kann auch keine für
sich in Anspruch nehmen. Steillungsautorität kanini auch nicht allein
zum Ziele führen, sie muß Persönlichkeitsautorität sein. Ich bin ein
Intellektualferkel, das hier nicht gebraucht werden kann. Wir wer-
den vor die Wahl gestellt, katholisch zu bleiben und
zu gehen, oder Nationalsozialisten zu werden und zu
bleiben. Frist bis Sonntag. Wir sprechen über die Jüdenfrage.
Sehen ihren zahlenmäßigen Anteil an der Bevölkerung Deutschlands
und den im krassen Gegensatz dazu stehenden Anteil an den Berufen.
AUjuda beherrscht die Hochfinanz und das öffentliche Leben. Gegen
das Judentum können wir uns schon offen wehren —
gegen das Christentum nicht. — Wir sprechen über die
Auswahl der Ju'ngens für das Landjahr. Sie werden vom
Landjahrführer ausgewählt. Wir nehmen nur Jungens aus der
Sturmschar, nur einen kleinen Teil aus der HJ. Die
besten Kräfte stehen noch in der Sturmschar. Denn
wenn wir so weitermachen in der HJ, dann sind wir in 4 Jahren kaputt.
Deshalb müssen wir diese Jungens unbedingt haben. Die Abendstunde
bringt uns heitere Heimatspiele und lustige Lieder.
Samstag, den ...
Wir haben in der vergangenen Nacht praktisch geübt, wie wir es
mit unsteren Jungens zu machen haben. Nachts um 11 Uhr war Alarm.
Nachtübung. Es wird uns gesagt, wir wollen nicht nur von Fronterleb-
nissen reden, sondern es einmal praktisch im kleinen machen. Wir waten
durch Morast, bis an die Knie, wir liegen platt im Wasser. Wir springen
über Stacheldrahtzäune, Wassergräben, klettern über umgehauene Sträu-
cher, Bäume. Unsere Führer machen alles mit. Wir sollen zu dem
Heiligen beten, der dafür sorgt, daß wir keine nassen Füße be-
264
kommen, dann marschieren wir bis an die Knie im Wasser. Man fragt
uns, ob wir keinen Heiligen wüßten, der uns die Füße wieder trocken
werden lasse. — Wir sind müde um 3 Uhr im Schloßhof angekommen
und springen, unsere Führer voran, ,in ,den 4 Meter tiefen Brunnen.
Das Wasser stank entsetzlich, es wurde gesungen: Ich armes welsches
Teufli. Wie Blei so schwer waren meine Glieder, als ich um 7 Uhr auf-
stand. Eine Stunde zu Fuß liegt die Kirche vom Schloß entfernt. Um
10 Uhr ist dort Messe. 9.30 antreten. Zwei Leute mel-
den sich. Ich auch. Wir werden verhöhnt und verlacht.
Die Kameraden singen Lieder des Inhalts: Man soll
den Kirchen und Klöstern den roten Hahn aufs Dach
setzen. Ich verteidige mich. Wenig Erfolg. — Nachmittags ist ver-
schärfte Bettrühe. Ich mache Küchendienst.
Montag, den ...
Ich muß das Lager verlassen. Warum? Ich eigne
michnichtalsLanderzieher.
Man weiß: Ich bin katholisch.
Beurteilung :
Der Führerkurs, an dem ich teilnahm, war zugleich auch ein Aus-
lesekursus. Die Auslese wird in zweifacher Hinsicht getrieben: 1. nach
der körperlichen Seite hin, 2. nach der weltanschaulichen Seite hin.
Ich mußte gehen, weil ich kein Nationalsozialist bin. Ob ich mein
Vaterland liebe, weiß ich selbst am besten. Ich habe den Leuten der
Abendrunde erzählt von den vielen Ordensschwestern, die im Kriege
gefallen sind, die das EK I. und EK II. Kl. erhalten haben, daß die
Studenten, die bei Langemarck fielen, zu 80 Prozent katholisch gewesen
sind, daß mein Vater von 1914 bis 1918 im Felde war. — Aber als Katho-
lik steht man hier auf verlorenem Posten. Der Führerkursus hat den
Zweck, junge revolutionäre Erzieher auszubilden und sie mit den Metho-
den bekanntzumachen, mit denen man eine Jugend heranzüchtet, die
nur an ihr ewiges Deutschland glaubt, die sonst an nichts glaubt. Die
Gegner gehen hierbei — ohne einen offenen Kulturkampf vom Zaune
zu brechen — einen ganz bestimmten Weg.
Der Landjahrführer N.N. sagte uns, er habe im ver-
gangenen Jahr 60 Saarkinder in Erziehung gehabt.
Diese seien nach drei Monaten noch katholisch ge-
wesen, dann nicht mehr. Die Kinder werden nach ihrer Ent-
lassung in die HJ eingegliedert, die besten werden in das nächste Land-
jahr als Kameradschaftsführer einberufen. Das bleiben sie drei Jahre,
kommen dann ein Jahr in RAD und ein Jahr in die Reichswehr. Dann'
werden sie Landjahrerzieher; das bleiben sie vier oder fünf Jahre. Dann
werden sie Versorgungsanwärter, d. h. sie werden als Lehrer bevorzugt
eingesetzt in Volks- und Berufsschule. Zweck: Schon im frühesten
Stadium der Erziehung den Grund für eine gute weltanschauliche
Schulung zu schaffen.
Preußen hat im vorigen Jahr 13 Millionen für das Landjahr aus-
geworfen. Es hat einen großen Erfolg gehabt und ist darum auf das
ganze Reich ausgedehnt worden. Man wartet also ruhig ab
und ist nicht interessiert an der Lösung einer deut-
schen Jugendfrage, das geht ja so viel einfacher. „So
brechen wir das Konkorda t", sagte man uns.
„Bosenberg" an des NS-Lehrer])und.
Dr. Schott, München,
hielt bei einem Schulungsabend des NS-Lehrerbundes am 15. Ok-
tober 1934 einen Lichtbildervortrag über:
Kreuz und Hakenkreuz 18 265
„Der Gott des Alten und Neuen Testamente s."
„Der Scheinheilige und der echte Heilige."
„Kötergeschlecht und Göttergeschlecht."
„Die Schule, wie wir sie wünschen und wie wir sie nicht
wünschen,"
„Dämon und Lichtgestalt."
„Despot und Landesvater."
„Scheinpriester und echter Priester."
„Der Jude und der Deutsche."
Daß bei all diesen Gegenüberstellungen das Dunkle immer durch
das Katholische, das Helle aber durch das Nationalsozialistische
dargestellt wird, verwundert bei der weltanschaulichen Einstellung
des Redners und bei, dem Zweck seines ganzen Vortrages nicht
weiter.
Auch Bauern und Jungbauern mußten in die Schule von Rosen-
berg gehen; so z. B, sagten ihnen in Wasserburg a. I. im Jahre 1935
Pg. König und Pg. Barbisch vor: „Der Nationalsozialist muß
tief religiös sein, aber Rom lehnt er ab; denn durch Rom ist
die germanische Rasse versklavt worden." „Wir knien uns nicht
nieder vor dem Altar, wo das Erlöserblut geflossen ist, um da
Verzeihung der Sünden zu erbeten, sondern wir stehen
um unsem Altar, wo unser Erlöserblut, das Blut von 2 Millionen
Kriegern und 400 Gefallenen der Partei, geflossen ist, stolz und
stark, nicht wie die Devisenschieber und Dunkelmänner."
„Rosenberg" an deutsche Frauen.
a) Schulungskurs im Sommer 1936:
„Eine andere Macht, die eine 2000jährige Tradition hat, faßt die Kin-
der schon mit 8 Jahren, indem sie dieselben zum Tisch des Herrn schickt,
das ist nicht recht! Die Kinder verstehen das in ihrem tiefsten Herzen
nicht. Die Frauenschaft soll sorgen und wird sorgen, daß das in
Zukunft nicht mehr geschehen darf. Der Nationalsozialismus ist dadurch
klug geworden und erfaßt die Kinder schon mit 6 Jahren. — Wir haben
2 Feinde: Den Bolschewismus und die politisierende Kirche, hinter all
dem steht der Jude. — Dem Katholizismus ist es gleich, wer mitgeht, um
seihe Macht zu erhalten, ob Jude, ob Kommunist. Rom kann niemals
lieben und duldet auch nicht die nordische Rasse. Es will nicht, daß
dieise Sieger wird.
Die Kirche lehrt, das Kind kommt ohne Seele zur Welt und muß
durch die Taufe erst die Seele bekommen (!). Wer die wahre Lehre
der Kirche über diesen Punkt nicht kennt, kann zu dem Entschluß
kommen, seine Kinder überhaupt nicht taufen zu lassen. Diesen Ent-
schluß vertraute mir eine Kursgenossin, die bereits ein Kind erwartet, an.
Der 3. Vortrag behandelte die Einstellung des NS zur Einführung
des Christentums bei den alten Germanen.
Die Machtbestrebungen Clodwigs und Karls des Großen waren nichts
anderes, als die Kirche zur Macht zu bringen. Die Einführung des
Christentums ist unserem deutschen Volk derartig fremd gewesen, und
diese Fremde hat einen großen Teil abgestoßen, war aber auch unge-
266
heuerlich anziehend. Der schon damals von Rom eingeführte Prunk, das
bloße Vorlesen der Evangelien (Lesen war den Germanen etwas Frem-
des, noch dazu das Lesen in lateinischer Sprache), die Aufmachung mit
Kerzen und Litaneien. Das alles war den Germanen ganz wesensfremd
und gerade deswegen auch anziehend. Aber was sie nie begreifen woll-
ten, das war der Gedanke an Gnade und Erlösung. Der Germane hat
etwas Schlechtes nicht gelassen, weil es Sünde war, sondern weil es
seinem Stamm gegenüber schlecht war. Also mußte zuerst der Begriff
Sünde gebracht werden, daraus Erlösung und Gnade. Wenn wir unsere
jungen Mädel wieder soweit bringen, daß sie aus einer inneren Verant^
w Ortung heraus ihren Weg gehen, dann sind wir wieder zurückgekehrt
zur Auffassung der damaligen Zeit. — Viele sagen, daß die Frau erst
durch das Christentum das wurde, was sie sein soll, vergessen aber, daß
ein Marienkult eingeführt werden mußte, um die Stellung der Frau
überhaupt zu heben. Die Stellung der Frau hat in der vorhergehenden
Zeit so gelitten, daß dieser Marienkult nötig war. Das soll nicht heißen,
daß es den Marienkült vorher nicht gegeben hat, aber all das, was drum
rum gemacht wurde, daß die Maria Jungfrau war, das ist sehr spät
eingeführt worden.
Die Einführung des Christentums hat verschiedenes gebracht, was
uns heute noch bis in die Seele bewegt, daß so etwas möglich war, die
Hexen Verbrennung.
Thomas von Aquin hat sich mit einigen Jesuiten, die sich
schon damals bildeten, zusammengeschlossen. Es waren entweder Aske-
ten, die jedes natürliche Gefühl der Frau gegenüber verloren hatten,
oder es waren Schweinehunde, die den ,Hexenhammer' geschrieben
haben. Es^ steht fest, daß Zweidrittel der gesamten- Verbrennungen an
Frauen vorgenommen worden sind zwischen 25 und 35 Jahren. Da
wird uns eines klar, daß damals schon eine Methode eingeführt worden
ist, und zwar die Methode, ein Volk im Grunde auszurotten und zu ver-
nichten. Und was am meisten wundert, ist, wie die Männer dazu stan-
den. Nur so begreifen wir, daß die Kreuzzüge waren und dadurch
die besten Männer fortzogen. Nun waren die Frauen mit den Kindern
allein, und sie hatten freie Hand. Wenn wir nach Mainz kommen in die
Wohnung des Bischofs, da ist eine kleine Luke und anschließend dip
Folterkammer der Hexenverbrennung.
Die Kreuzzüge sollten ursprünglich dazu dienen, das Heilige Grab
von den Türken freizuhalten, und wir haben auch dazu eine bestimmte
Auffassung. Die Männer in dieser Zeit glaubten etwas Großes und Heili-
ges zu leisten, denn sonst wären diese deutschen Männer überhaupt
nicht dazu zu bewegen gewesen, Haus und Hof im Stich zu lassen. Wenn
wir es heute objektiv ansehen, unci wenn Christus dieser große Mann
ist, dann müssen wir uns in einer tieferen Gläubigkeit sagen, daß es
diesem Mann gar nichts gemacht hätte, wenn sein Grab in die Hände
der Türken gefallen wäre. Es waren darin nur noch einige Knochen (!!!),
die mit der Person Christi überhaupt keine Beziehung mehr hatten. —
Und wie viele sind da wieder umgekommen vom guten deutschen Volk,
dem Rom methodisch den Garaus machen wollte! Der größte Wahnsinn
aber begann mit den Kinder-Kreuzzügen. Der dann die Kinder-Kreuz-
züge verhüten wollte, ist vom Papst hingerichtet worden.
Der Vatikan als politische Macht:
Die Papstidee fußt auf der Auffassung, daß der Papst der einzige
Herrscher und die Kirche die einzige Macht sei. Mit dem Dogma der
Unfehlbarkeit war die Diktatur des Papsttums gesichert. Das Unfehl-
barkeitsdogma ist die Grundlage der modernen vatikanischen Politik.
Wer es ableugnet, ist ein Ketzer. Alle Staaten sind aus dem Wellkrieg
schwer erschüttert hervorgegangen, nur der Vatikan erlebte einen Auf-
schwung. Es waren nun zwei Ziele erreicht: Die romabträgliche Mon-
267
archie jn. Deutschland beseitigt und der russische Cäsaropapismus, die
Stütze der orthodoxen Kirche, durch die bolschewistische Revolution
vernichtet.
Wenn es um seine Machtseele geht, kennt der Vatikan keine Hem-^
mungen. Der Vatikan schmiedet die letzten großen Klammern um
Deutschland. Der politische Einfluß des Vatikans geschieht meist auf
religiöser Grundlage. Die Beichte ist für den Staat ein völlig Un-
kontrollierbares Einflußmittel der Kirche. Auch Kranken häuser usw.
sind Einflußmittel auf das Volk. — Die Armee des Vatikans besteht in
der römischen Priesterherrschaft. Zahlen darüber erzählen mehr über
den Angriffsplan.
Christ k ö nigsherrscha f t, hinter dieser mystischen Bezeich-
nung verbirgt sich die Weltherrschaft des Vatikans."
b) Schulungst agung des deutschen Frauenwerkes
Gau Pommern in Stettin vom 28. November 1936.
Teilnehmerinnen: Kreis-Fräuenschaftsleiterinnen, Mütterschulungs-
leiterinnen, Organisationsleiterinnen usw.
Notizen über den Vortrag sind nicht erwünscht; das wurde beson-
ders hervorgehoben.
Alle Rednerinnen zeichnen sich durch außerordentliche geistige und
rednerische Gewandtheit aus. Die Hauptsache der Schulung>.war: Welt-
anschauliche Durchbildung: Nachfolgender Vortrag war pro-
grammäßig nicht vorgesehen und auch nicht angekündigt.
1. Rednerin : 600 000 Brävite und Mütter sind durch die Mütter-
schulung gegangen. Mütter Schulung ist das Instrument
zur Verbreitung der neuen Weltans'chauung; denn
über die Frau geht der Weg zur Familie und vonder
Familie ins Volk. Der Frau gegenüber muß die Weltanschauung
verstärkt getrieben werden. An jede Frau, ohne Unterschied der sozialen
Schichtung, muß herangetreterP werden. Kochen lernen und Koch-
rezepte verteilen müssen wir als T r ickanwenden, um
d i e M e n s c h e n h e r a n z u z i e h e n.
2. Rednerin: Gaufrauenschaftsf. Traber-Stettin:
In allen Orten muß von jetzt ab alle 6 — 8 Wochen eine Versammlung
des Frauenwerkes stattfinden. Und diese Versammlung dient der welt-
anschaulichen Schulung.^. Frauen, die noch außen stehen, müs-
sen noch besonders eingeladen werden, Sie betonte dann: Die beiden
Dinge miteinander vertragen sich nicht: Bindung an die Kirche
und unsere Arbeit. Wer in unserer Arbeit, steht, muß sich ent-
scheiden. Es ist uns gesagt worden: Die „Heidin" Fabes ist aus der
Kirche ausgetreten. Ich bemerke dazu: Ich trete noch nicht aus der
Kirche aus, obwohl ich innerlich weiß, wie ich stehe. Ich trete'erst
aus, wenn alle Frauen wissen und mich verstehen,
warum ich austrete. — Die Hauptsache ist bei uns nicht die
Leistung, sondern die Gesinnung. Menschen, denen wir gesinnungsmäßig
nicht trauen können, können wir auch nicht brauchen. In die Führung
gehören nur solche Frauen, die eine zuverlässige Gesinnung haben, für
die es kein Wenn und Aber gibt. Mit Frauen, dienoch dauernd
in die Kirche rennen und Bedenken haben, mußauf-
g e r ä um t werden. „Lügner" können wir nicht brauchen! Die Red-
nerin f-ührte aus, sie habe sehr viel Geduld und Nachsicht mit solchen,
die sich Mühe geben. Aber einmal müssen auch diese zur Entscheidung
kommen. Und wenn eine Mitarbeiterin die neue Welt-
anschauung nicht begreifen kann, dann mußsie ab-
treten. Freilich, viele fühlen sich vor den Kopf gestoßen und sagen,
daß doch früher davon nie die Rede war. Früher kämpfte man
268
um die Macht' und jetzt um die Seele. Die AmtsWalterinneri
müssen bei den Frauen durch beständige Schulung vorbereiten, damit
die alte Weltanschauung von selbst abstirbt. Es darf keine auf-
gefordert werden, aus der Kirche auszutreten. Die Rednerin betonte
dann, daß vom Gau (im Einverständnis von Frau Scholz-Klink) Unter-
lagen gielief ert werden zu Adventfeiern, d. h. Vorweihnachtsfeiern.
Wenn einzelne sieh wundern sollten, daß nicht mehr von Jesus
die Rede ist, müssen sie aufgeklärt werden: Dieser und ähnliche
Namen werden bei unseren Festen nicht mehr gewünscht.
Dem Vortrag folgte ein langanhaltender Beifall,
Auf die Anfrage, ob von diesen Mitteilungen den Mitgliedern gegen-
über Gebrauch gemacht werden dürfe, wurde erklärt: Unter keinen
Umständen dürfe diese Weisung weitergegeben wer-
den. Nur sie selbst sollen daraus lernen und klug vorangehen.
Auch das ländliche Jahr, das Hauptwirtschaftsjahr und die Haus-
wirtschaftslehre wurden behandelt. Bei Auswahl der Hauswirtschafts-
stellen sei man darauf bedacht, daß die Mädels nur an solche Familien
kommen, in denen sie auch weltanschaulich von dem Alten
weggebracht werden. Das deutsche Frauenwerk und die NS-
Frauenschaft muß sich um diese Mädels kümmern und sie . an sich
ziehen. Der Totalitätsanspruch, der aus dem Glauben durch die Kirche
gestellt wird, ist uns hinderlich. An seine Stelle tritt der To t ali t ä t s-
a n s p r u c h d e s S t a a t e s.
Zum Schluß betonte die Rednerin noch einmal, daß sie nicht so
offen gesprochen hätte, wenn es nicht Frau Scholz-Klink gewünscht
hätte. Der Gedanke, daß die Ki n d e r d e n Eltern gehören,
ist falsch. Die Kinder gehören ebenso den Kindern und damit der
Hitlerjugend. Die Eltern sollen mit Fragen der Neuzeit nicht an die
Kinder herantreten, sondern bei den Kindern eigene Ansicht wachsen
lassen ...» .
Wir stehen in weltanschaulicher Verteidigung und nicht mehr in
politischer und wirtschaftlicher. '
Bei den Sondertagungen der nächsten Tage erzählte eine Frau, tfaß
in einem Sehulungslager die anwesenden Katholikinnen jeden Morgen
um 7 Uhr in die Kirche gingen. Darauf wurde der Beginn der Vorträge
auf 7 Uhr festgesetzt. Dann gingen sie schon um 5 Uhr. Daraufhin
w^ußte der Schulungsleiter sich nicht mehr zu helfen. Er überläßt es der
Zeit, auch diese Menschen zu bilden.
„Rosenberg" an die HJ
a) K r e i s 1 e i t e r F r i t s c h, F r e i b u r g i. B r.,
trug der HJ Christentums- und kirchenfeindliche Rosenbergideen
vor mit Worten wie:
„Die katholischen Menschen können ohne den Segen , des Priesters
nicht leben . . . Überall hat eben der Priester seine Hand im Spiele, und
die dummen Menschen glauben dies alles. Aber auch alles, was der
Priester auf der Kanzel sagt, glauben sie, und wenn es der größte
Mist ist." . .
„Die Christen sehen in dem Priester etwas Heiliges, weil sie geweiht
sind. Wir Nationalsozialisten brauchen keine Weihe. Unsere Weihe ist
die Persönlichkeit, der Charakler des Menschen."
„Ebenso blödsinnig wie dieses sind die Dogmen. Wir brauchen
keine Dogmen."
„Als der Führer jetzt nach Rom kam, glaubte der Papst, daß ihn
Adolf Hitler besuchen würde. Aber er wartete vergebens, und zwei
269
Tränen rollten ihm deshalb über die ' Wangen. Wenn der gute Herr
heute noch glaubt, daß Adolf Hitler ihn besuchen würde, dann ist der
Papst 100 Jahre zu spät auf der Welt."
„Die Kirche wird ganz bestimmt untergehen, und wenn es auch nicht
in den nächsten 50 Jahren ist; aber eines Tages wird die Stunde kom-
men, wo nicht mehr das christliche Glaubensbekenntnis gepredigt wird,
sondern wo man erkannt hat, daß wir in Adolf Hitler die Vorsehung
des allmächtigen Gottes sehen."
„Wenn ihr von all dem etwas mitnehmt, dann soll es sein, daß ihr
euch die Frage vorlegt, ob ihr wirkliche Soldaten des Führers sein oder
der Kirche treu bleiben wollt. Bedenkt, daß heute tagtäglich Kirchen-
austritte zu verzeichnen sind. Es sind wirkliche Männer mit Kraft und
Mut, die ohne innere Schwierigkeiten der Kirche den Rücken kehren
und sich als Soldaten des Führers zeigen."
b) Am 13. April 1934 leistete sich ein SS-Sturmführer, der in
Regensburg in der Jugendführung eine besondere Rolle spielen
wollte, bei Jugendlichen folgende Ausführungen:
Den „wirklichen Soldaten des Führers" zeichnet der Schau-
kastendienst der HJ, Gebiet Oberland, Nr. 1 vjom November 1933,
mit den Worten:
„Junge Deutsche haben im Jahre 1914 die Bibel mitsamt der Gram-
matik in den Winkel geworfen und das Gewehr gepackt, haben in Flan-
dern nicht mit der Bibel, sondern mit dem Bajonett das Vaterland ver-
teidigt."
e) Ein SS-Sturm führer aus Thüringen
glaubte am 13. April 1934 in Regensburg versichern zu können:*
„In zehn Jahren gibt es keinen Katholizismus und keinen Protestan-
tismus mehr.
Rosenberg hat recht, wenn er sagt, der Christusgedanke sei nach
2000 Jahren überlebt. Die weltanschauliche Schulung der HJ wird so
durchgeführt, daß in zehn Jahren die neue Religion fertig ist. In der
Zwischenzeit wird die HJ die Klostermauern stürmen; sie sind ja nicht
hoch, und die SA und die SS stehen dahinter. Wehe, wenn ihnen von
den Schwarzen ein Haar gekrümmt wird! . . . Die Jugend gehört und
bleibt uns. Hitler will nur eine Einheitsreligion, und die kommt!"
d) Der Leiter eines HJ-Führerkurses
in Andelsbuch bei Bregenz im Dezember 1940 stieg in Ausdruck
und Inhalt noch tiefer. Zu 42 Jugendlichen von 11 bis 19 Jahren
sprach er zunächst stundenlang über weltanschauliche
Fragen: Der Papst sei ein Erzgauner, die Bischöfe Gauner. Genau
so heute, wie einst im Mittelalter! Nach dem Kriege wird mit
diesen Gaunern aufgeräumt.
Dann gab er ausführliche Aufklärung über sexuelle Fragen.
Insbesonders zeigte er in einem Film die Entwicklung des Kindes
im Mutterschoß, dann äußerte er sich über die Selbstbefleckung in
einer Weise, daß man auch jetzt noch geradezu erschaudert an-
gesichts der Gefahr, in welcher unsere deutsche Jugend in den
Händen solcher Jugendführer war: „Ein Mann kann ohne Selbst-
befleckung nicht leben. Infolgedessen verlange ich auch von euch
270
nicht, daß ihr euch der Selbstbefleckung enthaltet. Im Gegenteil:
Ihr sollt sie sogar üben Nur nicht dreimal am Tag, weil das ein
Übermaß wäre." Gewarnt wurde vor gleichgeschlechtlichen Ver-
gehen unter Androhung strenger Strafen.
In dem Bericht eines Teilnehmers dieses Kurses wird gesagt,
daß die Jugendlichen nach diesen Ausführungen ihres Führers sich
dahin geeinigt hätten, die Selbstbefleckung zweimal im Tage zu
üben.
Wer ist schuld an den „Rosenbergiaden" all dieser national-
sozialistischen Lehrkurse?
Nach Darstellung sicher erwiesener christentumsfeindlicher
Ausführungen auf verschiedenen nationalsozialistischen Lehrkursen
in einer Note vom 14. Mai 1934 fragt der Hl. Stuhl unter Punkf V:
„Wenn in den erzieherischen Institutionen, für die der Staat
auf einen Beitrittszwang hinarbeitet, ein solcher Geist gepflegt
wird, wenn die hier beispielsweise mitgeteilten Dokumente und
Berichte zeigen, wie manche Führer in solchen Staatsinstitutionen
in Wirklichkeit vorgehen, dann ist der Hl. Stuhl wohl berechtigt,
folgende Fragen auf zu werfen:
Gibt es zentrale Anweisungen für die Gestaltung dieser Kurse?
Sind in diesen Anweisungen Winke oder Anleitungen enthalten,
wie die in das Grenzgebiet von Kirche und Staat fallenden Fragen
bzw. die religiösen Fragen selbst zu behandeln sind?,
Wenn ja, wie lauten diese Anweisungen?
Wenn, was vorausgesetzt sein mag, diese zentralen Anweisungen
einwandfrei sind, wie erklärt sich dann, daß in so offener und be-
denkenloser Form darüber hinweggegangen wird?
Wie kommen die Leiter solcher Kurse zu der Überzeugung, mit
der, von ihnen gewählten Gestaltung eines staatlich verordneten
Kurses den Intentionen einer Regierung zu entsprechen, die nach
Ausweis des Konkordatstextes von dem Wunsche geleitet ist, „die
zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Deutschen Reich bestehenden
freundschaftlichen Beziehungen zu festigen und zu fördern"?
Wie gedenkt die Reichsregierung die wiederholten mündlichen
und schriftlichen Versicherungen, daß das Rosenbergsche
Buch eine Privatarbeit sei, für die sie jede Verantwortung
ablehne, mit der Tatsache in Einklang zu bringen, daß allseits,
unter Ausnutzung parteiamtlichen und staatlichen Druckes, dieses
Buch an die Jugend herangebracht und ihr als Leitfaden national-
sozialistischer Weltanschauung eingeprägt wird?
Was beabsichtigt die Reichsregierung zu tun, um diesem Miß-
brauch staatlicher Autorität und diesem organisierten Gewissens-
druck ein Ende zu machen?"
271
Bosenbergs Nachschreiber.
Rosenberg sprach nicht bloß durch vieler Mund, er
schrieb auch mit vieler Hand. Als Beispiel ein Auszug aus
dem Buch: „Reich und Religion" von Dr. Hompf . Verlag für
nationalsozialistischesSchrifttum, Stuttgart.
„Zurück zu den germanischen Vätern, zurück zu den deut-
schen Müttern und ihrer naturhaft wahren Religion. Was
kümmern wir uns um das frivole Spötteln der Römlinge, daß ,wir wie-
der zum Wotans- und Baidurkult zurückkehrten.' Als ob diese Wirklich-
keitsanerkennung eines Odin, Baldur, Donar nicht sinnigere und wür-
digere Religionsformen waren, als wenn heute den geistig entmannten
Deutschen in Trier ein alter Judenrock oder in Aachen die angeb-
lichen Windeln Jesu oder der Unterrock Marions zur Ver-
ehrung angeboten wird!
•Wollen wir Deutsche im Dritten Reich wie unvernünftige Schafe
einem welschen Hirten folgen, der uns mit orientalischen
Märchen abspeist, der uns jüdische Vorbilder aufrichtet und das Len-
dentuch des gekreuzigten Juden-Messias zur Verehrung vorsetzen läßt!
Germania, verhülle in Scham dein Haupt vor solchem Götzendienst! Das
erdumspannende Ungeheuer, die Midgardschlange Katholizis-
mus hat so manchen deutschen Helden mit ihrem Gifthauche getötet,
aber unter des deutschen Thonars Hammerschlägen ist sie selbst er-
schlagen hinabgesunken.
Moses, der die Sagen Afrikas und Asiens aus Priestermunde
kannte, stellte zum Sammelpunkt seiner dienstmüden Judenschaft einen
eigenen Nationalgott auf, einen Gott, den er als Rettergott am
Berge Sinai vorfand, schrieb ihm die ganze Welt und Menschen-
schöpfung zu und erklärte ihn zum Vater, Führer, Förderer und Ver-
flucher seines Volkes Israel.
Wenn wir aber nun mit unserem Dritten Reich den vollkommensten
Staat anstreben, so ist dieser doch wohl am sichersten und dauerhafte-
sten begründet durch vollgültige einheits-religiöse Volksgenossen. In
einem 20-Jahres-Pian sind alle Geistlichen Lehrer des Volkes geworden.
Eine strenge Staatskontrolle wird jeden Versuch, unser Volk durch eine
internationale Kirchenlehre zu beunruhigen und unsere Volksgenossen
zu entwurzeln, im Keime vernichten.
Wandelnde Leichname sind alle jene Mönche und Nonnen,
die Rom den Kadavergehorsam geschworen. Sie sind bis in die
Seele entdeutscht, entwurzelt, religiös vernichtet.
Wir dürfen die kirchlich-klösterlichen Zwangsbur-
Sen nicht mehr im Vaterlande dulden, dürfen nicht lässig
zusehen, wie man Zehntausende unserer Jünglinge und Jungfrauen see-
lisch verführt, ihnen die deutsche Seele stiehlt und ihnen die naturhaft
heilige Gemeinschaftsreligion raubt. Alle Sekten und Kirchen sind im
DBFE aufgehoben. Es gibt nur mehr ein Reich, eine Religion und
einen Bund mit der reichsministeriellen Spitze.
Unser unbeugsamer Wille zur Volkswerdung lautet: Durch
deutsche Einheitsreligion zum Deutschen Einheits-
staat, zum großen Dritten Deutschen Reich, zum freien Volke auf
freiem Grunde!
Sucht man, genötigt durch die christlichen Kulturbeschwörer, bei
Jesus nach seinen kulturellen Eigenschaften und
Le i s t u n g e n, so lassen sich solche beim besten Willen nicht ent-
decken, eher stößt man auf das Gegenteil. Hat er denn die Wissen-
schaft gepflegt, die Kunst, die Philosophie? Konnte er sich etwa
mit einem Plato oder Aristoteles messen? Hat er sich
272
um Landbau oder vtm sonstige Tätigkeit gekümmert? Nichts von alle-
dem. Also mit der christlichen Kultur in der Person des jüdischen
Wanderpredigers ist's nichts. Auch bei seinen Schülern und
Aposteln suchen wir sie vergebens. Waren sie doch gerade wegen ihrer
Kulturgeringschätzung bei den Kulturträgern ihrer Zeit selbst gering
geschätzt."
Die deutsche Turne rschaft marschiert auch
hinter Rosenb er g
Als Beispiel dafür, wie der Kampf gegen Christentum und
Kirche auch auf Gebieten, wo man es normalerweise nicht er-
warten möchte, geführt wurde, seien ein paar Auszüge aus der
„Deutschkunde" des Dietwarts der deutsch e n Turner-
schaft, Kurt Münch (Wilhelm-Limpert- Verlag, Berlin 1934),
wiedergegeben:
Deutschkunde
herausgegeben
vom Dietwart der deutschen Turnerschaft: Kurt Münch, 1934.
Wilhelm-Limpert- Verlag, Berlin SW68.
Seite 116: „Glaube und Wesen der Germanen."
Seite 120: „Romkirche erstrebt geistige Unterjochung."
Seite 126/131: „Die überstaatlichen und übervölkischen, volkstum-
feindlichen Mächte im Völkerleben."
Seite 160: „Rompolitische Einflüsse in Österreich."
Seite 175: „Römische, stammesfremde Hierarchie ist abträglich."
Seite 190: „Durch die überstaatliche, erst kaiserliche, dann kirch-
liche Rommacht wurde uns mit List und Trug, Schwert und Scheiter-
haufen, Fremdes aufgezwungen."
Seite 196: „Das römische Kirchentum knechtete den freien Geist, als
es die Leibesübungen als Erfindungen des Teufels verbot."
Seite 198: „Jahn selbst ist uns Beispiel, wie (innerlich aufgefaßt)
Turnen zur Geistesfreiheit erzieht, und daß es unturnerisch ist, das
Jahnsche Turnen mit religiösen Satzungen irgendeines Kirchentums zu
verquicken." — „Geistesfreiheit verträgt sich auch nicht mit der Starr-
gläubigkeit (Orthodoxie)."
Seite 199; „Die Geistesfreiheit wird von den zivilvölkischen Mächten
bedroht, so von jenem Teil der Kirche, der die politische Prie-
sterschaft, von dem Judentum, das die wirtschaftliche
Weltherrschaft, und von der Sozialdemokratie, die die Herr-
schaft des Prolet.ariats anstrebt. Das politische Kirchentum arbeitet
unter dem Schutze der Religion mit dem Glaubens- und Gewissens-
zwang, früher auch mit körperlicher Verfolgung (Inquisition, Hexen-
prozesse usw.), das Judentum mit der Zersetzung des Geisteslebens und
dem geldlichen Einfluß, die Sozialdemokratie mit den Mitteln der
Gewalt."
Seite 102/2: „Die ersten Christen, nicht ihrer religiösen An-
schauungen wegen verfolgt."
Seite 203/10: Ketzerverfolgungen. — Kirchengeschichte nach Rosen-
berg.
Seite 215: Christentum und Judentum.
Seite 221/23: Der Kampf Deutschlands gegen Rom. Los-von-Rom-
Bewegung.
Seite 226: „Es kann kein für alle Menschen gleiches Sitten-
gut sein, so wenig als diese (alle Menschen) sich gleich sind."
273
Seite 263: Judentum: „Diese Engherzigkeit und Selbstüberschätzung
zeigt sich in allen Äußerungen des jüdischen Lebens. Von ihrem eng-^
herzigen Gottestaegrifl, wohl der traurigste, der je aufgestellt wurde, bis
zur vernagelten Unduldsamkeit und Überhebüng gegen alles Nicht-
jüdische."
Seite 278/80: Karl der Franke.
Seite 281/88: Deutsche Geschichte unter der Devise: Rom ist der
Feind.
Wie die Widmung des beiliegenden Buches zeigt, wurde dasselbe
auch Jugendlichen gegeben.
Ob alt oder neu, ob Schund oder Schmutz,
willkommen, v^renn's hilft im Kampf gegen Kirche,
Priesterund Orden!
Als geistesverwandt mit Rosenberg und wertvoll im Kampf
gegen Christentum, Kirche und Priester durften in Deutschland
unter den schützenden Flügeln der Prüfungsstelle der Reichsschrift-
tumskammer alte und neue Bücher zweifelhafter Verfasser und
sehr minderer Qualität flutartig anschwellen, wie die Auflagen-
ziffern einiger derselben im Jahre 1938/39 zeigen.
Otto von Corvin: Pfaffenspiegel (November 1938): 2000000
Otto von Corvin: Die Geißler: 500 000
Das „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel" empfahl den
„Pfaffenspiegel" in marktschreierischer Reklame unter Hinweis darauf,
daß seine weiteste Verbreitung im Interesse der politischen und geisti-
gen Ziele des Nationalsozialismus und für sein rechtes Verständnis der
deutschnationalen Bewegung wünschenswert sei.
B. Emil K o e n i g : Hexenproz^sse: 230 000
K. Revetzlow: Der Priester und die Frau im Beicht-
stuhl (7. Auflage): 20 000
A ß m u s Burghardt: Jesuitenspiegel: Interessante Beiträge
zur Naturgeschichte der Jesuiten: 60 000
Aßmus B.: Das Schicksal von Nonnen. Interessante Ent-
hüllungen aus Kloster akten:
Aßmus B.: Klosterleben. Enthüllungen über die Sitten-
verderbnis in den Klöstern:
E. u. M. Ludendorff: Geheime Ziele und Macht
der Jesuiten:
E. u. M. Ludendorff: Die Bibel nicht Gottes Wort:
E. u. M. Ludendorff: Erlösung von Jesus Christus:
G r i e s e Frz.: Ein Priester ruft: Los von Rom und Christus:
G r i e s e Frz.: Der große Irrtum des Christentums, nach-
gewiesen durch einen Priester:
L o e h d e : Der Papst amüsiert sich:
Gottschling: 2 Jahre hinter Klosterrhauern (Mit dem
Preis der Universität Jena „für Kunst und Literatur"
ausgezeichnet):
R u g e 1 : Ein Trappist bricht das Schweigen:
274
80 000
115 000
50 000
290 000
52 000
32 000
21 000
17 000
42 000
60 000
All diese und viele andere gleich christentumsfeindliche, lite-
rarisch und geschichtlich und theologisch minderwertige Bücher
und Pamphlete fanden das „Plazet" der Prüfungsstelle der Reichs-
schrifttumskammer und die kräftigste Unterstützung der National-
sozialistischen Partei, ihrer Gliederungen und ihrer Presse.
Rosenbergs Wochenkanzel bei der SS
Hitlers Leibgarde mußte natürlicherweise „weltanschaulich**
am meisten gefestigt werden. Ihr, wurden Rosenbergs Ideen all-
wöchentlich in Himmlers Leibblatt: „Das Schwarze Korps" aus-
giebig gepredigt.
Es tobte darin ein ununterbrochener, zäher Kampf gegen das
Christentum. Zur Veranschaulichung bloß die Titel antichristlicher
und antikirchlicher Artikel einer einzigen Nummer des „Schwar-
zen Korps" (vom ^. Dezember 1936, aus dem Englischen rücküber-
setzt):
1. Klerikaler Kampf gegen die nationale Einheit (gegen ein Schrift-
chen von P. Kassiepe über „religiöse Mischehen").
2. Parasiten der Nachkriegszeit (gegen katholische Orden).
3. Schwärzeste Hintertreppenmoral (gegen katholische Staats- und
Steuer lehre).
4. Katholische Eisenbahner (Spott auf kirchliche Persönlichkeiten).
5. Gedicht: St. Leonhardskapelle.
6. Das Versagen des Christentums und der Sieg der Deutschen Natur-
verehrung.
7. „Was eine Frau vor 220 Jahren schrieb" (gegen die Jungfräulichkeit
der- Nonnen).
8. Wie Schwester Lioba Millionen hinausschmuggelte.
9. „Oh Du mein Österreich! (Bild: Ein Geistlicher segnet den Galgen.
Darunter das Wort: „Der Zweck heiligt die schwärzesten Mittel".
10. Volksfeinde: Eine Bilderreihe von Priestern, Nonnen und Bischöfen.
11. Segnung eines italienischen Tanks durch einen Priester.
12. „Seelenbad" (Spott auf ein frommes Flugblatt, angeblich gefunden
in einem Eisenbahnkabinett).
Rosenberg als „Rattenfänger von Hameln"
HJ läuft und pfeift ihm nach.
Die HJ wollte im Kampf gegen das Christentum hinter der
SS nicht zurückbleiben. -Beispielsweise enthält das Winterschulungs-
programm einer HJ-Gaugruppe im Jahre 1936/37 folgende Skizzen
für Unterricht über Rom:
„Die Kirche verantwortlich für die Zerstörung Deutschlands im Dreißig-
jährigen Krieg.
Katholische Aktion als Fortsetzung politischer Parteien.
Die Mittel, mit denen Völker durch Rom in Unterwürfigkeit gehalten
werden: Beicht, Lehre vom Himmel, vom Lohn im Leben nach dem
Tode, Lehre von der Hölle.
Die brutalen Methoden, mit denen das Christentum nach Deutschland
gebracht wurde.
275
Die Orden der katholischen Kirche naturwidrig.
Der Generalstab von Rom: Die Jesuiten,
Rom tmd Bolschewismus.
Schlußfolgerung: Immer, wann Deutschland einig und stark ist, taucht
Rom auf, es zu zerstören.
Unsere Lebensanschauung im Gegensatz zu jener von Rom:
Ehre, Wahrhaftigkeit, Tapferkeit, entgegengesetzt der Unterdrückung,
, Feigheit, winselnden Furcht, Stolz und Verantwortungsbewußtsein
im Gegensatz zur Versklavung der Seelen."
Die Radiosendungen der HJ zeigten gar oft mehr
heidnischen als christlichen Charakter, z. B. am 7. Juni
1935 vom Sender Breslau über die „Dunkelmänner". Dabei wurde
gesagt:
„Lange haben wir zu ringen mit der Tatsache, daß priesterliche
Heuchelei unser ganzes Leben infizieren kann. Nur Macht allein ist es,
was sie wollen, nicht Gott, sondern sich selbst."
Ähnlich das Oratorium (!): „Der neue Glaube", das im Winter
1935 in Osterrode im Harz aufgeführt wurde.
In einer Rundfunksendung der HJ aus Königsberg, übertragen von
Köln, Wien, Hamburg, Stuttgart, Leipzig und Saarbrücken, Ende Februar
1938, versuchte der Redner den christlichen Glauben an Unsterb-
lichkeit zu zerstören. Mit leidenschaftlichen Worten wandte er sich
gegen die, welche auf Erden Anspruch erheben auf ein besseres Leben
hernach, und stellte dem Glauben an die Unsterblichkeit der einzel-
nen Seele den nationalsozialistischen Glauben an die Unsterblichkeit
des Blutes gegenüber mit den Worten: „Wir glauben an ein fort-
dauerndes Sein nach dem Tode, nämlich an das fortdauernde
Leben in unserem Volk, in.unseren Söhnen und Enkeln."
„Rosenberg" auf der Bühne.
Auch die Bretter, welche die Welt darstellen, wurden in den
Dienst der antikirchlichen Propaganda des NS genommen, z. B.
durch das Drama von Kolbenheyer: „Heinrich IV.", dann Ende 1936
durch das im '„Theater des Staates" zu München öfters aufgeführte
Schauspiel:
DerKönigreitet
von Frau Anders.
Die Verfasserin war früher Kommunistin, zuletzt in leitender
Stellung der „Deutschen Glaubensbewegung".
Das Schauspiel ist eine Allegorie, hat darum zwei Gesichter:
Das eine zeigt den König Lothar von Sachsen und seine Umwelt,
das andere trägt das Gesicht der Gegenwart, zeigt den Weg zur
Macht des Dritten Reiches.
Dem erwählten König Lothar hat „eine in die Überwelt
ragende, aus innerer Sendung handelnde Führerpersönlichkeit",
Konrad von Büren, den Kampf bis zum Ende angesagt, weil dieser
sich in die Hand des Priesters, des Erzbischofs von Mainz, als des
Trägers römischen Machtstrebens begeben hat.
276
Die Parallele ist klar: Lothar = der von starrem Pflicht-
bewußtsein geleitete Reichspräsident Hindenburg; Konrad von
Büren = Führer; Ludwig, Herzog von Bayern == das Bayern vor
dem Umsturz; der Erzbischof von Mainz = leitende Stellen der
Kirche der Gegenwart in Bayern und anderswo. So soll nach
Willen und Meinung der Verfasserin der mehr als 1000 Jahre alte
konflikt zwischen römischem und deutschem Geist aufgezeigt
werden.
Der Erzbischof als Person und Repräsentant der Kirche, speziell
auch des Papstes in Rom, ist mit allen Lastern des Vaterlandsverräters
ausgestattet. Mit allen Mitteln verwerflichster Diplomatie will er die
von Konrad von Büren heiß erstrebte Einigung des deutschen Volkes
hintertreiben und bearbeitet in diesem Sinne vor allem den letzten
Widersacher dieser Einigung, den bayerischen Herzog. Zu diesem geht
er bei Tag und schleicht sich durch Vorhangspalten bei Nacht. Er
Spioniert ihm über die Schulter seinen Brief aus. Er geht in seiner
Vaterlandsverräterei so weit, dem Papst in Rom vorzuschlagen, einen
andern König zu krönen und will dabei die Situation gegen Deutsch-
land ausnützen, welche im deutschen Volk durch den Einfall der Litauer,
die zur Elbe vordringen wollen, große Besorgnis hervorruft. Ludwig von
Bayern wird das Opfer der Zerrissenheit unter den Intriguen des Erz-
bischofs; er wird vom Freunde Konrad ermordet. Auch in Maske (Pur-
pur, Kukulle, Kapuze) und Gesamthaltung ist der Erzbischof die inkar-
nierte Verschlagenheit.
Aus dem Ganzen seien einzelne Äußerungen herausgestellt,
die aber in keiner Weise einen vollständigen Begriff zu machen ver-
mögen von dem niederschmetternden Gesamteindruck, der sich aus dem
unmittelbar zusammenhängenden Anhören der zweieinhalbstün-
digen Schmähung von Kirche und Priestertum ergibt:
Es wird allgemein geredet von „den Priestern", „vom Priester", von
„jenem Priester in Mainz", vom „Erzbischof", vom „Hohenpriester". Aus
dem Zusammenhang erhält hier das Wort „Priester" allein schon die
Bedeutung von etwas Ehrlosem und Gemeinem. „Priester" wirkt hier
immer als Beleidigung.
Einzelne Äußerungen (ohne genauen Wortlaut, aber sinngemäß):
„Er (Erzbischof) hat die Todsünde erfunden, um dann verzeihen zu
können."
„ , . . steht niemand auf, die Macht des Hohenpriesters von Mainz
übers Gebirge zurückzutreiben . . .?"
„Wir sind in die Welt gesandt, um dem Unhold von Mainz .'.., dem
unheiligen Erzbischof und seinen Priestern . . . das Ende zu bereiten,"
„ . . . der Priester ist immer da, ein fluchbeladener Gas t".
„Wir müssen ihn bekämpfen, das ist unser ganzes Gesetz, . . . nicht
mit Heeresmacht. Wir müssen ein Reich bauen, so hoch und weit, daß
es die ganze Nation erfaßt."
„Lothar, die Puppe jenes Herrn aus Rom". „ . . . ein Mann muß auf-
stehen in unserem Reich, der ihm (Lothar) das Totenkleid der Kirchen-
demut abnimmt".
In einem Dialog zwischen dem Erzbischof und Heinrich dem Wei-
fen wird eine Reihe von Sätzen des Erzbischofs hohnlachend immer be-
antwortet mit der Wendung: „Auch das kann eine Lüge sein".
„ . . . steht das in eurem säubern Brevier?"
Der Erzbischof sagt: „Ein Wort (im Sinne der Zusage) kann leicht
wie ein Spinngewebe sein."
„Kein Schwur, den der Priester nicht lösen kann."
„Schweig, du Verräter!" sagt Büren zum Erzbischof.
277
„Der Priester hat kein Vaterland . . . das ist sein Fluch, darum muß
er sterben,"
Die Verwerflichkeit und der Fluch, der von dem Erzbischof ausgeht,
wird dadurch besonders unterstrichen, daß sogar König Lothar, der von
Anfang an auf die Worte des Erzbischofs schwur, vom Erzbischof am
Ende sich abwendet.
Konrad von Büren nimmt Bezug auf den Landesverrat des Erz-
bischofs, der den Einfall der Litauer gegen das Deutsche Reich ini
Dienste Roms ausnützen will. Er sagt u. a. „Wenn der Osten frei ist,
wenn die Gefahr im Osten gebannt ist, dann wehe dem Priester, der
den Verrat zur Sitte aufgerufen hat!"
Kein Wunder, daß die „Deutsche Glaubensbewegung" in ihren
Schulungsabenden dieses Theaterstück eindringlichst empfahl, da
es „ihre Ideen verkörpere", ausgedrückt in den zwei Sätzen: „In
unseremLande istUnfriede. Friede kann nur her-
gestellt werden, wenndie Fremdlinge, die Röm-
linge, beseitigt sin d."
Kein Wunder auch, wenn dies Sti;ck in das offizielle Programm
von „Kraft durch Freude" aufgenommen wurde.
Kardinal Faulhaber bezeichnete darum das Stück in
dem Protestschreiben an den Reichsstatthalter
von Bayern: . . . „von Anfang bis zum Ende in seiner ganzen
Tendenz und in einzelnen Szenen als eine Beschimpfung von Kirche
und Papst und Priestertum. Meuchelmord wird darin durch Über-
tragung einer hohen Stelle belohnt. ' Die Gestalt des Bischofs von
Mainz ist ein Ausbund von Schlechtigkeit und Gemeinheit. Rom
und die Priester sind an allem Unglück schuld und ebenso wie die
Bolschewisten zu vernichten. Das Ganze spielt im Rahmen des
furchtbaren Kulturkampfes, den die Deutsche Glaubensbewegung
von Stuttgart zur Zeit gegen alles Katholische führt."
Rosenberg stellt aus.
Wie das Wort auf der Bühne, so sollte auch das Bild der Aus-
stellungen der nationalsozialistischen Propaganda dienen.
Ein Beispiel, dafür ist die Ausstellung, die vom 15. Dezember
1939 bis zum 21. Januar 1940 in den Räumen des Kaiser-Friedrich-
Museums in Berlin veranstaltet wurde unter dem Titel:
„Frau und Mutter — Lebens quell des Volkes" •
Die Dienststelle des „Beauftragtendes Führers für.
die Überwachung der gesamten geistigen und
weltanschaulichen Schulung und Erziehung der
NSDAP" unternahm in Zusammenarbeit mit der Reichs-Frauen-
führung, der Deutschen Arbeitsfront und dem rassepolitischen Amt
der NSDAP diese Ausstellung. Der Stellvertreter des Führers,
Reichsminister Rudolf Hßß, übernahm die Schirmherrschaft.
278 ,
Die kirchenfeindliche Tendenz der Ausstellung kennzeichnet
Bischof Preysing von Berlin in seinem Schreiben vom 13. Februar
1940 an den „Reichsminister für kirchliche Angelegenheiten" mit
den Worten:
„. , . Die Ausstellung versucht dabei auch, durch bildliche Darstel-
lungen und Texte dem Beschauer einen Eindruck von dem Einfluß
der Kirche und ihrer Lehre auf das von der Ausstel-
lung dargestellte Gebiet „Frau und Mutter — Lebens-
quell des Volkes" zu vermitteln. Hierbei ist das Bestreben
leitend, bei den Besuchern der Ausstellung für die Rosenbergschen
antichristlichen und antikirchlichen Ideen, wie sie
beispielsweise im „Mythus des 20. Jahrhunderts", im „Schwarzen Korps",
in „Schulungsbriefen" ihren publizistischen Niederschlag finden, Propa-
ganda zu machen. So erklärt es sich beispielsweise, daß die Anthro-
pologie der kirchlichen Lehre, die Ordensgeschichte der Kirche, das Wir-
ken der Kirche in den weltlichen Gebieten durch die Ausstellung eine
Darlegung und Auslegung erfahren, wie sie nur ein grundsätzlich
gegen alles Kirchliche und Christliche gerichteter,
'eidenschafUicher Haß, der für objektive Wertung der Tat-
sächlichkeit und der Bedeutung geschichtlicher Fakta keinen Zugang
findet, eingeben kann.
Ich möchte nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, daß Jugendliche
schullc lassenweise in die Ausstellung geführt wurden, daß Er-
klärungen von Führerinnen in noch kirchenfeind-
licherem Sinn gehalten waren, als die Ausstellung an und für
sich war.
Die Ausstellung, in deren Ausgestaltung sich immer wieder die anti-
christliche und antikirchliche Propaganda geltend macht, stellt eine neue
Form des offenen Vernichtungskampfes gegen Kirche und Christentum
in Deutschland dar.
Kurze Zeit nach Beendigung der Absstellung in Berlin hat mich die
Staatspolizei wissen lassen, daß nunmehr mit scharfen Maßnahmen
gegen kirchliche Kundgebungen vorgegangen werden würde, die geeignet
seien, die Einheit der inneren Front zu gefährden.
Angriffe gegen Christentum und Kirche erfolgen
— ohne Rücksicht auf die Einheit der inner en Front.
Abwehr solcher Arigriffe wird der Kirche unmöglich
gemacht — mit Rücksicht auf die Einheit derinneren
Front!" "
Im folgenden sollen Proben dieser neuen antichristlichen und
antikirchlichen Propagandamethode gegeben werden:
I.
Die Ausstellung versuchte im Besucher den Eindruck zu erwecken,
daß die Kirche eine Feindin der Frau und der Mutter-
schaftsei.
Diesem Zwecke dienen:
a) die falsche, plump kirchenfeindliche Interpretation
kirchlicherBildwerke:
Raum 5: Abbildung der bekannten Statue der „Frau Welt" am Dom
zu Worms. (Dieses Bildwerk stellt bekanntlich eine stattliche Frauen-
gestalt dar, deren Rücken von Kröten und Gewürm entstellt ist: ein
Symbol für den schnöden „Undank der Welt" anihre
Diener.
In der Ausstellung aber war das Bild gedeutet: „Verhöhnung
d e r F r a u d u r c h d i e K i r c h e."
279
Durchgangsraum vor Raum 8: Größe Photographien einer Statue des
hl. Evicharius, der seinen Fuß auf eine unbelcleidete gebärende Frau setzt
(Gesamtaufnahme und Detailaufnahme). Daneben, in großen Buchstaben:
„M ißachtung der Frau durch die Kirch e." „St. Eucharius
setzt seinen Fuß auf eine nackte Frau, die ein Kind gebärt — was die
Kirche verachtet, tritt sie mit Füßen. Diese sonderbare Gruppe steht
in Trier."
(In Wirklichkeit handelt es sich um eine künstlerisch unbe-
deutende, etwa 1,10 m hohe Sandsteinstatue aus dem Jahre 1716 in einer
Giebelnische auf dem alten Gerichtsgebäude in St. .Matthias in Trier.
Die Frauengestalt ist eine allegorische Darstellung des rö-
mischen Heidentums, als dessen Überwinder Eucharius, der erste
Bischof von Trier, fast immer dargestellt wird.)
b) Die wiederholten Ausführungen in dem amtlichen Handweiser
durch die Ausstellung über die „allgemeine Weibesverach-
tung" der Kirche:
Seite 83: „Entscheidend ist ferner die Tatsache, . . . daß diese
Frauenverehrung (des deutschen Rittertums) etwas durch-
aus Un kirchliches war: eine edle menschlich- weltliche Haltung,
die der allgemeinen Weibesverachtung und naturfeindlichen Sündenauf-
fassung der römischen Kirche im Grunde entgegenstand."
Seite 99: „Entsprechend ihrem asketischen Lebensideal sah die mittel-
alterliche Kirche in dem Weibe das Gefäß der Sünde. Welch unersetz-
licher Verlust edlen Blutes ist durch den Zölibat dem deutschen
Volke im Laufe der Jahrhunderte zugefügt worden!"
c) Die offene Verunglimpfung des kirchlichen Zö-»
1 i b a t e s.
Die große Texttafel übefr den Zölibat fand sich neben den oben er-
wähnten Mißdeutungen kirchlicher Bildwerke. Hierdurch wird dem Be-
sucher der Ausstellung suggeriert, daß auch für den „Zwangszölibat" das
Motiv die Verachtung des Weibes durch die Kirche war.
Wandtafel (groß) : „Angehörige der katholischen Kirche
gegen denZwangszölibat: Herrschsucht, Heuchelei, Hochmut
und Eigensinn der kirchlichen Obern, Feigheit des ,niederen Klerus' —
das sind die wahren Gründe. Die Religion wird bloß vorgeschützt! Dar-
um fehlt dem Zwangszölibat aber auch jeder Segen von oben, wie die
Zustände zu allen Zeiten zum Erschrecken beweisen.
Was sagt nun ihr dazu, katholische Eltern? Sagt energisch: Keines
meiner Kinder darf Geistlicher werden! Wenn ihr aber schon einen
geistlichen Sohn oder Verwandten habt, dann bitte ich euch: Habet
tiefes Mitleid mit ihm; denn gewöhnlich macht er Entsetzliches durch.
Habet Mitleid; denn nicht selten ist der Hochwürdige Herr der größte
Sünder in seiner Gemeinde. Beklaget ihn als Opfer eines unmensch-
lichen Systems!"
IL
Die Art und Weise, in der die Hexenverfolgung auf breitem
Raum und mit buntem Bildmaterial dargestellt wurde, mußte im
urteilslosen Besucher der Ausstellung geradezu Empörung hervor-
rufen über die Grausamkeit, deren die Kirche fähig war. Papst
und Jesuiten erscheinen im Gegensatz zur historischen
Wahrheitalsdie eigentlichen Hexenverfolger. Hexen-
verfolgungen durch die staatliche Gewalt und durch
Andersgläubige werden im Ausstellungsmaterial
übergangen.
Raum 5: Ein buntes Bild, das eine Hexen Verbrennung darstellt.
Daneben folgender Text: Überschrift: „Hexen und Jesuiten". Darunter:
„Durch den Hexenwahn • werden in Deutschland zwei Millionen Mäd-
280
chen und Frauen gemordet. Haß und Niedertracht rauben dem Volke
für alle Zeit viele seiner Mütter". (NB. In dem Handweiser steht der-
selbe Satz (S. 102). Hier ist aber nur von „einer halben Million" die
Rede: ein Schlaglicht auf die Genauigkeit in der Wiedergabe von „Tat-
sachen").
Ein anderes Bild: Vor einer kraftlos hingesunkenen Hexe steht ein
Ordensmann in schwarzer Kutte mit Kapuze und Strick. Mit recht
sadistischer Gebärde legt er die Hände auf das Haupt der Frau.
Daneben folgender Text: Überschrift: „Die Tr ä n en p r o be".
Darunter: „Allgemein war der Aberglaube verbreitet, daß Hexen nicht
weinen könnten. Ein Jesuit (!) legt die Hand auf den Kopf der An-
geklagten und spricht die Beschwörungsformel: „Im Falle du unschul-
dig bist, Tränen vergießest; wenn schuldig, nicht!" Weinte die An-
geklagte wider Erwarten, so war es nach Ansicht der unfehlbaren
Kirche teuflisches Blendwerk und sie wurde trotzdem verbrannt."
Bedeutend kirchenfeindlicher als diese Texte waren mündliche Er-
klärungen amtlicher Führerinnen. Eine gab folgende Er-
klärungen, die sinngemäß lauteten:
Die alte Kirche war durch die Reformation in ihrer Machtstellung
geschwächt worden. Auf einer anderen Seite mußte dieser Machtver-
lust wieder wettgemacht werden. Das tat die Kirche durch den Hexen-
wahn. Dadurch wurde das Volk von der Kirche kleingehalten. Weil
die Macht des Volkes (auf Kosten der Macht der Kirche) geschwächt
werden sollte, mußten gerade die Frauen daran glauben, von denen ja
die Zukunft des Volkes und seiner Macht abhing.
Die Jesuiten nahmen Hexenproben vor, aber rein äußerlich, damit
man sagen konnte: „Wir verfahren gerecht."
Man könnte solche Grausamkeit von Geistlichen kaum für möglich
halten, wenn man nicht wüßte, was 1939 in Polen geschah, und daß so-
gar auch da die Kirche dahinterstand. Es wurde eine regelrechte Kopf-
steuer aufgestellt: „Wer . . . (die von der Führerin genannte Zahl war
nicht klar zu hören) Deutsche umbringt, dem werden alle Sünden ver-
geben uc'Z sr kommt in den Himmel."
III.
In den Texten der Ausstellung werden Orden und Klöster als
Schädlinge für das Volk hingestellt.
IV.
Katholische Heilige und Stigmatisierte wurden als sehr fragwürdige
Gestalten hingestellt. Auch Sittlichkeitsverbrecher und Hysteriker wer-
den angeblich von der Kirche als Heilige verehrt.
V.
Die Ausstellung versäumt es schließlich nicht, der Kirche Haß
gegen alles Volkstum vorzuwerfen.
Es braucht kaum erwähnt zu werden, daß neben, diesen An-
griffen gegen die Kirche alle wertvollen Leistungen, die die Kirche
und kirchliche Personen als solche zu dem Thema „Frau und
Mutter — Lebensquell des Volkes" als Beitrag darboten, schweigend
übergangen bzw. umgedeutet wurden.
Der Eindruck, den die obenerwähnten Diffamierungen der,
Kirche auf die Besucher der Ausstellung machten, zeigte sich in
offenen Ausrufen der Empörung über die Kirche.
Auch begleitete öfter ein überlegenes, ironisches Lächeln die. an-ti-
281
kirchlichen Erklärungen der amtlichen Führerinnen (vor allem die
über die Hexenverfoigung). Sichtlichen Eindruck auf nicht wenige
der Besucher machte auch die oben geschilderte Darstellung des
hl, Eucharius, sowie die große Texttafel gegen den Zölibat.
„Rosenberg" gründet NS-Spezialschulen.
Der gefährlichste Vorstoß gegen das Christentum war wohl in
den NS-Spezialschulen gegeben. Da waren zunächst die
Adolf-Hitler-Schulen, in denen 12 — 18jährige Hitler jungen
von guter Begabung und rassischer Gesundheit zu Führern heran-
gebildet werden sollten: Natürlich ohne jeden Religionsunterricht,
ohne jede Teilnahme an Gottesdienst, nur mit Unterweisung in
Religionsgeschichte. Nach Arbeits- und Militärdienst und eventuell
Berufsstudium an Universität oder Technischer Hochschule sollten
sie dann auf vier Jahre in eine Ordensburg kommen (Kroningen
in Pommern, Vogelsang in der Eifel, Sonthofen im Allgäu, Marien-
burg in Ostpreußen).
Darüber hinaus sollte eine Auslese noch die „Hohe Schule" von
Chiemsee in Obej^bayern unter der Aufsicht Rosenbergs selbst be-
suchen. Hier sollte sein:
\ ■
1. Die nationalsozialistischfe Akademie.
2. Das Forschungsinstitut mit einer Zentralbibliothek.
3. Das Zentrum für eine alljährliche gründliche geistige
Überholung der Lehrer aller Adolf-Hitler-Schulen und
Ordensburgen für die Dauer von je vier Wochen.
4. Das Muster einer Hitlerschule („Völkischer Beobachter"
vom 24. November 1937).
Aus diesen Schulen sollte der vollendete nationalsozialistische
Mensch kommen, Soldat und Prediger zugleich, eine Wieder-
h.olung mohammedanischen Fanatikers mit Wort und Schwert. Da
sollte ein neuer Orden entstehen, dessen Hauptaufgabe ist, eine
neue Religion zu verbreiten (Dr. Ley).
Die hier aufsteigende Gefahr war zweifellos viel größer als
jene, welche von den direkten Angriffen auf Kirche und Christen-
tum und von den äußeren Verfolgungen kamen. Das sollte der
innere, intensive Kulturkampf sein! Durch ihn hoffte
man in drei Jahren mit dem Restchen Katholizismus, wie er
noch in seinen Organisationen und Vereinigungen lebte, fertig zu
v^erden.
So war die Einlösung des Wortes gedacht, das Hitler am
27. Juni 1934 in einer Audienz mehreren deutschen Bischöfen ge-
geben hat, nämlich, „daß er ausdrücklich Anordnung an die Partei
und an die ,nationalen' Organisationen geben wolle, für die Zukunft
die neuheidnische Propaganda zu unterdrücken."
282
Niemals wurde eine solche Anordnung hinausgegeben. Begreif-
lich! Hitlers eigener Wille stemmte sich ja immer mehr gegen
Christentum und Kirche und steuerte immer gerade auf das Ziel
zu, das der Kirchenhasser Voltaire in die Worte gekleidet hat:
„Ecrasez Vinfäme!"
„Rottet die Infame aus!"
Das Wort mag aus Hitlers Mund nie öffentlich gefallen sein,
aber um so öfter und lauter kam es so oder anders aus dem Munde
seiner Trabanten, so z. B. des Redners, eines Kreisleiters, bei einem
Schulungstag in München-Ramersdorf im Jahre 1939.
„Nur zwei Hauptpunkte kommen für Deutschland in Frage,
alles andere ist nicht wichtig und ergibt sich von selbst.
1. Die Ausbreitung des Deutschen Reiches auf 18mal die Größe,
die es nach 1918 hatte.
2. Die restlose Vernichtung der Kirch e."
Zu letzterem Punkte erklärte er:
„W i r, die wir jetzt leben, müssen noch restlos die
Kirche vernichten, Adolf Hitler und seine alten
Kämpfer. Man sage nicht, es genüge, daß die Jugend Deutsch-
lands ohne Christentum aufwächst. Hitlers Nachfolger könnte mil-
der sein, könnte Mitleid haben, dann würde die Eiterbeule wieder
aufplatzen. Der Nationalsozialismus verhält sich zu den christlichen
Konfessionen wie Feuer zu Wasser. Es ist ganz unmöglich, ein
guter Nationalsozialist und zugleich ein guter Katholik zu sein."
' Auf die Frage eines Zuhörers, warum man denn dann noch zu-
gebe, daß Kirchen gebaut würden, antwortete er: „Laßt sie doch
. ruhig Kirchen bauen; sie wissen ja gar nicht, wozu wir dann
später diese Kirchen benützen. Die Tschechen haben auch Flug-
plätze angelegt, ohne zu ahnen, daß "sivir diese einmal in Ge-
brauch nehmen werden; sonst hätten sie dieselben wohl kaum an-
gelegt."
Auf die Frage eines anderen Zuhörers, warum denn noch so
viele Studenten Theologie studierten, und warum man dies zulasse,
erwiderte der Redner: „Laßt sie doch ruhig Theologie studieren!
Alle diese jungen Leute werden niemals Pfarrer und Priester
werden. Das werden die nicht mehr erleben.
Was ist positives Christentum? Was wir machen!
Was die anderen 2000 Jahre hindurch gepredigt haben,
das tun wir. jetzt, wir Nationalsozialisten!
Wir würden die Kirche nur unter folgenden zwei Voraus-
setzungen noch weiter dulden:
1. Wenn sie allen Besitz hergibt, Grund und Boden,
Gebäude, Geld, usw. Der Besitz der Kirchen ist so groß wie das
Land Thüringen.
2. Wenn die Pfarrer keinen Gehalt annehmen
vom Staate, sondern sich vom Volke durch freiwillige Gaben
283
erhalten lassen; dann können fa die Prediger in Sackleinwand durcK
die Dörfer ziehen und predigen."
Zum Schlüsse wurde aufgefordert, diese Grundsätze des Natio-
nalsozialismus im Volke zu verbreiten.
„Der Führer will die Vernichtung!"
gab Gauschulungsleiter Ruder am 10. November 1940 in einer NS-
Versammlung zu Limburg-Lahn offen kund. Er sprach an
der Hand einer genauen Vorlage über die kirchenpolitische Frage.
Dabei führte er ungefähr folgendes aus: „Die Stellung, die das
Christentum jetzt im Deutschen Reich einnimmt, kann nicht so
bleiben. Die christlichen Kirchen — evangelische
und katholische — haben im neugeordneten
Deutschland keinen Platz mehr. Auch die Klöster
müssen verschwinden. Man sollnicht sagen, das
Beseitigen der Kirchen entspreche nichtdem
Willen des Führers und soll erst recht jetzt in
derKriegszeit nicht vorgenommen werden. Das
ist falsch. Zum Beweis dafür, daß der F ü h rer es haben
will, daß dieKirche n v erschwinde n, brauchen wir nur
auf die Neuordnung im Warthegau zu sehen. Dorthin können ja
Bevölkerungsteile, die angesiedelt werden, einen Geistlichen mit-
bringen. Der wird natürlich nicht mehr besoldet, sondern muß
selbst arbeiten, und zwar nicht in gehobener Stellung. Er muß
niedrige Arbeit verrichten. Die Kindertaufe
fällt weg. Was sich noch religiösbetätigenwill,
muß sich mit dem 2 1. Lebensjahr bei einem Verein
melden u n d sich e i n t r a g e n 1 a s s e n. Vorsitzender dieses
Vereins kann der Pfarrer sein. Daß der Führer das will,
beweist, daß er den Gauleiter des Warthegaues beauftragt hat, so
zu verfahren. Wir müssen rechnen, daß es auch bei
uns so kommt. Wenn das heute gesagt wird, so soll es der
Information dienen. Die Ortsgrupp e n leiterusw! müssen
das Volk darauf vorbereiten; daß es nicht ver-
blüfft ist, wenn der Führer es befiehlt."
„Heraus aus der Kirche!"
Wo so viel Haß gegen Christentum, Kirche und Seelsorge groß-
geworden und großgezogen worden war, konnte er auch nicht halt-
machen vor dem letzten, vor der Förderung des vollen
Glaubensabfalles und förmlichem Kirchenaus-
trittes.
Natürlich wahrte man auch hier von Staats und Partei wegen
das Gesicht, den Schein der Unparteilichkeit, erließ darum keine
offiziellen Verordnungen, ließ aber um so mehr die unteren
Stellen, die Parteigliederungen und Parteiorgane arbeiten und
schenkte ihnen jegliche Unterstützung und Deckung.
284
H a up t f ö. r d e r u n g s m i -fc t e 1 für den Kircheriaustritt waren
neben der ständigen mündlichen und schriftlichen
Hetze gegen die Kirche, ihre Glaubenssätze, Moral, Gesetze, Ver-
treter, Steuern u. a.:
1. In Betrieben und Gliederungen wurde von
Mann zu Mann für den Kirchenaustritt geworben.
So gingen am 7. Juni 1935 im Reichsbahnausbesserungswerk Frei-
mann zwei Partei- und Arbeitsfront-Funktionäre mit einer Liste in einer
Betriebsabteilimg herum, forderten zum Austritt aus der Kirche auf und
erklärten dabei: „Wer nicht austritt, ist kein richtiger Nationalsozialist."
Die 20 Mann, die sich dann eintrugen, wurden mit dem Betriebsauto
unentgeltlich zum Standesamt zwecks Anmeldung ihres Kirchenaustrittes
gefahren.
Noch nachdrücklicher war natürlich das Werben und Drängen
zum Kirchenaustritt in SS-Gliederungen und SS-Kasernen. Ein
Dokument hiefür:
„SS-Reserve-Sturm 2/25 Homberg, den 3. Mai 1936.
Betriff t : Kirchen austritt.
An
scss»ia*2s
Sie haben bis Dienstvormittag 11 Uhr telephonisch zu melden, ob
und wann der Zugführer und die mit der Führung von Trupps beauf-
tragten Unterführer aus der Kirche ausgetreten sind, evtl, bis wann mit
dem Austritt zu rechnen ist. Gegebenenfalls ist die Konfession anzu-
geben.
Die Meldung hat zu d«m genannten Termin an den SS-Rotten-
Stabsscharführer Hartmann in Moers Arbeitsamt (Telephon-Nummer 900
Amt Moers) zu erfolgen.
' Der Führer de's SS-Reserve-Sturmes 2/25
m. d. F. b.
gez. Unterschrift
SS-Hauptscharführer."
Z. Der Kirchenaustritt wurde erleichtert, die Formalitäten
hiefür wurden wenigej:.
3. Der Kirchenaustritt wurde nahegelegt: ^
a) durch entsprechende Fragen in staatlichen und parteiamt-
lichen Fragebogen;
b) durch Versprechungen und Drohungen;
c) durch öffentlich bekanntgegebene Beispiele der
„Höheren" in Staat und Partei.
4. Die öffentliche Meinung wurde zugunsten des
Kirchenaustrittes beeinflußt:
a) Man fand ein schützendes „Feigenblatt" für die Blöße des Glau-
bensabfalles, einen wohlklingenden Namen: „Gottgläubi g".
Das klang doch ganz anders als „ungläubig" oder „heidnisch"
oder „freireligiös", es klang sogar positiv, wenn es auch in erster
Linie negativ gedacht war, nämlich als „nicht Christus gläubig",
„nicht k i r c h e n gläubig". Ein bißchen Positives konnte sich
285
jeder selbst in das „Gottgläubig" hineindenken: „Natur" oder
„das All" oder seinen „Geist" oder „Deutschland" öder „Blut"
oder „Rasse" usw. Darum konnte z. B. Major a. D. Lemke in
der „Kriegsgräberfürsorge" vom 12. Dezember 1939 schreiben:
„Ob sie draußen blieben oder ob sie heimgekommen sind, , sie
sind alle verbunden durch ein unsichtbares Band des-
selben Glaubens: ,Sie glauben alle an Deutschland
alsGottV
Gott sei Dank, daß unsere Krieger nicht bloß in solchem Sinne
„gottgläubig" waren, wie der Nazismus es meinte. Traurig aber, daß
nun der, welcher wirklich an einen lebendigen, persönlichen
Gott, an den von Christus geofifenbarten dreieinigen Gott
glaubte, sich nun nicht mehr als „gottgläubig" bezeichnen durfte,
wenn er nicht durch die Statistik in seiner ]^eligionszugehörigkeit ganz
falsch gewertet werden wollte. Eine der Grotesken und Irre-
führungen im Dritten Reich!
b) Man verbot den Geistlichen strengstens, noch weiter-
hin die Personen öffentlich bekanntzugeben,
welche aus der Kirche austraten. Ja, man betrach-
tete und behandelte es schließlich schon als ein strafwürdiges
Vergehen, wenn ein Geistlicher auch nur privat den An-
gehörigen des Abgefallenen Nachricht über den Kirchen-
austritt gab mit der vermutlichen Absicht, so die Angehörigen
zu veranlassen, Schritte für die Rückkehr des Betreffenden zu
tun.
Der Gegensatz: '
Je mehr Hemmungen der katholischen Kirche (ebenso der
evangelischen Bekenntniskirche) bereitet wurden, ' desto mehr Frei-
heit und Förderung wurden jenen Kirchen zuteil, die sich möglichst
„deutsch" gebärdeten, so der altkatholischen Kirche, die sich
im Jahre 1870 von der katholischen Kirche getrennt hatte und nun
sich vielfach betont „Diekatholisch- deutschnationale
Kirche" nannte und eine Schriftenreihe „Katholisch-
nationale Ki.rchenbewegung" E. V. herausgab.
Welche Kreise hinter der sogenannten „Nationalen
Reichskirche in Deutschland" standen, läßt sich nicht
mii Sicherheit sagen. Von Interesse dürften aber doch die Pro-
grammpunkte dieser „Nationalkirche in Deutschland" sein, weil sie
wirklich charakteristisch sind für die letzten „kirchlichen" Ziele
des Nationalsozialismus, bar jeglichen Christentums.
Die Programm punkte der nationalen Kirche
in Deutschland.
1. Die Nationale Reichskirche (NR) Deutschlands beansprucht mit
aller Deutlichkeit dasalleinigeRecht und die alleinige
Macht über alle innerhalb der deutschen Reichskirche befindlichen
Kirchen. Sie erklärt sie zu nationalen Kirchen Deutschlands.
2. Das deutsche Volk hat nicht vor, der nationalen Reichskirche zu
dienen, sondern die NR dient ausschließlich und allein der Doktri. l
„Volk und Rasse".
286
3. Das Arbeits- und Tätigkeitsgebiet' wird abgesteckt durch die ter-
ritorialen Reichs- und Kolonialgrenzen Deutschlands,
4. Die NR zwingt keinen deutschen Menschen sich ihr anzuschließen;
sie ist aber bereit, alles in ihren Kräften Stehende zu tun, um auch die
letzte deutsche Seele zu erfassen. Andere Kirchen oder kirchenähnliche
Einrichtungen und Verbände, zumal solche, die international gebunden
oder dirigiert werden, kann und wird sie in Deutschland nicht dulden.
5. Die NR ist entschlossen, unabänderlich und mit allen Mit-
teln, die notwendig sind, den in> Unglücks jähr 800 nach Deutschland
importierten und dem deutschen Volk aufgezwungenen, art- und wesens-
fremden christlichen Glauben auszurotten.
6. An den bestehenden Kirchen darf keine grundlegende Bauver-
änderung vorgenommen werden; denn sie stellen deutsches Volksgut
dar, deutsche Kultur und einen Teil des historischen Werdeganges unse-
res Volkes. Sie sind als deutsches Volksgut nicht nur zu werten, son-
dern auch zu erhalten.
7. In der nationalen Reichskirche gibt es keine Schriftgelehrten,
Pastoren, Käpläne und Geistliche, sondern in ihr haben nationale
Reichsredner zu sprechen.
8. Die nationalen Feiern finden immer nur abends und nicht des
Morgens statt, und zwar Sonnabends bei festlicher Beleuchtung.
9. In der nationalen RK sollen deutsche Männer und Frauen,
deutsche Jungen und Mädel sich zu Gott und seinen unvergänglichen
Werten einmütig bekennen.
10. Die NR erstrebt unverrückbar ihre unausbleibliche Ver-
schmelzung mit dem Staate. . Sie hat sich diesem als dienendes
Glied zu unterstellen.
11. Auf Grund dessen fordert die NR die sofortige Abgabe
sämtlichen Territorialbesitzes aller Kirchen und
Konfessionen an den Staat. Sie verbietet auch, daß künftig die
Kirchen sich die kleinste Fläche deutscher Erde aneignen oder daß ihr
solcher wieder abgetreten wird, denn nicht die Kirchen erobern, ver-
teidigen und bebauen deutschen Grund und Boden, sondern ausschließ-
lich das deutsche Volk, der deutsche Staat.
12. Die NR-Redner amtieren als deutsche Staatsbeamte
nach dem Staatsbeamtengesetz.
13. NR-Redner dürfen niemals diejenigen werden, die heute mit
List und Tücke in Wort und Schrift die unbedingte Notwendigkeit und
Aufrechterhaltung der christlichen Lehre in Deutschland betonen; denn
sie belügen nicht nur sich selbst, sondern auch das deutsche Volk, und
zwar in ihrer Stellung um ihres süßen Brotes willen.
14. Die NR fordert die sofortige Einstellung des weiteren
Druckes und Verlegens der Bibel innerhalb Deutschlands,
* sowie weiteren Erscheinens von Sonntagsblättern, Schriften, Lektüren
kirchenschriftlichen Inhalts.
15. Die NR hat mit aller Strenge darüber zu wachen und schärfste
Gegenmaßnahmen zu treffen, daß eine Importierung derBibel
und christlicher Religionsschriften nach Deutsch-
landunmöglichist.
16. Die NR erklärt als ihr und somit unseres Volkes größtes
Dokument das Buch unseres Führers „M ein Kamp f*. Sie ist sich
dabei bewußt dessen, daß in diesem Buch nicht nur die größte, sondern
vielmehr die reinste und wahrste Ethik für das gegenwärtige
Leben unseres Volkes verkörpert ist.
17. Die NR hat sich unbeirrbar die Aufgabe gestellt, ihre ganze
Kraft daranzusetzen, daß „Mein Kampf" so volkstümlich wird und
bleibt, daß jeder Deutsche mit und nach diesem Buch seinen Lebens-
lauf vollendet.
287
18. Die NR fordert, daß Seitenzahl und Inhalt dieses Buches, in wel-
cher Größe es auch erscheinen mag, auch in Zukunft mit der bisher
erschienenen Volksausgabe übereinstimmt,,
19. DieNR räumt von ihren Altären das Kruzifix,
die Bibel und sämtliche Heiligenbilder.
20. Auf den Altären der NR ist dem deutschen Volk und somit
Gott unser allerheiligstes Buch „M ein Kampf" und die-
sem zur Linken das Schwert zu weihen. Die NR-Redner
haben nach bestem Wissen und Können während der Feier dieses Buch
zu erläutern.
21. In der NR gibt es keine Vergebung der Sünden. Sie vertritt
dabei den Standpunkt und wird diesen immer wieder betonen, daß ein-
mal im Leben begangene Sünden unerbittlich gerächt werden, gerächt
durch die ehernen und unumstößlichen Gesetze der Natur, und zwar
auf dieser Welt.
22. Die NR verwirft die Taufe eines deutschen Kin-
des, zumal die mit dem Wasser und dem Heiligen Geist.
23. Die Eltern eines deutschen Kindes (heugeborenen) haben vor
dem Altar das Deut#chgelöbnis abzulegen. Es hat folgenden
Wortlaut: Der Mann: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich
.......... Vater dieses Kindes und nachweislich arischer
Abstammung bin. Als Vater dieses Kindes gelobe ich, es in deutschem
Geist hin zum deutschen Volk zu erziehen."
Die Mutter: „Ich schwöre bei Gott diesen heiligen Eid, daß ich
■ . . . nieinem Mann ein Kind geboren habe und daß
mein Mann Vater dieses Kindes ist und daß ich die Mutter, nachweis-
lich arischer Abstammung bin. Als Mutter gelobe ich, dieses Kind in
deutschem Geist hin zum deutschen Volk zu erziehen."
24. Nur auf Grund dieses Deutschgelöbnisses darf und muß für den
neuen Staatsbürger das Deutschen-Ursprungsdiplom ausgestellt werden.
25. Die NR hebt die Konfirmation und den Konfir-
mationsunterricht sowie die Kommunion mit dem
Kommunionunterricht auf. Die Erziehungsstätten sind und
bleiben die Familie, die Schule, das deutsche Jungvolk, die Jungmädel-
schaft, die HJ und BDM. Um dem Schulabschluß der deutschen Jugend
einen besonderen feierlichen Charakter zu geben, sind der NR als
Staatsjugendfeiertag, welcher auf den Freitag vor Ostern zu legen ist,
dem Jungvolk, der Jungmädelschaft, der HJ vind dem BDM die Kirchen
zur Verfügung zu stellen bzw. die geeigneten Räume, An diesem Tage
haben ausschließlich und allein nur die Führer dieser Organisationen
zu sprechen.
26. Die Trauung deutscher Männer und Frauen erfolgt nach
Ablegung des Treuschwures bei gleichzeitigem Berühren des
Schwertes mit der Rechten. In der NR darf keine Handlung in un-
würdigem Knien vollzogen werden.
27. Den 10. Tag vor Pfingsten bestimmt die NR zum Feiertag der
deutschen Frau.
28. Die NR lehnt den Landes-Buß- und Bettag ab. Sie
beansprucht ihn aber zur Umwandlung und Verlegung auf den Feiertag
der Grundlegung der nationalen Reichskirche in Deutschland.
29. Die NR duldet keinesfalls die Schaffung eines neuen Zeichens
kirchlich -religiöser Art.
30. Mit dem Tag der Gründung der NR ist in allen Kirchen und
Domen des deutschen Reiches und der Kolonialgrenzen das Chri-
stenkreuz zu entfernen und das einzige, unversiegbare Symbol
Deutschlands, das Hakenkreuz, zu setzen.
288
2. Antichrists Wüten gegen Heiliges.
Die dauernde Hetze gegen Christentum und Kirche erzeugte
vielerorts nicht bloß Glaubensunlust und Glaubenszweifel, religiöse
Gleichgültigkeit und Lauheit, sondern auch glühenden Haß und
Verhöhnung, rücksichtslose. Störung und wütende Zerstörung alles
Heiligen.
Als. Beispiel zynischen Spottes über etwas, was jedem Christen
ehrfurchtgebietend ist, über den Glauben an Himmel, Feg-,
feuer und Hölle, sei wiedergegeben, was die HJ-Zeitung in
der Nummer vom 10. August 1935 schrieb und in ungezählte
deutsche christliche Familien und Kinderherzen hineintru;*:
"o-
„Für einen kleinen Geldbetrag — sagen wir einmal 50.000, — Mk. —
wird die Temperatur des Fegfeuers herabgesetzt. Auf Verlangen
können die Kandidaten der ewigen Seligkeit einige Schauer-Badgüsse
im Laufe des Röstungsprozesses erhalten. Ist aber auch eine gute Aus-
sicht auf die Freuden des Himmels von den billigeren Sitzen aus?
Ist der Himmel auch in telephonischer Verbindung mit der Hölle, wo
aller Wahrscheinlichkeit nach die meisten meiner Kameraden gebraten
werden sollen?"
Das Dollfuß-Gebet
Zu dem EhrAvürdigsten, was die Christenheit der ganzen Welt
als Erbe der Christen der ersten Jahrhunderte besitzt, gehört das
Credo, das Apostolische Glaubensbekenntnis. Es war
eine unerhörte Verletzung der christlichen Gefühle, ein gottesläster-
licher Mißbrauch eines christlichen Gebetes, wenn die National-
sozialisten es zu politischer Satyre umgestalteten. (Man schämt und
fürchtet sich geradezu Sünde, diese Gotteslästerung wiederzugeben;
aber anderseits ist es doch noch notwendig, um das abgrundlos
tiefe Niveau nationalsozialistischer Denk- und Redeweise zu kenn-
zeichnen.)
„Ich glaube an den allmächtigen Vater, Schöpfer der Notverordnun-
gen, an Englbrecht D o 1 1 f u ß, den Kleingeboreneh Sohn unseres Herrn,
der entgangen ist dem Heiligen Geist, erkoren zum Hasse gegen Deutsch-
land, gerne gelitten von den Bonzen, im Rathaus Hahnenschwanz be-
neidet, von den Juden gefeiert, abgeschrieben das Hitlerprogramm, am
dritten Tag wieder gut mit den Roten, er frißt aus den Händen des all-
mächtigen Völkerbundes, von dannen er kommen wird zu richten die
Nazi und Sozi.
Ich glaube an den Lausanner Geist, Gemeinschaft der Juden und
Tschechen und anderer Österreicher, Auferstehung des Habsburger
Reiches und ein schuftiges Leben."
Auf der gleichen Ebene grenzenlosen Zynismus liegt folgendes:
Bei einem Silvester-Gemeinschaftsabend im Lager Dachau hat sich
der Obertruppführer Müller, Inhaber des Blutordens, vom Jungsturm
' „Hitler" als Nonne verkleidet, heilige Lieder und eine Litanei gesun-
gen, wozu die Anwesenden jeweils mit „ora pro nobis" antworteten.
Ein Gleiches ward vom Nürnberger Parteitag berichtet.
Kreuz und Hakenkreuz 19 289
Bei einem anderen Kameradschaftsabend verkleidete Müller sich
als Bischof. Als Mitra benützte er einen Kübel!
Flüche als Mörtel und Nägel
Bei der Hebefeier der HJ-Häuser in der Strub bei Berchtes-
gaden im Winter 1937/38 sagte Kreisleiter Kammerer von Berchtes-
gaden, auf die angetretenen Arbeiter und ihre Arbeitsleistungen
deutend:
„Und da stehen sie alle, — hier die Hilfsarbeiter, da die Maurer, die
Zimmerleut mit ihren Polieren, die Baumeister und Architekten. Es ist
ja bekannt, daß nirgends so viel geflucht wird als auf einem Bau,
und das ist recht so! Der Maurer soll mit seinem Möttel die
Flüche hineinstreichen, daß sie zwischen den Ziegelreihen heraus-
schauen. Der Zimmermann soll mit jedem Nagel, den er in den Balken
schlägt, seine Flüche hineinhämmern. So ist's recht. So wollen wir's.
Je mehr geflucht wird, desto lieber ist es uns!"
Spott über die Heiligen
Die Zeitschrift „Nordland" vom 27. Januar 1935 veröffentlichte
folgendes Gedicht: „Unsere Heiligen" von L. M. Karow:
Unsere Heiligen schlugen sich nicht
Blutig mit Geißel und Strick.
Zerkratzten sich weder Brust noch Gesicht,
Hoffend auf himmlisches Glück.
Unsere Heiligen saßen auch nicht
Demütig auf einer Säule.
Glaubten nicht näher der Gnade Licht
Sich mit Wälzen in Disteln und Fäule.
Unsere Heiligen sind Legion
Und sterben für Heimat und Ehre.
Wir bauen ihnen als schönsten Lohn
In unseren Herzen Altäre!
Auf dem Anger zu Verden, im Stedinger Bruch,
Da fielen durch Kreuzstab und Kutte
Mit bitterem Lachen und lautem Fluch
Unsere Heiligen aus nordischem Blute.
Die „Religion" nationalsozialistischer Kämpfer
„Diese Kämpfer sind keine frommen Kirchengänger und
hingebungsvolle Psalmensänger, weil sie der Meinung sind, daß es
nicht um die Erhaltung sterbender Kirchen und toter
Dogmen geht, sondern um das im deutschen Wesen lebendige
religiöse Fühlen. Sie finden den Gott im Menschen
s e Ivb s t und treten somit für eine Diesseitsreligion ein, in
der ein konstituierter Dualismus (Diesseits-Jenseits) keinen Platz
mehr besitzt, weil der germanische Mensch nur an die
Göttlichkeit des Diesseits glauben kann.
290
Das 20. Jahrhundert bedeutet den Tqd all jener Anschauungen,
welche die christliche Welt mit sich brachte. Das Mysterium
des Blutes ist es, welches die christlichen Sakra-
mente überwindet und einen neuen Glauben schöpferisch
gestaltet. Der Glaube an das Blut und an die Rasse; das Wissen,
im eigenen Blut die Zeichen der natürlichen Offenbarung zu finden."
(Aug. Hot)pe im „Nordland" vom 27. Januar 1935.)
Entweihung religiöser Namen
Die Nazis legten ihrerseits ein Monopol auf manche Worte, wie
„Führer", „Bewegung", „Volk". Niemand durfte diese Worte für
andere Personen oder Sachen in Anspruch nehmen, als die Partei
es festgelegt hatte. Sie scheuten sich aber nicht, den christlichen
Kirch^j jahrhundertealte Namen, zu stehlen und in einem ganz
neuen Sinn für eigene Zwecke zu gebrauchen.
Beispiele hiefür:
.Nürnberg
Nürnberg ist für die Nazis „der Wallfahrtsort des neuen
Deutschlands" und die „Tempelstadt der Bewegung".
In Nürnberg findet der Deutsche „wahre E r b a u u n g".
Die Teilnahme am Nürnberger Parteitag wird die alljährliche
Wallfahrt der Parteigenossen (Kreisleiter Fritsch-Freiburg
am 28. August 1938). '
„Das einzige religiöse Erleben durch den Anblick des
Führers" (ebenfalls Fritsch).
„Gottessohn und Gotteskinder"
„Wir brauchen einen, der so vor uns steht, daß wir wieder unserer
eigenen Gotteskindschaft uns bewußt werden, einen Gottes-
sohn, der seinen Brüdern dieses große Bewußtsein durch Taten offen-
bar werden läßt ...
Denn es hat niemand ein Recht darauf, jene endlich zu einem
Glauben gekommenen Menschen unseres Volkes zu schmähen, die erst
in unseren Tagen ihren Gottessohn und den Vater im Ewi-
gen wieder gefunden haben." (NSKK, Januar 1937.)
„Apostel"
„Das Führerkorps der SA muß im Dienst und außer Dienst so sein,
daß jeder einzelne, ob in Uniform oder Zivil, ein Apostel des Führers
ist („Westdeutscher Beobachter" vom 28. September 1936).
Glauben
„Hier 'in Deutschland darf es nur eine Weltanschauung und einen
Glauben geben: An den Nationalsozialismus und seinen Führer Adolf
Hitler!" (Stabschef Lutze, „Westdeutscher Beobachter" am 28. Sept. 1936.)
„Gottgläubig": Das hieß aber nicht glauben an den persönlichen
Gott, den Herrn Himmels und der Erde, sondern nur an etwas Unbe-
kanntes, dem man den Namen „Gott" gab, „Gottgläubig" sollte nur den
Gegensatz zu „christgläubig" und konfessionell (kirchgläubig) aus-
drücken.
291
Bei der Eröffnung des 4. Reichsberufswettkampfes sprach Ley am
12. Februar 1937: „Der NS ist der alleinseligmachende Glaube
unseres Volkes".
! „Wir alle können uns nicht rühmen, Deutschland gerettet zu haben.
Das ist das unsterbliche Verdienst des Führers! Sein Glaube hat
,Berge versetzt', hat ein ganzes Volk verwandelt,"
„Es lebe Adolf Hitler! Wir glauben an dich, Adolf Hitler, unseren
Führer."
„Feier der ewigen Auferstehung in München". .*
„Unser Erlöser" ist Adolf Hitler.
„Unser Gottesdienst" ist der Appell.
„Unsere Priester" sind die Sturmbannführer. (Dr. Ley: 29. 9. 36)
„Die Lehrer sind die Priester in unseren Schulen" (Streicher,
Nürnberg).
„Von Deutschland aus muß die Erlösung der Menschheit kommen."
(Julius Streicher, 4. August 1936). ^ •
„Die Kraft an allem Txin müssen sie (NS-Schwestern) schöpfen aus
dem Glauben an die NS- Weltanschauung und dem Führer" 20. Febr. 1937.
„...Die NS-'Schwester müsse in erster Linie an ihre ,Berufung*
glauben..." 20. Februar 1Ö37.
Der voreheliche Geschlechtsverkehr ist die „biologische Ehe"
(Informationsdienst der Reichsjugendführung vom 28. Oktober 1935).
„Die Schulung .der Masse soll wenigstens ein über das andere Mal
in kultisch-religiöser Form vor sich gehen . . . Ein bestimmter Ritus der
Heimabend eröffnung und -Schließung mit Gedenken der Toten
(„der Märtyrer") der Bewegung ist notwendig . . ." Eine regelmäßige
Lesung aus „Mein Kämpf" als der Bibel der Bewegung und aus dem
Programm als unserem Neuen Testament oder unsere
10 Gebote. ..♦,4.».. unter Absingen unserer neuen getragenen
Lieder.
Ein Muster nationalsozialistischen Kultus
Auszug aus den amtlichen „Vorschlägen der Reichspropaganda-
leitung zur Nationalsozialistischen Feiergestaltung" (Amtl, Vermerk auf
der Rückseite: „Im Auftrage der Reichspropagandaleitung als internes
Rundschreiben der NSDAP herausgegeben vom Zentralverlag Fr. Eher,
München. Bezug nur durch die Gaupropagandaleitung der NSDAP und
nur für Dienststellen der Partei).
Vorgesehen wird ein ganz bestimmter Ritus, nach dem sich in'
Zukunft jede Weihestunde im Rahmen eines öffentlichen Staats-
kultus gestalten soll. Nur auf dem Wege der Einhaltung einer
bestimmten Gestaltungsgrundiage werden wir erreichen, daß sich
im Laufe der Entwicklung allmählich Feierformen von litur-
gischem Charakter entwickeln, deren Gültigkeitswert sich
dann in die Jahrhunderte erstreckt. Zu der stehenden Form der
NS-Wei bestunden gehört u. a. die im Mittelpunkt stehende
„Verkündigung" („ Feier worte", zehn bis zwanzig Minuten
dauernde, feierliche Ansprache, dichterisch gebundenes Wort), dar-
auf folgt das im Chor gesprochene „Bekenntnis". Anschließend
das „Lied der Verpflichtung" (begleitetes, möglichst von
allen Formationen gesungenes Lied, einstimmig). Ferner der „A n -
292
ruf des Führers" (Siegheilruf mit je einem Vers des Deutsch-
landliedes und des Horst- Wessel-Liedes).
Aus der Verkündigung zum 9. November sind besonders
folgende Sätze bemerkenswert:
\,An diesen Stufen der Feldherrnhalle,
zu denen heute hohe Wallfahrt führt,
erstand einmal das Sakrament des Kampfes.
Und die nur haben Raum in seinem eina'gen Dom,
der heute Deutschland heißt,
die tief in ihre Taten eingehämmert,
was sie bewegt.
Wallfahrer seid ihr,
wenn ihr den Ruhm des Volkes höher traget
als aller Religionen Offenbarung.
Ihr äpüTt die Heiligkeit der Feldherrnhalle,
Was gelten Bittgesänge, Meßgebete,
des Weihrauchs auf geschwankte, blanke Schalen
gegen den dumpfen Rhythmus unserer Trommeln,
wenn unser Führer zu den Stufen tritt.
Der Atem derer, die Ihn seh'n, erlischt;
die Erde, die vom Anmarsch bebet, schweigt;
der Lärm hockt grau am Ende aller Welt.
Der Führer steht.
Der Führer hebt die Hand zum ew'gen Gruß.
Es schlägt sein Herz im Herzschlag seines Volkes.
Des Führers Schreiten heute ist Gebet.
Er steigt und steht, vom Wunder ganz tunhüllt:
erbrennt vom Glauben seiner Kameraden,
Und keine priesterliche Weihe steigt
gewaltiger empor als dieses stumme
und steingewordene Gebet des Mannes,
in dessen Herzen sich ein Volk bewegt.
Der Feldherrnhalle Schwur ist unser Allgebet
zu unserm Schöpfer!
Und Feuer, Qualm und Tod um jauchzen uns,
wenn nur die Fahne — unsere Fahne steht!
Stieg sie hinauf die Stufen bei der Feldherrnhalle,
dann ragt sie auf, der deutsche Hochaltar,
und die Standarten jubeln es ihr zu:
Was ist der Tod, wenn Du da Leben von uns forderst:
Deutschland!
„Die Fahne hoch!"
»
Das Kreuz muß fallen!
f«
Der Haß gegen den „bleichen Gekreuzigten" duldete sein
Zeichen nicht mehr in staatlichen oder gemeindlichen Räumen und
auf öffentlichen Plätzen.
Aus fast allen öffentlichen Gebäuden (Rathäusern, Gerichts-
gebäuden u. a.) wurden die Kruzifixe entfernt, oft in sehr pietät-
293
loser Weise, z. B. in Blaibach (Erzdiözese Freiburg), wo die vier-
zehnjährige BdM-Führerin das Kreuz des Rathauses zunächst ein-
fach in den Papierkorb warf, dann unter Dachsparren versteckte.
In ganz Deutschland geschahen dann in steigendem Maße
Kreüzfrevel aller Art. Man wollte nicht bloß sagen und
schreiben: „Das Kreuzmuß fallen, wenn Deutschland
leben soll"; man handelte auch darnach.
Allein in der Erzdiözese München wurden innerhalb von
ein paar Jahren Kreuzfrevel verübt:
1937 in Glonn bei Grafing, Hohenkammer, Lustheim, Teisendorf,
Dietramszell,
1938 in Eching bei Landshut, Esting, Palling, Übersee, Kirchdorf
am Inn, Buch am Erlbach, Tölz,
1939 in Malching, Dachau, Johanneskirchen, Vagen, St. Emmeram
(München), Lochham.
In Erding und Maria-Eich-Planegg wurde eine Reihe von Sta-
tionen eines Kreuzwegs "^schwer beschädigt.
Ähnlich mußte der Bischof von Speyer im Jahre 1939 bittere
Klage führen über eine zweimalige greuliche Verwüstung der herr-
lichen Marienkirche in Landau und von Kreuzen in Rheinzabern,
von sieben Statuen in Bergzabern, von einem Kruzifix in Linten,
von einer Kreuzigungsgruppe in Kleinsteinfeld.
Die Erzdiözese Freiburgim Breisgau beklagt in einer
Zusammenstellung für die Zeit vom August 1935 bis Ende 1937
nicht weniger als 17 Kreuzfrevel.
Der Bischof von Eichstätt macht in seinen entrüsteten Pro-
testen über zahlreiche Kreuzesschändungen noch auf eine Besonder-
heit aufmerksam: Es wurde mehrfach an Kreuzen die Inschrift:
JNRJ: „Jesus von Nazareth, König der Juden," herabgerissen.
(Die Nazis nahmen also gleich den jüdischen Hohenpriestern (Jo.
19,21) Ärgernis an dieser Aufschrift).
Schließung und Schändung von Gotteshäusern.
Bischof Bornewasser von Trier mußte am 30. November 1941
seiner Klage über den nazistischen Klostersturm in der
Kölner Kirchenprovinz folgende Anklage gegen deutsche Missetat
in Polen anschließen:
„In der Stadt Posen waren 1939 beim Einmarsch der deutschen
Truppen 3 öffentliche Kirchen. Seit 1. Oktober 1939 sind es nur 3, in
denen noch Gottesdienste abgehalten werden. Die anderen sind in
Möbellager, Reitschulen verwandelt worden oder für andere Zwecke ein-
gerichtet. 13 sind verschlossen."
In der ganzen Diözese Posen waren beim Einmarsch 431 öffent-
liche Kirchen, heute noch 4 5. In fast 400 Kirchen ist keine
Messe, kein Altarssakrament, keine Kommunion
mehr! Haben wir nicht allen Grund zu beten: „Herr, bewahre uns
294
vor dem Unglück, daß uns das Brot der Seele, das Altarssakrament,
genommen wird?"
Die Anfänge dieses Hasses gegen die Gotteshäuser mußten wir
auch schon in Deutschland selbst schauen:.
Geschändet wurden z. B. allein in der Erzdiözese München:
Die Altöttinger Kapelle in München,
eine Kapelle in Eberspoint,
die Klosterkirche in Fürstenfeldbruck,
die Heilig-Kreuz-Kirche in München- Giesing,
die St.-Vinzenz-Kirche in München,
die Pfarrkirche in Weyarn.
Die Kirche im Schloß Nymphenburg-Müncher mit den Gräbern vie-
ler Ordensfrauen wurde trotz aller bischöflichen und selbst päpstlichen
Proteste in einen Bibliotheksaal für das neue Jagdmuseum verwandelt.
Selbst zu politischen Zwecken mißbrauchte man die
Kirche, in der Hauptsache wohl, um die Kirchenbesucher zu
ärgern:
so in T e g e r n s e e, wo man für die Reichstagswahl 1936 v^rährend
dreier Nächte (26. bis 28. März) immer wieder Wahlplakate
an der Außenwand der Kirche und zuletzt auch noch i m I n n e rn
der Kirche (natürlich auch am Pfarrhaus und Pfarrgartenzaun)
anbrachte, den Pfarrer, seine Schwester und den Mesner sogar für
kurze Zeit verhaftete, weil er am ersten Tag diese unberech-
tigten politischen Anschläge entfernte!!
In Wolfratshausen (Obb.) hatte man sich wenigstens noch damit
begnügt, solche Wahlplakate an das Haus des Benefiziaten b i s
zuml. Stock hinauf anzubringen. Freilich auch da wurden nicht
die Übeltäter gesucht und gestraft, sondern wiederum der
katholische geistliche Hausbewohner samt seiner Schwester, weil sie
diese unberechtigter und unpassender Weise angepappten Plakate ab-
rissen.
Das Erzbischöfliche Ordinariat München rief vergebens das
Reichs] ustizministerium gegen solche Mißachtung und Schädigung
fremden Eigentums und kirchlicher Gebäulichkeiten an, .erstmals
schon ihi August 1935.
Das Reichsjustizministerium erwiderte zwar am 5. Nov. 1935,
„daß das Ankleben von Plakaten an Grundbesitz ohne Zustimmung
des Eigentümers im allgemeinen untersagt ist." Aber es fügte noch
bei: „Für besondere Ausnahmefälle sind nähere Vorschriften über
die anordnende Stelle und die Art der Durchführung der Anklebung
in Aussicht genommen. Hierüber behalte ich mir weitere Mit-
teilung vor."
Aber „diese näheren Vorschriften" und „die weitere Mitteilung"
hierüber blieben trotz wiederholten neuen Ersuchens der oberhirt-
lichen Stelle und trotz immer neuer Zwischenfälle dieser Art aus.
Am 9. April 1936 schrieb das Ordinariat München an das
Reichsministerium zusammenfassend: . „Beiliegender Bericht des
katholischen Pfarramtes Tegernsee, der für sich selber spricht, ver-
295
anlaßt uns, unseren Antrag vom 14. August 1935, wiederholt am
26. August 1935, am 21. Oktober 1935, am 13. November 1935 und
am 31. Januar 1936, mit der dringendsten Bitte um recht baldige
und endgültige Erledigung zu erneuern."
Demnach konnte auch ein sechsmaliges Ersuchen
keine Entscheidung herbeiführen, weil eben die heilige Justiz des
Dritten Reiches nicht bloß die Augen, sondern auch die Hände
gebunden hatte von Gestapo und Partei!
So ließ man lieber Polizei und Gerichte im Ungewissen, Ver-
brechen ungesühnt und Unschuldige bestraft!
Wie Gotteshäuser, so wurden auch Gottesäcker ge-
schändet: so z. B. 1938 der Friedhof von München-Berg am Laim
(15 Grabkreuze abgeschlagen); 1939 der Friedhof der Alten Haid-
hauser Kirche zu München (mehrfach Kreuze der Grabdenkmäler
abgeschlagen, Weihwasserkessel umgeworfen oder zerstört).
^ Attentatsversuche gegen zwei Kirchen.
Die ganze teuflische Bosheit und Falschheit,
welcher der Nationalsozialismus fähig war, zeigt der Versuch des
Gauleiters H o f e r, Tirol, zwei herrliche Kirchen der Stadt Inns-
bruck in die Luft zu sprengen (nachdem er schon mehrere Kirchen
geschlossen hatte). Die Sauerstoff-Sprenggesellschaft
m. b. H., Berlin-München, teilte unter dem 2. Juli 1945 dem Erz-
bischöflichen Ordinariat München mit:
„Unsere Gesellschaft war für die Beseitigung von Flieger-
schäden in Bayern und Tirol eingesetzt . . . Dabei stellte der
GauleiteranunsdasAnsinnen, auchzweiKirchen
mutwillig anzusprengen, damit deren völlige Be-
seitigung dann durchgeführt werden könnte. Es
handelt sich um folgende Fälle:
1. Bei Fliegerangriffen vom Dezember 1943 auf Innsbruck
wurde auch das Servitenkloster an der Maria-Theresia-Straße in
Innsbruck beschädigt. Um das Kloster weiterhin benützen zu kön-
nen, mußten einige Gebäudeteile des Klosters, die an die Kloster-
kirche angrenzten, beseitigt werden. Es wurde uns nun völlig un-
erwartet von Baurat Hauser der Auftrag übermittelt, die Ser-
vitenklosterkirche, die völlig unbeschädigt war,
aus Versehen anzusprengen, damit dann diese Kirche
völlig beseitigt werden könnte. Gauleiter Hof er wollte bekanntlich
vom Gauhaus aus einen Aufmarschplatz schaffen,
dem die Servitenklosterkirche im Wege stand. Es wurde uns nahe-
gelegt, die Kirche unbemerkt, ambeste n,inderDunkel-
h e i t, anzubohren und beim Sprengen des völlig zerstörten Neben-
gebäudes auch diese Bohrlöcher zu besetzen und die Kirche so an-
zusprengen, daß ihre Standfestigkeit erschüttert werde. Natürlich
sollte dies für die kirchliche Gemeinde unbemerkt erfolgen. Unser
technischer AußenstellenleiteE, Herr Bauingenieur Hildl, dem
296
dieser Gauleiterauftrag übermittelt wurde, lehnte die Durchführung
ab und erklärte, daß nach der ihm erteilten Dienstanweisung die
Verantwortung dafür der unterzeichnete Betriebsführer selbst trage,
dem er diesen Auftrag vorlegen müsse . . .
2, Bei einem weiteren Angriff aus Innsbruck, bei dem besonders
der Ortsteil Wilten betroffen wurde, erhielt unser Sprengmeister
den Auftrag, die alte Stiftskirche in Wilten anzubohren
und zu sprengen. Derselbe führte die Bohrungen, die an und für
sich völlig unbedenklich für die Kirche sind, durch, und verstän-
digte unseren technischen Außenstellenleiter, Herrn Bauingenieur
Kildl, der wiederum die persönliche Verantwortung für die Spren-
gung ablehnte und verlangte, daß die Genehmigung beim Betriebs-
führer eingeholt werden würde. Die Stadt Innsbruck
sandte auch ein Telegramm an die Zentrale nach
Berlin und verlangte die Sprengung der Kirche; darauf wurde
telegraphisch zurückgeantwortet, daß die Sprengung nur dann
durchgeführt werden könne, wenn ein schriftlicher Auftrag der
Stadt Innsbruck bzw. des Gauleiters vorliege. Wie erwartet, wurde
dieser schriftliche Auftrag nicht erteilt, so daß die Sprengung der
Kirche unterblieb. Uns war bekannt geworden, daß der Gauleiter
aktenkundig nicht mit der Sprengung befaßt werden sollte.
Die Sprengung sollte auch hier wiederum aus Versehen er-
folgen, wobei uns zugesagt war, daß der Gauleiter uns gegen An-
griffe decken würde."
Der Kapellenplatz in Altötting verhöhnt!
Der allen bayerischen Katholiken teure, altehrwürdige Kapellen-
platz des Altöttinger Marienheiligtums wurde verspottet und ent-
weiht durch eine sogenannte DeutscheHochzeit unmittel-
bar vor der Gnadenkapelle, noch dazu ausgerechnet an einem Sonn-
tag, um die anwesenden Wallfahrer möglichst zu ärgern.
Das „Mitteilungsblatt des Kreises München der NSDAP" Nr. 32
vom Jahre 1935 schrieb hierüber:
„In rasselnder Fahrt kletterten fünf dicht mit SA-Männern besetzte
Lastkraftwagen die steile Straße hinauf und hielten in dem weiten Rund
des Marktplatzes. Mächtige Schriftbänder leuchteten links und rechts
an den Wagen:
„Der politische Katholizismus ist der Staatsfeind I. Klasse"
„Es lebe Deutschland" — „Nieder mit den konfessionellen Hetzern!"
kündeten die mächtigen Buchstaben." Ein großes Transparent zeigte die
vergebliche Mühe devisenschiebender Mönche und wühlender Hebräer,
den mächtigen Stamm der deutschen Eiche abzusägen. Die Schar der
SS-Männer, die, Kampflieder singend, tapfer im strömenden Regen auf
den offenen Wagen ausgehalten hatte, bestand aus kernigen Arbeitern
der Faust aus Freimann, die einem ihrer Kameraden, einem Oberschar-
führer und seiner Braut, das Geleite gaben, um in Altötting, einem
Zentrum des hetzenden politischen Katholizisrius, deutsche Hochzeit zu
feiern. Auch dort standen im weiten Viereck die SA-Männer, auch dort
Kreuz und Hakenkreuz 20 997
schwuren vor der Fahne der Bewegung sich ein deutscher Mann und
eine deutsche Frau treues Zusammenhalten im Lebenskampf.
Pg. Nittweger vom Gauschulungsamt nahm die Trauung vor und
sprach von der Notwendigkeit der Befreiung von Volks- und artfremden
Zeremonien bei der Begehung wichtiger Lebensabschnitte. Die Kame-
radschaft sei die Seele der Bewegung und das Unterpfand des End-
sieges unserer Weltanschauung über alle artfrernde Lehre, und darum
ist für Nationalsozialisten die schönste Hochzeitsfeier im Kreise der
Kampfgenossen und angesichts des heiligen Symbols unserer Bewegung,
des sieghaften Sonnenzeichens auf dem roten Banner der Großen Deut-
schen Revolution."
Die garize Ungeheuerlichkeit der Verhöh'ung läßt uns nach-
stehendes Schreiben des Erzbischöflichen Ordinariats München er-
kennen: •>
München, 8. August 1935.
An die Reichsbahndirektion
München..
Sehr geehrter Herr Präsident!
Betreff: Antireligiöse Demonstration.
Wir mußten Herrn Präsidenten bereits unter dem 12. Juni und
3. Juli dieses Jahres über eine starke Kirchenaustrittsbewegung inner-
halb des Reichsbahnausbesserungswerkes München-Freimann berichten.
Leider müssen wir heute einen neuen Fall antireligiöser Hetze mit-
teilen, der vom genannten Werk ausging.
Am Sonntag, den 4. August d. J., nachmittags 5 Uhr, kam ein
Sturm SA (Nr. 26?) auf 5 Lastautos nach Altötting. Die Autos trugen
Leinwandtransparente mit nachfolgenden Inschriften:
„Kampf gegen den Juden, den Freimaurer, den Jesuiten!"
„Wer den Juden kennt, kennt den Teufel, nieder mit den staats-
feindlichen Nonnen!"
„Es lebe die deutsche Frau und Mutter!"
„Nichts für den devisenschieberiden Katholiken,"
„Alles für Deutschland!"
„Der politische Katholizismus ist Staatsfeind erster Klasse."
„Unser Glaube ist Deutschland!"
„Heil und Sieg dem Hakenkreuz, Heil unserm Führer Adolf Hitler!"
„Devisenschieber sind Landesverräter!"
„Nieder mit dem politischen Katholizismus!"
Die Rückwand zeigte:
Eirie Eiche: Links von ihr ein katholischer Geistlicher. Rechts ein
Jude. Darunter der Spruch: Und sind sie noch so fest erpicht, die
deutsche Eiche fällen sie nicht.
Die Autos fuhren in Altötting zunächst auf den Kapellenplatz. Dort
stiegen die zirka 150 SA aus, formierten sich unter Vorantritt von
Trommlern und Bläsern zu einem Zug' über den Kapellenplatz und in
die Adolf-Hitler-Straße, kehrten dann zum Kapellenplätz zurück und
nahmen Aufstellung zwischen Heiliger Kapelle und Marienbrunnen, wo
bei den großen Lichterprozessionen der Wallfahrer regelmäßig der Altar
steht und der Schlußsegen gegeben wird. In der Mitte wurde ein freier
Platz gelassen und die Hakenkreuzfahne aufgestellt, vor die dann ein
Brautpaar zu einer deutschen Trauung hintrat. Ein junger SA-Mann
hielt zunächst eine etwa sieben Minuten lange Rede, sprach dabei davon,
daß man hier auf historischem Boden stehe, daß hier schon die alten
298
Germanen gewohnt hätten, dann aber das Christentum seit zwei Jahr-
tausenden sich ins Volk eingeschlichen habe, daß man aber jetzt wieder
zurüclckehre zum alten Glauben der Väter. Dieser Glaube sei der
deutsche Mensch, das deutsche Blut, der Glaube an Deutschland. „Wir
kümmern uns nicht darum, ob wir zu den Engelein^ in den Himmel oder
zu den Teufeln in die Hölle kommen. Unser Glaube ist Deutschland."
Zum Schluß las er einen Satz aus Hitlers „Mein Kampf" vor, der davon
handelte, daß sie (wohl das Brautpaar gemeint) wachsen und die
deutsche Gemeinschaft vermehren sollten. Dann forderte der Redner
das Brautpaar auf, durch Handschlag vor der Fahne den Treuschwur
zu leisten. Während dann die Fahne über das Brautpaar geschwenkt
wurde, spielte die Musik. Hernach zog alles ab in ein Gasthaus. Um
etwa 8 Uhr abends wurde die Rückfahrt angetreten. Dabei begegnete
ein Wagen einigen Klosterfrauen, die sofort angepöbelt wurden: „Da
sind sie, diese Nonnen! Diese Devisenschieber u. ä."
Hierzu stellen wir fest:
1. Sämtliche 5 Lastwagen waren von der Reichsbahn; sie trugen alle
die Aufschrift: „Deutsche Reichsbahn", und hatten auch die Abzeichen
der Reichsbahn. Damit wurde während der ganzen Fahrt von München
bis Altötting und in Altötting selbst bei allen Zuschauern der Eindruck
erweckt, daß die Protestfahrt mit allen ihren Begleiterscheinungen von
der Reichsbahn ausgehe.
2. Sämtliche Transparentinschriften wurden, wie unzweifelhaft fest-
steht und gegen jede eventuelle Ableugnung durch die Beteiligten auf-
rechterhalten wird, im Reichsbahnausbesserungswerk zu Freimann von
einem Angestellten während der Dienstzeit ange-
f e r t i g-t.
3. Die Fahrt hatte nicht etwa bloß einen Protestcharakter gegen den.
„politischen Katholizismus" und die Devisenschieber, sondern auch gegen
das Christentum und die katholische Kirche und ihre Einrichtungen.
Darum wurde als Ziel gerade der besuchteste katholische Wall-
fahrtsort Bayerns, Altötting, genommen.
Darum wurde in Altötting selbst gerade der Ka pellenplatz zur
Kundgebung benützt. ' Ausgesprochen antichristlichen Charakter zeigte
schließlich die Ansprache und die Trauung.
4. Die Bevölkerung von Altötting, die glücklicherweise ob des
strömenden Regens nur sehr spärlich zugegen war, nachträglich freilich
bald davon hörte, erst recht aber die anwesenden Wallfahrer, waren
über die Inschriften und das Bild, über die Demonstration, Rede und
Trauung sehr empört. Und was besonders beschämend für uns Deutsche
ist, holländische und schweizerische Wallfahrer waren Zeugen all dessen
und schrieben sich die Inschriften ab, photographierten verschiedene
Szenen und erklärten, darüber in ihrer Heimat zu berichten. Ein hol-
ländischer Geistlicher wurde noch dazu von einem SA-Mann angepöbelt.
Wir werden gegen diese Verhöhnung einer katholischen Wallfahrts-
stätte an anderer Stelle vorstellig werden. Herrn Präsidenten möchten
wir aber bitten, alsbald eine Untersuchung darüber anstellen zu wollen,
wie es möglich war, daß:
1. Lastwagen der Deutschen Reichsbahn zu einer solchen Demon-
stration benützt und mit derartigen Hetzinschriften versehen werden
durften;
2. i-nnerhalb des Reichsbahnausbesserungswerkes Freimann von einem
Angestellten innerhalb der Dienstzeit derartige Hetzplakate und ein
solches Spottbild gemacht werden durften.
Wir erwarten, daß diesmal die Reichsbahndirektion energisch durch-
greift, um endlich der antireligiösen Hetze innerhalb des Reichsbahn-
ausbesserungswerkes ein Ende zu machen.
299
Wir hielten es auch für angezeigt, daß die Reichsbahn direktion
öffentlich von dieser bedauerlichen Demonstration abrückt, mit der sie
ohne jeden Zweifel nicht das Allergeringste zu tun hatte, mit der sie
aber von der Bevölkerung und vom Ausland, das Zeuge des Vorkomm-
nisses war, eben wegen der Benützung ihrer Kraftwagen nur zu leicht
in Verbindung gebracht werden könnte.
Genehmigen Herr Präsident den Ausdruck aufrichtiger Hoch-
schätzung, in welcher ich ergebenst verbleibe
Buchwieser, Generalvikar.
In Abschrift:
1. An den Herrn Reichs verkehrsminister Frhr. Eltz v. Rübenach,
2. An das Auswärtige Amt,
3. An das Reichsministerium des Innern,
4. An den Herrn Präsidenten der Deutschen Reichsbahngesellschaft,
Herrn Generaldirektor Dr. Dorpmüller,
5. An Herrn Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp,
6. An das Bayer. Staatsministerium des Innern,
7. An die Kanzlei des Führers der NSDAP.
Eine tausendjährige Kapelle durch NS-Hochzeit entweiht!
Die Kapelle der ehemals kaiserlichen Residenz von AUstädt
wurde entweiht, indem die Trauung des Jungbannführers Camilo
Gärdtner durch den Gauleiter Günter Blum in Gegenwart einer
großen Zahl von HJ-Führern und BdM-Leiterinnen stattfand unter
feierlichem Orgelspiel und den Festklängen der nationalsozialisti-
schen Hymne: „Erde gebiert aufs neue" („Türmer", „Allgemeine
Zeitung" vom 11. September 1935).
Eine NS-Eheweihe.
Ein Muster bombastischer NS-Worte
Die erste SS -Hochzeit in Pfaffenhofen a. Um, Obb.
„Die Hochzeitsfeier des mit der Führung des SS-Sturmbannes
11/92 Standarte beauftragten SS-Hauptsturmführers Kaspar
Schwarzhuber mit Frl. Maria Margarete Fleißner war
eine Weihestunde in tiefstem Sinne und für alle Teilnehmer bleibt
sie ein unvergeßliches Erlebnis. Das sieghafte Banner des National-
sozialismus und das ernste schwarze Fahnentuch der SS schmückten
den Rathaussaal, in dessen Mitte die Büste des Führers stand. Die
in Rot und Grün gehaltene Dekoration verlieh dem historischen
Raum eine sehr vornehme Note. Der Bedeutung des Tages ent-
sprach es, daß zahlreiche führende auswärtige Persönlichkeiten der
SA und SS als Ehrengäste zugegen waren. HJ, BDM, Jungmädel
und Jungvolk bildeten im Rathausinnern die Treppen entlang
Spalier, Kreisleitung, Ortsgruppe, SS-Kameraden von auswärts,
denen Hauptsturmführer Schwarzhuber den Weg zum National-
sozialismus bereitete, SA, SS, die Führer der verschiedenen Unter-
gliederungen, die Ratsherren, die Stadtverwaltung mit den sämt-
lichen Arbeitern, Angestellten und Beamten waren zugegen.
300
Musikalische Darbietungen (bes. mit der aus einer Kirche ge-
stohlenen Orgel! Der Verf.) umrahmten den feierlichen Akt. Trau-
zeugen waren SS-Brigadeführer Diem und SS-Obersturmführer
Friedrich Franz Bauer.
Bürgermeister- Otto Bauer nahm die standesamtliche Trauung
vor; seine von echt kameradschaftlichem Geiste getragenen, tief
wurzelnden Worte lassen wir nachstehend folgen:
Mein sehr verehrtes Brautpaar!
Ihr beide erscheint heute vor mir, dem Bürgermeister und Standes-
beamten der Stadt Pfaffenhofen, in der Absicht, den Bund der Ehe zu
schließen. Die Ehe ist von der Volksgemeinschaft anerkannt. Die Liebe,
Treue und Achtung zueinander sind die Grundpfeiler dieser Lebens-
gemeinschaft. Nur das Gesetz oder der Tod kann diesen Bund trennen.
Pg, Kaspar Schwarzhuber — Kampf genossin Maria Margarete
Fleißner! — Wenn im Reiche Adolf Hitlers Mann und Frau die Ge-
meinschaft für das Leben bauen, dann ist das wie Heimkehr zu den Ur-
vätern- — und wie ein Vormarsch in. des Volkes Zukunft — wie ein
Appell an der ewigen Wache — und wie ein Lagerbau des jungen
Volkes.
Nicht wie in vergangenen Zeiten wünschen wir uns Glück, sondern
wir wünschen uns Kampf mit doppelten Waffen und Ehre mit doppelter
Treue.
Ich stelle Dir Kamerad und Dir Kameradin die Fahne des Führers,
das Hakenkreuzbanner, hierher; legt im Geiste Eure reinen Hände ge-
meinsam an ihren Schaft; diese Fahne der Freiheit ist die neue Zeit, für
die Du Kamerad Schwarzhuber 14 Jahre kämpftest, für die Du gestritten
und gelitten hast. Auch Deine Hand Kameradin Maria Margarete um-
klammert die Fahne, für die Dein Mann gekämpft hat. Dies bedeutet
für Dich höchste Verpflichtung im Kampfe um die Erhaltung unseres
deutschen Volkes. Stehe in schweren und guten Zeiten treu und un-
beirrbar hinter diesem Manne. Blutorden und Ehrenzeichen zeugen, daß
der Mann, der mit Dir nun durch das Leben geht, in Treue und höch-
ster Pflichterfüllung für sein Volk kämpfte. Als sein bester Kamerad
weiß ich, daß er immer bereit war, a^es zu geben und zu opfern für
unsere herrliche Freiheitsbewegung. — Allen, die da glauben, wir hätten
keine Religion, weil wir uns selbst weihen, denen sage ich: „Wer für
Adolf Hitler kämpft, kämpft für Deutschland, und wer für sein Vater-
land kämpft, kämpft für Gott!"
Unsere Fahne ist die neue Zeit und diese Fahne führt uns in die
Ewigkeit.
Und nun wollen wir heimkehren zu unseren Urvätern. —
Sie sind euere ersten Trauzeugen.
Ihr Blut, rein und unverfälscht seit Jahrtausenden, gesund und
widerstandsfähig, meldet sich in dieser Stunde zu neuem Leben. —
Und da werden sie wieder lebendig die Urahnen und die allernächsten,
die noch hier stehen bei uns in stolzer Freude, die fernen, die wir nach
Namen und Aussehen nicht mehr erkennen. —
Alle aber sind deutschen Blutes — alle tragen in den Augen und
auf der Stirn das stolze Leuchten ihrer Rasse — unseres Stammes.
Alle stehen sie hier unter uns im Geiste und fragen uns: „Woher
kommt Ihr? — Wo steht Ihr? — Wohin geht Ihr?"
Und wir Nationalsozialisten antworten mit sieghaftem Glauben:
„Wir kommen aus dem Volke — Wir stejien in unserem Volke — Und
wir gehen heim zu unserem Volke." —
Ob ihr, väterliche und mütterliche Trauzeugen, uns Geld und Gut
oder Not und Soxge vererbt habt, das entscheidet nichts!
301
Aber daß ihr uns das Blut, diesen Quell von ganz eigener Kraft ge-
geben habt, das ist unser Schicksal, unser Glück geworden, — Nicht Ver-
mögen, nicht Kastengeist formt unser Leben, sondern Ihr, die Ahnen,
gestaltet uns und unseres Volkes Dasein, unsere Seele und unseren
Charakter.
Und wenn unser heißgeliebter Führer Adolf Hitler zu uns spricht,
so ist's, als ob ihr Ahnen wieder zu uns zu reden anfinget. Als ob ihr nach
unserem Herzen und Gewissen greifen wolltet. — Alles auf Erden ist
zu bessern. Jede Niederlage kann zur Mutter eines späteren Sieges
werden. Jeder verlorene Krieg zur Ursache einer späteren Erhebung,
jede Not zur Befruchtung menschlicher Energie — solange aber nur das
Blut rein erhalten bleibt.
Doch aber — verlorene Blutsreinheit allein zerstört das Glück auf
immer — senkt den Menschen auf ewig nieder. —
Väter, Mütter, Ihr seid Zeugen dafür, daß wir SS-Männer Euer Erbe
als tapfere Blutswarte hüten und im Dienste der Volksgemeinschaft
verwalten.
Nicht umsonst tragen wir die Kampfparole der SS in der Tat durch
Deutschland und schwören heute erneut auf sie: „Unsere Ehre heißt
Treue!" —
Treu zu den Urvätern — Treu unserem Blute — Treu unserem hei-
ligen Boden, der in eurem Schweiß gepflügt und von eurem Blut ge-
tränkt wurde. —
Urväter — seid Zeugen des Schwures, den hier zwei deutsche Men-
schen ablegen werden.
Und nun kommen schon die 2. Trauzeugen zu uns.
Die Toten — die Blutzeugen unserer heiligen Bewegung.
Da steigen sie aus den eisernen Sarkophagen am Königlichen Platze,
aus. den Gräbern nahen sie:
Horst Wessel — Herbert Norkus — Allfahrt — Bauriedl — Theodor
Casella — Anton Hechenberger — Karl Laforce — Kurt Neubauer —
Klaus von Pape — Scheubner-Richter — Wilhelm Wolf — alle, alle
kommen sie, um uns zu sagen: „Damit Ihr ein einig Volk werdet, star-
ben wir. — Damit Ihr im großen und kleinen, in Volk, Ehe und Familie
eine Gemeinschaft bauet, fielen wir. Damit Ihr glücklich werdet, blute-
ten wir. Damit Deutschland aufersteht, gingen wir zu Grabe. Seht ihr
sie, die Toten der Bewegung, wie sie in unserem frohen Kreis stehen, mit
tiefgebetteten Augen, bleich, ernst und doch so stolz. Sie sind Zeugen
eines neuen deutschen Lebensbundes. ■ —
Ihre Seligkeit ist das immerwährende Auferstehen in einem jungen
Volke, in Euch, meine beiden Kameraden — es ist, als ob sie auch zu
Euerer Eheweihe versichern wollten: „Umsonst sind wir nicht tot —
wir nicht und nicht unsere Kameraden aus dem großen Kriege, deren
Ehre und Kampfpreis in dem sich erneuernden deutschen Volke erst
lebendig wird." — Und wieder klingt's auf, das ewige Lied von der
Treue, die allein unsere Ehre ist.
Euch, Blutzeugen, wollen wir wieder das Leben geben, weil wir durch
unseren schweren Kampf auf Eure Gräber geschrieben haben: „Auf-
erstanden als Volk"; so wie es Walter Fl ex gesungen hat als Antwort
der Toten der Bewegung auf unsere Frage: „Welches Ehrenmal wir
ihnen bauen sollen" und sie sagten uns:
Wir sanken hin für Deutschlands Glanz;
Blüh, Deutschland, uns als Totenkranz!
Die Mutter, die ihr Kindlein hegt.
Ein Blümlein überm Grab uns pflegt.
Blüh, Deutschland, überm Grabe mein, —
Jung, stark und schon Heldenhain, —
Das war der Wunsch der Toten,
302
Und wiederum sehen wir im Geiste die 3, Reilie, die Euch, mein
liebes Brautpaar, Eideshelfer und Festzeugen sein sollen. Das . nächste
Geschlecht, die Jugend des Dritten Reiches, Sie fordert viel und
Schweres von uns. Sie fordert Treue und Opfer.
Die Jungen müssen ja einmal die Festung halten, an der wir bauen.
Sie müssen ja einmal unsere Erbschaft übernehmen.
Wir hoffen und glauben, daß wir einmal einen besseren Staat in die
reinen Hände der Jugend legen Icönnen, als er einmal in unsere Hände
gegeben worden ist. Sie prüfen einmal unsere Treue zu Deutschland,
sie schauen auf unsere Gemeinschaft im Volke und Elternhause. Sie
wachen über unsere Eide und unsere Treue. Sie stehen mit den Vätern
und IN^üttern, sie stehen mit den Gefallenen hier als leuchtende Stan-
darten, bereit, im Geiste mitzumarschieren, und fordern, daß wir den
, Atem nicht verlieren, daß wir treu bleiben, damit sie auf uns weiter
bauen l^önnen. Junge Zeugen und Kampfgenossen, wir schaffen euch
Raum, wir geben euch Leben und schmieden euch Waffen, wir l^ennen
unsere Schuld an euch und sie heißt: Deutschland.
Unsere liebe Vaterstadt Pfaffenhofen ist heute, und wann immer ein
nationalsozialistischer Kämpfer einer deutschen Frau ^erz und Hand
gibt, nicht so eng und schmal, daß sie nicht Raum bieten würde für das
ganze Volk, das zur Treuzeugenschaft antritt. Keine Ehe kann im
Reiche Adolf Hitlers geschlossen, keine Familie gebaut werden, ohne
daß nicht das ganze Volle es verspürt und keine Ehe vermöchte wahr-
haft glücklich zu sein, verspürte nicht Mann und Frau die Verbunden-
heit und Verpflichtung zum ganzen Volke.
Nicht mehr, wie in den Biedermeier-Zeiten oder in den düsteren
Jahren bürgerlichen Eigendünkels sind hier unsere Familienhäuser ab-
gekapselt vom großen Reiche, von der großen Familie des deutschen
Blutes. Unser Führer, der Deutschland ist, grüßt jedes Haus, jedes
schlichte Heim. Darum lege ich auch in Eure Hände das Kampfbuch
des Führers. Möge Euch dieses Werk als unzerstörbares Bekenntnis zum
Führer und damit zu Eurem deutschen Blute heilig sein. Das ganze Volle
schaut heute auf Euch. Die Mauern des Rathauses weiten sich, Eure
Vaterstadt wird zu ganz Deutschland, alle Standarten und Fahnen der
Bewegung leuchten und wehen herein in diesen Festraum und ein fröh-
liches Volk ruft Euch fordernd und dankend Heil zu. Ihr meine beiden
Kampfkameraden, fühlt die Hände des Führers, der Eure beiden Hände
ineinander schmiedet, Eure Herzen eint, der zu Euch und zu den vielen,
die im kommenden, ewigen Deutschland an Eurem Stamm gedeihen
werden, heute spricht:
. Ihr seid viel tausend hinter mir
Und Ihr- seid ich und ich bin Ihr,
Ich habe keinen Gedanken gelebt.
Der nicht in Eurem Herzen gebebt.
'' Und forme ich Worte,
So weiß ich keins,
Das nicht mit Eurem Wollen eins.
Denn ich bin Ihr
Und Ihr seid ich
Und wir alle glauben, Deutschland, an Dich.
Meine Kampfgenossin Maria Margarete Fleißner,
Mein Pg. Kaspar Schwarzhuber!
Vor diesen beiden gesetzlichen Zeugen, vor den Vätern und Müttern
unseres Blutes, vor den toten Helden unserer herrlichen Bewegung und
303
des großen Krieges, dem jungen Geschlechte und vor Führer und Volk
frage ich Euch nun, nachdem ich Euch an die Wichtigkeit und Verant-
wortlichkeit Eures vorhabenden Schrittes erinnere.
Ich stelle an Dich, Pg. Kaspar Schwarzhuber, die Frage: Ist es Dein
freier und ungezwungener Wille, mit diesem hier gegenwärtigen Fräu-
lein Maria Margarete Fleißner die Ehe einzugehen?
Ebenso frage ich Dich, Kampfgenossin Maria Margarete Fleißner:
Ist es Dein freier und ungezwungener Wille, mit diesem hier gegen-
wärtigen Pg. Kaspar Schwarzhuber die Ehe einzugehen?
Nachdem Ihr nun meine an Euch gerichteten Fragen bejaht habt,
erkläre ich Euch, meine lieben Kampfkameraden, kraft des bürgerlichen
Gesetzbuches für rechtsmäßig verbundene Eheleute.
Anschließend folgte dann durch SS-Sturmführer Schulungsleiter
Dr. Gerhäuser, München, die SS-Trauung, die in ihrer Art einen
feierlichen Akt darstellt, der die Herzen packt. Für beide Sippen
bürgten: SS-U.-Sturmführer Bürgermeister Otto Bauer und SS-
Obersturmführer F. F. Bauer, München.
Es ist kein heidnischer Kult, wie manche zu sagen pflegen; es
ist eine echt deutsche würdevolle Eheweihe von höchster Bedeu-
tung. Das Leuchten vom deutschen Leben strahlt einem entgegen,
das heilige SS-Bekenntnis zur Sippe, zur Familie und zum obersten
Gesetz der Treue. Diese Treue muß für das Brautpaar in der Ehe
ein Schild sein, an dem alle Angriffe zerschellen müssen.
SS-Brigadeführer Diem überreichte dem Brautpaar einen
Ehrendolch und beschloß den eindrucksvollen Akt mit einem
dreifachen Sieg-Heil auf den Führer." („Pfaffenhofener Volksblatt"
vom 14. Juli 1936.)
Gottesdienststörungen.
Wie von Gottes haus und Gottes a c k e r, so machte der natio-
nalsozialistische Christentum- und Kirchenhaß auch vor dem Gottes-
dienst nicht halt. Er schritt auch zu förmlichen Störungen von
religiösen Feiern in Kirchen: So wurde in München einmal die
Bahnhofsmesse im sogenannten Bürgersaal gestört, wobei die Misse-
täter sogar eigens ihr Parteizeichen trugen und mit Brandstiftung
und Bomben drohten. Ähnlich in der Pfarrkirche zu St. Ursula in
München. HJ in München ärgerte sich über die kirchlichen Pfarr-
jugendstunden und suchte sie wiederholt zu stören, z. B. im Jahre
1935 in St. Gabriel, St. Pius, St. Ursula.
Eine besonders drastische Gottesdienststörung geschah im D o m
zu Freiburg i. Br. in Anwesenheit des H. H. Erzbischofs selbst.
Darüber wird berichtet:
„Kanonenschläger"
bei der Treuekundgebung an den Bischof.
Am Sonntag, den 11. Juni- 1941, fand abends im Münster zu Freiburg
eine Treuekundgebung der katholischen Jugend statt. Das große Got-
teshaus war voll von Gläubigen, etwa 5 0, meist Jugendlichen. Die
304
Andacht begann mit Gebeten, gesprochen von einzelnen und von allen.
Dann folgte die Predigt, die ein junger Professor hielt.
Der Herr Erzbischof Gröber befand sich mit Mitra
und Stab am Altar und nahm an der Feier teil. Da auf einmal tat
es einen fürchterlichen Krach, dem eine Rauchentwick-
lung folgte. Die Folg^ davon war eine Panik unter den Anwesen-
den; sie wurden unruhig und drängten sich nach den Ausgängen. Da
forderte der Erzbischof laut rufend auf, die Ruhe zu bewahren und
weiterzubeten. Daraufhin wurden die Leute wieder ruhig. Die Feier
nahm nun ihren Fortgang und ging ruhig zu Ende. Dann ergriff der
Erzbischof das Wort und nahm Stellung zu dem Vorkommnis. Zuerst
bedankte er sich bei der Jugend für diese machtvolle Kundgebung und
dann sagte er etwa folgendes:
„Dieser herrliche Dom steht bereits seit mehreren
hundert Jahren und heute abend fiel der erste Schuß
darin. Ich kann diese sogenannten „deutschen Mensche n",
die diese ruchlose Tat vollbrachten, nur als Verbrecher, Feig-
linge und Verräter brandmarken. Es ist nicht genug, daß
französische und englische Bomben in unseren deutschen Städten Pani-
ken hervorrufen, nein, auch unser herrlicher Dom muß noch mit einem
,Kanonenschläger' entweiht werden, und während wir für unsere tapfe-
ren Soldaten beten, muß eine Panik die Leute verwirren, die leicht zu
einem furchtbaren Unglück hätte ausarten können. Gott sei Dank,
wurde das Schlimmste verhütet. Ich werde dafür sorgen, daß diese
Untat in meiner Diözese bekannt wird und so etwas sich nicht wieder-
holt. Dieser Schreckschuß heute abend ist für viele
ein Weckschuß gewesen, für jetzt und für das Jahr 1941. Meine
lieben Gläubigen! Gebet ihnen die gebührende Antwort am nächsten
Sonntag bei der Fronleichnamsprozession!"
Jedes Wort und jeder Satz des Oberhirten tat den Gläubigen
wohl und wurde mit Bravorufen und Händeklatschen aufgenommen.
Wer war der Täter? HJ-Führer, aufgestellt von unserem
Kreis leiter! Im Beichtchor haben sie den Kanonenschläger
(Feuerwerkskörper = mit Sprengpulver gefüllte Papphülse mit
starkem kanonenähnlichen Knall) gelegt, die Zündschnur mit einer
Zigarette angezündet.
Der Erzbischof sagte noch: „Letztes Jahr platzte auch so ein
„Kanonenschläger" vor der Eingangstür zu meinem Palais,
aber der hat mich nicht so erschüttert wie dieser Schuß heute
abend."
Hatte der Erzbischof von Freiburg gemäß Obenstehendem seine
Diözesanen aufgefordert, „am nächsten Sonntag bei der Fronleich-
namsprozession den Attentätern die gebührende Antwort zu geben",
so taten es die Münchener Katholiken Jahr für- Jahr von selbst: an
die 20 000 bis 30 000 Katholiken, Männer, Frauen und in hervor-
ragender Weise männliche und weibliche Jugend nahmen jedesmal
in würdiger Weise teil, abgesehen von den Zehntausenden, die mit-
betend und mitsingend den Prozessionsweg säumten. Um so mehr
ärgerten sich hierüber die Nazis und sie glaubten ihrem Ärger Luft
machen zu müssen durch Behinderung und Verspottung der Pro-
305
Zession. Dies geschah in ganz besonders abstoßender Weise an
Fronleichnam 1937 in der SS-Kaserne.
Zerrbild einer Fro.nleichnamsprozession
In der SS-Standarte Deutschland, München, Ingolstädter Straße,
zogen am Fronleichnamsfest (27. Mai 1937), nachmittags zwischen
3 und 4 Uhr, 10 bis 15 Männer durch die Gänge dieser Kaserne der
SS-Standarte Deutschland und verspotteten die Fronleichnams-
prozession. >
Vier SS-Männer trugen an vier Zeltbahnstöcken einen aus
einem weißen Leintuch gefertigten Himmel. Unter dem Trag-
himmel markierte ein Mann den Priester, der das AUerheiligste
tiug. Er hatte eine Bischofsmütze aus Papier auf dem Kopf, trug
ein langes, weißes Nachthemd und eine braune Decke um die
Schultern, den Rauchmantel darstellend. In der Hand hatte er ein
Kreuz, die Monstranz versinnbildend, einen Rosenkranz und ein
Gi.'betbuch. Rechts und links von diesem markierten Priester ging
je ein Mann. Diese hatten eine runde Kopfbedeckung aus Papier
und eine braune Decke um die Schultern gehängt. Einer von diesen
befden hatte einen Aluminiumtopf an Ketten oder Schnüren be-
festigt, der das Rauchfaß darstellen sollte. Der andere hatte eine
Fahrradglocke in der Hand. Vor dem Traghimmel ging ein Mann
mit einer Ziehharmonika, der Fronleichnamslieder spielte. In jedem
Gang wurde einige Male gehalten, was die Evangelien bedeuten
sollte. Es wurde gesungen (Dominus vobiscum; Et cum spiritu .tuo
etc.). Die Beteiligten knieten sich hierauf nieder, der SS-Mann, der
den Priester machte, gab mit dem Kreuz den Segen; der eine Be-
gleiter läutete mit der Fahrradglocke und der andere markierte mit
dem Aluminiumtopf die Beräucherung. Dann wurde jeweils wieder
weittrgezogen. Die Zimmerinsassen begaben sich bei dem Vorbei-
zug auf die Gänge und lachten.
Störung der Fronleichnamsprozession
Bei der Münchener Fronleichnamsprozession 1939 schrie ein
Mann vom Balkon eines Gasthauses herab dem Kardinal, der das
AUerheiligste trug, und den Prozessionsteilnehmern mit lauter
Stimme, hörbar für Hunderte von Leuten, entgegen: „Landes-
verräte r". /
Als dann der Schuldige sofort von einem energischen Katho-
liken festgestellt und gestellt wurde, meldeten sich zwar sofort zwei
Gestapoleute, taten aber nichts gegen den Übeltäter, unterhielten
sich vielmehr später freundschaftlich mit ihm und seinem Begleiter!
Man hatte offenbar den Teufel nur bei seiner Großmutter verklagt.
Vergeblich wartete darum das Erzbischöfliche Ordinariat auf die
Bestrafung dieser Gottesdienststörung und öffentlichen Beleidigung
des Bischofs. Vergebens mahnte es nach ein paar Wochen mit nach-
folgendem Schreiben zum polizeilichen bzw. gerichtlichen Ein-
schreiten:
306
München, den 7. Juli 1939.
Das Ordinariat des Erzbistums
• München vmd Freising.
An die
Geheime Staatspolizei ,
Staatspolizeileitstelle
München
Brienner Str. 50.
Betreff: Beleidigung der Katholiken Münchens anläßlich der Fronleich-
namsprozession am 8. Juni 1939.
Während der sonst ohne jegliche Störung verlaufenen Fronleich*
namsprozession in München hat einer von zwei Männern, welche auf
dem Balkon des Spatenbräurestaurants am Max-Josefs-Platz standen,
mit weithin schallender Stimme der Prozessionsgruppe, welche vor, mit
und hinter dem Allerheiligsten ging, zugerufen: „Landesverräter".
Durch schnelles Zugreifen eines Laien konnten die zwei Männer
sofort festgehalten und Beamten der Geheimen Staatspolizei übergeben
werden.
Wir ersuchen
1. uns mitzuteilen, welches das Ergebnis der bisherigen Untersuchung
ist, ob und wie staatlicherseits bereits gemäß der in Artikel 5 des
Reichslconkordats eingegangenen Verpflichtung gegen diese Beleidi-
gung von Geistlichen in Ausübung ihrer geistlichen Tätigkeit und
gegen diesen groben Unfug vorgegangen wurde,
2. Uns. baldigst den Namen des Übeltäters bekanntzugeben, damit Geist-
liche und Laien, denen in aller Öffentlichkeit dieser unerhörte Vor-
wurf gemacht wurde, fristgemäß Privatklage wegen Beleidigung
stellen können.
Eine Antwort auf dieses Schreiben wie auf wiederholte münd-
liche Anfragen war nicht zu erreichen.
3. Antichrists Wüten gegen des „unwerte Leben".
In seinem Fastenhirtenbrief vom Jahre 19 3 4 schrieb H. H.
Kardinal Faulhaber, Erzbischof von München, unter anderem:
„Vor kurzer Zeit ist ein furchtbares Wort gefallen: Jede
Sittenlehre gelte nur eine Zeitlang, und sittlich sei alles, was
dem Wohle des Volkes dient". Die christliche Sittenlehre ist
ein wesentliches Stück des Evangeliums, verpflichtet also alle Völker
vmd alle Zeiten so gut wie die Glaubenslehre des Evangeliums. Sitt-
lich ist, was dem Willen und den Geboten Gottes ent-
spricht. Das wird auf die Dauer immer auch dem Wohle des Volkes
dienen. Eine neue sittliche Ordnung aber, die mit den Geboten Gottes
in Widerspruch stünde, würde Unordnung schaffen und dem Wohle des
Volkes nicht dienen. Da könnte ein F a natiker auf den Wahn
kommen, Enteignung des Kirchengutes, Meineid und
Mord dienten dem Wohle des Volkes und seiendeshalb
sittlich erlaubt. Es könnte ein Arzt auf den Gedanken
kommen, die schmerzlose Tötung der sicher unheil-
bar Kranken, auch der unheilbar Geisteskranken, die
sogenannte Euthanasie, erspare dem Staat große Für-
sorge lasten und diene deshalb dem Wohle des Volkes.
Wirtschaftliche Rücksichten können ein Sitten-
gesetz nicht außer Kraft setzen. Der Vater des Gedankens,
307
alte Leute einzuschläfern, ist der gleiche Nietzsche, der den Staat
ein „Ungeheuer", die Nächstenliebe „das größte Laster" nannte, in des-
sen Augen es die größte Torheit war, den Unterschied zwischen Herren-
menschen und Sklavenmenschen abzuschaffen. Christus hat den ewig
gültigen Grundsatz aufgestellt: „Alles, was ihr wollt, das euch die
Menschen tun, das sollt ihr ihnen auch tun". In der Kehrseite heißt
das: ,Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem an-
dern zu!" (Mt. 7,12.)
Eine warnende, aber nicht beachtete Prophetenstimme!
Das , (furchtbare Wort", das einer vorgesprochen hatte: „Sittlich
ist alles, v^as dem Wohl des Volkes dient" oder, kürzer formuliert:
„Gut ist, was nützlich is t", wurde bald Moral und Parole
der Partei. Ebenso auch die Kehrseite dieser Losung: „Was
nichts mehr nützt, ist lebensunwert, soll be-
seitigt werden, insbesonders, wenn es die Reinerhaltung der
Rasse, das nationale Wohl und die Erhaltung der Volkskraft er-
fordern!"
Erste Auswirkung dieser Moral war die Unfruchtbarmachung
zur Verhütung erbkranken Nachwuchses,
die sog. Sterilisation.
Sie wurde durch tendenziöse Filme niedrigster Art vorbereitet und
propagiert und dann an ungezählten Schwachsinnigen in- und
außerhalb von Anstalten, selbst an Geistlichen, durchgeführt. Dar-
legungen der Bischöfe, wie sie immer wieder geschahen, um zu
zeigen, daß es dem katholischen Gewissen nicht erlaubt sei, solche
Eingriffe für die eigene Person zu gestatten oder für andere zu
beantragen (Kardinal Faulhaber, ebenfalls im Fastenhirtenbrief
1934), wurden nicht beachtet. Spätere energische Proteste der Bi-
schöfe gegen diese Maßnahmen führten zur Beschlagnahme von
Hirtenbriefen. (Siehe Denkschrift der Bischöfe vom 20. August 1935.)
Das Lügenwort und Verbrechen der
„Euthanasie."
Das war der wohlklingende Deckname für die skrupellose, ge-
waltsame Tötung von Menschen, vielleicht von Hunderttausenden!
Auf der Tagung der schlesischen Wohlfahrtspflege in
Bad Salzbrunn vom 25. bis 27. Oktober 1939 sprach Gauleiterstell-
vertreter Bracht das so wenig nach Wohlfahrtspflege klingende
Wort: „Das deutsche Volk muß dazu kommen, immer weniger un-
produktive Kräfte mitzuschleppen."
In Wirklichkeit war dies aber längst nicht mehr ein Zukunfts-
programm des deutschen Volkes oder vielmehr des deutschen
Nationalsozialismus, sondern etwas, was schon seit mehreren Jahren
geradezu ,,am laufenden Band" durchgeführt wurde. Rücksichtslos
und massenhaft beseitigte man bereits landauf, landab „unproduk-
tive Kräfte", so wie man unbrauchbare Werkzeuge wegwirft oder
alte, schwache Tiere tötet.
308
Zunächst wurden von den „Landesfürsorgeämtern" (der Name
„Fürsorge" ward hier wirklich zum Hohn) Meldebögen nachfolgen-
der Art an die einzelnen Heil- und Pflegeanstalten verschickt.
Meldebogenl Ist mit Schreibmaschine
auszufüllen!
Lfde. Nr
Name der Anstalt: ......... 3 .... <
in: «
Vor- U.Zuname des Patienten: ...... geborene:
Geburtsdatum: . . . -Ort: Kreis:
Letzter Wohnort: Kreis:
ledig, verh., verw. od. gesch.: . . . Konf.: . . . Rasse: . . , Staatsang.: . . .
Anschrift der nächsten Angeh.: . . j
Regelmäßig Besuch und von wem (Anschrift):
Vormund oder Pfleger (Name, Anschrift):
Kostenträger: . Seit wann in dortiger Anst.:
In anderen Anstalten gewesen, wo und wie lange:
Seit wann krank: .... Woher und wann eingeliefert:
Zwilling: . ... » > Geisteskranke Blutsverwandte:
Diagnose: . i , , t , . i ^
Hauptsymptome: . t . i . . . .
Vorwiegend bettlägerig? . •. . . sehr unruhig? ... in festem Haus? . . .
Körperl, unheilb. liCiden: * . s . i . . Kriegsbeschäd.:
Bei Schizophrenie: Frischfall . . . Endzustand . . . gut remittierend: . . .
Bei Schwachsinn: debil imbezill: Idiot:
Bei Epilepsie: psych, veränd.: . . . durchschn. Häufigkeit, d. Anfälle: . . . .
Bei senilen Erkrankungen^ stärker verwirrt unsauber
Eingewiesen auf Grund §51, § 42bStrGB. usw durch:
Delikt: .......... Frühere Straftaten:
Art der Beschäftigung: Genaueste Bezeichnung der Arbeit und
der Arbeitsleistung:
Ist mit Entlassung demnächst zu rechnen?
Bemerkungen: -
Ort, Datum:
(Unterschrift des ärztlichen Leiters
oder seines Vertreters.)
309
Diese Fragebögen mußten nach der Ausfüllung wieder an den
Landesfürsorgeverband zurückgeschickt werden, damit dieser für
das weitere sorgen- könne. Als die katholischen Pflegeanstalten den
heimtückischen Zweck dieser Meldebögen sicher erkannten, weiger-
ten sie sich größtenteils, die Meldebogen überhaupt noch .ein-
zuschicken.
Dann kamen ärztlicheKommissionen in die einzelnen
Heil- 'Und Pflegeanstalten und brachten hiebei die ausgefüllten
Fragebogen mit oder ließen sich die zurückbehaltenen ausliefern.
Nur vereinzelt nahmen sie sich Zeit, Patienten selbst zu prüfen.
Der Leiter einer solchen ärztlichen Kommission, Dr. Schm.,
antwortete am 18. November 1937 gegenüber ernstesten Bedenken
und dringendsten Bitten der Oberin einer solchen Anstalt in Ober-
bayern: ,, Machen wir uns doch nichts vor und seien wir aufrichtig
zueinander: Diese Eckensitzer müssen weg!"
Bei der nachfolgenden Durchsicht der Meldebögen machte er
dann bei Schwachsinnigen und Geisteskranken fast durchwegs ein
Kreuzchen auf das freie Rechteck der linken unteren Seite des
Meldebogens (andere machten es zu den Namen auf den mit-
gebrachten Listen). Das Todesurteil für die Bezeichneten!
Darunter fielen auch Pfleglinge, die noch beinahe voll arbeitsfähig
waren, sei es in der Landwirtschaft oder in einem Handwerk, bei-
spielsweise solche, die nur vielleicht ein- oder zweimal im Jahr
einen epileptischen Anfall oder ähnliches hatten.
Auf den Einwand der Frau Oberin obiger Anstalt, daß die
Pfleglinge doch auch arbeiten könnten und durchaus nicht „un-
produktiv" seien, antwortete der Arzt: „Was heißt denn bei euch
arbeiten? Ihr habt ihnen nur einiges eingedrillt; das ist doch keine
Arbeit. Da haben Sie eine falsche Auffassung über Arbeit."
Selbst solche wurden dem Tode geweiht, bei denen es sich um
Folgen von. Kriegsverletzungen handelte!!
Die Todeskandidaten wurden dann aus den caritativen
katholischen oder evangelischen Anstalten zunächst vorsorglich in
staatliche Heil- und Pflegeanstalten verbracht, und zwar unter
dem Vorwand einer „Neuorganisation der Heil- und
Pflegeanstalten" und „zur Erhaltung der Wirt-
schaftlichkeit der Heil- und Pflegeanstalten, in
welchen im Zuge der , Neuorganisation' (wieder ein euphemistischer
Deckname für die Tötung!) eine ganze Anzahl von Betten frei-
geworden sei." Ausdrücklich und schärfstens wurde dabei betont:
„Von einer vorhergehenden Verständigung der
Angehörigen der Kranken ersuche ich unter allen
Umständen im Interesse eines geregelten Abtransportes der Pfleg-
linge abzusehen. Sie erfolgt durch den Landesfürsorgeverband
Oberbayern/'
Nur in diesem letzten Punkte wich eine diesbezügliche Anord-
nung des Reichsstatthalters von Salzburg ab:
310
Der Reichsstatthalter Salzburg, am 17. August 1940.
Br. I/I — RVR (III) 1/40 geh.
Vertraulich.
An die
Versorgungsansta-lt Schernberg
zu Händen der Oberin o. V. i. A.
Schwarzach.
Gegenstand:
Verlegung von Kranken aus Heil- und Pflegeanstalten.
Zur streng vertraulichen Behandlung wird mitgeteilt, daß laut
einem Erlaß des Reichsverteidigungskommissars im Wehrkreis XVIII in
Innsbruck die gegenwärtige Lage die Verlegung einer größeren Anzahl
von in Heil- und Pflegeanstalten untergebrachten Kranken notwendig
macht, um für andere/ Zwecke Betten jederzeit verfügbar zu haben.
Die Kranken werden nebst ihren Krankenpersonalakten und Kran-
kengeschichten in Sammeltransporten verlegt. Der Abgabeanstalt ent-
stehen aus dem Transport keine Kosten; die Benachrichtigung
der Angehörigen über die Verlegung hat durch die
Abgabeanstalt zu erfolgen. Die Abgabeanstalt hat auch 'die
Kostenträger davon in Kenntnis zu setzen, daß weitere Zahlungen über
den Tag der Verlegung hinaus solange einzustellen sind, bis sie von der
Aufnahmeanstalt angefordert werden.
Die notwendig werdenden Verlegungen werden von Fall zu Fall
angeordnet werden.
LA.
gez. Dr. Hausner.
Beglaubigt: Hromadka.
Der Landesfürsorgeverband Schwaben suchte bei dieser Um-
legung der Kranken gleichsam noch ein Geschäft zu machen.
Er beauftragte die caritativen Anstalten, aus denen Pfleglinge in
die staatlichen Anstalten verbracht wurden, allen „Umzulegenden"
(dieses Wort hatte hier eine fatale Doppelbedeutung!) noch
dreifache Leibwäsche, einen Sonntags- und Werktagsanzug mit-
zugeben, reichlich viel für die, welche zumeist schon nach wenigen
Tagen sterben sollten.
Aus den staatlichen Heil- und Pflegeanstalten wurden
dann die „unproduktiven Kräfte" entweder in Eisenbahnwaggons,
meist nachts und auf offener . Strecke, außerhalb eines Bahnhofs
verladen oder in Omnibussen der „Gemeinnützigen Transportgesell-
schaft G. m. b. H." (was doch der Nationalsozialismus für eine Auf-
fassung von „gemeinnützig" hatte!), meist von SS-Leuten gesteuert,
fortgebracht.
Nach einigen Tagen erhielten die Angehörigen eine kurze Nach-
richt über die Verlegung ihrer Patienten, nach ein paar weiteren
Tagen die Todesbotschaft. Durch die mehrmalige Verlegung
sollten die Spuren der Gewalttat verwischt werden.
Als Todesursache wurde schematisch dies und jenes verzeichnet,
darunter des öfteren eine unmögliche Krankheit, z. B. Blind-
darmentzündung bei Personen, die längst keinen Blinddarm mehr
311
hatten, oder Tonsilitis bei Leuten, denen längst die Mandeln heraus-
genommen waren.
Ein paar Beispiele mit kurzen Auszügen aus der amtlichen Mit-
teilung.
1. KrautMagdalena.
Vernichtungsanstalt: Landespflegeanstalt Grafeneck in Württemberg,
„Verlegt 1940 auf ministerielle Anordnung und gemäß Weisung des
Reichsverteidigungskommissars."
„Tod ist als Erlösung aufzufassen."
„Wegen Seuchengefahr sofortige Einäscherung des Leichnams."
„Besuche hier gegenwärtig aus seuchenpolizeilichen Gründen ver-
boten."
2. Lindauer Bert a.
.Vernichtungsanstalt G r a f e n e c k in Württemberg.
„Verlegt am 9. Oktober 1940 auf ministerielle Anordnung gemäß Wei-
sung des Reichsverteidigungskommissars."
„Ihren Tod müssen Sie als eine Erlösung auffassen."
„Tod 22. Oktober^ 1940. Plötzlich und unerwartet an akuter Milliartuber-
kulose."
„Wegen Seuchengefahr ordnete die Polizeibehörde sofortige Einäscherung
des Leichnams an."
£an5c^an(!a(f ßarf^efm
Äor(Mm,ben 13. Juni 1940.
Dlitr £ln3 (Oonou), pef)f(f)lle^a4 £fni 324
Strnruf: aitoocn 9
Maria L i e g 1 ,
MilÄöhen.
RuppreohtB-traBse 15/III
Betr.: Josef Liegl.
Sehr geehrte Frau Liegl !
Ich beehre miöh Ihnen mitzuteiler., daß Ihr Bruder Herr
Josef Liegl, der auf Grund ministerieller Anordnung gemäß
Weisung des Reichaverteidigungskomraissars verlegt werden
nöiöte, hier eingetroffen ist,
, .>'■• ■■"•:.,\ Hell Hitler !
''oorn lO:^
Als Beispiel der amtlichen Heuchelei und Schwindelei, die hier ge-
trieben wurde, zwei Briefe der Landesanstalt Hartheim in Photokopie.
ai2
atihron |hl# onsrten!)
Fräulein
Maria 1 1 e g 1
München
mpprechtstr. 15
Sehr geehrtes Fräulein liegl
Im Nachgang zu unserem Schreiben vom 13. ^uni 19.40 müssen
wir Ihnen zu unserem größten Bedauern mitteilen, . daß Ihr Bru-
der Josef liegl , der sich seit kurzen auf ministerielle Anord-
nung gemäß Weieung des HeichsverteidigungskommiBsars in unse-
rer Ansta5.t befand, unerwartet infolge lüngehahazee'sea ge-
storben ist. Eine ärztliche Hilfe war leider nicht mehr möglich.
Da jedoch bei der Art und der Schwere des Leidens Ihres Bruderß
mit einer Besserung und damit auch mit einer Entlassun« aus
der Anstalt nicht meiir zu rechnen war, kann man seinen, aer ihn
von seinem- Leiden befreite und ihn vor einer lebenslänglichen
Anstaltspflege bewahrte, nur als Erlösung für ihn ansehen;
möge Ihnen diese Gewißheit zum Tröste gereichen.
um einer möglichen Seuchengefahr, die jetzt während des Krie-
ges besonders groß ist, vorzubeugen, mußte der Veratorbene
auf polizeiliche Anordnung hin sofort eingeäschert werden.
Falls Sie die üme mit den sterblichen üb rrosten Ihres Bruders
auf einem bestimmten Friedhof beisetzen lassen wollen, - die
Überführung der Urne findet kostenlos statt - bitten wir Sie,
unter .Beifügung einer Einverständniserklärung der betreffenden
Friedhbfverwaltung um Mitteilung.
Sollten Sie uns innerhalb von 14 Tagen keine diesbezügliche ■
Nachricht zukommen lassen, werden wir die' Beisetzung der Urne
'anderweitig veranlassen.
Zwei Sterbenirkunden, die Sie für eine etwaige Vorlegung hei Be-
hörden sorgfältig aufbewahren wollen, fügen wir 'bei,.
Heil Hitler
Man beachte die Ungenauigkeit: in einem Brief heißt die Schwester
„Fräulein", im andern „Frau". In der Sterbeurkunde Nr. 537 des Stan-
desamtes Hartheim heißt es: „Am 17. Juni 1940 um 8 Uhr 30 Minuten
in seiner Wohnung verstorben. Todesursache; Lungenabszeß."
313
3. RiefHedwig.
„Am 6. Februar 1940 in die Landespflegeanstalt Grafeneck gebracht."
Von dort Nachricht am 13. Februar: „Fräulein Rief ist am 8. Februar
1940 einem Herzschlag erlegen."«
„Mußte auf polizeiliche Anordnung eingeäschert werden."
„Ihr Tod bedeutet Erlösung."
i
Asche kam nach 4 Wochen an das Bürgermeisteramt in Weiler (Heimat).
4. Obermeier Franz.
Landespflegeanstalt Brandenburg a. H.
„Vor kurzem auf ministerielle Anordnung ... in unsere Anstalt überführt.
„Hier am 11. September 1940 an einer Grippe, die Lungenentzündung
zur Folge hatte, verstorben."
„Alle ärztlichen Bemühungen... blieben ohne Er-
folg"(!!)
„Einäscherung mußten wir auf polizeiliche Anordnung sofort veran-
lassen."
„Von einem schweren, unheilbaren Leiden erlöst und vor lebensläng-
licher Anstaltspflege bewahrt."
5. Frau Henriette Friedrich.
Landespflegeanstalt Brandenburg a. H.
„Verlegt nach Brandenburg"
„Am 23. September 1940 an einer septischen Angina verstorben, trotz
aller Bemühungen unserer Ärzte, die Patientin am
Leben zu Erhalten."
„Seuchengefahr verlangte sofortige Einäscherung."
6. Auracher, München.
Vernichtungsanstalt: Landes-Heil- und Pflegeanstalt Sonnenstein
über Pirna.
Neu ist in diesem Falle, daß wegen der „Seuchengefahr" auch die
sämtlichen Kleidungs- und Gebrauchsgegenstände
des Entschlafenen (wiederum ein Hohn: dieses Wort „Entschlafener" für
einen Getöteten) vernichtet werden mußten, so daß wir Ihnen zu
unserem Bedauern nichts zurückgeben können. (In Wirklichkeit wan-
derten diese Kleider nicht in das Krematorium, sondern in Konzen-
trationslager oder vielleicht gap in Privatwohnungen von davon Betei-
ligten.)
7. Von Interesse dürfte besonders auch folgender Fall sein:
Schwester Angela Holtzmann '
aus einem bayerischen Salesianerinnenkloster wegen Geisteskrankheit in
der Anstalt Rottenmünster untergebracht, entging durch besondere Vor-
sichtsmaßnahmen der dortigen Schwestern der Verschleppung und
Tötung, obwohl ihr leibeigener Bruder sich , geweigert hatte,
irgend etwas zur Rettung seiner Schwester zu tun, da er selbst, wie er
erklärte, in Eglflng-Haar bei der „Wegschaffung" der Kranken (meist
nach Hartheim bei Linz) beteiligt war.
8. Frau Klinkowström hatte einen kranken Sohn in der Heilanstalt
in Mauer- ölling. Sie wollte ihn wegtun nach der katholischen Pflege-
314
anstalt Schernberg. Sie wandte sich anFrauGöringin Bad Gastein
mit der Bitte, bei ihrem Mann Fürbitte einzulegen, daß ihr Sohn nicht
einbezogen würde. Frau Göring erhielt von ihrem Mann telegraphisch
die Antwort: „Da kann ich nichts machen; denn das geht von der höch-
sten Stelle aus."
Welch eine Angst und welch ein Terror in den staatlichen An-
stalten herrschte, aus denen die Pfleglinge in die Vernichtungs-
anstalten weggeholt wurden, zeigt der Brief einer Pflegeschwester
vom Oktober 1940:
„ . . . Ich habe nun die Angst in Formen kennengelernt, die mir bis
jetzt neu waren." (Die Todeskandidaten wußten ja großenteils sehr
wohl, wohin die Fahrt mit den Omnibussen der „Gemeinnützigen Trans-
portgesellschaft" ging.)
„Sollte es mir möglich sein, so weiß ich den Weg zu Euch. Im
übrigen unterlassen wir alles persönliche und brief-
liche Verkehren. Unnötig darf man sein Leben nicht der Gefahr
aussetzen und die Sache ist todesernst... Ich bitte Euch sehr, sagt
keinem Menschen von diesem Brief! Schweigen, schweigen! Es ist not-
wendig."
Die Mitwisser dieser „Euthanasie" fühlten sich eben durch ihre
Kenntnis genau so in Lebensgefahr wie jene, die in den Konzen-
trationslagern das Krematorium zu bedienen hatten, die wohl eines
Tages den Entlassungsschein bekamen, aber nur, um dann auf den
Schießplatz geführt und mutidtot gemacht zu werden.
Der Gipfelpunkt der Heuchelei!
Als Gegenstück zu all diesen Zehntausenden von Morden an
Schwachsinnigen eine Zeitungsnotiz, wie sie Ende September 1940
im ganzen deutschen Blätterwald zu sehen war.
, „Zahl der Opfer des Verbrechens von Bethel weiter erhöht."
Die Zahl der Todesopfer, die das ruchlose Verbrechen der Royal-
Air-Force an den weltbekannten Bodelschwing'schen Heilanstalten in
Bethel bei Bielefeld gefordert hat, hat sich auf 12 erhöht, da mehrere
Schwerverletzte ihren furchtbaren Wunden erlegen sind. 11 hilflose,
kranke Kinder und eine Krankenschwester, die ihr Leben der Pflege
dieser unglücklichen Geschöpfe gewidmet hatte, sind dem von Churchill
und der Londoner Mörderclique befohlenen Überfall zum Opfer gefallen.
Das Blut dieser unschuldigen Opfer wird tausendfach gerächt werden."
(Voigtländischer Anzeiger und Tageblatt vom 28. September 1940.)
Gewiß, jeder Deutsche, jeder Christ, jeder Menschenfreund be-
dauert alle diese 12 Opfer eines Luftangriffes. Aber ist jedes Be-
dauern und jede Entrüstung über den Tod dieser Pfleglinge nicht
eine Komödie und ein Hohn bei Menschen, die vorsätzlich,
kaltblütig und unnötig, nur aus rein wirtschaft-
lichen Gründen' Zehntausende, vielleicht Hun-
derttausende solcher „unwerter Menschen" ge-
tötethaben?
Schreit das Opfer dieser unschuldigen Opfer des National-
sozialismus nicht hunderttausendfältig zum Himmel um Rache?
-. 315
4. Antichrists Wüten gegen das Judentum.
„Wo hätten wir jemals in irgendeiner amtlichen Verlautbarung,
in unserer Betätigung die Offenbarung der Bibel, des Alten und
des Neuen Testamentes abgelehnt? Wir warnen nur davor, daß man
gerade die Geschichte • des alt jüdischen Volkes mit einer größeren Aus-
führlichkeit unserer Jugend näherbringt als die Geschichte, die Sagen-
und Märchenwelt unseres eigenen Volkes."
„Wir haben wiederholt den Beweis dafür geliefert, daß die Rasse
von uns nicht höher gestellt wird als die Religion; aber daß die
Rasse etwas Gottgewolltes ist, wird von uns mit aller Deutlichkeit be-
tont. (,Sehr richtig!' bei den NS; Zuruf von Bayer. Volkspartei: ,Alle
Rassen?') Jawohl! Es muß wohl auch Juden geben, nicht wahr?
Gott wird wissen, warum er auch Juden hat werden lassen."
So wur(^e im Bayerischen Landtag am 29. April 1931 vom
Sprecher der nationalsozialistischen Arbeiterpartei nachdrücklich
verkündet und versichert.
Zwei Jahre später aber, nach der Machtübernahme, gab es für
diese Deutschen nur noch eine gottgewollte, ja geradezu
vergötterte Rasse, die arische, noch näher die nor-
dische, noch besser die germanische Rasse.
Die jüdische Rasse dagegen? Von allen Dächern pfiiff man's, in
allen Sälen brüllte man's, in allen Zeitungen schrieb man's, an alle
Mauern schmierte man's, in den Schulen lehrte man's, auf allen
Kursen verkündete man's als aller Weisheit Gipfelpunkt und als
aller Politik Ausgangspunkt:
„D'er Jude ist der Ausbund aller Schlechtigkeit!"
„Der Jude ist der Auswurf der Menschheit!"
„DerJudeistanallemschuld!"
Die billige, geläufige Erklärung für alles Übel im deutschen
Land und auf der ganzen Welt!
Kein Wunder, daß Judenhaß überall aufloderte und sich in
Wort und Tat Luft machte, z. B. in dem blutrünstigen Lied, das gar
oft auf den Straßen zu hören war, selbst von Gebildeten (bei einem
Geländeübungskurs des SA-Hochschulamtes von Hochschulstudenten
in Memmingen Ende Mai 1934):
1. Wetzt die langen . Messer
Auf dem Bürgersteig!
Laßt die Messer flutschen
In den Judenleib!
:/: Blut muß fließen knüppelhageldick,
Wir scheißen auf die Freiheit der Judenrepublik.
Kommt einst die Stunde der Vergeltung,
Sind wir zu jedem Massenmord bereit, :/:
2. Hoch die Hohenzollern
Am Laternenpfahl!
Laßt die Hunde baumeln,
Bis sie runterfalln!
:/: Blut muß usw :/:
316 ^^-
S. In der Synagoge
Hängt ein schwarzes Schwein.
In die Parlamente
Schmeißt 'ne Handgranate rein!
:/: Blut muß usw.... :/:
4. Reißt die Konkubine
Aus dem Fürstenbett,
Schmiert die Guillotine
Mit dem Judenfett! '
Ui Blut muß fließen.., j/:
Der wilde Trompeter des Antisemitensturmes
Julius Streichers: „Der Stürmer" verkündete in jeder Nummer
und auf jeder Seite, mit Wort und Bild (und welchen!) der Juden
Schlechtigkeit und Schuld. Und an alleti Straßenecken und Tram-
bahnhalteplätzen, in Betrieben und Gastlokalen durfte er seine anti-
semitische Hetze treiben. Ein junger Lehrer Münchens (K.) ließ
im Januar 1937 eine Nummer des „Stürmers" mit besonders
schweren Angriffen auf die Kirche tagelang sogar im Schulzimmer
der achten Volksschulklasse ausstellen.
Es bedurfte sogar da und dort energischer Proteste seitens der
Geistlichen, daß die Anschlagtafel dieses Schandblattes nicht dicht
neben die Anzeigetafel der Gottesdienste, an Friedhofmauem oder
gerade gegenüber dem Kircheneingang angebracht wurde (siehe
Kapitel 7). Für den „Stürmer" war nebst dem Juden selbst auch
jeder deutsche Staatsbürger vogelfrei, wenn er nicht Judenhasser
war oder gar einem Juden irgendetwas Gutes tat. Und ein deut-
sches Gericht gestand ihm dieses „Recht" ausdrücklich zu. So
verkündeten es Riesenplakate von Julius Streicher mit nach-
folgendem Gerichtsentscheid:
Entscheidung des Amtsgerichtes Berlin
Abt. 802 BS. 728/37.
In der Privatklagesache des Rechtsanwaltes Dr. Karl Kikath, Berlin W 50
gegen den Stürmer, Nürnberg,
wird die Privatklage auf Kosten des Privatklägers zurückgewiesen.
Gründe :
Der Stürmer hat die Aufgabe, das Verständnis für den Rassegedan-
ken im Volke zu wecken und zu vertiefen, sowie die Bewegung im not-
wendigen Kampf gegen das internationale Judentum zu unterstützen.
Dieser Aufgabe wird der Stürmer auch dadurch gerecht, daß er in
dem Verhalten einzelner Volksgenossen dem Juden-
tum gegenüber Kritik übt. Dies geschieht dabei nicht, um den
einzelnen zu verunglimpfen, sondern um der Gesamtheit der Deutschen
vor Augen zu halten, wie jeder einzelne sich dem Judentum gegenüber
zu verhalten hat. Der einzelne hat kein Recht, sich gegen
die Kritik seines Verhaltens, soweit sie objektiv
berechtigt ist, zu wehren, da er sonst die notwendige
Aufgabe des Stürmers zum Nachteil der Gesamtheit über Gebühr
stören, wenn nicht sogar gefährden würde. Wenn der Privatkläger trotz '
dieser Erwägungen wegen des Artikels in der Nummer 5 des Jahrganges
317
1937 des Stürmers die Bestrafung des Beschuldigten begehrte, statt seine
eigenen Interessen der großen Aufgabe der Aufklärung des Volkes in
der Judenfi'age unterzuordnen, muß er sich gefallen lassen,
wenn sein Verhalten im Rahmen der Aufgabe des Stürmers einer er-
neuten scharfen Kritik unterzogen würde.
Berlin, den 18, Oktober 1937
Amtsgericht Berlin, Abt. 802
. gez. .Piening, Amtsgerichtsrat,
L.S.
Lest alle den Stürmer Nr. 48
In Versammlungen, auf Kursen, im NS-Schrif ttum wurde immer
lauter und allgemeiner und frivoler die Forderung erhoben, einen
scharfen Strich zu ziehen zwischen Judentum
und Christentum und. aus der christlichen Reli-
gion. Verkündigung und Übung alles „Jüdisch-
Orientalische" zu entfernen, wie dies bereits 1899 ge-
fordert wurde. Auf dem Antisemitentag zu Hamburg, später dann
in dem von den' Nationalsozialisten viel gepriesenen Buch von
Chamberlain: „Die Grundlage des 19. Jahrhunderts", und wieder
ein paar Jahrzehnte später in den Büchern: „Die Sünde wider das
Blut", „Die große Täuschung", „Der falsche Gott".
Die Verachtung des Judentums übertrug sich dann alsbald auf
das Alte Testament.
Wie ein Schwein im schönsten Garten schließlich nur auf den
Komposthaufen losgeht und dort mit Wohlbehagen umeinander-
wühlt, so hatten viele nationalsozialistische Redner auf Versamm-
lungen und Kursen ihr größtes Vergnügen, einiges aufzutischen von
den „Zutreibergeschichten und Viehhändlertricks der jüdischen
Patriarchen" und den „Wuchergeschäften des ägyptischen Josef",
wie der „Führer" selbst sich einmal so geschmacklos geäußert hatte.
Von all den Lichtgestalten des Alten Testaments, von der
Schönheit der Prophetenbücher, der Psalmen, der Weisheitsbücher,
des Buches Job usw. sagten sie nichts, wußten sie wohl auch selber
nichts.
Lehrer scheuten sich nicht, ihre antisemitische und anti-
biblische Einstellung auch den Kindern vorzutragen, weigerten sich,
das Alte Testament überhaupt durchzunehmen, obwohl sie nach der
Schulausweisung der Geistlichen offiziell den Religionsunterricht zu
erteilen hatten und erteilten. Und wie schon im Kapitel von der
Schule erwähnt wurde, mutete das badische Unterrichtsministerium
den kirchlichen Behörden am 13, November 1937 sogar zu, das Alte
Testament in den Schulen überhaupt nicht mehr zu behandeln.
„Unerhörte Provokation."
„Der biblische Moses als heidnisches Vorbild"
Unter dieser Überschrift brachte die „Fränkische Tageszeitung"
Nr, 87 vom 14. April in gi'oßer Aufmachung auf der ersten Seite
in Groß- und Fettdruck folgenden Artikel:
318
Der Streit um das Alte Testament ist seit der Machtergreifung des
Nationalsozialismus in schärfster Heftigkeit entbrannt. Über den Inhalt
wollen wir nicht streiten, darüber ist sich jeder Deutsche im klaren.
Um so eigenartiger wirkt es auf uns, wenn ein ka'tholischer Verlag ein
Buch unter dem Titel „Das Alte Testament und seine Bedeutung für die
Gegenwart" herausbringt, in dem in der Einleitung unter anderem fol-
gendes steht: „Von echtem nationalen Geist erfüllt, ist dies geeignet,
auch den Menschen unserer Tage vaterländisches Denken und Fühlen
zu wecken und zu stärken.
Es führt uns in Moses, in Josua und in den Propheten Führer-
gestalten vor Augen, die sich -um die sittlich-kulturelle Erneuerung des
Staats- und Gemeindewesens unsterbliche Verdienste erworben haben.
Es fordert zu selbstlosem Dienst am Volke, zu bereitwilliger Hin-
gabe an die Volksgemeinschaft, zu entschlossener Brüderlichkeit auf.
Eine stattliche Galerie heroischer Männer und Frauen steht vor unseren
Augen. Echtes Heldentum hat ihnen den Ehrenkranz um die Stirn ge-
wunden ...
Und wie innig fühlt sich das Gottesvolk mit dem heimatlichen
Boden verbunden! So tritt uns im Alten Testament eine einzigartige
Welt von religiösen und sittlichen Lebenswerten entgegen. Die wenigen
Beispiele von »Unsittlichen', die in der Bibel nie als vorbildlich hin-
gestellt werden, fallen dagegen nicht ins Gewicht."
Dem Verlag ist scheinbar nicht bekannt, daß das Alte Testament
nichts anderes als
die außerordentlich bezeichnende Sittengeschichte des jüdischen
Volkes ist, die von Perversitäten geradezu strotzt.
Oft genug haben wir in früheren Zeiten die verderbliche Wirkung
auf Jugendliche feststellen können. Wir wollen, daß unsere Jugend in
Zukunft vor diesem „Heiligen Buch" des jüdischen Volkes bewahrt
bleibt und verbitten uns solche Redensarten, wie sie in der Einleitung .
zu finden sind!
„Nur 2 Fragen"
Kreisleiter Dr. Fritsch gab am 2^. August 1938 etwa 1000. poli-
tischen Leitern des Kreises Freiburg im Breisgau folgende richtung-
gebende Weisung:
„Auf die Frage, ob ein Katholik Nationalsozialist sein könne,
würde ich meinerseits zwei Fragen stellen:
1. Wie der Katholik sich zum Alten Testament stellt, das jü-
disches Geistesprodukt ist, und zwar das einzige.
2. Ob er sich zur Rassenlehre bekennt; dann ist der Satz:
,Gehet hin und lehret alle Völker' erledigt!
Das hat auch der ,alte Herr in Rom' erkannt.
Wir können nicht mit Zulukaffern und ähnlichem Gesindel die
gleiche Weltanschauung haben." (Siehe Kap. A 3.)
Auf Kursen und Tagungen wurde nachfolgendes „Tischgebet"
vorgesprochen und bald höhnisch nachgesprochen:
O Herr, gib uns den Moses wieder,
auf daß er seine Glaubensbrüder
hinführe ins gelobte Land.
319
• " Laß nböh" einmal' Häs Meer 'sich' 't«iI«Ä
und laß die hohen Wassersäulen
feststehn wie eine Felsenwand»
Und wenn ih ^eser Meeresrinne
das ganze Judenvolk istdrinne,
dann mach, o Herr, die Klappe zu
und alle Völker haben Ruh'.
. Bis ins kleinste und -entlegenste Bauerndorf sollten die anti-
semitischen Schriften getragen werden, ^ wie nachfolgendes Rund-
schreiben zeigt:
N.S.D.A.P. Nürnberg, den 3. April 1939
Gauleitung Franken.
■ An
1) , Die Kreisbeauftragten des RPA (= Rassepolitischen Amtes, der Verf.)
2) Die Kreishauptstellenleiter der Presse des RPA.
Rundschreiben Nr. 12/13. Dr. W/BK. —Wo.
Betreff: Schriftenvertrieb.
Zu den Aufgaben der Kreishauptstellenleiter „Press«" des Rassen-
politischen Amtes gehört auch der Vertrieb der Schriften des RPA,
welche nur auf diesem Wege vertrieben werden sollen, d. h. also nicht
durch den Buchhandel. Diese Schriften sollen in keinem
deutschen Haushalt fehlen. Sie bilden ein wichtiges Instru-
ment zur weltanschaulichen Aufklärung des deutschen Volkes und sollen
dazu helfen, das deutsche Volk von der artwidrigen christlichen Weit-
anschauung abzubringen. Nach dieser Richtung hin kann gar nicht
genug getan werden, da mit der Thronbesteigung des neuen Papstes
dieser letzte weltanschauliche Kampf demnächst beginnen wird. Es
wird der größte Kampf aller Zeiten sein und von seinem Ausgang wird
das Schicksal des deutschen Volkes abhängen.
■ Durch Hineintragen unserer Schriften in jeden fränkischen Haushalt
können wir sehr wesentlich, und zwar in positiv aufbauendem Sinn zu
diesem Kampf beitragen, indem wir die Seele des deutschen Volkes all-
mählich mit unserer artgemäßen Weltanschauung erfüllen. Ich bitte
daher die Kreisbeauftragten selbst, vor allem aber die Hauptstellenleiter
„Presse", die größtmöglichste Mühe auf den Vertrieb dieser Schriften
zu verwenden. Der Vertrieb könnte vielleicht in folgender Weise erfolgen:
1. Die Abschnittwarte des RDK organisieren den Vertrieb in jeder
Ortsgruppe. Sie sorgen dafür:
a) daß zunächst jedes Mitglied des RDK die Schriften abnimmt,
b) daß durch die Mitglieder des RDK die Schriften von Haus zu
Haus angeboten werden.
Es muß darauf hingewiesen werden, daß jeder, der in unserer großen
Zeit weltanschaulich mitkommen will, diese Schriften lesen muß. Selbst-
verständlich darf unter keinen Umständen betont werden, daß diese
Schriften eine Handhabe im Kampf gegen die Kirche
bedeuten.
2. Der Abschnittwart des RDK kann für seine Ortsgruppe auch
einen geeigneten Mann einsetzen, der das Amt de's Schrif twarts über-
nimmt und den ganzen Betrieb für den Bereich der Ortsgruppe allein
besorgt. Geeignet hierzu ist besonders ein Mann oder eine Frau, die
schon im Kolportagebuchhandel beschäftigt waren und sonst durch
320
ihren Beruf gewohnt sind, von Haus zu Haus zu gehen.. Die kleinen
Gewinne, die aus dem Schriftenvertrieb erwachsen, sollen ausschließlich
den Verkäufern selbst zufallen. Es ist jedoch unbedingt darauf zu achten,
daß nur gegen Barzahlung verkauft wird und keinerlei Konten geführt
werden. Ich bitte die Kreisbeauftragten und die Kreishauptstellenleiter
„Presse", den Schriftenvertrieb auf dieser Basis nunmehr mit aller Kraft
in Angrifif zu nehmen. Es können auch andere Wege eingeschlagen wer-
den als die vorgeschlagenen. Die Hauptsache ist, daß der Absatz der
Schriften tatsächlich in größtem Umfang erfolgt. Der Schriftenvertrieb
bleibt nicht auf den Vertrieb der bereits erschienenen Schriften be-
schränkt, sondern wird eine dauernde Einrichtung werden. Durch den
richtigen Aufbau des Schriftenvertriebs schafft sich das RPA und der
RDK eine regelmäßige Verbindung zu allen Volksgenossen, die auch für
andere politische Aufgaben benützt werden kann. Von diesem Gesichts-
punkte aus gesehen, gewinnt die Organisation des Schriftenvertriebes
eine noch viel größere Bedeutung. Darüber wird später Näheres mit-
geteilt werden.
Mit gleicher Post erhalten Sie zunächst je 10 Schriften mit genauer
Angabe des Verkaufspreises und der Gewinnspanne. Ich mache Sie ver-
antwortlich, daß die Schriften unter allen Umständen zu dem fest-
gestezten Preis, also weder teuerer noch billiger verkauft werden. Es
darf nicht vorkommen, daß ein Verkäufer eine Schrift, etwa imter Ver-
zicht auf seinen Gewinn, billiger hergibt, und erst recht nicht, daß er
sie teuerer verkauft. Verschiedene Preise würden das Vertrauen in
unseren Schriftenvertrieb sofort erschüttern und könnten auch peinliche
Folgen für den Verkäufer haben.
Nachbestellungen sind an das RPA, Hauptstelle Presse, Nürnberg,
Marienstraße 12, zu richten.
Heil Hitler!
gez. Dr. Will, Gauamtsleiter.
DerJude — einSatansbraten!
Dr. Eugen Rüge, der berüchtigte Verfasser des Buches: „Ein
Trappist bricht das Schweigen", eines Buches, das dank der un-
geheuren nationalsozialistischen Propaganda von Weihnachten 1938
bis Mai 1939 in 60 000 Exemplaren unter das Volk ging, glaubte für
den größten Hörsaal der Universität München am 2. Mai 1939 ein
besonders würdiges Wort zu sprechen, wenn er unter anderem
sagte: „Einen Juden kann man taufen mit Weih-
wasser oder mit Wagenschmiere — der Jude bleibt
ein Satansbraten."
DerJude — ein Mensch ohne Seele !
Gauredner S t i p p b e r g e r, gleich Rüge auch ein abgefallener
Priester, tat auch fest mit bei der Judenhetze und verkündete als
besondere „Entdeckung": „Der Herr hat Menschen ohne Seelen
erschaffen, die J u d e n." Die haben dort, wo wir eine Seele haben,
eine Rollkassette (Geldkassette). Wir konnten vor 1933 noch
deutsche Mädchen mit Juden per Arm im Englischen Garten sehen.
Da hat man es niemals für nötig gehalten, einen Hirtenbrief
loszulassen.
Kreuz und Hakenkreuz 21 g21
Früher hat man gesagt: „Wir sind auf Erden, um Gott zu er-
kennen . . ." Wir sagen: „Wir sind auf Erden,
um die Art zu wahren."
Und von diesem Stippberger sagte Oberlehrer R. von der F.-
Schule in München: „Rosenberg und Stippberger sind
diegeistigenFührerdernationalenBildung!" Wie
bescheiden waren doch die Ansprüche, welche Nationalsozialisten
an ihre geistigen Führer stellten!
Gemeinschaftsarbeit vieler Personen und Ämter
zur Hetzeausstellung: „Der Ewige Jude".
Wochenlang vorher pries stellvertretender Gauleiter Otto Nip-
pold die für 8. November 1937 im Bibliotheksbau des Deutschen
Museums zu eröffnende Großaussteliung und führte dabei nach
dem Bericht der „Münchener Zeitung" vom 19. Oktober 1937 aus:
Nach den „Prophezeiungen" in der Auslandspresse sollten die
Juden in Deutschland geköpft, gehängt oder ausgewiesen werden;
in einigen Jahren sollte es überhaupt keine Juden mehr in Deutsch-
land geben. In Wirklichkeit sind, so sagte Nippold, die Juden aus
dem Leben des deutschen Volkes, zum mindesten aus dem poli-
tischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben, ausgeschaltet. Sie
können jedoch in einem eigenen jüdischen Kulturkreis
tun und lassen, was sie wollen, vorausgesetzt, daß es nicht das.
Leben der deutschen Nation berührt. Auf diese Weise hat das
nationalsozialistische Deutschland die Judenfrage gelöst.
Von Disraeli, dem bekannten englischen Staatsmann jüdischen
Blutes und Glaubens, stammt der Ausspruch, daß die Judenfrage
der Schlüssel zur Weltgeschichte sei. So will denn auch der Staat,
der an die Lösung der Judenfrage herangegangen ist, Deutsch-
land, die Maßnahmen, die er zum Schutz des deutschen Blutes
und des deutschen Volkes gegen jüdischen Einfluß getroffen hat,
dem Volk gegenüber begründen. Die Geschichte vom anständigen
und unanständigen Juden, die noch in diesem oder jenem Kopf
spuke, wird durch die Ausstellung „Der Ewige Jude" widerlegt
werden.
Was ist ein Jude? Auf diese Frage soll die erste Ab-
teilung der Ausstellung Antwort geben. Damit wird kein reli-
giöses Problem berührt. Alte Reliefs und Bilder sollen das Gesicht
der jüdischen Rasse zeigen; wie es sich aus assyrisch-babylonisch-
chaldäischem Blut geformt hat. Untrennbar verbunden mit dem
Gesicht der jüdischen Rasse ist die jüdische Religion. Tal-
mud und jüdische Religionsbücher selbst sollen Aufschluß geben
über jüdischen Blutritus, Beschneidung, Schächtung und Ritual-
mord. Es wird wohl zum erstenmal auf einer Ausstellung ein
Original des Talmud gezeigt werden und ein Film, der
die grausame Schächtung darstellt (aufgenommen in einem Land,
in dem die Schächtung noch nicht verboten ist).
322
Das römische' und griechische Altertum hat ebenso wie das
christliche Mittelalter und die Neuzeit einen Kampf gegen das Juden-
tum geführt. Im päpstlichen Rom waren die Juden ebenso aus
der Gemeinschaft des Lebens der Christen ausgeschaltet wie in den
deutschen Städten, bis die Juden um die Wende des 19. Jahr-
hunderts in Deutschland und in den meisten anderen Ländern
Europas gleichberechtigte Staatsbürger wurden. Die Ausstellung
„Der Ewige Jude" wird an geschichtlichen Zeugnissen
das Wirken der Juden in England, Frankreich, Ungarn, Polen,
Österreich und Amerika nachweisen.
Es soll, wie der stellvertretende Gauleiter hervorhob, ein Merk-
mal dieser Ausstellung werden, Juden selbst über Juden reden
zu lassen. Die Juden haben von der internationalen
Macht des Judentums gesprochen. Auch darüber wird die Aus-
stellung Beispiele liefern, etwa von der Familie Rothschild, die in
England, in Amerika, in Deutschland ihre Angehörigen hat.
Judenherrschaft in Deutschland bis zur Macht-
ergreifung des Nationalsozialismus bildet einen wesentlichen Teil
der Ausstellung. Diese Abteilung soll den jüdischen Einfluß in der
deutschen Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur zeigen (Theater,
Revue, Plastik, Malerei, Film und Schallplatten). Der Einfluß des
Juden in der deutschen Rechtspflege wird ebenfalls dargelegt.
Auch die „großen" jüdischen Verbrecher werden gezeigt. Die Aus-
stellung wird dem deutschen Volk auch die jüdische Haltung im
Weltkrieg und in der Novemberrevolution vor Augen führen.
In der Ausstellung „Der Ewige Jude" wird
ein Original-Freimaurer-Tempel
aufgebaut werden, so daß jedermann Gelegenheit hat, den Auf-
enthaltsort einer Freimaurerloge kennenzulernen.
Judentum und Bolschewismus bilden den Abschluß
der Ausstellung. Originaldokumente und Bilder werden lebendiges
Anschauungsmaterial über das Land liefern, in dem das Judentum
zur Herrschaft gelangt ist, das bolschewikische Rußland.
Als befreiende Gegenüberstellung zu diesem Wirken des Juden-
tums wird dem Besucher gezeigt, wie man im nationalsozialistischen
Deutschland das Judenproblem zu, lösen vermochte: Der Jude ist
durch die Nürnberger Gesetze und die Maßnahmen der Partei in
sein kulturelles Ghetto zurückgedrängt, das deutsche Volk
aber auf allen Lebensgebieten von seinen Einflüssen frei geworden.
*
Führende Stellen der Partei und des Staates haben an der
Gestaltung dieser Ausstellung, deren Leiter Gauamtsleiter Wüster
ist, mitgearbeitet. Reichsminister Dr. Goebbels selbst hat mit seinem
Ministerium die Ausstellung gefördert, Reichsleiter Amann hat die
Mitwirkung des Zentralverlags der NSDAP veranlaßt, der Beauf-
tragte für weltanschauliche Schulung in der NSDAP, Reichsleiter
Alfred Rosenberg, hat die Gestaltung der Ausstellung ebenfalls
323
unterstützt. Im Einvernehmen mit dem Reichsschatzmeister
sind an der Durchführung der Ausstellung beteiligt das Zentral-
archiv der NSDAP unter Dr. Uetrecht, das Archiv für
Zeitgeschichte (Sammlung Rehse), das von Julius Streicher
gegründete Stürmer-Archiv in Nürnberg. Wissenschaft-
liche Einrichtungen haben der Ausstellung ihre Unter-
stützung geliehen, so das Institut zum Studium der Ju-
denfrage (Berlin), die Forschungsabteilung Juden-
frage (Berlin); das Reichsinstitut für Geschichte
des neuen Deutschlands, die Antikomintern, das
Institut zum Studium für Judenfrage undBol-
schewismus in Berlin und zahlreiche staatliche und
städtischeArchive. •
Gleichzeitig mit und erst recht nach solch allseitiger, viel-
gestaltiger demagogischer Stimmungsmache konnte man ruhig' •zu
antisemitischen Maßnahmen schreiten.
Politische Entrechtung der Juden.
Punkt 4 des Parteiprogrammes bestimmte:
„Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist.
Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist, ohne Rück-
sichtnahme auf Konfession. Kein Jude kann daher Volks-
genosse sein."
Punkt 5: „Wer nicht Staatsbürger ist, soll nur als Gast in
Deutschland leben können und muß unter Fremdengesetz-
gebung stehen."
Punjst 6: „Das Recht, über Führung und Gesetze des Staates
zu bestimmen, darf nur dem Staatsbürger zustehen. Daher fordern
wir, daß jedes öffentliche Amt, gleichgültig welcher Art, gleich ob
in Reich, Land oder Gemeinde, nur durch Staatsbürger bekleidet
werden darf."
Zum Schutz des arischen Blutes wurden strenge Bestimmungen
gegen Rassenschande und Verehelichung mit Nichtariern erlassen.
Nachfolgende „Tabelle zum Blutschutzgesetz" ver-
anschaulicht die Einläßlichkeit der Vorschriften:
Deutsch
V* .
V2
'1*
Jude
Deutsch
+
+
ü
-1
-1
V*
—
—
ü
-1
-!
V2
Ü
g
+
+
+
V4
-1
-!
+
+
+
Jude
r'
«1
+
+
+
+ erlaubt, — verboten, jedoch nicht strafbar,
— I strafbar, g genehmigungspflichtig.
324
Um alle Nichtarier oder Halbarier zu entdecken, wurde zu-
nächst der Stammbaumnachweis gefordert, insbesonders
für jede Heirat.
Die Nichtarier wurden dann ihrer Ämter und Stellungen ent-
hoben und aus den Berufsorganisationen ausgestoßen. Ihre Geschäfte
wurden geschlossen und schließlich weggenommen. Anfangs deckte
man dies noch mit „spontanen Kundgebungen des
Volksunwillen s", wofür aber in Wirklichkeit schön seit Tagen
bestimmte Leute aus einzelnen Betrieben, zunächst aus Banken,
bestimmt waren. Sie wurden auf Autos verladen und vor das in
Aussicht genommene Geschäft geführt. Dort mußten sie dann
„kochende Volkswut" spielen, die Fenster einwerfen usw. Die Juden
mußten dann natürlich vor dieser Gefahr in „Schutzhaft" genommen
werden. Ihre Geschäfte trugen am nächsten Tag die Aufschrift:
„Judengeschäft! Geschlossen!" oder ähnliches.
Die Nichtarier mußten auch ein bestimmtes Kennzeichen, den
Judenstern, tragen und sich alttestamentliche Namen beilegen.
Sie durften nur in bestimmten Geschäften einkaufen, bekamen
kleinere Lebensmittelrationen, mußten manchen Tag ganz in ihren
Häusern bleiben und wurden vielfach überhaupt aus den Wohnungen
gewiesen.
Am 9. November 1938 wurden unter der obersten Leitung von
Dr. Goebbels an unzähligen jüdischen Geschäften ganz Deutsch-
lands die Schaufenster zertrümmert, Wohnungen zerstört, Synagogen
angezündet, viele Juden verhaftet, aus Deutschland ausgewiesen
oder in Konzentrationslager verbracht, insbesonders nach Theresien-
stadt (Sudetengau), Auschwitz und Litzmannstadt. Fürchterliche
Mißhandlungen, Hunger, Kälte, unhygienische Unterkunft, Über-
füllung, Überanstrengungen brachten Hunderttausende zum Tod.
Und nur Gott weiß, wieviele Nichtarier in den Kz. mit voUei: Ab-
sicht getötet wurden. Was die Prozesse in Nürnberg, Dachau usw.
enthüllt haben, ist so schauderhaft, daß man es nur noch als un-
menschlich, tierisch, teuflisch bezeichnen kann.
Ablehnung ärztlicher Hilfe für Juden
Die „Traunsteiner Zeitung" Nr. 275 veröffentlichte am 25. No-
vember 1938 folgendes:
„Der Jude Rosenberg hat eine Zuschrift an die ,New York Daily' in
Amerika gerichtet, in der er vorschlägt, 10 oder 12 lebenslänglich ver-
urteilte berufsmäßige Mörder freizulassen unter der Bedingung, daß sie
Hitler und seine Gesellschaft erledigen.
Diese unerhörte Provokation, die sich gegen das jedem Deut-
schen heilige Leben unseres Führers richtet, hat den
Leiter der ärztlichen Bezirksvereinigung Traunstein und Umgebung ver-
anlaßt, an den bayerischen Landesärzteführer folgendes dringende
Telegramm zu richten:
,Als verantwortlicher Ärzteführer im Bereich Traunstein und Um-
gebung der Reichsärztekammer, der die engere Wahlheimat des Füh-
rers umschließt, bringe ich im Einverständnis mit meinen Beiräten dem
325
Landesäi-^teführer die Bitte vor, als Antwort auf die ungeheuere Provo-
kation arnorilcanischer Juden zu gestatten, daß wir mit sofortiger Wirk-
saiTQkoit jegliche ärztliche Behandlung von Juden, auch
wenn es sich um Nothilfe handelt, ablehnen.' In den Warte-
zimmern sämtlicher Ärzte wird von morgen ab ein Schild angebracht
mit dem Text: ,Ich behandle keine Juden'."
In derselben Nummer der „Traunsteiner Zeitung" stand nach-
folgender Artikel:
„He.lft dem Tier!
München, Wie im Vorjahr war auch heuer wieder der 24. Novem-
ber zum .Deutschen Tierschutztag' bestimmt worden zur Er-
innerung an den Tag, an dem vor fünf Jahren das Reichstierschutzfest,
jenegroßekulturelle T a t desnationalsozialistischen
'Deutschland, der Öffentlichkeit übergeben worden ist.
Aus Anlaß des Tierschutztages unternimmt der Tierschutz der
Hauptstadt der Bewegung und Umgebung einen großen Werbefeld-
zug für den Tierschutzgedanken. An die Bezirksämter, Ge-
meinden, Polizeiwachen, Schulen usw. wurde in diesen Tagen bereits
ein reiches Aufklärungsmaterial, bestehend aus Schriften, Plakaten und
Faltblättern, verteilt. Schule und Rundfunk werden des Tierschutztages
besonders gedenken und vor allem, darauf hinweisen, daß der Tierschutz
wertvolle Vermögensobjekte der Gesamtheit pflegt
und erhält und dadurch in hohem Maße beiträgt, die Volkswirtschaft zu
sichern."
Eines HJ schönster Appell!
Der Haß gegen die Juden der Vergangenheit (einschließlich
ihrer heiligen Bücher) und der Gegenwart wurde auch schon in die
Jugend hineingetragen. Ja, die HJ nahm ihre Mitglieder direkt
zui Judenhetze in Dienst. Bezeichnend ist hiefür nachfolgender
Bericht der Mutter eines Hitlerjungen, der in den Bann 37 in
München eingereiht war:
„In der Nacht vom 11. auf 12. Mai mußte ich wegen Unpäßlich-
keit aufstehen. Es war V2I2 Uhr, Als ich in die Küche kam, war
mein 15j ähriger Bub gerade daran, sich anzukleiden. Auf meine
Frag^ was er denn tue, sagte er mir, daß sie um 12 Uhr nachts
Appefl hätten. Die Mutter vermutete einen Traum und wollte ihn
wieder ins Bett schicken. Doch er weigerte sich entschieden und
pochte a:uf seine Pflicht. Kurz darauf verließ er die Wohnung und
wurde auf der Treppe von einem anderen 14jährigen Burschen er-
wartet. Ich hörte, wie mein Bub gefragt wurde, ob er denn eine
•ätzende Farbe bei sich habe. Als der Bub heimgekommen war
(5 Uhr morgens!), fragte ich ihn sofort, was er denn mit einer
ätzenden Farbe zu tun hätte. Nach längerem Zögern gestand er
mir, daß sie die Schaufenster der Juden bekleben und
beschmieren mußten. Es wurden von jedem Trupp, der so
ungefähr 500 Mitglieder zählt, die 40 Besten zu dieser Aktion
herausgesucht. Um 3 Uhr früh wurden wieder Zettel am Königs-
platz frisch gefaßt, doch war man mit der Aktion schon so ziemlich
fertig. Einige Burschen wurden von der Polizei verhaftet, mußten
aber bald wieder freigelassen werden. Anscheinend wurde die
326
Polizei von der Aktion nicht verständigt. Zu meiner großen Über-
raschung sagte mir mein Bub, daß sie strengen Auftrag hatten, den
Eltern vom Appell und der Aktion nichts zu sagen. Mein Junge,
in seinem kindlichen Unverstand, sagte mir noch freudigen Herzens,
daß dies sein schönster Appell gewesen sei."
Weh dem, der sich derJuden erbarmte!
Unbarmherzig ging man gegen Christen, insbesonders auch
gegen Geistliche und Klöster vor, welche in aufrichtigem Erbarmen
dieser und jener Nichtarief sich annahmen, sie verteidigten, ihnen
Unterstützung, Obdach oder gar Versteck gaben. Was dem Tiere
recht war, durfte dem Juden nicht geschehen!
Auch die getauften N ichtarier mit verfolgt!
Da auch „Kübel von Taufwasser das nichtarische Blut nicht
reinigen und wandeln", wie z. B. in der Kegelbahn der SS im Kz.
Dachau dargestellt und angeschrieben war, machte die Judenverfol-
gung auch vor nichtarischen oder halbarischen Christen
nicht halt.
Immer wieder wurde auch der Versuch gemacht, aus den amt-
lichen Pfarrmatrikeln die Judentaufen zu erfahren, jedoch wurde
die Einsichtnahm.e in dieselben auf Weisung des Ordinariates über-
all versagt.
Umgekehrt fälschte man sozusagen den Taufschein
der Gegner, um sie herabzusetzen und zu verspotten.
Auf einem Ausbildungskurs für Landschuljahrleiter in Grimmen
entblödete ein Redner sich nicht, zu sagen: „DerheutigePapst
ist ein Halbjude von der Loge. Sein ,Schreiber' auch;
Heinrich der Heilige und Ludwig der Fromme sind Vernichter der
germanischen Rasse. Diese Schweine!" (Vatik. Weißbuch H 32 vom
Jahre 1934.)
„M uckermannisteinHalbjude. Di eHälfte aller
Theologen sind Jude n."
Ebenfalls erfand man solch ein Märchen, um Kardinal F a u 1 -
h a b e r in die Judenhetze miteinbeziehen zu dürfen, und im Jahre
1938, zwei Tage nach dem Judenpogrom, auch einen Sturm auf das
Erzbischöfliche Palais in München inszenieren zu können.
Noch häßlicher und gemeiner trieb man es mit
Kardinal Hlond von Posen
Der „Sonntags-Bote" Nr. 45 vom 6. November 1938 schrieb darüber:
„Lügt immer nur drauf los..."
„Lügt immer nur drauf los, etwas bleibt schon hängen", dieses ge-
meine Hilfsmittel haben die Feinde der Kirche schon seit Jahrhunderten
angewandt. Im Zeitalter der gleichgeschalteten Presse von heute braucht
es aber dann keine Erfindungsgabe mehr, da genügt das — Abschreiben.
327
Vor 2J^ Jahren brachte die Ludendorffsche Halbmonatsschrift „Am
heiligen Quell deutscher Kraft" (Folge 24 vom 20. März 1936 — siehe
„Sonntags-Boten" vom 11. Oktober 1938) ein Photo S. Eminenz des Kar-
dinalprimas Hlond vom Eucharistischen Kongreß in Laibach 1935, Jedes
Kind, das bloß einmal den Kardinal gesehen hat, kann sofort erkennen,
daß sein Gesicht durch Retusche an Augenhöhlen, Nase, Mundwinkeln
usw. verzerrt und zurechtgemacht worden ist. Und jeder Photoamateur
stellt fest, daß diese plumpe Fälschung von einem ganz hilflosen Photo-
lehrling gemacht worden ist. Das alles übersieht man natürlich, wenn
man Beweise braucht „für das alte und immer neu bewiesene Bündnis
Juda-Rom". Freudestrahlend stellte damals die Ludendorffsche Reli-
gionszentrale fest: „Der Kardinal sieht wie ein lOOprozentiger Jude aus,"
Auf solche „Beweise" stürzt sich nun die Goebbelsche Propaganda-
maschine, da sie einen neuen Peldzug gegen die Kirche aufzieht. In der
Folge 44 der Wochenschrift „Der SA-Mann" vom 28. Oktober 1938 finden
wir dasselbe Bild mit dem nötigen Begleittext wieder. Dazu wird ge-
druckt: „Es handelt sich um den Kardinal August Hlond, der als Jude
ein hohes kirchliches Amt bekleidet," Selbstverständlich genügt das
noch nicht. Dem Kardinal wird auch noch folgende Rede in den Mund
gelegt, die er in Laibach gehalten haben soll:
„Ich stehe vor Ihnen als der Stellvertreter des Papstes, der Euch
seine Grüße durch mich übermitteln läßt. Nachdem der Papst der
Stellvertreter Gottes ist, stehe ich vor Ihnen ebenfalls als der Stell-
vertreter Gottes. Demnach spricht zu Euch Gott selber!"
' Schon im Jahre 1936 haben mehrere reichsdeutsche Kirchenblätter
diese verlogene Entstellung der Rede des Kardinallegaten richtigge-
stellt. Der Kardinal sagte nämlich wörtlich: „Papst Pius XI, ist in die-
sem Augenblick mit Euch und in der Person seines Kardinallegaten
unter Euch," Trotzdem druckt „Der SA-Mann" diesen Lügenbericht im
Jahre 1938 von neuem. Allerdings schämt er sich für Bild und Text die
■Quelle anzugeben, weil er weiß, daß niemand in Deutschland die
„Mathilde" ernst nimmt.
Na ja, wenn man solche „Quellen" und solche „Beweise" für den
Kampf gegen, die Kirche braucht ...
Das Pikanteste daran ist aber die Tatsache, daß derselbe Kardinal
Hlond von derselben nationalsozialistischen Presse als Vorkämpfer gegen
das Judentum hingestellt wird. Ganz wie man das braucht, — Wir raten
dem „SA-Mann", einmal den „Stürmer" Nr. 20 vom Mai 1936 durch-
zulesen. Das ist doch wohl das „Fachblatt" für den Judenkampf in
Deutschland. (Siehe dazu den „Sonntags-Boten" vom 28. Juni 1936).
Es wird schon allerhand Naivität von den Lesern des „SA-Mannes"
vorausgesetzt . . ."
Abschließend eine Übersicht, welche Der Schulungs-
brief „Volk und Rass e", 4. Folge 1939, herausgegeben vom
Reichsorganisationsleiter der NSDAP, brachte, über die Aus-
schaltung der Juden aus dem deutschen Leben.
7. April 1933: Die Gesetze zur Wiederherstellung des Berufsbeamten-
tums und über die Zulassung zur Rechtswissenschaft beginnen mit der
Bereinigung aller öffentlichen Ämter von Fremdrassigen.
22. September 1933: Das Reichskulturkammergesetz setzt diese Be-
reinigung fort.
28. September 1933: Durch ein Gesetz werden die jüdischen Patent-
anwälte ausgeschaltet.
29. September 1933: Das Reichserbhof gesetz schaltet die Juden als
Bauern aus.
328
12. März 1934: Der Reichswehrminister ordnet an, daß der Arier-
grundsatz auch für die Angehörigen der Wehrmacht Anwendung findet.
21. Mai 1935: Wehrgesetz und seine Ergänzung vom 26. Mai 1936,
wonach jüdische Mischlinge nicht Vorgesetzte in der Wehrmacht
werden können und Voll Juden erst gar nicht zum Wehrmachtsdienst zu-
gelassen werden. .
22. Februar 1936: Der Reichsärzteführer bestimmt, daß kein Jude
oder Judenmischling als Arzt eingestellt werden darf.
26. Januar 1937: Das deutsche Beamtengesetz, ein weiterer Beitrag
zur T^ösung der Judenfrage.
19. März 1937: Ein Gesetz zur Änderung des Arbeitsdienstgesetzes
vom 26. Juni 1935 (siehe dazu auch die zweite Durchführungsverordnung
vom 1. 10. 1935) bestimmt, daß Juden zum Reichsarbeitsdienst nicht zu-
gelassen werden und jüdische Mischlinge nicht Vorgesetzte im Reichs-
arbeitsdienst werden dürfen.
1. Januar 1938: Bei den Ersatzkassen für die Krankenversicherung
werden alle jüdischen Ärzte ausgeschlossen. Insgesamt sind das im
Reich etwa 3000 jüdische Ärzte.
20. Februar 1938: Die Hamburger Textilmesse wird zum ersten Male
ohne Juden eröffnet. Es ist überhaupt die erste Textilmesse, auf der
jüdische Aussteller und jüdische Makler nicht vertreten sind. Trotzdem
waren alle Messestände vermietet.
26. April 1938: Verordnung Hermann Görings als Beauftragten für
den Vier jahresplan über die Anmeldepflicht des jüdischen Vermögens.
(Letzte Anordnung dazu am 21. Febr. 1939 im Reichsgesetzblatt I S. 282.)
7. Mai 1938: Im Einvernehmen mit dem Stellvertreter des Führers,
dem Reichs- und preußischen Minister des Innern und dem Auswärtigen
Amt hat der Reichserziehungsminister angeordnet, daß Juden deutscher
Staatsangehörigkeit zur Doktorprüfung nicht mehr zugelassen sind. Auch
die Erneuerung ihrer Doktordiplome hat zu unterbleiben.
14. Juni 1938: Eine „Dritte Verordnung zum Reichsbürgergesetz"
ergänzt die Begriffsbestimmungen „Jude" und „jüdischer Mischling", in-
dem sie bis ins einzelne festgelegt, was ein „jüdischer Gewerbe-
betrieb" ist. \
20. Juni 1938: Ein Erlaß des Reichswirtschaftsministers Funk ver-
fügt, daß Juden nicht mehr zum Börsenbesuch zugelassen werden.
6. Juli 1938: Die Reichsregierung ändert durch Gesetz die Gewerbe-
ordnung dahingehend, daß die Juden von sechs Gewerbearten mit Wir-
kung vom 31. Dezember 1938 ausgeschlossen sind. Und zwar: Be-
wachungsgewerbe, gewerbsmäßige Auskunftserteilung über Vermögens-
verhältnisse oder persönliche Angelegenheiten, Handel mit Grund-
stücken, gewerbsmäßige Vermittlung für Immobiliarvei\träge und Dar-
lehen und Gewerbe der Haus- und Grundstücksverwalter, gewerbs-
mäßige Heiratsvermittler und Fremdenführergewerbe.
25. Juli 1938: In einer „Vierten Verordnung zum Reichsbürgergesetz"
werden die Bestallungen jüdischer Ärzte aufgehoben.
30. November 1938: Mit diesem Tage tritt eine „Fünfte Verordnung
des Reichsbürgergesetzes" in Kraft, die die Stellung jüdischer Rechts-
anwälte im alten Reichsgebiet aufhebt. In der Ostmark wird die gleiche
Maßnahme grundsätzlich zum 31. Dezember 1938 durchgeführt. Deutsche
werden wieder vor deutschen Gerichten nur noch durch Deutsche ver-
treten und von deutschen Rechtsanwälten beraten. Für jeden jüdischen
Bevölkerungsteil bleibt, solange er noch vorhanden ist, eine gewisse An-
zahl jüdischer Rechtsanwälte zur Verfügung. Diese Zahl wird für das
gesamte Reich zur Zeit etwa 175 betragen.
Kreuz und Hakenkreuz 22 onq
12. November 1938: Nach dem hinterhältigen jüdischen Mord an dem
deutschen Gesandtschaftsrat Ernst vom Rath in Paris (am 7. November
1938, gestorben am 9. November 1938) werden weitere entscheidende
Maßnahmen zur endgültigen Ausschaltung des Judentums aus dem
deutschen Leben durchgeführt. (Juden ist u. a. vom 1. Januar 1939 ab
der Betrieb von Einzelhandelsverkaufstellen, Versandgeschäften, Bestell-
kontoren sowie der selbständige Betrieb des Handwerks untersagt. Juden
können ab 1. Januar 1939 nicht mehr Betriebsführer sein, ab 31. Januar
1939 nicht mehr Zahnärzte, Tierärzte und Apotheker. Juden ist der
Besuch deutscher Schulen nicht mehr gestattet, sie dürfen nur jüdische
Schulen besuchen. Die Juden werden als Träger oder Besucher aller
deutschen kulturellen Veranstaltungen ausgeschlossen. Eine Milliarde
Reichsmark Buße — rund ein Achtel des Vermögens der Juden in
Deutschland — ist an das Reich in bar zu entrichten.
3. Dezember 1938: Eine Verordnung über den Einsatz des jüdischen
Vermögens enthält die gesetzliche Grundlage für die Gesamten tjudung
der deutschen Wirtsche^ft. Besonders wichtig auch für die Entjudung
des Haus- und Grundbesitzes.
5. Antichrists Wüten gegen katholische Priester.
Auf dem Wege über das Judentum sollte dann auch das
Christentum ausgerottet werden. Und das Christentum wollte
man ins Herz treffen in den katholischen Priestern.
Trivial wurde dieses engverbundene Doppelspiel des National-
sozialismus ausgedrückt in dem Spruch, der in der Kantine des
Reichsbahnausbesserungswerkes München-Freimann mit großen
Buchstaben angeschrieben war:
„Wann wird der Menschheit Heil geschaffen?
Wann wird die Welt zum Licht geführt?
Wenn mit dem Darm des letzten Pfaffen
Der letzte Jud erdrosselt wird!"
Etwas ausführlicher und deutlicher konnte die „Reichspost"
vom 18. März 1937 diese Kampfesmethode kennzeichnen, indem sie
berichtet:
„Zuverlässige Zeugen berichten über folgendes Schema für
Christentumshetze, die in den Führer- und Rednerschulen der deut-
schen Glaubensbewegung unter Mitverantwortung nationalsozia-
listischer Parteistellen ins Volk getragen werden:
„Das Judentum ist der Urgrund alles Übels,
Wir können es nicht ausrotten, weil sein Erzeugnis,
das Christentum, mitten unter uns wuchert. Wir
müssen das Christentum ausrotten, um das
Judentum zu besiege n."
„In den Dienst dieser Propaganda ist eine raffinierte Rabbulistik
gestellt, die alle Mittel der Vortragstechnik und geschickter Ge-
schichtsfälschung verwendet."
330
„Dichterische** Ergüsse des Juden-Christenhasses.
„D e u t s c h e L i e d e r r*
Der einheitliche Haß gegen Judentum und Christentum äußerte
sich in manchen Hetzliedern, z. B, in nachfolgenden Gesängen, die
trotz ihrer Roheit und Trivialität von der SA, selbst von jener des
Hochschulamtes, gesungen wurden:
Auf „Judenschande und schwarzes Lumpenpack"!
1. Die alte Judenschande ist endlich ausgefegt,
Die schwarze Lügenbande wühlt weiter unentwegt.
Du, deutsches Volk, sag, muß das sein,
Baß dich bespuckt das schwarze Schwein?
Wenn nicht, so dresche doch darauf,
Daß Funken fliegen hoch hinauf.
Deutsche Männer, deutsche Frauen,
Jetzt ist's genug mit der Faulhaberei.
:/: Deutsche Männer, deutsche Frauen
Haut das schwarze LumpenpackzuBrei!
Und wenn sie Zeter und Mordio schrein,
Haut dann noch einmal fester drein. :/:
2. Wir achten jeden Glauben, ist's auch der unsre nicht.
Doch soll uns keiner rauben, was uns das Höchste ist:
Das deutsche Volk, der deutsche Gott
Steht turmhoch über Pfaffenspott.
Und jeder, der sich daran reibt.
Den hauen wir, daß er liegenbleibt.
;/; Deutsche Männer, . :/:
3. Die Hand dem deutschen Bruder, der ehrlich zu uns kam!
Die Faust in seine Fresse dem schwarzen Hetzkaplan.
Bald wird es Licht, es dämmert schon,
Dann kriegen die Schwarzen ihren Lohn.
:/: Deutsche Männer, :/:
4. An den Galgen, den er längst verdient!
Die Raben warten schon auf ihn.
Erst wenn er baumelt in der Luft,
Sind wir erlöst vom schwarzen Schuft.
:/: Deutsche Männer, :/:
Eine Vollreife Frucht neuheidnischen Geistes und
Hasses ;
„Judenraus. Papsthinaus!"
(Nach der Melodi^: „Vom Barette schwankt die Feder.")
1. Trotzig haben wir gerungen 15 Jahre um die Macht,
und der Sturm ist uns gelungen, wenn auch Rom und Juda lacht.
:/: Juden raus, Papst hinaus, aus dem deutschen Vaterhaus! :/:
2 Nein, wir haben nicht geblutet namenlos und ohne Ruhm,
daß der Deutschen Art verjudet weiter durch das Chri-
[s t e n t u m.
:/: Juden raus :/:
3. Ohne Priester ist begraben worden mancher tote Kamerad,
denn die schwarzen Pfaffen gabeii ihre Gunst dem Weimarstaat.
:/: Juden raus, ....:/:
331
4. Weimarslaat benahm sich christlich, beide Backen hielt er hin.
Feindesliebe lenkt gewißlich Hitlers Kämpfern nicht den Sinn.
:/: Juden raus, . :/:
5. Warum hat. die Christenlehre deutsclie Werte nicht geweiht,
Blut und Boden, Treue, Ehre, Arbeit und Wahrhaftigkeit?
:/: Juden raus, :/:
6. Fort mit eurer Judenbibel, eurer salbungsvollen Art,
Knechtsinn, Demut sind von Übel. Wir sind aufrecht, stolz und hart.
:/.• Juden raus :/;
7. Mag der Christ auch Palästina Jahre weihen, Herz und Hand,
wirsind frei vom BergeSina, deutsch ist unser heil'ges
[Land.
:/: Juden raus, :/:
8. Stedinger und Werdens Mannen ziehn mit uns in Sieg und Tod.
Fremde Lehren wpll'n wir bannen, enden unsre Seelennot.
:/: Juden raus, :/:
9. Papst und Rabbi sollen weichen, Heiden woUn wir wieder
sein,
Nicht mehr in die Kirche schleichen, Sonnenrad führt uns
allein.
;/: Juden raus, Papst hinaus, aus dem deutschen Vaterhaus!!! :/:
Ein Gedicht gleichen Geistes, das im Oktober 1934
in SA-Kreisen zu München verbreitet wurde.
1. Wir sind noch nicht zu Ende,
noch ist der Kampf nicht aus,
zu Fäusten ballt die Hände,
wir gehn noch nicht nach Haus.
Die erste Schlacht gewonnen,
dies war der Anfang nur,
kämpft weiter, Sturmkolonnen,
für Hitlers Diktatur.
2. Solahge noch ein Jude
von seinen Zinsen lebt,
solange noch ein Bonze
an seinem Sessel klebt,
marschieren wir noch immer
in Glauben stark und fest:
vierhundert Tote, Brüder,
die sind noch nicht gerächt.
3. Gedenkt der toten Brüder,
die man zu Grabe trug,
für's Hakenkreuz stürmt weiter,
für das man sie erschlug!
Sie fielen unter Streichen,
getreten und bespuckt,
heut wird das heil'ge Zeichen
auf jeden Schund gedruckt,
4. Solange noch die Pfarrer
von Beichtstuhl und Altar
die deutschen Seelen raffen
als Papstes Streiterschar,
solang die Christenlehre
des Nordens Art verrät,
solang wird deutsche Ehre
vom Judentum geschmäht.
5. Die Reaktion wird munter,
sie meckert frech und frei,
. sie will es noch nicht glauben,
daß ihre Zeit vorbei.
Von anderer Leute Schaffen
sie lebte stets allein:
des deutschen Mannes Arbeit
soll Volksgut immer sein.
6. wie 1.
Gemäß dem oben genannten Schema wandte man nach und
nach alles, was gegen die Juden geschehen war, immer offener und
brutaler auch gegen Christen, insbesonders gegisn die katholische
332 '
Kirche und den katholischen Klerus an. Eine genaue Ermittlung
darüber, was Welt- und Ordensgeistliche ganz Deutschlands an
Maßregelungen seitens der nationalsozialistischen Regierung und
Polizei erlitten haben, ist zur Zeit noch nicht erstellt, unter den
gegenwärtigen Umständen überhaupt noch nicht möglich. Wir
wollen darum gleichsam nur ein paar Durchblicke versuchen,
die schließlich doch geeignet sind, eine Ahnung von dem gewaltigen
Umfang und der bitteren Schwere der Verfolgung des katholischen
Klerus im Dritten Reich zu geben.
A. Ein Blick in die Erzdiözese München:
Über den Klerus der Erzdiözese München und Freising liegen
vorläufig folgende Zahlen vor, ohne daß sie jedoch schon als ab-
schließend bezeichnet werden dürfen
Verwarnungen . .
Geldstrafen . . .
Schulverbot . . .
Ausweisungen . .
Zwangsversetzungen
Schutzhaft . . <
Untersuchungshaft
. Konzentrationslager
Gerichtsverurteilungen
Hinrichtungen . .
Gewaltsame Tötung
N
24
4
85
2
4
10
22
9
12
2
1
B, Ein Blick in die Diözese Würzburg:
Das Bischöfliche Ordinariat Würzburg gibt unterm 5. November
1945 nachfolgenden Überblick über die Drangsalierungen von Bischof
und Klerus, durch die Nazis:
1. Hafner Georg, Pfarrer von Oberschwarzach. Als der Förster von
Oberschwarzach, der in ungültiger Ehe lebte, versehen wurde, ver-
langte der Pfarrer die vorgeschriebene Erklärung.
Bei der Beerdigung, an der auch viele Parteiinstanzen teilnahmen,
wurde diese Erklärung vorgelesen. Seitdem wurde der Pfarrer ver-
folgt. Er war zuerst 4 Monate im Gefängnis, dann 13 Monate in
Dachau. Er wurde dort mehrmals blutig geschlagen.
Am 20. August 1942 starb er aus Hunger und Herzeleid. Sein Vater
und ein Domkapitular durften nach längen Bemühungen den Leich-
nam sehen, ihr Antrag, den Leichnam zur Beerdigung mit nach Würz-
burg zu nehmen, wurde dauernd abgelehnt mit der Begründung, daß
er verbrannt werden müsse.
Die Aschenüberreste wurden 5 Wochen später in Würzburg feierlich
beigesetzt. Der Bischof von Würzburg mit dem Domkapitel und
140 Priestern sowie viele Angehörige der Pfarrei Oberschwarzach
nahmen an der Beerdigung teil.
2. Dum ig Hermann, jetzt Benefiziat in Arnstein, hatte 1940 in einer
Predigt die Unsittlichkeit mancher Soldaten getadelt.
333
Er kam einige Monate in Untersuchungshaft, wurde zu eineinhalb
Monaten Gefängnis verurteilt und nach Abbüßung der Strafe vom
Gefängnis nach Dachau gebracht, wo er 4 Jahre bis Kriegsschluß
wellte.
3. Elsenmann, Pfarrer in Aisleben bei Könlgshofen, hatte wegen
der Aufhebung der Abtei Münsterschwarzach entsprechende Äuße-
rungen bei der Predigt gemacht.
Er war zuerst einige Monate in Haft und dann über 3 Jahre in
Dachau. Als er nach Kriegsschluß in seine Pfarrei zurückkehrte,
bereitete ihm die Pfarrgemeinde einen überaus festlichen Empfang
mit Prozession. Das ganze Dorf war geschmückt. Alle benachbarten
Gemeinden beteiligten sich, eine sogar mit Musik und Prozession.
4. W G i g a n d Konrad, Pfarrer in Hendungen, hatte gegen die Ent-
fernung der Schulkreuze scharf Stellung genommen und wurde des-
halb nach Dachau gebracht.
Nach 9 Monaten hatte seine Schwester mit ihren 6 im Felde weilen-
den Söhnen ein persönliches Bittgesuch an den Führer gerichtet,
worauf er begnadigt wurde.
Es wurde ihm aber bei der Entlassung mitgeteilt, daß er sofort wie-
der nach Dachau gebracht werde und dann nie mehr entlassen werde,
wenn er irgend etwas Ungünstiges über das Lager Dachau aussage.
Er versieht seitdem wieder seine Pfarrei.
5. Heß P. Salesius OSB. hatte an die Wohltäter der Abtei Münster-
schwarzach einige hundert vervielfältigte Briefe hinausgegeben, in
welchen über die Aufhebung der Abtei und die Beschlagnahme der
Häuser Mitteilung gemacht wurde.
Die Gestapo verlangte nähere Angaben, und als dies verweigert
wurde, brachten sie den Pa'ter nach Dachau, wo er bis Kriegsschluß
weilte, also 3 Jahre.
6. Deppisch Gregor, Pfarrer von Unterhohenried,' sollte im Sep-
tember 1944 Aussagen machen gegen seinen wegen „Abhörens feind-
licher Sender und staatsabträglicher Gespräche" angeklagten Lehrer.
Er verweigerte die Aussage und wurde selbst in Haft genommen.
Im April 1945 sollte er mit einem Gefangenentransport von Ebrach
nach Dachau gebracht werden. Es gelang ihm aber, als die Ein-
richtungen des Dritten Reiches zu wanken begannen, sich bei Strau-
bing unter Lebensgefahr zu flüchten und in Sicherheit zu bringen.
Er tut seit Mai 1945 wieder seinen Dienst als Pfarrer von Unter-
hohenried, nachdem er 9 Monate in Haft war.
Die Gemeinde begrüßte ihn herzlich und feierlich.
In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, daß dem Bischof
Dr. Matthias Ehrenfried dreimal sein Palais mit Gewalt ge-
stürmt wurde, am 7. April 1934 von zirka 1500 Universitätstudenten,
meist von der Universität Erlangen, am 28. April 1934 von etwa 500
jungen Leuten, meist von Würzburg, beidemal hatte die Führung der
spätere Regierungsdirektor Dr. Dengel.
Es sollte die Versetzung des Pfarrers von Waldbüttelbrunn ertrotzt
werden. Die Sache endete mit einem Mißerfolg der Demonstranten.
Am 3. Mai 1938 war die dritte Demonstration, bei der etwa 200 De-
monstranten unter Leitung des Lehrers von Holzkirchenhausen verhin-
dern wollten, daß der Pfarrer von Holzkirchenhausen vom Bischof ab-
gesetzt werde. Obwohl die Türe des Palais mit Gewalt erbrochen
wurde, mißlang die Demonstration.
Dem Bischof wurde verboten, bei den Firmungen mit dem Auto
zu fahren.
334
In Würzburg wurde bekanntgegeben, daß alle, die den Bischof be-
suchen, auf der Treppe des Palais photographiert würden, um dann
bestraft zu werden.
Vom Jahre 1935 an wurde die Fronleichnamsprozession, besonders
der Teil mit den Beamten, an mehreren Stellen mit dem Filmapparat
der Gestapo aufgenommen.
. Als der Bischof die Hirtenbriefe in der Kanzlei des Ordinariates
vervielfältigen ließ,, wurden 5 Schreibmaschinen und 1 Vervielfälti-
gungsapparat von der Gestapo beschlagnahmt.
Die Hirtenbriefe mußten von 1936 ab durch Geheimkuriere den
Dechanten zugestellt werden, um sie vor der Beschlagnahme zu be-
wahren.
Vom Domkapitel waren der Generalvikar sowie ein Domkapitular
in dem Kerker der Gestapo in Berlin sowie ein Domkapitular und zwei
Domvikare einige Wochen im Gefängnis.
Domkapitular Harth ist an den Folgen der Aufregung vorzeitig
gestorben.
Vom Diözesanklerus sind zwei Pfarrer im Gefängnis blutig geschla-
gen worden, 141 Priester warenim Gefängnis, einer fast
iy> Jahre lang, die anderen einige Wochen, 78 Priester hatten Schul-
verbot.
Die meisten Priester hatten gelegentlich Konflikte mit den Partei-
instanzen.
C. Blick in zwei Ordensstatistiken:
Die „Gesellschaft vom Göttlichen Wort" (Steyl)
meldet:
In Konzentrationslagern starben: 25 Priester und Theologen und
1 Bruder (einschließlich polnische Mitglieder). Davon wurde einer er-
schossen, einer erhängt,, 2 vergast, 2 totgetreten.
Die Pallottiner (Limburg a. d. Lahn) schreiben:
Von 368 Priestern und 330 Laienbrüdern der deutschen Pallottiner-
provinz wurden
2 Priester enthauptet,
2 Priester in Dachau ums Leben gebracht, .
2 weitere Priester in Dachau gefangen,
dazu weitere 50 — 60 verhaftet und bis zu 2 Jahren
gefangen gehalten.
Regierungsrat Roth, Leiter der kirchlichen Abteilung der Gestapo-
Berlin, sagte zum Rechtsanwalt der Pallottiner: „Wir haben in ganz
Deutschland die Erfahrung gemacht, daß die Menschen, die dem Geist
der Pallottinerpatres erlegen sind, unfähig wurden für die national-
sozialistische Weltanschauung."
Ein besseres Zeugnis als dies aus Feindesmund hätte den Pallot-
tinern nicht ausgestellt werden können.
D. Blicke ins Konzentrationslager:
1. Geistliche Häftlinge aus bayerischen Diözesen:
Erzdiözese München-Freising:
Aigrier Korbinian, Pfarrer 5 Jahre
Hock Dr. Michael, Schriftleiter .... 4 Jahre
Meisel Paul, Stadtpfarrer 4K Monate
Muhler Dr. Emil, Stadtpfarrer ..... 8 Monate
335
INTeuhäusler Joh., Domkapitular • . . . 4 Jahre
Mayer P. Rupert S.J. . . 8 Monate
Müller P. Josef S.J 4 Monate'
Pies P. Otto S.J. i i s 5 . . . . . 4J^ Jahre
Spitzauer P. Josef S.J 4 Monate
Wiedenmann P. Johann S. J 3 Monate.
Erzdiözese Bamberg:
Diözese Augsburg:
Burkhard Joh., Pfanc.- 3 Jahre
Heinzmann Bernhard, Pfarrvikar . . . IH Jahre
Mayr Max, Pfarrer 4% Jahre
Diözese Eichstätt:
Diözese Regensburg:
Hofmeister Korbinian, Abt von Metten . 1 Jahr
Landgraf Johann, Pfarrer 3 Jahre
Rohrmeier Martin, Pfarrer 3% Jahre
Spießl Ludwig, Benefiziat 5% Jahre
Diözese Speyer:
Quack Hermann, Pfarrer ....... 3 Jahre
Römer Heinrich. . 4% Jahre
Seitz Friedrich, Pfarrer .5 Jahre
Diözese Würzburg:
Deppisch Gregor, Pfarrer 9 Monate
Dümig Hermann, Benefiziat 4 Jahre
Eisenmann, Pfarrer . 3 Jahre
Hafner Georg, Pfarrer 13 Monate
Weigand Konrad, Pfarrer 9 Monate
Heß P. Salesius OSB ' . . 3 Jahre
(Gefängnis ging bei fast allen voraus, sogar öfters, wie z. B.
bei Stadtpfarrer Dr. Emil Muhler, P. Mayer usf.)
2. Eine „Geistlichen-Parade" im Kz. Dachau
nach der Liste eines geistlichen Konzentrations-
lagerhäftlings
Der Franziskanerpater Petrus Mangold, kommissarischer
Provinzial vom Sudetengau im Kloster Mährisch-Trübau, hat kurze
Zeit vor seinem Tode im Jahre 1943 nach zwei Jahren Lager-
gefangenschaft ein Verzeichnis der Welt- und Ordensgeistlichen,
das er zusammen mit Pf. Emil Thoma von Eppingen im Kz. Dachau
gefertigt hatte, an Bekannte herausgeschickt. Es ist durchaus nicht
vollständig, bemerkt vielmehr bei einzelnen Gruppen: „Viele in
anderen Blocks" oder ähnliches. Und doch gibt es auch schon in
336
seiner Unvollständigkeit einen Einblick in das viele Leid, das der
katholische Klerus von fast ganz Europa durch den National-
sozialismus zu erdulden hatte (das Verzeichnis reicht bis 3. Mai 1942).
1, Diözese Aachen (Rheinland).
1. Gilz Suitbert, Kaplan in München-Gladbach: in Haft 5. 4. 37 bis
8.1.39; 3.5.39—16.2.41; 11.4.41 gef. in Düsseldorf, seit 16.6.41 in
Dachau.
2. Brasse Theo, Kaplan in Stolberg; in Haft 7. 5. 41 in Berlin; 16. 8. 41
in Dachau.
3. Rindermann Hans, Kaplan und Rektor in Aachen-Forst: in Haft
15.9.41; in Dachau seit 7.1.41.
4. Keller Fritz, Pfarrer in Stolberg: in Haft 15. 11. 41; in Dachau seit
5. 12. 41.
5. Berger Hubert, Pfarrer in Otzenrath: in Haft 22.9.41 in Düssel-
dorf; in Dachau 26. 2. 42,
6. Jansen Nikolaus, Domkapitular in Aachen: in Haft Juli 1941 in
Aachen; in Dachau 26. 12. 41.
2. Diözese Augsburg (Bayern).
1. S e 1 z 1 e Erich, Kaplan in Lechbruck: in Haft 28. 12. 37 in Friedrichs-
hafen; Welzheim 1. 6. 39; Dachau 27. 9. 39; Mauthausen 5. 12. 40;
Dachau 6.3.41.
2. Mayr Max, Pfarrer in Schiltberg: in Haft 25.3.40 in München;
12. 7. 40 in Dachau; 18. 8. 40 in Gusen bei Linz; 18. 12. 40 in Dachau.
3 Heinzmann Bernhard, Pfarrer a. D. in lUerbeuren-Kronburg: in
Haft 6. 1. 41 in Augsburg; 11. 41 in Dachau.
4. P. Dr. theol. Wagner Albrecht (Friedrich), Benediktiner, Kloster
St. Ottilien: in Haft 23. 12. 41.
3. Diözese Berlin.
1. Noleweika Adolf, Pfarrer in Demmin (Pommern): in Haft 20. 9. 40
in Stettin; in Dachau 3. 1. 41.
2. A d a m u s Paul, Pfarrer in Swinemünde (Pommern): in Haft 19. 3. 41
in Stettin; in Dachau 13. 6. 41.
3. Eudenbach Heinrich (Br. Hermann), Ordensbruder der Christ-
königsgenossenschaft in Berlin: in Haft 5. 5. 41 in Berlin; in Dachau
11.7.41.
4. von Sty p-Reko wski Josef, Rektor in Berlin: in Haft 11.9.39;
in Sachsenhausen 23.9.39; in Dachau 14, 12. 40.
4. Erzbistum Breslau.
1. Jorek Otto, Pfarrer in Sommerfeld: in Haft 4.11.38; in Berlin
31.5.39; in Sachsenhausen 14.12.40; in Dachau 26.2.41.
2. Kopera Amand, Pfarrer in Queissen: in Haft 12.9.40 in Liegnitz;
in Dachau 18. 12. 40.
3. Lehmann Georg, Kaplan im General vikariat Breslau: in Haft
3.4.40 in Breslau; 3.2.41 in Liegnitz; in Dachau 11.4.41.
4. Lachawietz Paul, Kaplan in Neusalz/Oder: in Haft 8. 4. 41 in
Liegnitz; in Dachau 4. 6. 41.
5. Scholz Reinhold, Erzpriester, Pfarrer in Ackerfelde: in Haft
27. 4. 40 in Berin; in Dachau 20. 12. 40.
337
6. Bujakowski Georg, Pfarrer in Groß-Schmograd: in Haft 16. 8. 41
in Breslau; in Dacliau 20. 12. 41.
7. K a 1 i g a Johannes, Kaplan in Senftenberg: in Haft 10. 8. 36—12. 2. 41
in Ratitaor; 26.3. in Oppeln; 27.4.41 in Auschwitz; 4.5.41 in Dachau.
5, Diözese Brunn (Mähren).
1. Haunstein Peter, Dechant, Pfarrer in Sitzgras: in Haft 21.7.39
in Wien; 25.11.39 in Sachsenhausen; in Dachau 14.12.40.
2. Wallouschek Josef, Administrator von Auspitz: in Haft 7.7.41
in Wien; in Dachau 11.9.41.
6. Diözese B u d w e i s (Böhmen).
1. Thema Johann, Administrator in Schüttwa: in Haft 15.2.41 in
Karlsbad; in Dachau 11. 7. 41.
2. Klima Leopold, Monsignore, Archidiakon (Erzdechant) : in Haft
19. 6. 41 in Karlsbad; in Dachau 29. 8. 41.
3. Bio Chi Engelbert Franz, Zisterzienserkloster Hohenfurth, Pfarrer
in Priethal: in Haft 17.8.40 in Lienz; 21.12.40 in Garsten; 17.8.41
in Linz; in Dachau 3. 11, 41.
7. Diözese . Burgenland (Nieder-Donau).
1. Schmalzl Johann, Pfarrer in Kirchfidisch: in Haft"9. 12. 41 in
Graz; in Dachau 31.1.42.
3. P. Wolf Richard Peter, Zisterzienser des Stiftes Heiligenkreuz
(Wien), Pfari-er in Mönchhof: in Haft 8.9.41 in Wien; in Dachau
3. 11. 41.
8. Diözese Eichstätt (Bayern).
1. Breitenberger Franz, Kapuzinerbruderkandidat, Kloster Eich-
stätt: in Haft 7. 2. 41 in Nürnberg; in Dachau 5. 6. 41.
9. Diözese Feldkirch (Vorarlberg).
1. Schelling Georg, Benefiziat in Bregenz: in Haft 21. 3. 38— 3L 5, 38
in Dachau; 26. 9. 39 in Buchenwald; in Dachau 6. 12. 40.
2. Knecht Alois, Pfarrer in Meiningen (Vorarlberg): in Haft 10.10.39
in Bregenz; 27. 1. 40 in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
10. Diözese E r m 1 a n d (Ostpreußen).
1. Szudzinski
2. Czechowski Hubert, Pfarrer in Schellen: in Haft 1.11.41 in
Allenstein (Ostpr.); in Dachau 5.1.42.
3. Olsche wski Leo, Propst in Tilsit: in Haft 25.8.41; in Dachau
15,12.41.
4. Pruskowski Robert, Kuratus in Wengoyen: in Haft 29. 7. 40 in
Alienstein; 25.9.40 in Dachau; 11.12.40 in Buchenwald; in Dachau
5. 9. 41.
5. Dresbach, Kaplan in Allerstein (Priester der Erzdiözese Köln):
in Haft in Dachau Juli 1941.
11. Erzbistum Freiburg (Baden).
1. Schneider Richard, Pfarrer in Beuggen: in Haft 7.9.40 in
Waldshut; in Dachau 22. 11, 40.
2. Bernhard Adolf, Pfarrer in Hondingen i. R.: in Haft 3.4.40 in
Villingen; in Dachau 21. 3, 41.
338
3. Kiesel Emil, Kaplan in Pforzheim, St. Franziskus: In Haft in
Dachau 14.12.40.
4. T r ü b y Josef , Pf arrer a. D. in Rippoldsau.
5. Maurath Ferdinand, Kaplan in Karlsruhe: in Haft 2.5.41 in
Karlsruhe; in Dachau 28.4,41,
6. Köhler Wilhelm, Pfarrer in Görwihl: in Haft in, Dachau Aug. 41.
7. Thoma Emil, Pfarrer in Eppingen: in Haft 2.7.41 in Heidelberg;
in Dachau 10.9.41.
8. Hahn Hermann, Pfarrer in Riedböhringen: in Haft 2.9,41 in Kon-.
stanz; in Dachau 3. 10. 41.
9. Hemmer Friedrich, Pfarrer in Wiesenbach: in Haft 20,- 8. 41 In
Heidelberg; in Dachau 10. 10, 41,
10, Riesterer Albert, Pfarrer in Mühlhausen bei Konstanz: in Haft
1.7,41 in Konstanz; in Dachau 14.4.41.
11, Schwall Johann, Pfarrer in Raithaslach-Freiburg: in Haft 9.10.41
in Konstanz; in Dachau 12.12.41.
12, Lal?:omi, Herz- Jesu-Priester, Freiburg.
12, Diözese Fulda (Hessen-Nassau),
1. Vogt Gustav Albert, Pfarrer in Deuna, Kreis Gorbis (Sachsen):
in Haft 4,10,40 in Erfurt; in Dachau 25,5,41.
2. T r a g e r : in Haft Mitte Dezember 41 in Dachau; gestorben Mitte
Januar 42.
3. Huth Dr. jur. Heinrich, Kaplan in Weyhers (Rhön): in Haft 1940
in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
4. Albinger Josef, Kaplan' in Hanau a. Main: in Haft 8.11.41 in
Frankfurt a. M.; in Dachau 6.2.42.
5. AvereschP. Josef, Redemptorist in Heiligenstadt (Eichsfeld) : in
Haft 6.2.41 in Erfurt; 19.7.41 in Buchenwald;, in Dachau 19.9.41.
6. Schmitt P. Karl, Salesianer in Kassel-Bettenhausen: in Haft
19. 10. 39 in Kassel; 7. 3. 40 in Sachsenhausen; in Dachau 14. 12. 40.
7. B r u n k e P. Thaddäus (Wilhelm) Guardian, Franziskaner, Kloster
Frauenberg: in Haft 14.12,40 in Fulda; 26.12.40 in Breitenau; in
Dachiau 16,5,41.
13. Diözese Gurk in Klagenfurt (Kärnten).
1. Singer Stefan, Dechant, Ehrendomherr in Kappel a. d. Drau: in
Sachsenhausen im Bunker; in Dachau im Bunker.
2. Kutaj Anton, Pfarrer in St, Michael-Bleiberg: in Haft Juni 1940
in Dachau; 16. 8, 40 in Mauthausen; 8. 12, 4Ö in Dachau; gestorben
in Dachau Mitte Februar 1941.
3. G e r a m b Dr, Stadtpfarrer in Ferlach,
4. Pollak, Pfarrer in St, Kanzian,
5. Hornböck Johann, Dechant in Mies: in Haft 11.4.41 in Prävali;
16. 4. 41 in Klagenfurt; in Dachau 21, 7. 41,
6. L'hoste Klaus, Pfarrer in Mörtschach: in Haft 26.3.39; in Lienz
(Osttirol);' 6. 5. 39 in Klagenfurt; 9.9,39 in Dachau; 27,9.39 in Flos-
senbürg (Opf.); 2.3.40 in Dachau; 16,8,40 in Mauthausen-Gusen;
in Dachau 18, 12. 40.
7. Leeb Marzellus, Pfarrer Zedlitzdorf: in Haft Mai 1940 in Dachau;
16.8.40 in Mauthausen-Gusen; gestorben 1.12.40 in Gusen.
8. Kasimir P, (Benediktiner), Olivetaner der Abtei St. Josef auf
Tanzenberg bei Maria-Saal: in Haft in Dachau Sommer 1940; jetzt?
339
9. Zwacka, Kaplan in Obervellach: Gestorben 8.12.41 im Abort des
Transportzuges von Gusen nach Dachau.
10. Schuster Dr. Otto, Pfarrer in Vorderberg im Geibtal: in Haft
seit 1939 Klagenfurt, Garsten; in Dachau 17, 4. 1942.
14. Diözese Hildesheim (Hannover).
1. Jäger Johannes, Kaplan in Goslar: in Haft 29. 4. 41 in Goslar, in
Dachau 13. 6. 41.
2. Hacke tal Christoph, Pfarrer in Bad Harzburg: in Haft 18. 4. 41
in Hallendorf, in Dachau 8. 8. 41.
3. K ö 1 1 e r Heinrich, Kaplan in Duderstadt-Laggenbeck: in Haft
3. 10. 41 in Duderstadt; 31. 10. Libenau a. d. W.; in Dachau 5. 12. 41.
15. Diözese Innsbruck (Tirol).
1. Steinkelderer Jos. Dr., Katechet in Innsbruck: in Haft 1939 . . .
2. Wiirl Siegfried, Pfarrer a. D.: in Haft 22. 9. 1939 in Innsbruck,
7. 11. in Sachsenhausen-Oranienburg bei Berlin; in Dachau 15. 12. 40.
3. Lampert Karl, Generalvikar in Innsbruck; in Haft Sept. 1940 in
Innsbruck, in Dachau 12. 12. 40.
4. S e i t z Josef, O.-Prämonstr. Chorherr Stift Wilten, Gries in Hall ein
(Tirol): in Haft 5. 12. 41 im Auffanglager Reichenau, 8. 12. 42 in
Dachau.
5. Neuruhrer, Pfarrer in Göttbus b^i Innsbruck: in Haft 1938 in
Dachau, gestorben 1940 in Buchenwalde.
16. Diözese Kattowitz (Oberschlesien).
Viele in anderen Blocks.
17. Erzbistum Köln (Rheinland).
1. Doppelfeld Franz, Pfarr-Rektor in Neuß-St. Elisabeth: in Haft
12. 5. 41 in Düsseldorf, in Dachau 22. 8. 41.
2. Theißen Alois, Rektor, Deutsch-Seelsorger in Haarlem (Holland):
in Haft 20. 9. 40 in Amsterdam und Berlin, in Dachau 20. 6. 41.
3. Kilinski.
4. D r e s b a c h (s. Ermland ^r. 5).
5. Rohling P. Engelbert, Oblaten-Priester in Essen-Borbeck: in Haft
28. 10. 41 in Münster, in Dachau 26. 12, 41,
6. Werhahn Hermann Josef,- Kaplan in Essen-Margarethenhöhe,
Rektor z. hl. Familie: in Haft 6. 10. 39 in Essen, 9. 12. 39 in Sachsen-
hausen, 14. 12. 40 in Dachau.
18. Diözese Königgrätz (Böhmen).
1. Bradler Wenzel, Pfarrer in Michelsdorf bei Landskron: in Haft
21.5.41 in Troppau; in Dachau 25.8.41.
2. Linhart Erich, Administrator in Bassek (Diöz. Leitmeritz) und
Kaplan von Rochlitz: in Haft 23. 5. 41 in Hohenelbe, in Dachau
29. 8. 41.
3. Fischer P. Joseph, Pallottiner, Kloster Vallendar-Schönstatt
(Trier), Pfarradministrator in Großstiebnitz: in Haft in Dachau
18. 4. 41 und 6. 6, 41.
19. Diözese Kulm (Westpreußen).
1. Juchta Josef, Kaplan in Wielle: in Haft 27. 10. 39 in Stutthof,
Sachsenhausen, Dachau.
340
20. Diözese Leitmeritz (Böhmen).
1. Bochnia Hieronymus, Pfarrer in Podersaneka, R.B. Karlsbad: in
Haft 25, 10. 40 in Karlsbad, in Dachau 27. 1. 41.
2. Langhans Alois, Stadtkaplan in Kaaden: in Haft 19. 10. 40 in
Karlsbad, 13. 12. 40 in Dachau, Überst. 9. 4. 42, wieder in Dachau
24. 4. 42
3. Schneider Frz., Pfarrer von Sebastiansberg (ehem. Salvatorianer).
4. Schierling Hans, Administrator in Brunnersdorf bei Kaaden:
in Haft 22.8.41 in Karlsbad; in Dachau 17.10.41.
5. Ullrich Franz, Kaplan in Lobenau: in Haft 20. 12. 41 in Warns-
dorf ; 28. 1. 40 in Reichenberg; in Dachau 13. 2. 42.
6. Franzen Robert, Pfarrer in Rosendorf: in Haft 22. 4, 41 in Te-
schen; 27. 8. 41 in Sachsenhausen; in Dachau 13. 2. 43.
7. Bioly Peter, Pfarrer in Seltsch bei Saaz; seit 18.4.1940 verhaftet.
(Leitmeritz — Waldheim Karlsbad — Dachau.) 3. 5. 42 auf Invaliden-
transport geschickt, unbel^annt wohin.
21, Diözese L e s 1 a u (Warthegau).
Viele in anderen Blocks. Darunter Weihbischof K o z a 1.
22. Diözese Limburg. (Hessen-Nassau).
1. Hurm.
2. Breithecke r.
3. S p i X P. Walter, Superior und Vize-Provinzial im Kloster Arn-
stein [Lahn]: in Haft 19,11,41 in Limburg; in Dachau 30.1.42,
4. Michel P. Justus (Karl), Guardian, Franziskaner, Kloster Hada-
mar: in Haft 1, 3. 39 in Freiendietz/Limburg; 4. 1. 40 in Sachsen-
hausen; in Dachau 14. 12. 40.
23. Linz (Ober-Donau).
1. Mager Johann (Altmann), reg. Chorherr des Stiftes Schlägl, Prä-
monstra tenser; in Haft 4. 1. 39 in Linz; in Dachau 28. 10. 40.